Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung (eBook)
208 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490718-5 (ISBN)
Dieter Forte, 1935 in Düsseldorf geboren, gestorben 2019 in Basel. Seine hoch gerühmten Romane »Das Muster«, »Tagundnachtgleiche« (ursprünglich »Der Junge mit den blutigen Schuhen«), »In der Erinnerung« und »Auf der anderen Seite der Welt« bilden die »Tetralogie der Erinnerung«. Als Theaterautor gelang Forte mit »Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung« ein Welterfolg, dem weitere Dramen, erfolgreiche Fernsehspiele und preisgekrönte Hörspiele folgten. Zuletzt erschien »Als der Himmel noch nicht benannt war«. Über seine Arbeit gibt Auskunft der Materialienband »Es ist schon ein eigenartiges Schreiben ...«, herausgegeben von Jürgen Hosemann.Literaturpreise:In Auswahl:2005 Niederrheinischer Literaturpreis2005 Johann-Jakob-Christoph von Grimmelshausen-Preis2004 Hans-Erich-Nossack-Preis2003 Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft Düsseldorf1999 Bremer Literaturpreis1992 Basler LiteraturpreisStipendien der Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen und des Deutschen Literaturfonds Darmstadt1980 Fernsehspiel des Monats Oktober (für: Der Aufstieg)1980 Hörspiel des Monats Juli (für: Sprachspiel)
Dieter Forte, 1935 in Düsseldorf geboren, gestorben 2019 in Basel. Seine hoch gerühmten Romane »Das Muster«, »Tagundnachtgleiche« (ursprünglich »Der Junge mit den blutigen Schuhen«), »In der Erinnerung« und »Auf der anderen Seite der Welt« bilden die »Tetralogie der Erinnerung«. Als Theaterautor gelang Forte mit »Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung« ein Welterfolg, dem weitere Dramen, erfolgreiche Fernsehspiele und preisgekrönte Hörspiele folgten. Zuletzt erschien »Als der Himmel noch nicht benannt war«. Über seine Arbeit gibt Auskunft der Materialienband »Es ist schon ein eigenartiges Schreiben …«, herausgegeben von Jürgen Hosemann. Literaturpreise: In Auswahl: 2005 Niederrheinischer Literaturpreis 2005 Johann-Jakob-Christoph von Grimmelshausen-Preis 2004 Hans-Erich-Nossack-Preis 2003 Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft Düsseldorf 1999 Bremer Literaturpreis 1992 Basler Literaturpreis Stipendien der Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen und des Deutschen Literaturfonds Darmstadt 1980 Fernsehspiel des Monats Oktober (für: Der Aufstieg) 1980 Hörspiel des Monats Juli (für: Sprachspiel)
Podest links
Feilitzsch zeigt Friedrich einige neue Reliquien.
FEILITZSCH
Ein Armknochen des Heiligen Benno.
FRIEDRICH
Schönes Stück. Herrlich. Und genausolang wie meiner.
Spalatin kommt auf das Podest.
FEILITZSCH
Ein Kamm der Heiligen Ursula mit 17 Haaren.
FRIEDRICH
Süß. Zu Spalatin Die neuesten Heiligtümer der Frankfurter Messe.
SPALATIN
Ich habe die Rechnung gesehen.
FRIEDRICH
Der Preis spielt keine Rolle. Qualität. Qualität. Wenn das Volk auf seinen Knien durch die Kirche rutscht, muß man ihm auch etwas bieten. Das Volk darf man nicht betrügen, nicht wahr, Spalatin?
SPALATIN
Nie, Kurfürstliche Gnaden.
FRIEDRICH
Qualität macht sich immer bezahlt.
FEILITZSCH
Eine Flasche Milch von der Heiligen Jungfrau Maria.
FRIEDRICH
Köstlich. Köstlich. Ein Schatz. Wieviel Flaschen haben wir jetzt schon?
FEILITZSCH
Fünf.
FRIEDRICH
– Echt?
FEILITZSCH
Gutachten der berühmtesten Universitäten von Paris und Basel liegen vor. Es handelt sich um eine sehr frühe Milch. 10 Tage nach der Geburt.
FRIEDRICH
Das Jahrhundert der Wissenschaft. Es ist eine Lust zu leben. Was sagen Sie zur Post, Spalatin? Der Papst sendet neue Ablässe. Wir werden viel, viel Geld verdienen. Die Sache läßt sich besser an, als ich dachte. Der Mann soll seine Kutte haben.
SPALATIN
Der Adel unterstützt an vielen Orten die Verbreitung der Thesen.
FRIEDRICH
Das glaub ich.
SPALATIN
Auch das Volk hat sehr positiv reagiert.
FRIEDRICH
Da sehen Sie mal wieder. Das Volk wird immer unterschätzt.
SPALATIN
Kurfürstliche Gnaden sind heute wieder zu gütig.
FRIEDRICH
Ich weiß, ich weiß. Und damit auch der Papst weiß, wie das Volk denkt, soll dieser Mensch seine Thesen auch nach Rom schicken. Ein hübsches Begleitschreiben dazu, bißchen diplomatisch, aber das setzen Sie ihm auf. Überhaupt wäre es gut, wenn Sie ein Auge auf seine Arbeiten hätten. Damit das in den richtigen Bahnen läuft.
SPALATIN
Er zeigt mir alles, was er schreibt.
FRIEDRICH
Das ist vernünftig. Meinen Sie, er schafft es – so ganz alleine?
SPALATIN
Man muß es abwarten.
FRIEDRICH
Das ist mir zu unsicher. Wen haben wir denn noch?
SPALATIN
Karlstadt.
FRIEDRICH
Taugt er was?
SPALATIN
Ein radikaler Kopf.
FRIEDRICH
Vielleicht sollte man für Verstärkung sorgen.
SPALATIN
Wenn es ernst wird, brauchen wir einen Mann, der Luthers Arbeiten wissenschaftlich absichert, der auch Griechisch und Hebräisch kann.
FRIEDRICH
Haben sie einen?
SPALATIN
Melanchthon. Noch sehr jung, aber ein sehr intelligenter Bursche.
FRIEDRICH
Lassen Sie ihn kommen. Wir brauchen jetzt diese jungen Leute. Ein bißchen revolutionär schadet gar nichts. Wir leben in einer unruhigen Zeit. Alles ist im Umbruch. Da soll man an Intelligenz nicht sparen. Außerdem ist sie billig.
SPALATIN
Die jungen Leute machen sich natürlich Sorgen.
FRIEDRICH
Sagen Sie ihnen, daß sie unter unserem kurfürstlichen Schutz stehen. Es wird ihnen nichts passieren. Sie sind unsere lieben jungen Leute, auf die wir ein gnädiges Auge haben werden. Und dem Luther richten Sie aus, er soll ja standhaft sein. Wir setzen große Erwartungen in seine Standhaftigkeit. Haben Sie die Akten für den Augsburger Reichstag?
SPALATIN
Im Kabinett.
FRIEDRICH
Daß wir uns da gut vorbereiten. Nimmt die Milchflasche in die Hand Wirklich echt?
FEILITZSCH
Gutachten von –
FRIEDRICH
Weiß weiß. Er schnuppert an der Flasche und trinkt dann einen Schluck Himmlisch.
Alle ab.
Heitere Musik. Auf die Tische werden Getränke und Delikatessen gestellt. Bis zum Ende der Luther-Cajetan-Szene entwickelt sich auf der ganzen Bühne eine Freß- und Sauforgie. Links ein Diener. Fugger kommt von hinten an die Rampe. Gäste strömen herein.
FUGGER
Meine Herren, ich begrüße Sie auf dem Reichstag zu Augsburg. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl in meinem Haus.
DIENER
ruft Kardinal Albrecht von Brandenburg.
ALBRECHT
tritt auf Kardinal! Mein lieber Fugger, Kardinal!
FUGGER
Ich gratuliere. Wann werden Sie Papst?
ALBRECHT
Eine Geldfrage, nur eine Geldfrage. Er dreht sich Steht es mir?
FUGGER
Ausgezeichnet.
ALBRECHT
Ich finde, es gibt einem so etwas Göttliches.
FUGGER
Ich weiß nicht, was Gott zur Zeit trägt.
ALBRECHT
Sie sind ein Ketzer, mein Lieber. Ich werde Ihren Scheiterhaufen höchstpersönlich anzünden.
FUGGER
Aber bitte erst, nachdem Sie Ihre Schulden bezahlt haben.
ALBRECHT
Ein Zahlenmensch. Von oben bis unten nur Zahlen. Schlafen Sie auch mit ihnen?
FUGGER
Mit den Nullen.
ALBRECHT
Schrecklich. Apropos Nullen. Was steht denn auf der Tagesordnung?
FUGGER
Kaiser Maximilian möchte Karl zu seinem Nachfolger machen.
ALBRECHT
Sieh einer an. Neuigkeiten. Dieser Kleine da aus Spanien?
FUGGER
Ja.
ALBRECHT
Und da braucht er unsere Stimmen?
FUGGER
Sind Sie für Karl?
ALBRECHT
Wenn ich bezahlt werde, bin ich für alles.
FUGGER
Ich zahle.
ALBRECHT
Für Karl.
FUGGER
verbeugt sich leicht Eminenz.
ALBRECHT
Noch einmal Eminenz, und ich garantiere für nichts mehr.
DIENER
ruft Kurfürst Friedrich von Sachsen
Friedrich tritt auf.
ALBRECHT
Ah, dieser ungebildete Sachse. Wo steht der Wein?
FUGGER
Dort drüben. Zu Friedrich Hatten Sie eine gute Reise?
FRIEDRICH
Ein bißchen weit. Aber neuerdings finden die Reichstage ja nur noch in Ihrem Haus statt.
FUGGER
Es hat sich so ergeben.
FRIEDRICH
Haben Sie jetzt auch schon ein Monopol auf den Reichstag?
FUGGER
Ein reines Verlustgeschäft.
FRIEDRICH
Ich muß mich noch bei Ihnen entschuldigen. Diese dumme Ablaßgeschichte.
FUGGER
Aber lieber Fürst. Keine Ursache.
FRIEDRICH
Sie hatten Verluste.
FUGGER
Kleingeld. Außerdem war ich abgesichert. Wissen Sie, ich habe dem Markt schon lange mißtraut. Die Konjunktur verschiebt sich. Wenn ich Ihnen raten darf, investieren Sie nur noch vorsichtig.
FRIEDRICH
Meine Reliquien gehen noch gut.
FUGGER
Reliquien werden noch eine Weile laufen. Da hat man etwas vor Augen. Man kann daran glauben. Aber dieser Zettelkram ist tot. Was machen Ihre Bergwerke?
FRIEDRICH
Könnte besser sein. Die Arbeiter fehlen.
FUGGER
Wir stecken in einem inflationären Boom. Eine Riesennachfrage, und der Arbeitsmarkt ist leergefegt.
FRIEDRICH
Und die Arbeiter verlangen mehr Lohn. Das macht doch alle Gewinne kaputt.
FUGGER
Ich habe jetzt überall stark rationalisiert. Wir arbeiten nach einem neuen System. Drei Schichten à 7 Stunden.
FRIEDRICH
Wo nehmen Sie die Leute her?
FUGGER
Die Arbeiter dürfen nicht zuviel Lohn bekommen. Dann fahren sie zwei Schichten hintereinander.
FRIEDRICH
Sie werden mehr Lohn verlangen.
FUGGER
Führen Sie einen Lohnstopp ein. Die Löhne niedrig halten, und die Preise kräftig steigern.
FRIEDRICH
Die Arbeiter werden weglaufen.
FUGGER
Verbieten Sie jeden Arbeitsplatzwechsel. Vor allem darf kein Unternehmer einen Arbeiter einstellen, der woanders Unzufriedenheit geschürt hat. Ich empfehle Ihnen das System. Ihr Vetter, Herzog Georg, hat es bereits eingeführt. Er ist sehr zufrieden. Ich bin gerne bereit, Ihnen zu helfen.
FRIEDRICH
Was kostet Ihre Hilfe?
FUGGER
Nicht, was Sie denken, Fürst. Ich besitze die größten und ergiebigsten Bergwerke in ganz Europa. Die paar freien Bergwerke stören mich nicht. Sie sind sowieso auf mich angewiesen. Der große Gewinn liegt nicht in der Förderung, sondern in der Weiterverarbeitung. Die Hüttenwerke, Schmelzwerke, Hammerwerke, Gießereien, Kanonenfabriken. Der Konzern macht es. Da liegt der Gewinn. Ihre Bergwerke und Ihre Hüttenwerke, entschuldigen Sie, das ist ja noch Heimarbeit.
FRIEDRICH
Vergessen Sie nicht, Ihr größtes und modernstes Hüttenwerk liegt in meinem Land und ist auf meinen Schutz angewiesen.
FUGGER
Der ihm hoffentlich für alle Zeit erhalten bleibt.
FRIEDRICH
Hoffentlich. Man weiß ja nie was passiert, und Sie beliefern mit...
Erscheint lt. Verlag | 6.4.2018 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Andreas Rudolf Bodenstein • Basel • Buchführung • Buchhaltung • Drama • Fugger • Karlstadt • Kirchengeschichte • Luther • Martin Luther • Melanchton • Münzer • Philipp Melanchthon • Politik • Reformation • Revolution • Theater • Theaterstück • thomas münzer • Wirtschaftsgeschichte |
ISBN-10 | 3-10-490718-8 / 3104907188 |
ISBN-13 | 978-3-10-490718-5 / 9783104907185 |
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