Echo der Toten. (eBook)

Ein Fall für Friederike Matthée

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
384 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1617-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Echo der Toten. -  Beate Sauer
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Mord im Hungerwinter Januar 1947: Über dem Land liegt eine Decke aus Schnee und Eis, zwischen Ruinen kämpfen die Menschen ums Überleben, als in der Eifel ein Mord geschieht. Richard Davies von der britischen Military Police soll das Verbrechen aufklären. Doch der einzige Zeuge ist ein sechsjähriger Junge, der sich weigert zu sprechen. Friederike Matthée von der Weiblichen Polizei in Köln wird Richard zur Seite gestellt. Sie kommt, wie der Junge, aus Ostpreußen und findet einen Zugang zu seiner verletzten Seele. Doch die Erinnerungen an die schrecklichen Erlebnisse während der Flucht sind noch so frisch, dass Friederike an ihrer Kraft zweifelt. Und Richard Davies muss mit Menschen zusammenarbeiten, die schwere Schuld auf sich geladen haben.

Beate Sauer studierte katholische Theologie und Philosophie und absolvierte danach eine journalistische Ausbildung. Dabei stellte sie fest, dass ihr Herz noch viel mehr für fiktive Geschichten schlägt. Mit ihren historischen Romanen begeisterte sie eine riesige Fangemeinde genauso wie mit ihren Krimis um Friederike Matthée.

Beate Sauer studierte katholische Theologie und Philosophie und absolvierte danach eine journalistische Ausbildung. Dabei stellte sie fest, dass ihr Herz noch viel mehr für fiktive Geschichten schlägt. Mit ihren historischen Romanen begeisterte sie eine riesige Fangemeinde genauso wie mit ihren Krimis um Friederike Matthée.

1. KAPITEL


Köln, Donnerstag, 16. Januar 1947


Die eine Seite des Toilettenfensters war mit Brettern vernagelt, das Milchglas auf der anderen hatte die Farbe von Schnee. Polizeiassistentenanwärterin Friederike Matthée drehte den Wasserhahn auf, ließ das eiskalte Wasser über ihre Hände laufen und benetzte ihr Gesicht. Nachdem sie Wangen und Stirn mit einem Taschentuch getrocknet hatte, holte sie einen Kamm aus der Innentasche der Uniformjacke und fuhr sich damit durch die kinnlangen Haare. Ihre Vorgesetzte, Kriminalkommissarin Gesine Langen, verabscheute unordentliches Haar. Anschließend überprüfte Friederike den korrekten Sitz der Uniformmütze und der dunkelblauen Uniformjacke und rückte den Krawattenknoten gerade. Ihre Hände zitterten immer noch.

Aus dem gesprungenen Spiegel über dem Waschbecken blickte ihr ein schmales Gesicht entgegen, das, wo es nicht von dem kalten Wasser gerötet war, sehr bleich wirkte. Auch die Lippen waren blutleer. Friederike besaß große blaue Augen und hohe, fein geschwungene Wangenknochen, und sie hatte einmal als sehr hübsch gegolten. Aber ihr schwarzes Haar war stumpf, und ihre Augen hatten jeden Glanz verloren. Wie die so vieler Menschen in den vergangenen Jahren.

Bisher hatte Gesine Langen sich gegen ihre Festanstellung und Beförderung ausgesprochen. Gut möglich, dass die Kriminalkommissarin sie gleich entlassen würde. Friederike hatte keine Ahnung, wie sie dann ihre Mutter und sich selbst durchbringen sollte. Und das Schlimmste war, dass das Zimmer in der Kölner Südstadt, in dem sie und die Mutter lebten, für städtische Angestellte und Beamte reserviert war. Mit der Arbeit würde sie also auch das Zimmer verlieren. Wohnraum war in der zerstörten Stadt jedoch immer noch so knapp. Fast jeden Tag begegnete Friederike bei ihrer Arbeit Obdachlosen, die in ehemaligen Bunkern Schutz vor der Kälte suchten. Ach, wenn sie doch nur bei der Razzia am frühen Morgen nicht versagt hätte!

Sie hat die Hände zu Fäusten geballt, starrt aus dem Fenster des Polizeimannschaftswagens. Gelegentlich passiert das Fahrzeug eine einsam brennende Straßenlaterne auf dem Ring. Der Schnee auf den Gesimsen der Ruinen wirkt schmutzig. So als wäre der Ruß, der die skelettierten Fassaden bedeckt, in ihn eingedrungen und hätte ihn mit seinen Partikeln durchsetzt.

Das Röhren des Motors übertönt die gemurmelten Gespräche der Kollegen.

»Alles in Ordnung mit dir?« Friederikes Kollegin Lore Fassbänder berührt sie am Arm. Sie und Friederike sind die beiden einzigen weiblichen Beamten in der sechzehn Polizisten umfassenden Einheit.

»Ja, ich habe nur Hunger«, lügt Friederike.

»Wer hätte das nicht.« Lore kramt in den Taschen ihres Uniformmantels und fördert dann drei Stücke Würfelzucker zu Tage. »Hier, nimm.«

»Aber ich kann doch nicht …«

»Jetzt zier dich nicht. Ich hab auf dem Schwarzmarkt einen wirklich guten Tausch gemacht. Der englische Soldat war ganz versessen auf das Militärabzeichen und den Waffengürtel meines Bruders.«

Lore ist pragmatisch und resolut. Wie Friederike hat auch sie sich in erster Linie bei der Weiblichen Polizei beworben, weil sie dringend eine Arbeit braucht, und nicht aus innerer Neigung. Doch anders als Friederike kommt sie gut mit allem zurecht.

Friederike flüstert »danke« und schiebt die Würfelzuckerstückchen in ihren Mund, wo sie viel zu schnell zerschmelzen. Der Mannschaftswagen passiert die Ruine der St.-Aposteln-Kirche und hält am Rande des Neumarkts.

Der Einsatzleiter, ein stämmiger Hauptwachtmeister in den Fünfzigern, dessen Namen sich Friederike nicht gemerkt hat, steht auf. »Also, dann wollen wir mal, Männer. Und denken Sie dran, dass Sie in dem Bordell nicht zu Ihrem Vergnügen sind.«

Gelächter brandet auf. Lore verdreht die Augen. »Typisch, dass wir für die Herren Kollegen mal wieder unsichtbar sind.«

Friederike nickt stumm. Sie und Lore verlassen den Mannschaftswagen als Letzte und reihen sich am Schluss der Gruppe ein. Zwei Kollegen entfernen sich, um den Hintereingang des illegalen Bordells zu sichern.

Trotz des Uniformmantels fühlt sich Friederike ganz steif vor Kälte. Während sie sich mit den anderen im Gleichschritt bewegt, versucht sie, ihre aufsteigende Panik in den Griff zu bekommen. Die Schritte in den genagelten Stiefeln verursachen ein dumpfes Geräusch auf dem vereisten Boden. Flocken rieseln vom Himmel. Von einer Straßenkreuzung aus sieht sie die Umrisse der Domtürme über den ausgebrannten Ruinen.

Nur zu schnell haben sie das Ziel in der Kleinen Brinkgasse erreicht, ein Eckhaus, dessen Dach weggebombt wurde. Hinter einigen Fensterläden schimmert Licht hervor.

»Aufmachen, Polizei!« Ein Kollege donnert gegen die Tür, während ein anderer mit gezogener Waffe neben ihm steht. Noch einmal wiederholt der Beamte den Befehl. Als die Tür aufschwingt, kann Friederike in dem diffusen Licht im Flur einen Mann erkennen. Er wird zur Seite gedrängt, und die Polizisten stürmen in das Innere des Gebäudes. Friederike folgt den Kollegen. Eine unwirkliche Szenerie, als würde sie alles nur von fern beobachten.

Wie der Einsatzleiter es bei der Besprechung auf eine Tafel gezeichnet hat, führt von dem Flur eine Treppe in die oberen Stockwerke. Ein abgetretener Teppich bedeckt die Stufen. Nach der Kälte draußen ist es in dem Haus sehr warm, und es riecht nach billigem Alkohol und Talkumpuder. Unter ihrem Mantel bricht Friederike der Schweiß aus.

In der ersten Etage fliegen Zimmertüren auf. Halbnackte Männer laufen auf den Flur, andere werden aus den Räumen gezerrt. Proteste und Befehle erklingen, vermischen sich in Friederikes Ohren zu einem Dröhnen. Erst als Lore sie an der Schulter berührt, bringt sie das wieder zu sich. Friederike zwingt sich, die Stufen zum zweiten Stockwerk hinaufzulaufen, wo sie helfen soll, die Prostituierten unter Kontrolle zu bringen.

Hier spielen sich die gleichen Szenen ab wie im Flur darunter. Direkt vor Friederike befindet sich eine offen stehende Tür. Zwei Kollegen pressen den Freier, der wohl gehofft hatte, entwischen zu können, gegen die Wand und legen ihm Handfesseln an. Er ist ein kräftiger Mann, auf dessen Brust und Armen ein dichter, dunkler Haarflaum wächst, wie ein Pelz. Friederike wendet den Blick ab und betritt den Raum.

»Ziehen Sie sich an, und nehmen Sie Ihre Papiere mit!« Die Worte ersterben schier in ihrer Kehle. Die Prostituierte auf dem Bett ist fast noch ein Kind, höchstens fünfzehn Jahre alt. Sie hat eine Wolldecke um ihren Oberkörper geschlungen. Darunter ragen lange, dünne Beine hervor, die Friederike unwillkürlich an ein Fohlen erinnern. Zerzaustes blondes Haar fällt auf ihre Schultern. Einzig ihre Augen wirken sehr alt.

»Zieh dich an!«

»Ich hab nichts Böses getan.«

»Dieses Bordell ist illegal. Außerdem bist du viel zu jung, um hier zu sein.«

»Ich bin einundzwanzig.«

»Gib mir deine Papiere.«

»Die wurden mir gestohlen.« Das Mädchen zuckt gleichgültig mit den Schultern.

Das kann die Wahrheit sein. So viele Menschen sind seit den letzten Kriegsmonaten ohne Papiere unterwegs. Friederike mag sich nicht vorstellen, was das Mädchen in den zwei Jahren seither erlebt hat.

»Zieh dich an!«, wiederholt sie.

Das Mädchen beugt sich vor und greift unter das Bett, zieht dort ein Bündel Kleider hervor.

»Wie heißt du?«

»Christine, Christine Schmitz …« Die Antwort kommt etwas zu schnell.

Friederike bezweifelt, dass dies ihr richtiger Name ist. Die Glühbirne an der Decke flackert kurz, doch das elektrische Licht erlischt nicht.

»Du brauchst keine Angst zu haben. Wir werden dafür sorgen, dass du an einen Ort kommst, wo du geborgen bist und nicht mehr … das tun musst …« Friederikes Stimme versagt erneut. Sie wird alles dafür tun, um das Mädchen vor dem Bordell zu bewahren.

Christine, oder wie auch immer sie in Wirklichkeit heißt, nickt. Sie hat die Wolldecke abgestreift und steht jetzt nackt vor Friederike. Sie ist so mager, dass die Rippen unter der Haut hervortreten, und an ihren Oberschenkeln befinden sich Blutergüsse. Friederike nimmt in der stickigen Luft den Geruch von Schweiß und Sperma wahr. Ihr wird übel. Stumm sieht sie zu, wie das Mädchen eine viel zu große Hose und eine wattierte Jacke anzieht und in ein Paar Soldatenstiefel schlüpft.

Als das Mädchen fertig angekleidet ist, fasst Friederike es am Arm. »Komm, lass uns gehen«, sagt sie freundlich.

Das Mädchen nickt wieder. Gehorsam geht es einige Schritte mit ihr in Richtung Tür – und seine Gegenwehr erfolgt völlig unerwartet. Zu schnell, als dass Friederike Zeit gehabt hätte zu reagieren, reißt sich das Mädchen los und rammt ihr die Fäuste in den Magen. Friederike krümmt sich, bekommt keine Luft mehr. Sie taumelt gegen einen Stuhl und fällt zu Boden. Das elektrische Licht erlischt. Als es einige Sekunden später wieder angeht, hat das Mädchen den Fensterladen aufgerissen und steht auf dem Sims.

»Nein, nein, tu das nicht!« Friederikes Schrei gellt durch den Raum. Mühsam erhebt sie sich...

Erscheint lt. Verlag 12.1.2018
Reihe/Serie Friederike Matthée ermittelt
Friederike Matthée ermittelt
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2018 • 40er Jahre • Alex Beer • Babylon Berlin • Besatzungszone • Britische Besatzungszone • Buch 2018 • buch neu • Buch neu 2018 • Eifel • Eifel-Krimi • Ermittlerduo • Florian Huber • Hilke Lorenz • historischer Krimi • Hungerwinter • John Ashworth Barraclough • Köln • Konrad Adenauer • Krimi Neuerscheinungen 2018 • Mechtild Borrmann • Military Police • Nachkriegszeit • Neu • Neu 2018 • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2018 • Neuheit • Ostpreußen • Sabine Bode • Trümmerkind • Vertreibung • Victor Gollancz • Volker Kutscher • weibliche Ermittlerin • Weibliche Kriminalpolizei • Zwangsarbeiter
ISBN-10 3-8437-1617-X / 384371617X
ISBN-13 978-3-8437-1617-8 / 9783843716178
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