Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung (eBook)

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
208 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490718-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung -  Dieter Forte
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Seit seiner Uraufführung 1970 in Basel wird dieses große dokumentarische Theaterstück immer wieder neu inszeniert - weltweit. Zudem hat es sich als Lesestück an Schulen und Universitäten einen festen Platz erobert. Sein Thema ist die Expansion der Macht um jeden Preis, gezeigt an einer modellhaften Konstellation. Am Beginn der Neuzeit, in einer Zeit, die von Grund auf in Bewegung geraten ist, in den Jahren 1514 bis 1525, sehen wir die bestimmenden Figuren der Epoche beim Agieren, Platzieren und Platziertwerden: Menschen im Netz der Macht. Es geht um Politik, Wirtschaft, Kirchengeschichte zur Zeit der Reformation, aber vor allem geht es um vier junge Männer: Einer heißt Luther, einer Münzer, die beiden anderen heißen Karlstadt und Melanchton. Es geht um die Einführung der Buchhaltung. Es geht um die erste deutsche Revolution. Dass beides zusammenfällt, ist vielleicht kein Zufall.

Dieter Forte, 1935 in Düsseldorf geboren, gestorben 2019 in Basel. Seine hoch gerühmten Romane »Das Muster«, »Tagundnachtgleiche« (ursprünglich »Der Junge mit den blutigen Schuhen«), »In der Erinnerung« und »Auf der anderen Seite der Welt« bilden die »Tetralogie der Erinnerung«. Als Theaterautor gelang Forte mit »Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung« ein Welterfolg, dem weitere Dramen, erfolgreiche Fernsehspiele und preisgekrönte Hörspiele folgten. Zuletzt erschien »Als der Himmel noch nicht benannt war«. Über seine Arbeit gibt Auskunft der Materialienband »Es ist schon ein eigenartiges Schreiben ...«, herausgegeben von Jürgen Hosemann.Literaturpreise:In Auswahl:2005 Niederrheinischer Literaturpreis2005 Johann-Jakob-Christoph von Grimmelshausen-Preis2004 Hans-Erich-Nossack-Preis2003 Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft Düsseldorf1999 Bremer Literaturpreis1992 Basler LiteraturpreisStipendien der Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen und des Deutschen Literaturfonds Darmstadt1980 Fernsehspiel des Monats Oktober (für: Der Aufstieg)1980 Hörspiel des Monats Juli (für: Sprachspiel)

Dieter Forte, 1935 in Düsseldorf geboren, gestorben 2019 in Basel. Seine hoch gerühmten Romane »Das Muster«, »Tagundnachtgleiche« (ursprünglich »Der Junge mit den blutigen Schuhen«), »In der Erinnerung« und »Auf der anderen Seite der Welt« bilden die »Tetralogie der Erinnerung«. Als Theaterautor gelang Forte mit »Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung« ein Welterfolg, dem weitere Dramen, erfolgreiche Fernsehspiele und preisgekrönte Hörspiele folgten. Zuletzt erschien »Als der Himmel noch nicht benannt war«. Über seine Arbeit gibt Auskunft der Materialienband »Es ist schon ein eigenartiges Schreiben …«, herausgegeben von Jürgen Hosemann. Literaturpreise: In Auswahl: 2005 Niederrheinischer Literaturpreis 2005 Johann-Jakob-Christoph von Grimmelshausen-Preis 2004 Hans-Erich-Nossack-Preis 2003 Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft Düsseldorf 1999 Bremer Literaturpreis 1992 Basler Literaturpreis Stipendien der Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen und des Deutschen Literaturfonds Darmstadt 1980 Fernsehspiel des Monats Oktober (für: Der Aufstieg) 1980 Hörspiel des Monats Juli (für: Sprachspiel)

Podest links


Feilitzsch zeigt Friedrich einige neue Reliquien.

FEILITZSCH

Ein Armknochen des Heiligen Benno.

FRIEDRICH

Schönes Stück. Herrlich. Und genausolang wie meiner.

Spalatin kommt auf das Podest.

FEILITZSCH

Ein Kamm der Heiligen Ursula mit 17 Haaren.

FRIEDRICH

Süß. Zu Spalatin Die neuesten Heiligtümer der Frankfurter Messe.

SPALATIN

Ich habe die Rechnung gesehen.

FRIEDRICH

Der Preis spielt keine Rolle. Qualität. Qualität. Wenn das Volk auf seinen Knien durch die Kirche rutscht, muß man ihm auch etwas bieten. Das Volk darf man nicht betrügen, nicht wahr, Spalatin?

SPALATIN

Nie, Kurfürstliche Gnaden.

FRIEDRICH

Qualität macht sich immer bezahlt.

FEILITZSCH

Eine Flasche Milch von der Heiligen Jungfrau Maria.

FRIEDRICH

Köstlich. Köstlich. Ein Schatz. Wieviel Flaschen haben wir jetzt schon?

FEILITZSCH

Fünf.

FRIEDRICH

– Echt?

FEILITZSCH

Gutachten der berühmtesten Universitäten von Paris und Basel liegen vor. Es handelt sich um eine sehr frühe Milch. 10 Tage nach der Geburt.

FRIEDRICH

Das Jahrhundert der Wissenschaft. Es ist eine Lust zu leben. Was sagen Sie zur Post, Spalatin? Der Papst sendet neue Ablässe. Wir werden viel, viel Geld verdienen. Die Sache läßt sich besser an, als ich dachte. Der Mann soll seine Kutte haben.

SPALATIN

Der Adel unterstützt an vielen Orten die Verbreitung der Thesen.

FRIEDRICH

Das glaub ich.

SPALATIN

Auch das Volk hat sehr positiv reagiert.

FRIEDRICH

Da sehen Sie mal wieder. Das Volk wird immer unterschätzt.

SPALATIN

Kurfürstliche Gnaden sind heute wieder zu gütig.

FRIEDRICH

Ich weiß, ich weiß. Und damit auch der Papst weiß, wie das Volk denkt, soll dieser Mensch seine Thesen auch nach Rom schicken. Ein hübsches Begleitschreiben dazu, bißchen diplomatisch, aber das setzen Sie ihm auf. Überhaupt wäre es gut, wenn Sie ein Auge auf seine Arbeiten hätten. Damit das in den richtigen Bahnen läuft.

SPALATIN

Er zeigt mir alles, was er schreibt.

FRIEDRICH

Das ist vernünftig. Meinen Sie, er schafft es – so ganz alleine?

SPALATIN

Man muß es abwarten.

FRIEDRICH

Das ist mir zu unsicher. Wen haben wir denn noch?

SPALATIN

Karlstadt.

FRIEDRICH

Taugt er was?

SPALATIN

Ein radikaler Kopf.

FRIEDRICH

Vielleicht sollte man für Verstärkung sorgen.

SPALATIN

Wenn es ernst wird, brauchen wir einen Mann, der Luthers Arbeiten wissenschaftlich absichert, der auch Griechisch und Hebräisch kann.

FRIEDRICH

Haben sie einen?

SPALATIN

Melanchthon. Noch sehr jung, aber ein sehr intelligenter Bursche.

FRIEDRICH

Lassen Sie ihn kommen. Wir brauchen jetzt diese jungen Leute. Ein bißchen revolutionär schadet gar nichts. Wir leben in einer unruhigen Zeit. Alles ist im Umbruch. Da soll man an Intelligenz nicht sparen. Außerdem ist sie billig.

SPALATIN

Die jungen Leute machen sich natürlich Sorgen.

FRIEDRICH

Sagen Sie ihnen, daß sie unter unserem kurfürstlichen Schutz stehen. Es wird ihnen nichts passieren. Sie sind unsere lieben jungen Leute, auf die wir ein gnädiges Auge haben werden. Und dem Luther richten Sie aus, er soll ja standhaft sein. Wir setzen große Erwartungen in seine Standhaftigkeit. Haben Sie die Akten für den Augsburger Reichstag?

SPALATIN

Im Kabinett.

FRIEDRICH

Daß wir uns da gut vorbereiten. Nimmt die Milchflasche in die Hand Wirklich echt?

FEILITZSCH

Gutachten von –

FRIEDRICH

Weiß weiß. Er schnuppert an der Flasche und trinkt dann einen Schluck Himmlisch.

Alle ab.

Heitere Musik. Auf die Tische werden Getränke und Delikatessen gestellt. Bis zum Ende der Luther-Cajetan-Szene entwickelt sich auf der ganzen Bühne eine Freß- und Sauforgie. Links ein Diener. Fugger kommt von hinten an die Rampe. Gäste strömen herein.

FUGGER

Meine Herren, ich begrüße Sie auf dem Reichstag zu Augsburg. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl in meinem Haus.

DIENER

ruft Kardinal Albrecht von Brandenburg.

ALBRECHT

tritt auf Kardinal! Mein lieber Fugger, Kardinal!

FUGGER

Ich gratuliere. Wann werden Sie Papst?

ALBRECHT

Eine Geldfrage, nur eine Geldfrage. Er dreht sich Steht es mir?

FUGGER

Ausgezeichnet.

ALBRECHT

Ich finde, es gibt einem so etwas Göttliches.

FUGGER

Ich weiß nicht, was Gott zur Zeit trägt.

ALBRECHT

Sie sind ein Ketzer, mein Lieber. Ich werde Ihren Scheiterhaufen höchstpersönlich anzünden.

FUGGER

Aber bitte erst, nachdem Sie Ihre Schulden bezahlt haben.

ALBRECHT

Ein Zahlenmensch. Von oben bis unten nur Zahlen. Schlafen Sie auch mit ihnen?

FUGGER

Mit den Nullen.

ALBRECHT

Schrecklich. Apropos Nullen. Was steht denn auf der Tagesordnung?

FUGGER

Kaiser Maximilian möchte Karl zu seinem Nachfolger machen.

ALBRECHT

Sieh einer an. Neuigkeiten. Dieser Kleine da aus Spanien?

FUGGER

Ja.

ALBRECHT

Und da braucht er unsere Stimmen?

FUGGER

Sind Sie für Karl?

ALBRECHT

Wenn ich bezahlt werde, bin ich für alles.

FUGGER

Ich zahle.

ALBRECHT

Für Karl.

FUGGER

verbeugt sich leicht Eminenz.

ALBRECHT

Noch einmal Eminenz, und ich garantiere für nichts mehr.

DIENER

ruft Kurfürst Friedrich von Sachsen

Friedrich tritt auf.

ALBRECHT

Ah, dieser ungebildete Sachse. Wo steht der Wein?

FUGGER

Dort drüben. Zu Friedrich Hatten Sie eine gute Reise?

FRIEDRICH

Ein bißchen weit. Aber neuerdings finden die Reichstage ja nur noch in Ihrem Haus statt.

FUGGER

Es hat sich so ergeben.

FRIEDRICH

Haben Sie jetzt auch schon ein Monopol auf den Reichstag?

FUGGER

Ein reines Verlustgeschäft.

FRIEDRICH

Ich muß mich noch bei Ihnen entschuldigen. Diese dumme Ablaßgeschichte.

FUGGER

Aber lieber Fürst. Keine Ursache.

FRIEDRICH

Sie hatten Verluste.

FUGGER

Kleingeld. Außerdem war ich abgesichert. Wissen Sie, ich habe dem Markt schon lange mißtraut. Die Konjunktur verschiebt sich. Wenn ich Ihnen raten darf, investieren Sie nur noch vorsichtig.

FRIEDRICH

Meine Reliquien gehen noch gut.

FUGGER

Reliquien werden noch eine Weile laufen. Da hat man etwas vor Augen. Man kann daran glauben. Aber dieser Zettelkram ist tot. Was machen Ihre Bergwerke?

FRIEDRICH

Könnte besser sein. Die Arbeiter fehlen.

FUGGER

Wir stecken in einem inflationären Boom. Eine Riesennachfrage, und der Arbeitsmarkt ist leergefegt.

FRIEDRICH

Und die Arbeiter verlangen mehr Lohn. Das macht doch alle Gewinne kaputt.

FUGGER

Ich habe jetzt überall stark rationalisiert. Wir arbeiten nach einem neuen System. Drei Schichten à 7 Stunden.

FRIEDRICH

Wo nehmen Sie die Leute her?

FUGGER

Die Arbeiter dürfen nicht zuviel Lohn bekommen. Dann fahren sie zwei Schichten hintereinander.

FRIEDRICH

Sie werden mehr Lohn verlangen.

FUGGER

Führen Sie einen Lohnstopp ein. Die Löhne niedrig halten, und die Preise kräftig steigern.

FRIEDRICH

Die Arbeiter werden weglaufen.

FUGGER

Verbieten Sie jeden Arbeitsplatzwechsel. Vor allem darf kein Unternehmer einen Arbeiter einstellen, der woanders Unzufriedenheit geschürt hat. Ich empfehle Ihnen das System. Ihr Vetter, Herzog Georg, hat es bereits eingeführt. Er ist sehr zufrieden. Ich bin gerne bereit, Ihnen zu helfen.

FRIEDRICH

Was kostet Ihre Hilfe?

FUGGER

Nicht, was Sie denken, Fürst. Ich besitze die größten und ergiebigsten Bergwerke in ganz Europa. Die paar freien Bergwerke stören mich nicht. Sie sind sowieso auf mich angewiesen. Der große Gewinn liegt nicht in der Förderung, sondern in der Weiterverarbeitung. Die Hüttenwerke, Schmelzwerke, Hammerwerke, Gießereien, Kanonenfabriken. Der Konzern macht es. Da liegt der Gewinn. Ihre Bergwerke und Ihre Hüttenwerke, entschuldigen Sie, das ist ja noch Heimarbeit.

FRIEDRICH

Vergessen Sie nicht, Ihr größtes und modernstes Hüttenwerk liegt in meinem Land und ist auf meinen Schutz angewiesen.

FUGGER

Der ihm hoffentlich für alle Zeit erhalten bleibt.

FRIEDRICH

Hoffentlich. Man weiß ja nie was passiert, und Sie beliefern mit...

Erscheint lt. Verlag 6.4.2018
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Andreas Rudolf Bodenstein • Basel • Buchführung • Buchhaltung • Drama • Fugger • Karlstadt • Kirchengeschichte • Luther • Martin Luther • Melanchton • Münzer • Philipp Melanchthon • Politik • Reformation • Revolution • Theater • Theaterstück • thomas münzer • Wirtschaftsgeschichte
ISBN-10 3-10-490718-8 / 3104907188
ISBN-13 978-3-10-490718-5 / 9783104907185
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