Anatol (eBook)
288 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490826-7 (ISBN)
Arthur Schnitzler wurde am 15. Mai 1862 in Wien geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin, wurde Assistenzarzt an der Poliklinik und dann praktischer Arzt, bis er sich mehr und mehr seinen literarischen Arbeiten widmete. 1891 wurde Schnitzlers erstes Theaterstück uraufgeführt, 1895 erschien Schnitzlers erstes Buch bei S. Fischer in Berlin. Schnitzler starb als einer der größten österreichischen Erzähler und Dramatiker am 21. Oktober 1931 in Wien.
Arthur Schnitzler wurde am 15. Mai 1862 in Wien geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin, wurde Assistenzarzt an der Poliklinik und dann praktischer Arzt, bis er sich mehr und mehr seinen literarischen Arbeiten widmete. 1891 wurde Schnitzlers erstes Theaterstück uraufgeführt, 1895 erschien Schnitzlers erstes Buch bei S. Fischer in Berlin. Schnitzler starb als einer der größten österreichischen Erzähler und Dramatiker am 21. Oktober 1931 in Wien.
Die Szene stellt einen Saal vor, der durch einen Vorhang abgeteilt ist; dieser ist zu Beginn des Stückes geschlossen. Links vom Zuschauerraum, gegen die Mitte der Bühne zu, ein Diwan, links und rechts je eine Tür. Links, dem Vorhange nahe, stark in die Kulisse gerückt, eine auf hohem Sockel stehende Marmorbüste. – Die Königin Maja vor der Büste, ihr zu Füßen Zoë, Blumen aus einem Korb der Königin reichend. Die Königin schmückt die Stirn der Büste mit den Blumen.
DIE KÖNIGIN
Dem großen Meister aller Melodei
Nah’ ich mich nun in Ehrfurcht und Entzücken.
Die schönsten Blumen, Mädchen, bring’ herbei,
Um diese edle Marmorstirn’ zu schmücken!
So – diese hier – und diese – jene nicht!
Ein Ruhmeskranz, den die Begeist’rung flicht,
Darf in den reinsten Farben nur erblüh’n!
Matt sind die Rosen – und sie sollten glüh’n!
Ich hätte gern den schönsten Kranz gewunden.
ZOË
Die Blumen, Königin, hab’ ich gefunden;
Sie wachsen in dem wundersamen Beet,
Das unter deinen Fenstern prangend steht!
KÖNIGIN
O, selber pflücktest du?! Mein gutes Kind!
IRSIL
am Eingange stehend, ungesehen
Wie sie entzückt, wie sie andächtig sind!
KÖNIGIN
Du liebst ihn so wie ich – und seine Sänge
Berauschen dein jungfräulich’ Herz wie meines!
IRSIL
wie oben
Für meine Melodei’n jedoch schlägt keines –
Als wenn mir nie ein schönes Lied gelänge!
KÖNIGIN
Du schweigst, mein Kind?! Und überkommt’s dich nicht
Vor diesem Bild – in seinem Angesicht –
Mit einer heiligen und süßen Scheu?
ZOË
O Königin! Auch ich verehre treu
Wie du – die großen hingeschied’nen Geister.
Gewahrt Irsil, errötend
… Doch lieber sind mir die lebend’gen Meister!
IRSIL
Da schmückt sie nun den kalten Marmelstein –!
Mit dieser Hand, so warm, so zart, so klein,
Berührt sie eine Stirn, die nichts empfindet.
Der Kranz, den sie um jene Stirne windet,
Bald welkt er auf dem kalten Marmor hin –
Dem nie bewußt, welch’ Glück ihm heut’ erschien.
KÖNIGIN
O, daß uns schon sein großer Geist entschwebte!
Wie mußte man ihn lieben, da er lebte –
Ihn, der für alles, was uns tief erregt,
Den reinsten Ton, das schönste Lied ersonnen,
So daß die Seel’, im Innersten bewegt,
Mitklingt, mitrauscht gleich jenem Märchenbronnen,
Aus dessen Tiefen Nixen Antwort singen,
Wenn fernher Sturmwind naht auf Wolkenschwingen!
IRSIL
So raubt mir jener längst verstorbene Mann,
Was mich Lebendigen nur entzücken kann!
Vergebens in die starren Augen dort
Ist meiner hehren Fürstin Blick gewendet.
Und ach, der glühenden Begeist’rung Wort –
Wie ist’s an dieses taube Ohr verschwendet!
O, könnt’ ich doch mit diesem Marmor tauschen,
Statt hier zu steh’n, ohnmächtig, und zu lauschen
Von fern, wie ein Verdammter und zu leiden!
ZOË
… Dort an der Türe, Königin, bescheiden
Lehnt unser junger Musikus allein.
MAJA
Ach, Irsil! Ruf ihn näher –!
ZOË
freudig Tretet ein!
IRSIL
tritt ein, verbeugt sich tief.
MAJA
Was bringt Ihr, junger Künstler?
IRSIL
Königin!
Ich habe dieses Notenblatt gefunden,
Das Euch zu reichen ich so glücklich bin.
MAJA
Sein letztes Lied –? Ich dacht’ es längst verschwunden.
IRSIL
Alkandi’s Lied, von seiner Hand geschrieben –!
Seit Jahren war’s in einem Pult verblieben,
Mit andern alten Schriften dort versteckt!
Durch einen Zufall hab’ ich’s heut entdeckt –
MAJA
Viel Dank dem wackeren Manne, der es fand!
Dies also ist des großen Meisters Hand?
IRSIL
… Das letzte Werk des unvergess’nen Toten!
MAJA
Vergilbt ist das Papier – verwischt die Noten –
Und doch durchströmt nun des Gemaches Luft
Ein and’rer, frischer – nicht des Moders Duft!
Der Frühling selber ist’s, der uns umschwebt!
Ein jedes dieser Zeichen klingt und lebt –
Und sagt uns, daß nichts Großes sterblich ist,
Daß nur der Arme starb – den man vergißt!
… Wie kommt das Blatt zu Euch jedoch? – Sagt an!
IRSIL
Mein Vater war ein kunstbefliss’ner Mann;
In uns’rem Hause, jedem Edlen offen,
Hat man der Künstler beste angetroffen –
Alkandi auch ging bei uns aus und ein.
MAJA
Wie mußte dieses Haus beneidet sein!
Und Ihr – Ihr sah’t ihn?
IRSIL
Ach, zu jener Zeit
… Ein Knabe war ich – und mein ganzer Sinn
Auf eitel Spiel gerichtet – Königin!
Verschlossen war mir aller Kunst Bereich,
Und Stümper oder Meister galt mir gleich!
MAJA
Doch habt Ihr im Gedächtnis noch sein Bild,
Das tiefe Aug’ – die Haare lockig wild?
IRSIL
Ja, noch gedenk’ ich seiner, doch er war
Ein Greis zu jener Zeit; das wilde Haar
Ein wenig zahm geworden; auch das Blinken
Der Augen etwas matt, so will’s mich dünken!
Doch täusch’ ich leicht mich so im Rückwärtsblicke,
Weil er ja Brillen trug sowie Perücke!
MAJA
Ich aber seh’ ihn anders – jung vor mir,
Denn ew’ge Jugend ist des Künstlers Zier.
Wenn seines Geistes Flammen nicht erkalten,
Erspäh’ ich nimmer seiner Stirne Falten;
Sein Aug’, selbst wenn es trüb, ja, wenn’s erblindet,
Des Innern Glanz geheimnisvoll verkündet! –
Und nun – laßt uns geweihten Raum betreten!
Den König auch hab’ ich zu mir gebeten,
Auf daß er nach des Tages Einerlei
Sich freuen mag an holder Melodei,
Wie sie dem Sinn des müden Denkers frommt!
Nun wollen wir, bevor mein Gatte kommt –
Zu Irsil
Und Ihr sollt auf der Harfe mich begleiten –
Zum Vortrag dieses Liedes uns bereiten.
Der König tritt ein.
ZOË
Der König naht –!
MAJA
Ich grüß’ Euch – mein Gemahl!
ASSAD
Hier bin ich, wie’s die Königin befahl!
Wer folgte nicht dem Ruf aus solchem Munde –?
… Ah, Zoë! Wahrlich schöner jede Stunde!
Und Irsil – unser lieber Musikus –
Da wartet meiner wohl ein Kunstgenuß –?
MAJA
Musik …!
ASSAD
… Musik!
MAJA
Ihr scheint nicht sehr entzückt?
ASSAD
Oh doch – nur find ich nicht das rechte Wort
Zu sagen gleich, wie sehr es mich beglückt!
Wie schön bekränzt ist doch die Büste dort –
MAJA
Alkandi’s Marmorbild –
ASSAD
… Es ist wohl heut –
Gedenktag, daß wir diesen Mann verloren,
Wie? Oder hundert Jahr’, daß er geboren –?
MAJA
Dies Bildnis schmück’ ich, wann’s mein Herz gebeut!
Doch ist’s ein Festtag wahrlich ohnegleichen,
Denn hört: zu singen ist mir heut vergönnt,
Aus einem alten Blatt, das niemand kennt –
Und dieses sind des Meisters eigne Zeichen.
Nun! Ist’s ein Festtag –?
ASSAD
Ja – nun seh’ ich’s ein.
MAJA
Ich harrte Euer – tretet mit uns ein –
ASSAD
Zu viel der Gnade gießt Ihr über mich!
Wie ich so hohes Glück nur tragen lerne –
MAJA
So kommt mit mir! Dies Glück gönn’ ich Euch gerne.
ASSAD
Ihr wißt, wie tief an süßen Liedern sich
Mein Herz erfreuen mag – zumal von ferne!
MAJA
befremdet
Ihr meint –
ASSAD
… Ich meine: daß ein Sang verhallend,
Im letzten Hinklang leise mich umwallend,
Mit tief’rer Rührung mein Gemüt umschlingt,
Als wenn er laut mir in die Seele dringt.
MAJA
… Ihr meint –
ASSAD
Ich meine: daß nur dann ein Lied
In wahrhaft reiner Schönheit uns umfängt,
Wenn es wie Geisterhauch die Luft durchzieht,
Uns nicht mit körperlicher Macht umdrängt,
Den Ton zu hören, will ich mich gewöhnen,
Das körperlose Spiel – das nicht zu fassen,
Mich durch die Spielerei nicht stören lassen.
Nicht ahnen will ich, daß die Tasten tönen,
Nicht wissen, wie’s der arme Atem macht,
Bis er mit Müh’ den Klang hervorgebracht.
Das ist’s, warum Natur so herrlich wirkt,
Weil sie uns ihre Arbeit stets verbirgt.
Wir sehen das Geschaff’ne wahr und groß,
Kunst ringt sich niemals ganz vom Künsteln los.
MAJA
Mit einem Wort – dieweil im reichen Segen
Uns eines Meisters letzter Gruß...
Erscheint lt. Verlag | 6.3.2018 |
---|---|
Reihe/Serie | Das dramatische Werk |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | Alkandi's Lied • Anatols Größenwahn • Anatol-Szenen • Das Märchen • Die Blasierten • Drama • Eifersucht • Einakter-Zyklus • Frau • Jahrhundertwende • Liebe • Moderne • Sexualmoral • Wien |
ISBN-10 | 3-10-490826-5 / 3104908265 |
ISBN-13 | 978-3-10-490826-7 / 9783104908267 |
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