Mord im Dienstbotenzimmer (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 3. Auflage
265 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1237-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mord im Dienstbotenzimmer -  Amy Myers
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Butler Greeves war ein mächtiger Mann auf Stockbery Towers, einem Herrensitz in Kent zum Ende des vorigen Jahrhunderts. Aber beliebt war er nicht. War er ein Erpresser? Ein Heiratsschwindler? Eines Tages wird er vergiftet aufgefunden. Wer von den Dienstboten hätte ihn ermorden wollen? Oder haben auch der Herzog nebst Gattin und ihre zur Jagd angereisten Gäste ein Motiv? Zuerst einmal verdächtigen alle den Chefkoch Auguste Didier. Was der Halbfranzose dem englischen Gaumen an französischer Küche zumutet, daran kann man sich schon leicht vergiften. So ist der charmante Auguste gezwungen, selbst Nachforschungen anzustellen, um seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen ... 

Ein spannender und amüsanter Krimi aus dem viktorianischen England.



AMY MYERS wurde 1938 in Kent geboren. Sie studierte an der Reading University englische Literatur, arbeitete als Verlagslektorin und war bis 1988 Direktorin eines Londoner Verlages. Seit 1989 ist sie freischaffende Schriftstellerin. Sie ist mit einem Amerikaner verheiratet und wohnt in Kent. Amy Myers schreibt auch unter dem Namen Harriet Hudson und Laura Daniels.In ihren ersten Ehejahren arbeitete ihr Mann in Paris, und sie pendelte zwischen London und der französischen Hauptstadt hin und her. Neben vielen anderen Dingen mußte sie nun lernen, sich auf französischen Märkten und den Speisekarten französischer Restaurants zurechtzufinden. Dabei kam ihr die Idee, einen französischen Meisterkoch zum Helden eines klassischen englischen Krimis zu machen: Auguste Didier war geboren. Alle Kriminalromane von Amy Myers erscheinen im Aufbau Taschenbuch Verlag.

Kapitel 2


Stockbery Towers war in den frühen sechziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts erbaut worden, ein monumentales Denkmal gotischer Pracht der mittelviktorianischen Epoche. Der frühere Landsitz der Herzöge von Stockbery war in den späten fünfziger Jahren niedergebrannt, seine elisabethanische Täfelung und soliden Holzmöbel am Silvesterabend den Flammen zum Opfer gefallen, während der Herzog und seine Gemahlin mit dem Butler beziehungsweise der Haushälterin auf dem Dienerschaftsball tanzten. Als sie zurückkehrten, erhitzt und glücklich ob ihrer Anstrengungen im Interesse ihrer Untergebenen, hatte sich das Feuer bereits zu weit ausgebreitet, um das Haus noch retten zu können. Durch nichts zu entmutigen, machte sich der Herzog, zu der Zeit ein strammer Siebzigjähriger, daran, ein monumentales Denkmal im Zeitgeschmack zu errichten. In seiner Jugend von einer Kinderfrau inspiriert, die seinen kindlichen Geist mit Kreuzzügen und Minnesängern vollstopfte, zwang er den bedauernswerten Architekten, statt eines bescheideneren geplanten Turmes zwei Türme und viele (nach seinem Dafürhalten) gefällige Zinnen anzubauen, was eher zu einer Elsinore-Kulisse als in die Mitte des Hügellandes von Kent passte.

Man scheute keinerlei Ausgaben. Der alte Herzog handelte nach dem Grundsatz, dass es – da in Haus und Hof sechzig Angestellte benötigt wurden, um vierzig Familienangehörige und deren Gäste zu bedienen –, einleuchtend sei, dass der Dienerschaftstrakt mindestens genauso groß, wenn nicht größer als das Hauptgebäude wäre. Da er seiner Zeit jedoch nicht so weit voraus war, um zu erahnen, dass man die Anwesenheit des Dienstpersonals nicht nur spüren, sondern auch sehen sollte, wurde der Dienerschaftsflügel auf Stockbery Towers – fest eine in sich geschlossene Halbinsel –, derartig gründlich durch eine geschmackvolle Reihe hoher Platanen getarnt, dass er für den flüchtigen Betrachter überhaupt nicht existierte. So dankbar man für den zusätzlichen Komfort war, den diese Abgeschiedenheit und dieser verhältnismäßige Luxus im Vergleich zu älteren Häusern boten, ergaben sich daraus jedoch auch einige Probleme für die Bewohner. Es waren etwa sechzig Meter von der Küche zum Speisesaal. Vom Kohlenbunker zum Dienstbotenaufgang für Frauen und von da zu den Schlafzimmern waren es einhundertsiebenunddreißig Meter. Der Transport von Kohle und heißem Wasser hatte keine Berücksichtigung gefunden. Die Entfernungen waren von Nachteil, denn sie hatten die verhängnisvolle Wirkung, dass eine Sauce hollandaise zwischen Küche und Speisesaal zweifellos abkühlen, ein Souffle zusammenfallen und nie wieder aufgehen würde, und sogar für das Wildragout konnte man nicht gewährleisten, dass es sein Bestimmungsziel genauso brodelnd und heiß erreichte, wie man sich das wünschte. Ein Anrichteraum voller Warmhalteschränke und mit zahlreichen Wärmepfannen war deshalb neben dem Speisesaal eingerichtet worden. Unglücklicherweise segnete der Herzog, nachdem er sich an seiner ersten Jagd auf dem neuen Schloss Stockbery Towers und dem darauffolgenden ersten Lunch, bestehend aus kaltem Rebhuhn und Rum, erfreut hatte, unverzüglich das Zeitliche und konnte nie die erlesenen Früchte der riesigen und teuer ausgestatteten Küche genießen.

Sein Sohn, der zwölfte Herzog, wurde im Alter von dreiunddreißig Jahren sein Nachfolger und war jetzt, im Herbst 1891, achtundfünfzig. Mit seiner Gemahlin Laetitia herrschte er über seine Besitzungen, wie es sein Vater vor ihm getan hatte, und der zehnte Herzog vor diesem, in gerader Linie zurück bis zum ersten Herzog, einem höchst unangenehmen Ehrenmann, dessen Leistungen, die zur Verleihung der Herzogswürde geführt hatten, glücklicherweise in den Dunstschleier der Geschichte gehüllt waren. Ein Engländer bis ins Mark, hatte George, zwölfter Herzog von Stockbery, eines Tages eine Neigung für das Exzentrische entwickelt, ähnlich wie es bei seinem Vater bezüglich der Zinnen der Fall gewesen war. Der Herzog hatte vor zwei Jahren, anno 1889, laut protestierend Paris besucht und, nachdem er einmal dort war, eine derartige Vorliebe für »ausländisches Zeug« entwickelt, wie er es bis heute nannte, dass er einen französischen Chefkoch importierte, damit sein Gelüst auf Kalbsbries à la dauphine oder écrevisses à la provençale umgehend befriedigt werden konnte.

Bedauerlicherweise hatte er sich verrechnet, als er Auguste Didier auserkor. Auguste hatte, trotz all seiner französischen Erziehung und seiner Ausbildung in der klassischen Kochkunst Frankreichs, eine englische Mutter, die einst als Küchenmädchen unter Richard Dolby in der Taverne »Zum Schilfdachhaus« arbeitete. Folglich wollte Auguste nichts lieber, als eine Schweinspastete aufgehen lassen dürfen, eine Füllung aus Hackfleisch mit Sellerie für eine fette Aylesbury-Jungente, eine Quittensoße für eine Kalbskeule herstellen. Von der grundsätzlichen Überlegenheit englischer Speisen war er genauso fest überzeugt wie von der unendlichen Überlegenheit der Franzosen, sie zu kochen.

Außerdem war es zu einem Tauziehen gekommen, wer der gnädigen Frau am Morgen die Speisekarten vorlegen durfte – Auguste, mit dem die gnädige Frau in etwa gleicher Meinung war, nicht aus Geschmacksgründen, sondern weil sie die männlichen Gäste aus dem Kreis des Prinzen von Wales im Auge hatte – vom Prinzen selbst ganz zu schweigen –, und die waren dafür bekannt, englische Speisen zu lieben, einfach zubereitete Hausmannskost; oder Greeves, der sich dort heimlich einschlich, wenn der gnädige Herr anwesend war. Dann wurde Auguste, bevor er noch wusste, was los war, eine Speisekarte präsentiert, auf der mit dem charakteristischen Gekritzel des gnädigen Herrn einiges ausgestrichen und eine Menge schwerer Rahmsoßen durch dessen delikate Feinheiten ersetzt worden waren. Oder, was noch schlimmer war, er wurde zur Audienz befohlen. »Du liebe Güte! Ragout? Gewürzte Quitten? Is doch nich Weihnachten, oder? Is wohl die Kinderkarte, die Sie mir gebracht haben, was?«

»Aber, Euer Gnaden …«

»Wissen Sie, was, Didjer. Wie war’s mal wieder mit ein paar Nymphenschenkeln?«

Das ganz zu Recht als Aufforderung zum nochmaligen Auftischen von Cuisses des Nymphs d’Aurore interpretierend, einer Kreation aus Froschschenkeln, vin d’Alsace und Rahm nach einem Rezept, das er voriges Jahr vom Maître erhalten hatte, würde Auguste resignierend den Kopf senken und den Blick vom triumphierenden Greeves abwenden.

Nein, Auguste hatte keinen Grund, Greeves zu mögen. Im Gegenteil, ihre Fehde, in die sich Mrs Hankey, wenn auch nicht aus Abneigung gegen Auguste, mit gewisser Freude einmischte, war dem Küchenpersonal allgemein bekannt. Die anderen höheren Bedienten konnte er ertragen. Sogar Mrs Hankey belustigte ihn, und May konnte gelegentlich amüsant sein. Ihre Diskretion war nicht so absolut, wie es sich für die Vertrauensstellung als Kammerzofe gehörte. Ethel? Oh, Ethel war eine entzückende Rose. Doch Greeves war ein salaud. Ein bösartiger Mensch. Immer lächelnd und doch ein Schurke … Er erinnerte sich, wie Mr Henry Irving diese Worte im Lyceum gebrauchte bei jenem Besuch in London. Er war nach London gefahren, um seinen früheren Maître, den Maître Escoffier, willkommen zu heißen, der kürzlich im Savoy Hotel eingetroffen war. Entgegen aller Regeln von Stockbery Towers und unter beträchtlichem organisatorischen Aufwand hatte er Ethel mitgenommen. Er hatte zum ersten Mal ihre Hand gehalten, sie dann geküsst. Er erinnerte sich voller Rührung an ihren kleinen Seufzer, als sein Schnurrbart sie berührte, und an ihre Lippen, so begierig und warm. Natürlich nicht mit Tatjanas vergleichbar. Niemand war wie Tatjana …

 

Die folgenden drei Tage ließen die Spekulationen nicht abklingen; Theorien entwickelten sich, wurden aufgebauscht, übertrafen sich gegenseitig und wurden wieder fallengelassen; andere entstanden, kämpften darum, deren Platz einzunehmen. Oberflächlich betrachtet, blieb die hierarchische Ordnung bestehen, unterschwellig aber war jeder nur auf sich bedacht, vom eigenen Stellenwert überzeugt, nicht so sehr jedoch von dem seiner Kollegen. Am Freitagmorgen befand sich Auguste im Frühstückszimmer und besprach gerade die letzten Details für die Speisenfolge des Abends und für das Büfett am Sonnabend, als Hobbs eintrat.

»Chief Constable Herbert, Euer Gnaden.«

Chief Constable? Eh bien, dachte Auguste. Man brauchte keine Chief Constables für ein unglückliches Versehen – das könnte jeder Beamte einem unachtsamen französischen Koch unterschieben. Ah non. Es war also bestimmt Mord. Für den Franzosen in ihm war es sofort aufregend. Der Engländer in ihm dachte an die Gefahr, nicht zuletzt für seine Küche, und an die Folgerungen – denn, wenn es Mord war, musste es einen Mörder geben. Und es wäre jemand, den er kannte. Für einen begeisterten Anhänger von Inspecteur Eugene Lecoq eröffneten sich eine Menge faszinierender Möglichkeiten. Falls er jedoch gehofft hatte, bleiben und mehr über diesen interessanten Fall hören zu können, wurde er schwer enttäuscht. Ein Knurren des Herzogs signalisierte, dass er wegtreten durfte; ein leichtes Nicken der Herzogin deutete an, dass er sich um kurzfristige Planänderungen für das Büfett keine Sorgen mehr machen brauchte. Es konnte nach Plan verfahren werden.

Auf dem Weg nach draußen ging er am Chief Constable vorbei, einem beleibten und nervösen ehemaligen Armeemajor. Normalerweise war Humphrey Herbert,...

Erscheint lt. Verlag 6.6.2017
Reihe/Serie Didier & Rose ermitteln
Übersetzer Elfi Schneidenbach
Sprache deutsch
Original-Titel Murder in Pug's Parlour
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amy Myers • Butler • Cosy Crime • Dienstbote • England • Ermittler • Kent • Koch • Krimi • Leiche • Lord • Mord • Scotland Yard • Viktorianisches Zeitalter
ISBN-10 3-8412-1237-9 / 3841212379
ISBN-13 978-3-8412-1237-5 / 9783841212375
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Thrille

von James Kestrel

eBook Download (2023)
Suhrkamp (Verlag)
13,99
Ein Provence-Krimi mit Capitaine Roger Blanc

von Cay Rademacher

eBook Download (2023)
DuMont Buchverlag
9,99