Friedrich Glauser-Krimis (eBook)

Der alte Zauberer, Der Hund, Der Schlossherr aus England, Verhör, König Zucker, Die Hexe von Endor, Der erste August in der Legion, Totenklage, Beichte in der Nacht
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2017 | 1. Auflage
212 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-7075-3 (ISBN)

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Friedrich Glauser-Krimis -  Friedrich Glauser
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Dieses eBook: 'Friedrich Glauser-Krimis' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Friedrich Glauser (1896-1938) war ein Schweizer Schriftsteller, dessen Leben geprägt war von Entmündigung, Drogenabhängigkeit und Internierungen in psychiatrischen Anstalten. Inhalt: Der alte Zauberer Der Hund Der Schlossherr aus England Verhör König Zucker Die Hexe von Endor Der erste August in der Legion Totenklage Beichte in der Nacht

Der Hund




Ich weiss ja nicht, wo Sie arbeiten und was Sie für Ansichten haben, junger Mann ... – Ja, ein kleines Helles, Jungfer ... – Aber gerade heute ist es mir so recht einsam zumute. Witze haben wir uns genug erzählt, all die letzten Abende, und der Dritte, der sonst mit uns einen Zuger gemacht hat, ist heute auch nicht da. Soll ich Ihnen einmal eine ernste Geschichte erzählen? Natürlich, Sie glauben, dass wir Reisende es immer leicht haben, aber einmal bin ich durch Zufall in eine komplizierte Affäre hineingerissen worden, und das war unangenehm. Denn so etwas stört bei der Arbeit, Und wenn wir nicht immer auf dem Sprung sind und die Kunden bearbeiten, dann kommt ein Jüngerer und stösst uns beiseite.

Nein, Komplikationen liegen mir gar nicht. Ich bin dick und gemütlich, das kann ich sagen, habe auch nie jemandem etwas zuleide getan. Aber die Geschichte, die ich Ihnen erzählen will, hat mich doch eine ganze Zeitlang aus dem Gleichgewicht gebracht, und ich frage mich noch heute, ob ich da nicht etwas hätte verhindern können. Auf alle Fälle hat sie mich vom Heiraten endgültig kuriert ... Und auch von den möblierten Zimmern. Dinge können einem da passieren! ...

Ich habe Ihnen ja schon erzählt, dass ich für eine Zigarettenfabrik reise, für eine bekannte Marke, aber die Direktoren wollen eben auch auf ihre Rechnung kommen. Nun, ich habe es mir vielleicht ein wenig zu wohl sein lassen in Zürich, war nicht genug hinter den Kunden her, ein paar haben reklamiert, der Reisende sei nicht zur rechten Zeit vorbeigekommen, ihr Vorrat sei aufgebraucht. Mehr ist nicht nötig gewesen. Der Direktor hat mir die Kutteln geputzt und mir einen andern Rayon gegeben. Irgend so ein kleines Kaff, von dem aus ich die Krämer der Umgebung hätte besuchen sollen. Froh war ich, dass er mich nicht entlassen hat, aber ich verstehe das Geschäft, es war also mehr eine Art Strafversetzung; denn ich bin schon Jahre und Jahre in der Branche und sonst ganz brauchbar. Es war ein wüstes kleines Dorf, in das ich gekommen bin. Es ging auf den Abend zu, und ich war müde; denn ich bin den ganzen Tag mit dem Töff herumgefahren. Zuerst bin ich in eine Wirtschaft gegangen, habe etwas gegessen und so nebenbei den Wirt gefragt, wo hier ein möbliertes Zimmer frei sei. »Gehen Sie zum Notar Schneider«, hat er gesagt, »der sucht schon lange einen Mieter. Aber es sind ungemütliche Leute. Irgend etwas stimmt nicht bei ihnen. Man weiss nicht was. Eine Garage haben sie auch, wo Sie Ihr Motorrad einstellen können, und die Emma, das ist die Stieftochter vom Notar, ist ein flottes Meitschi. Man mag sie gern hier.«

Ich fuhr also zum Notar. Eine Jungfer machte mir auf. Ein währschaftes Meitschi, mit einem Gesicht ... Und die Augen!... Ich muss an ein junges Pferd denken. Sie trägt einen unordentlichen Haarknoten im Nacken ... Sie hat mir gleich gefallen. Dann hat sie mir das Zimmer gezeigt. Es war ganz anständig, mit Diwan und einem grossen Schrank. Fünfzig Franken im Monat ... Und das Frühstück könne ich auch haben, wenn ich wolle ... Ich war sehr höflich.

»Frühstück nehme ich schon gern«, sag' ich, »aber ich muss etwas essen, was vorhält, weil ich bis Mittag zu tun habe und das Töffahren hungrig macht. Speck und Eier möcht' ich. Über den Preis werden wir uns schon einigen«, meine ich. Dann zahl' ich die fünfzig Franken, das Meitschi gibt mir den Hausschlüssel und sagt noch, ich solle doch leise machen, wenn ich spät heimkomme; denn die Mutter sei herzkrank und erschrecke leicht, wenn man die Türen zuschlage. Ich antworte: Sie brauche keine Angst zu haben, wir schweren, dicken Männer seien manchmal viel leiser als die jungen, mageren Fisel, die so ungeschickt sind, dass sie an keinem Stuhl vorbeikönnen, ohne ihn umzuschmeissen. Da hat sie lachen müssen, die Emma. Schöne Zähne hat sie gehabt, wissen Sie: so breite ... Vielleicht war das ein Grund mehr, dass sie wie eine junge Stute ausgesehen hat – und ich habe Pferde gern.

Beim Wirt habe ich noch einen Zweier getrunken, Zeitungen gelesen (es war grad niemand da, der einen Jass hat klopfen wollen), und ich hab' angefangen, mich mit meiner Strafversetzung auszusöhnen. Das Haus, in dem ich wohnen sollte, hat mir zwar nicht so recht gefallen, es sah aus, wie eben ein verschuldetes Haus aussieht. Und die Luft drin hat mir doch ein wenig den Atem verschlagen, wie ich die Stiegen hinauf bin. Aber ich hab' mir gedacht, das ist nur Einbildung. Man muss sich wieder an die Atmosphäre der Dorfhäuser gewöhnen, wenn man aus der Stadt kommt. Da gibt's nichts anderes.

Um zehn Uhr bin ich heimgegangen. Mein Töff hatte ich in die Garage gestellt, ich hab' die Haustür leise aufgesperrt, und da seh' ich die ganze Familie unter einer Petroleumlampe um einen runden Tisch im Zimmer sitzen. Die Türe zum Gang ist weit offen, die Emma liest in einem Buch, der Notar, ein dürrer, alter Mann mit einer unregelmässigen Glatze, die aussieht, als hätten ihm die Ratten hier und dort ein Büschel Haare herausgenagt, tut nichts; er hockt nur da und starrt auf seine Nägel. Ein wenig im Schatten, zwischen der Jungfer und dem Alten, sitzt ein gebücktes Weiblein, mit gebleichten Haaren. Die hält ein Strickzeug in der Hand, und die Nadeln bewegen sich so langsam, dass es aussieht wie eine Zeitlupenaufnahme im Kino. Die drei haben mich nicht kommen hören. Ich mache die Türe leise zu, aber wie ich weitergehe, knarren meine Stiefel. Sie können es mir glauben oder nicht: Ich kann Schuhe kaufen, wo ich will, immer knarren die Sohlen. Schon als ich klein war, ist es so gewesen, es ist eine Art Fluch, der über meinem Leben liegt, diese knarrenden Schuhe; aber daran kann man eben nichts ändern.

Der Notar schaut auf, die Emma kommt auf mich zu, nimmt mich an der Hand und zieht mich ins Zimmer. Dann stellt sie mich vor. Der Alte knurrt mich an, die Mutter reicht mir zwei Finger. Und dann kann ich wieder gehen. Die Emma lächelt mir nach. Herzlich war die Begrüssung nicht.

Wie ich schon im Bett liege und das Elektrische ausgedreht habe, merke ich, dass ich durstig bin. Ich zünde wieder an, aber das Wasser in der Flasche ist abgestanden, und das Glas ist mit kleinen Blasen tapeziert. Bei einem grossen Hellen mag ich das nicht ungern sehen – aber beim Wasser!... Nein! Da wirkt es wie ein Brechmittel auf mich. Also geh' ich mir frisches Wasser holen, denk' ich, ziehe den Schlafrock an, schlürfe in die Pantoffeln und gehe auf die Suche nach dem Wasserhahnen. Im Gang hat eine rötliche Birne gebrannt. Wissen Sie, eine von den halbausgebrannten Kohlenfadenlampen. Ich probiere ein paar Türen, aber entweder waren sie verschlossen oder es waren Schlafzimmer. Schliesslich komme ich vor eine Türe, eine kleine, niedere Türe, wie für einen Wandschrank. Das wird das richtige sein, denk' ich mir. Aber es steckt kein Schlüssel im Schloss. Und eine Klinke ist auch nicht vorhanden. Ich will schon weitergehen, da hör' ich hinter der Türe ein Winseln, wie von einem eingesperrten Hund. Eine Bieridee! denk' ich. Ein Tier in einer finsteren Kammer einzusperren! Das muss ich dem Notar sagen; denn das Einsperren verdirbt die Hunde; ich habe die Erfahrung selbst gemacht, mit einem Schäferhund, den ich immer einsperrte, wenn ich fort musste. Das Winseln wird stärker, wie ich da vor der Türe stehe. Da rufe ich ein paar tröstende Worte durch das Holz: Braver Hund! oder so ähnliches; denn das Tier tut mir leid. Dann suche ich weiter, und plötzlich steht der alte Notar vor mir, faucht mich an und sieht aus wie ein Kater, den man in seinen Liebesangelegenheiten gestört hat. Ich soll hier nicht herumspionieren; was hier vorgehe, gehe mich gar nichts an – und dann sagt er noch, zum Abschluss gewissermassen: »Verstehen Sie, ich sage die Sachen gerade heraus, damit die Leute wissen, woran sie sind.«

Ich denke mir mein Teil, setze mein öligstes Kundenlächeln auf und frage ihn, wo ich frisches Wasser finden kann.

»Im untern Stock«, knurrt er böse. »Und machen Sie nicht zuviel Krach! Meine Frau ist sehr schreckhaft.«

»Das weiss ich schon«, sage ich und wünsche ihm eine gute Nacht. Der alte Kracher gibt mir keinen Bescheid, humpelt davon. Am liebsten hätt' ich ihm eine geklepft ...

Wie ich dann wieder im Bett liege, kann ich nicht einschlafen. Ich höre Flüstern im Gang, dann dreht sich ein Schlüssel in einem Schloss, das Winseln wird deutlicher, es klingt bösartig – ein Schrei steigt auf, ein langgezogener Schrei, und es klatscht. Ein Riemen wird geschwungen, ein Riemen knallt auf einen Körper, der Schrei wird stärker ... Misch dich in deine Angelegenheiten! denk ich. Nach und nach wird der langgehaltene Schrei schwächer, wandelt sich wieder in ein Winseln. Und endlich verstummt auch dies. Ich kann einschlafen.

Sie wissen ja, wie das ist, wenn man schläfrig ist oder Zahnweh hat oder Bauchweh. Dann will das Mitleidsgefühl nicht mehr recht funktionieren. Man hat genug mit sich selbst zu tun und nur Gleichgültigkeit übrig für die Leiden seiner Mitkreaturen.

Am nächsten Morgen hat mir die Jungfer Emma pünktlich mein Frühstück gebracht. Der Kaffee war stark und ohne Zusatz gekocht – das riecht so ein alter Hotelwanderer wie ich auf fünf Schritte –, auch die Eier waren frisch und der Speck richtig gebraten. Ich hab' mich ein wenig geniert vor dem Meitschi; denn ich seh' nicht schön aus am Morgen, unrasiert, mit einem verschlissenen Nachthemdkragen. Dazu kommt noch, dass meine Glatze gut zu sehen ist, wenn ich meine Haare nicht auf eine bestimmte Manier gestrählt habe. Die Emma sieht müde aus, immer wieder habe ich an ein Pferd denken müssen, wenn ich sie sah. Aber an ein Pferd, das man zu früh an die Deichsel gespannt hat...

Erscheint lt. Verlag 21.11.2017
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Der Tote im Strandkorb • Die Entscheidung • Die letzte Erkenntnis • Durst • Hinterlist • Im Wald • Neuntöter für Greetsiel • origin • Todesreigen • Verfolgung
ISBN-10 80-268-7075-1 / 8026870751
ISBN-13 978-80-268-7075-3 / 9788026870753
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