In der Ferne der Fuji wolkenlos heiter (eBook)

Moderne Tanka. Mit fünf meisterhaften Kalligrafien des Autors - Übersetzt von Eduard Klopfenstein
eBook Download: EPUB
2018
144 Seiten
Manesse Verlag
978-3-641-22354-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

In der Ferne der Fuji wolkenlos heiter -  Wakayama Bokusui
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31 Silben und 5 Zeilen, die die Welt anhalten
Tanka, diese älteste Gedichtform Japans, bannt den Augenblick zu einem lyrischen Schnappschuss des Lebens. Ursprung des Haiku, schließen sich auch beim Tanka Spontanität und tiefe Allgemeingültigkeit nicht aus, wie die vorliegende Auswahl eindrücklich beweist: Sie folgt in über 250 Fünfzeilern dem japanischen Tanka-Großmeister Wakayama Bokusui, zeugt von dessen intensiven Naturbegegnungen, von gelingender und vergehender Liebe und tiefen seelischen Krisen. Radikal subjektiv, doch angenehm unpathetisch im Ton, lassen seine 100 Jahre alten Gedichte einen modernen Zeitgenossen erkennen.

«Den Fluss hinunter
geht es zum Meer: blauwogende
Wellen - die Stadt
gefärbt von aufbrechenden
Knospen der Bergkirschbäume»

Wakayama Bokusui (1885-1928) wuchs in einem entlegenen Tal der japanischen Insel Ky?sh? auf. Noch während seines Studiums in T?ky? veröffentlichte er einen ersten Gedichtband und galt schon wenig später als eine der führenden Dichterpersönlichkeiten des Landes. Die heutige Popularität des fünfzeiligen Kurzgedichts Tanka in Japan ist untrennbar mit seinem Namen verknüpft.

Weiße Schwäne

seid ihr nicht traurig

so zu schweben

ungefärbt vom Blau des Himmels

vom Blau des Meeres

1907

I, 13, 1

Im Dunkeln

ist es nun kühler – noch kühler

der Sand

Ich lege mich nieder am Strand

lausche den schwarzen Fluten

Sommer 1906/07

I, 14, 3

Auch heute

dichte ich Verse

weiß nicht warum

getrieben von Sehnsüchten

Traurigkeiten

1907

I, 12, 1

In der Ferne der Fuji

Im Lande Musashi

strahlender Herbstmorgen

Ein Tag zum Buchweizensäen

Hinaus ihr Enkel  kommt mit!

Herbst 1904

I, 301, 3

Vogelgezwitscher

wie plätscherndes Wasser

Bergkirschen blühen

zur Mittagszeit  zwischen Kiefern

in Waldestiefe

Mai 1906

I, 35, 9

Angelehnt neige ich

mein Gesicht zum Baum hin

Da pocht an die Wange

kaum spürbar der Pulsschlag

des herbstlichen Waldes

Herbst 1906

I, 23, 3

Dort wo die Berge

sich drängen  im Lande Hyūga

wohnt an dem einen Berg

die Mutter  nach der ich mich sehne –

strahlender Herbsttag

November 1906

I, 33, 1

Mutter  voll Liebe

denk ich an dich  ein Abend

an dem mir die Berge

der Heimat vor Augen stehen

in voller Blütenpracht

Februar 1907

I, 29, 3

Vater! Mutter!

Wie ehrwürdige Göttergestalten

habt ihr gelebt

getragen von Erinnerungen

unter Bergkirschblüten

Februar 1907

I, 29, 5

Den Fluss hinunter

geht es zum Meer: blau wogende

Wellen – die Stadt

gefärbt von aufbrechenden

Knospen der Bergkirschbäume

Februar 1907

I, 37, 5

Zwei Wolken

streben aufeinander zu

trennen sich wieder

schwinden dahin in die blaue Weite

des Frühlingshimmels

Februar 1907

I, 39, 2

Sie stampfen die Erde

und bleiben doch ohne Laut

meine Strohsandalen

Kurz vor dem Aufblühn: wilde Kirschen

Bergesstille

Frühling 1907

I, 44, 3

Auch heute wieder

geh ich weiter  sehnsuchtsvoll

lasse mein Herz

das Pilgerglöcklein

klingen klingen

Juni 1907

I, 45, 1

Wenn viele Berge

Flüsse überschritten sind

kommt wohl ein Land

wo Einsamkeit ein Ende hat

Auch heute geht die Reise weiter

Juni 1907

I, 45, 3

Sehnsüchtige Liebe –

einfach nur dies  von Groll oder Zorn

nicht die leiseste Spur

jetzt in der Dämmerung  da ich mich

an die Brüstung der Herberge lehne

Juli 1907

I, 46, 3

Stell dir vor: Eine

mächtige alte Schirmpalme –

und auch den Mann

der im Palmwedelschatten

wie versteinert aufs Meer blickt

Juli 1907

I, 46, 7

Im Lande Hyūga

wo das Kap von Toi

sich vorschiebt

in die blaue Flut – dort an der Spitze

lausche ich allein dem Meer

Juli 1907

I, 47, 2

Kläglich tönt’s

als kaum hörbare

Stimme

aus der angeschwemmten Kokosnuss –

bläst man in die hohle Schale

Juli 1907

I, 47, 1

Das Schiff legt an

Ein sternenübersäter Himmel

spannt sich übers Land

und mittendrin erhebt sich

wundersam der Berg

August 1907

I, 47, 6

Wenn es Abend wird

senken sich irgendwann

die Wolken herab

lagern sich zum Schlaf auf die Gipfel

dieses gebirgigen Landes

August 1907

I, 49, 3

Sieh nur  wie unter

herbstlicher Sonne Gräser und Bäume

verstummen

wie sie sich bald mit dem Gelb

des Verblühns und Verwelkens färben

Herbst 1907

I, 33, 6

Kokawa-Tempel –

Höre wie Scharen von Pilgern

mit ihren Glöckchen

vorüberbimmeln

zwischen herbstlichen Bäumen

Herbst 1907

I, 53, 5

Stielblütengräser

Rote Pimpernelle Binsenhalme –

Herbstgräser

als Zeichen tiefer Einsamkeit

will ich dir schicken

Herbst 1907 (?)

I, 144, 3

Ich irre umher

zwischen dem sonnengleißenden Meer

dem Himmel

und deiner Brust

wo mein Herz ruht

Neujahr 1908

I, 16, 1

Ah unsere Küsse –

Das Meer bewege sich nicht!

Die Sonne stehe still!

Und der Vogel sterbe dahin

im Fluge  hier und jetzt!

Neujahr 1908

I, 16, 3

Wir küssen –

vor uns ausgebreitet

endlos

die Weite des Meeres

Gott wo verweilst du …

Neujahr 1908

I, 16, 4

Sieh die Berge

die Berge im Glanz der Sonne

Sieh das Meer

das Meer im Glanz der Sonne

Und nun deine Lippen  Geliebte …

Neujahr 1908

I, 16, 5

Mitten am Tag –

tot liegt die blaue Meeresfläche da

Im Schatten der Felsen

wuseln winzige Muscheln

auf der Suche nach einer Gefährtin

Neujahr...

Erscheint lt. Verlag 19.3.2018
Übersetzer Eduard Klopfenstein
Zusatzinfo 5 Kalligrafien
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte eBooks • Haiku • Japan • Lyrik • Neuübersetzung • Poesie • Schönheit • Stille • Tanka • Tradition
ISBN-10 3-641-22354-7 / 3641223547
ISBN-13 978-3-641-22354-0 / 9783641223540
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