Mein Herz in zwei Welten (eBook)
592 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-22391-2 (ISBN)
Jojo Moyes, geboren 1969, hat Journalistik studiert und für die Sunday Morning Post in Hongkong und den Independent in London gearbeitet. Ihr Roman «Ein ganzes halbes Jahr» war ein internationaler Bestseller und eroberte weltweit die Herzen von über 16 Millionen Leser:innen. Zahlreiche weitere Nr.-1-Romane folgten. Jojo Moyes hat drei erwachsene Kinder und lebt in London.
Jojo Moyes, geboren 1969, hat Journalistik studiert und für die Sunday Morning Post in Hongkong und den Independent in London gearbeitet. Ihr Roman «Ein ganzes halbes Jahr» war ein internationaler Bestseller und eroberte weltweit die Herzen von über 16 Millionen Leser:innen. Zahlreiche weitere Nr.-1-Romane folgten. Jojo Moyes hat drei erwachsene Kinder und lebt in London. Karolina Fell hat schon viele große Autorinnen und Autoren ins Deutsche übertragen, u.a. Jojo Moyes, Bernard Cornwell und Kristin Hannah.
Kapitel 1
Es war der Schnurrbart, bei dem ich daran denken musste, dass ich nicht mehr in England war; ein breiter, grauer Tausendfüßler, der die Oberlippe des Mannes vollständig verdeckte; ein Village-People-Schnurrbart, ein Cowboy-Schnurrbart, ein Miniaturbesen, der ankündigte, dass es jetzt ernst wurde. Solche Schnurrbärte gab es zu Hause einfach nicht. Ich konnte kaum den Blick davon abwenden.
Der einzige Mensch, den ich zu Hause je mit so einem Schnurrbart gesehen hatte, war Mr. Naylor, unser Mathematiklehrer, und bei ihm hatten sich Kekskrümel darin verfangen, die wir während der Algebrastunde zählten.
«Ma’am?»
«Oh. Sorry.»
Der uniformierte Mann winkte mich mit seinem dicklichen Zeigefinger nach vorn. Er sah nicht von seinem Bildschirm auf. Ich wartete vor dem Schalter; nach dem Langstreckenflug trocknete langsam der Schweiß in meinem Kleid. Der Mann hob eine Hand und wackelte mit vier fetten Fingern. Das, begriff ich nach mehreren Sekunden, war die Aufforderung, ihm meinen Pass zu geben.
«Name.»
«Der steht doch da», sagte ich.
«Ihr Name, Ma’am.»
«Louisa Elizabeth Clark.» Ich spähte über den Counter. «Aber Elizabeth benutze ich nie. Meiner Mutter ist nämlich nach der Taufe aufgefallen, dass sich die Namen viel zu ähnlich sind und es idiotisch klingt, sie hintereinander auszusprechen. Mein Dad findet allerdings, das passt irgendwie. Nicht, dass ich eine Idiotin wäre. Ich meine, Sie wollen schließlich keine Idioten im Land haben. Haha!» Meine Stimme hallte schrill von der Plexiglasscheibe zurück.
Der Mann sah mich zum ersten Mal richtig an. Er hatte breite Schultern und einen Blick, der einen niederstrecken konnte wie ein Taser.
Er lächelte nicht. Er wartete ab, bis mein eigenes Lächeln verschwunden war.
«Sorry», sagte ich. «Leute in Uniform machen mich immer nervös.»
Ich warf einen Blick über die Schulter in die Ankunftshalle, auf die Schlange der anstehenden Menschen, die sich so oft gewunden hatte, dass sie zu einem undurchdringlichen Menschenmeer geworden war. «Das ist wirklich die längste Schlange, in der ich je gestanden habe. Ich hatte schon überlegt, ob ich anfange, meinen Wunschzettel für Weihnachten zu schreiben.»
«Legen Sie Ihre Hand auf den Scanner.»
«Beeindruckend.»
«Der Scanner?» Er runzelte die Stirn.
«Die Schlange.»
Aber er hörte mir nicht mehr zu. Er musterte etwas auf seinem Bildschirm. Ich legte meine Finger auf die Sensorfläche des Scanners. Und dann kam ein «Ping» von meinem Telefon.
Mum: Bist du gelandet?
Ich wollte mit der freien Hand eine Antwort tippen, aber der Mann musterte mich streng.
«Ma’am, es ist in diesem Bereich verboten, Mobiltelefone zu benutzen.»
«Es ist nur meine Mum. Sie will wissen, ob ich hier bin.» Ich versuchte mehrmals, auf das Daumen-hoch-Emoji zu drücken, während ich das Handy wegsteckte.
«Grund der Reise?»
Was ist das?, kam augenblicklich Mums Antwort. Sie hatte sich beim SMS-Schreiben vom ersten Augenblick an so wohl gefühlt wie ein Fisch im Wasser und konnte inzwischen schneller tippen als sprechen. Und schon das erfolgte im Maschinengewehrtempo.
Du weißt, dass mein Handy diese kleinen Bilder nicht kann. Ist das ein SOS? Louisa, schreib, dass du o. k. bist.
«Grund der Reise, Ma’am.» Der Schnurrbart zuckte vor Verärgerung. Langsam fügte er hinzu: «Was führt Sie in die Vereinigten Staaten?»
«Ich habe einen neuen Job.»
«Und der wäre …»
«Ich werde für eine Familie in New York arbeiten. Am Central Park.»
Möglicherweise hoben sich die Augenbrauen des Mannes für einen winzigen Moment um einen Millimeter. Er checkte die Adresse auf meinem Formular.
«Was für eine Art Arbeit?»
«Das ist ein bisschen kompliziert. Aber ich bin so etwas wie eine bezahlte Begleiterin.»
«Eine bezahlte Begleiterin.»
«Also … ich habe früher für einen Mann in England gearbeitet. Ich war seine bezahlte Begleiterin, aber ich habe ihm auch seine Tabletten gegeben und bin mit ihm rausgegangen und habe ihn gefüttert – das ist übrigens gar nicht so seltsam, wie es klingt –, weil er seine Hände nicht gebrauchen konnte. Es war überhaupt nichts Perverses oder so. Das Ding ist, es ist schwer, den Leuten nicht nahezukommen, um die man sich kümmert, und Will – so hieß er – war einfach unglaublich, und wir … na ja, wir haben uns ineinander verliebt.» Zu spät wurde mir das vertraute Gefühl bewusst, mit dem mir die Tränen kamen. Ich wischte mir hastig über die Augen. «Es wird also so was in der Art, schätze ich. Bis auf das mit der Liebe. Und das mit dem Füttern.»
Der Beamte von der Einwanderungsbehörde starrte mich an. Ich versuchte zu lächeln.
«Also eigentlich weine ich nicht, wenn ich über die Arbeit rede. Ich bin nämlich keine Idiotin, trotz meines Namens. Hah! Aber es war eben nicht irgendein Job. Ich habe ihn geliebt. Und er hat mich geliebt. Und dann hat er … na ja, er hat beschlossen, sein Leben zu beenden. Und das hier ist so was wie mein Versuch, einen Neuanfang zu machen.»
Die Tränen liefen mir nun aus den Augenwinkeln, unaufhörlich, peinlich. Ich konnte es nicht verhindern. Ich konnte anscheinend überhaupt nichts verhindern.
«Sorry. Muss der Jetlag sein. Es wäre für mich jetzt ungefähr zwei Uhr morgens, verstehen Sie? Außerdem rede ich eigentlich nicht mehr über ihn. Ich meine, ich habe einen neuen Freund. Und er ist toll! Er ist Sanitäter! Und richtig sexy! Das ist, als hätte man in der Männer-Lotterie gewonnen, oder? Ein sexy Sanitäter!»
Ich kramte in meiner Handtasche nach einem Taschentuch. Als ich aufsah, hielt mir der Mann eine Schachtel mit Papiertüchern hin.
Ich nahm eins.
«Danke. Also jedenfalls arbeitet mein Freund Nathan hier – er kommt aus Neuseeland –, und er hat mir geholfen, diese Stelle zu kriegen, und ich weiß eigentlich gar nicht, was ich alles zu tun habe, außer dass ich mich um die Frau eines reichen Mannes kümmern soll, die Depressionen hat. Aber ich habe beschlossen, dass ich dieses Mal Wills Erwartungen gerecht werde, bis jetzt habe ich das nämlich nicht geschafft. Zuletzt habe ich in einem Irish Pub im Flughafen gearbeitet.»
Ich erstarrte. «Nicht … oh … dass irgendwas daran auszusetzen wäre, wenn jemand in einem Flughafen arbeitet! Ich bin sicher, dass die Einwanderungsbehörde sehr wichtig ist. Total wichtig. Aber ich habe einen Plan. Ich werde jede Woche, die ich hier bin, etwas Neues machen, und ich werde ja sagen.»
«Ja sagen?»
«Zu neuen Sachen. Will meinte immer, ich würde mich neuen Erfahrungen verschließen. Also ist das jetzt mein Plan.»
Der Beamte studierte meine Papiere. «Sie haben das Adressfeld nicht richtig ausgefüllt. Ich brauche eine Postleitzahl.»
Er schob mir das Formular hin. Ich suchte die Nummer auf dem Blatt, das ich mir ausgedruckt hatte, und schrieb sie mit zitternden Fingern in das Feld.
Ich warf einen Blick nach links, wo die Leute in meinem Bereich unruhig wurden. Am Schalter nebenan wurde eine chinesische Familie von zwei Beamten befragt. Als sich die Frau beschwerte, wurden sie in einen Nebenraum geführt. Plötzlich fühlte ich mich sehr allein.
Der Beamte warf einen Blick über die Warteschlange. Und dann, völlig abrupt, stempelte er meinen Pass ab.
«Viel Glück, Louisa Clark», sagte er.
Ich starrte ihn an. «Das war’s?»
«Das war’s.»
Ich lächelte. «Oh, danke! Das ist wirklich nett. Ich meine, es ist ziemlich komisch, zum ersten Mal allein auf der anderen Seite der Erdkugel zu sein, und jetzt fühle ich mich, als hätte ich gerade meine erste nette Begegnung gehabt und …»
«Sie müssen jetzt weitergehen, Ma’am.»
«Natürlich. Sorry.»
Ich raffte meine Sachen zusammen und schob mir eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht.
«Und, Ma’am?»
«Ja?» Ich fragte mich, was ich jetzt wieder falsch gemacht hatte.
Er sah nicht von seinem Bildschirm auf.
«Passen Sie auf, zu was Sie ja sagen.»
Nathan hatte versprochen, mich abzuholen. Ich ließ meinen Blick über die Menschenmenge schweifen, fühlte mich seltsam unsicher und war insgeheim davon überzeugt, dass er nicht kommen würde, aber dann sah ich ihn, seine riesige Hand winkte über die Menschen hinweg. Er hob seinen anderen Arm, ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, dann schob er sich zu mir durch und hob mich in einer stürmischen Umarmung in die Luft.
«Lou!»
Bei seinem Anblick schnürte sich in mir unerwartet etwas zusammen – etwas, das mit Will und Verlust zu tun hatte und mit der Hypersensibilität, die sich nach einem etwas zu holprigen siebenstündigen Flug einstellt. Ich war froh, dass er mich festhielt, sodass ich einen Moment hatte, um mich zusammenzunehmen. «Willkommen in New York, Kleine! Du weißt immer noch, wie man sich anzieht, stelle ich fest.»
Grinsend hielt er mich auf Armeslänge von sich gestreckt. Ich zog mein Siebziger-Jahre-Tigerprint-Kleid glatt. Ich hoffte damit auszusehen wie Jackie Onassis – die sich im Flugzeug ihren halben Kaffeebecher auf den Schoß gekleckert hatte.
«Es ist einfach toll, dich wiederzusehen.»
Er nahm meine bleischweren Koffer hoch, als enthielten sie nur Federn. «Komm. Bringen wir dich ins Haus. Der Prius ist in der Inspektion, deshalb hat mir Mr. G. das Auto geliehen, mit dem sie sich sonst herumfahren lassen. Der Verkehr ist ein...
Erscheint lt. Verlag | 23.1.2018 |
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Reihe/Serie | Lou | Lou |
Übersetzer | Karolina Fell |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Beziehungen • bücher für frauen • Eine Handvoll Worte • Ein ganzes halbes Jahr • Emilia Clarke • Familie • Film • Frauenroman • Geschenke für Frauen • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesroman • Liebesromane Bestseller • Liebesromane deutsch • liebesromane für erwachsene • Lou • Lou Band 3 • Me before you • Neuanfang • New York • romane bestseller frauen • romantischer Liebesroman • Roman Urlaub • Spiegel Bestseller-Autorin • still me deutsch • Weihnachtsgeschenk • will • Will und Lou Band 3 |
ISBN-10 | 3-644-22391-2 / 3644223912 |
ISBN-13 | 978-3-644-22391-2 / 9783644223912 |
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