Tibet hinter dem Spiegel (eBook)

Roman

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
288 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45301-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tibet hinter dem Spiegel -  Ulli Olvedi
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Die bekannte Autorin Ulli Olvedi hält alle ihre Fans mit diesem spannenden buddhistischen Krimi in Atem. Diebstahl, Mord, Verrat - es sind nicht die besten Voraussetzungen, unter denen drei höchst unterschiedliche Menschen in Kathmandu zusammentreffen: der Tibeter Tashi, die deutsche Buddhistin Teresa und deren Enkelin, die Punkerin Joe. Zusammen fliehen sie in die Berge, ins tibetische Grenzgebiet, wo sich ihr Schicksal auf dramatische Weise entscheidet.

Ulli Olvedi gilt als profunde Kennerin des tibetischen Buddhismus und der tibetischen Kultur. Sie verbrachte immer wieder längere Zeit im Himalaya, lebte zurückgezogen in Klöstern und hat daraus die Inspiration für ihre sehr erfolgreichen Romane geschöpft. Mit ihren Romanen, wie u.a. Wie in einem Traum oder Zanskar und ein Leben mehr, stand sie regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Olvedi gründete die Hochschule für traditionelle tibetische Medizin, das Shelkar Tibetan Medical Institute in Kathmandu, und ist Fachbereichsleiterin für Spiritualität an der Akademie Aidenried am Ammersee bei München.

Ulli Olvedi gilt als profunde Kennerin des tibetischen Buddhismus und der tibetischen Kultur. Sie verbrachte immer wieder längere Zeit im Himalaya, lebte zurückgezogen in Klöstern und hat daraus die Inspiration für ihre sehr erfolgreichen Romane geschöpft. Mit ihren Romanen, wie u.a. Wie in einem Traum oder Zanskar und ein Leben mehr, stand sie regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Olvedi gründete die Hochschule für traditionelle tibetische Medizin, das Shelkar Tibetan Medical Institute in Kathmandu, und ist Fachbereichsleiterin für Spiritualität an der Akademie Aidenried am Ammersee bei München.

Prolog


Der Mond steht als dünne Sichel am Himmel, die tibetische Nacht ist tief und ungeheuer groß. Selbst über die weiße Spitze des fernen Berges, die am Tag leuchtet wie ein kostbares Juwel, hat sich die Dunkelheit gelegt. Der Generator hinter dem Hauptgebäude des Klosters schweigt. Ganz oben am Hang über der Klosteranlage flackert der zarte Schein von Butterlämpchen in der Fensteröffnung einer kleinen Klause. Die Nacht ist kalt, der Sommer geht zu Ende.

Eine Gestalt, bis über den Kopf in das große Tuch der Mönchsrobe gehüllt, tastet sich an der Wand des Hauptgebäudes entlang bis zur Seitentür des Lhakang. Sie ist offen, wird selten geschlossen in diesem abgelegenen Kloster; auf der Schotterstraße am Flüsschen entlang braucht man mit dem Jeep mehr als drei Stunden zur nächsten Ortschaft. Die alten Scharniere der Tür quietschen. Der Mann hält inne, zwängt sich durch den offenen Spalt und drückt die Tür vorsichtig hinter sich zu. Eine große Butterlampe auf dem Hauptschrein gibt ein wenig Licht, die Schatten sind Abgründe.

Zielsicher bewegt sich der Mann zu dem schmalen Raum hinter dem Schrein und entzündet dort eine Butterlampe. Die Figuren der Zornvollen springen aus dem Dunkel. Der Mann hat keinen Blick für sie übrig, will sie nicht sehen, erschauert dennoch in ihrer Gegenwart. Er weiß genau, wo er ihn findet, den Schwarzen Beschützer Mahakala, tanzend im Flammenkranz, mit drei rollenden Augen und funkelnden Reißzähnen, gekrönt mit einer Girlande von Totenköpfen, an Armen und Beinen sich ringelnde Schlangen als Schmuck. Da ist er, schaut herunter, schwingt Messer und Dreizack über dem vor Aufregung schwer atmenden Mann, der mit einer Stange nach der Aufhängung des kostbaren Bildes angelt. Es ist ein großes Thangka; der Brokat, der es einrahmt, vom Alter gedunkelt. Das Bild fällt zu Boden. Der Mann bückt sich mit einem unterdrückten Fluch, rollt es hastig zusammen, ungeachtet der möglichen Beschädigung, löscht die Lampe und eilt hinaus in die Nacht, einem leisen Nachtvogelruf vom Rand des Klosters entgegen. Er strebt zur Klostermauer weiter oben am Abhang, wo sie teilweise eingefallen ist. Niemand hat daran gedacht, sie auszubessern. Längst gibt es keine Überfälle mehr, und wovor sollte man sich fürchten, wachte doch Mahakala in seinem Thangka über das Kloster, seit Jahrhunderten schon.

Die Bildrolle ist wunderlich heiß in den Händen des Mannes, unnatürlich, schmerzhaft heiß. Doch die Sache muss zu Ende gebracht werden, es gibt kein Zurück. Solch eine Abmachung zu brechen hieße Tod. Dennoch, das Schaudern will nicht mehr aufhören, die brennenden Hände zittern, der Hals wird eng, so schrecklich eng, als legten sich würgende Hände darum.

Da kommt wieder ein Vogelruf von der Mauer her, diesmal ganz nah. Der Mann stolpert über den steinigen Grund, geführt von ungeduldigem Flüstern: »Komm schon! Hierher!« Erleichtert reicht er die Rolle über die Mauer. Eine Hand streckt ihm ein dickes Bündel Yüan entgegen, die andere greift nach dem Thangka. Ein chinesischer Fluch, ärgerliches Flüstern: »Warum hast du so lange gebraucht? Ich hänge hier schon eine Ewigkeit rum.«

Doch der Mann ist bereits auf dem Weg zu den Wohngebäuden am steilen Hang hinter dem Lhakang, tastend, stolpernd, von Angstschweiß bedeckt.

In der Morgendämmerung stürmen zwei Mönche, die den Lhakang für die Morgen-Puja vorbereiten sollten, ins Zimmer des Klostersekretärs Döndup. »Das Thangka des Mahakala ist aus dem Gönkang, dem Schrein der zornvollen Gottheiten, verschwunden!«, keuchen sie. Der Sekretär reißt die Augen auf, so rund sind sie wie die der Zornvollen.

»Welch ein Unglück«, murmelt er fassungslos, »welch ein schreckliches Unglück.«

Er geht mit den beiden Mönchen zum Lhakang und erstarrt vor dem hellen Rechteck an der Wand, den das verschwundene Bild zurückgelassen hat.

»Was machen wir jetzt nur?«, jammert einer der Mönche.

Der Sekretär antwortet nicht. Die Vergangenheit hat ihn unvermittelt überfallen.

Er ist wieder neunzehn Jahre alt, zu Hause, weit im Osten; mit all den anderen Dorfbewohnern ist er in das große Kloster am Ende des Tals geflüchtet. Dort glaubten sie sich sicher, in der hoch aufragenden, befestigten Klosteranlage, die keine Chinesenkugel zu durchdringen vermochte. Doch wie lange noch? Zu viele Frauen, zu viele Kinder sind da neben den Mönchen und den tapferen Khampas mit ihren CIA-Gewehren und unzureichender Munition. Zu viele hungrige Menschen, die schon so lange durchgehalten hatten. Dann die chinesischen Bomben, das Schreien, die Leichen. Die Mutter, seine starke, stolze Mutter, erschlagen von stürzenden Mauern. Das Blut der Männer so rot wie der Schmuck aus Seidenkordeln um ihren Kopf, das Blut der Frauen so rot wie ihre Korallenketten.

Da ist das breite, sanfte Gesicht des Abts. Nicht hassen, Döndup, nicht hassen. Weine um deine Mutter, weine ein bisschen, aber lass sie gehen, halte sie nicht fest. Und halte deinen Hass nicht fest.

Warum hilft Mahakala uns nicht?, fragt auf der Flucht der junge Döndup den schwer verletzten Rinpoche auf den Armen des Vaters. Der Rinpoche murmelt lächelnd: Aber er ist doch da. Siehst du ihn nicht?

»Ich muss es melden«, sagt der Sekretär entschlossen und verlässt den Lhakang, geht hinauf zu den Räumen des Klosterleiters, dieses schwachen, ängstlichen alten Mannes, so leicht zu manipulieren von den politischen Monstern in der Hauptstadt. Doch er hat Döndups Leben gerettet, hat für ihn gelogen, hat den halb verhungerten jungen Flüchtling als einen Zögling dieses Klosters ausgegeben und ihn als seinen Sekretär ausgebildet.

»Wie furchtbar«, sagt der Klosterleiter und drückt die verschlungenen Hände an die Brust. »Unser Beschützer …«

Ihre Blicke treffen sich, verhaken sich für einen Augenblick ineinander in verzweifeltem Einverständnis.

»Der Spitzel …«, sagt der Klosterleiter leise.

Döndup nickt. Jeder im Kloster weiß von dem Spitzel; nur der Spitzel denkt, die anderen wüssten nicht, wer er ist. Sie haben gelernt, die Nähe des Spitzels zu fühlen, auf ihre Worte zu achten, mit aufmerksamen Ohren und mit heimlichen Augen im Hinterkopf zu leben.

»Wir können nichts machen«, fügt der Klosterleiter hinzu. Sein hängendes Gesicht zerfließt in tiefer Resignation.

Vor dem Lhakang scharen sich die Mönche, die geflüsterte Nachricht hat bereits die Runde gemacht. Auf den verstörten Gesichtern liegt Furcht. So lange hat das Thangka sie beschützt – seitdem es sich vor Hunderten von Jahren in der Höhle oben auf dem Berg manifestiert hat, kurz vor dem Tod des großen Yogi, der in einem Regenbogen verschwand und von dem man nur noch Haare und Zähne und Nägel fand. Dieser Mahakala würde das Kloster vor allem Unheil beschützen, habe der Yogi damals prophezeit. Und so war es. Nie ist dem Kloster etwas geschehen. Sogar den zerstörerischen Wahn der Kulturrevolution hat es unbeschadet überstanden.

»Der Spitzel«, flüstern die Mönche einander zu. »Nur er kann es gewesen sein, keiner von uns würde das tun.«

Am Mittag wissen alle, dass der Spitzel krank ist. Er liegt mit schweren Krämpfen im Bett und seine Hände sind rot und geschwollen und glühen. Sein Puls sei sehr seltsam, sagt der alte Mönchsarzt, der mehr als zwanzig Jahre im Arbeitslager überlebt hat. Ganz chaotisch, da passe nichts zusammen.

 

»Könnt ihr einen Unterschied sehen?«, fragt Kunzang die beiden Freunde, die in seinem Atelier vor zwei identischen Thangkas stehen. Zweimal Mahakala im Flammenkranz, wild, erschreckend, von außerordentlicher Ästhetik. Nur die Brokatumrahmungen unterscheiden sich, eine ist sehr alt, die andere neu.

»Ich wette, ihr könnt es nicht.« Er lächelt mit dem ihm eigenen jungenhaft siegesgewissen Ausdruck, der Frauen das Gefühl gibt, eine besonders wertvolle Beute für ihn zu sein, und Männer dazu veranlasst, ihm voller Neid jeden Sieg zuzutrauen. Obwohl er das Alter der leichten Siege längst überschritten hat.

Sherab, schmal und drahtig, rückt seine Brille zurecht und untersucht verschiedene Bereiche der beiden Bilder, hebt sie an und unterzieht auch die Rückseiten einer genauen Prüfung.

»Ich kenne mich zwar mit Statuen besser aus als mit Thangkas, aber so viel kann ich sagen, du bist ein Genie«, erklärt er kopfschüttelnd und streicht nachdenklich eine Haarsträhne aus der Stirn.

Kunzang hört kaum zu. Er deutet auf eine bestimmte Stelle in einem der Bilder. »Schaut her, hier am Original war ein größeres Stück Farbe abgeblättert, das ist wahrscheinlich beim Transport geschehen. Und jetzt schaut hier auf die Kopie – mit dem Vergrößerungsglas sieht man einen ganz feinen Rand.« Er richtet sich auf und fügt befriedigt hinzu: »Ich habe natürlich den originalen Brokat verwendet. Selbst wenn sie Fotos gemacht haben, was ich aber nicht glaube, werden sie nichts merken.«

Der zweite Besucher, Tashi, wie Sherab an der Grenze zwischen Jugend und Reife, schiebt die Hände tiefer in die Taschen seiner Jeans. Über dem wie glatt geschliffenen, kantigen Gesicht liegt Besorgnis. »Es ist ein großes Risiko, Kunzang«, sagt er leise. »Du hast es mit einer Mafia zu tun.«

Kunzang legt die Hand auf die Schulter des Freundes. »Das Kloster braucht dieses Thangka wieder. Der Sekretär hat mir eine Nachricht geschickt, dass der Klosterspitzel, der das Thangka gestohlen hat, nach dem Diebstahl plötzlich gestorben ist. Ich sage dir, das ist kein gewöhnliches Thangka.«

Mit einer zarten, ehrfürchtigen Geste berührt er den Brokatrand des Bildes. »Du warst zu lange im Westen, Tashi. Weißt du nichts mehr von der unsichtbaren Welt?«

Tashi schweigt und...

Erscheint lt. Verlag 29.1.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bodnath • Buddhismus • Buddhistin • buddhistischer Roman • Ferienbesuch der Enkelin • Himalaya • Kathmandu • Krimi • Liebesroman • Mönch • Nepal • Rinpoche • Schicksal • Tangkha • Tantra • Tibet • Tibetisches Kloster • Tibetroman • Weihnachten • Weihnachtsgeschenk • weihnachtsgeschenk beste freundin • weihnachtsgeschenk bester freund • weihnachtsgeschenk frauen • Weihnachtsgeschenk Freund • Weihnachtsgeschenk Freundin • Weihnachtsgeschenk Mama • Weihnachtsgeschenk Männer • Weihnachtsgeschenk Mutter • weihnachtsgeschenk oma • Weihnachtsgeschenk Onkel • Weihnachtsgeschenk Opa • Weihnachtsgeschenk Papa • weihnachtsgeschenk partner • Weihnachtsgeschenk Schwester • Weihnachtsgeschenk Tante • weihnachtsgeschenk vater
ISBN-10 3-426-45301-0 / 3426453010
ISBN-13 978-3-426-45301-8 / 9783426453018
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