Spaceman of Bohemia (eBook)

Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
367 Seiten
Tropen (Verlag)
978-3-608-10890-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Spaceman of Bohemia -  Jaroslav Kalfar
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»Ein Debüt voll überbordender Fantasie, sprühend vor Vitalität und Originalität.« New York Times April 2018: Die JanHus 1, das erste Raumschiff in der tschechischen Geschichte, erhebt sich in den Himmel. Eine ganze Nation ist auf den Beinen, um den Start vom staatseigenen Kartoffelacker aus mitzuverfolgen. Die Besatzung besteht aus einem einzigen Raumfahrer: Jakub Procházka, Spross einer Kollaborateursfamilie und Professor für Astrophysik mit einschlägiger Erfahrung in der Erforschung interstellaren Staubs. Nach dreizehn eintönigen Wochen im All ist der Forscherdrang Jakubs jedoch beinahe erloschen. Einziger Lichtblick sind die wöchentlichen Video-Chats mit seiner Frau Lenka. Doch als die ihn verlässt, gerät Jakubs Leben im Orbit in Schieflage. Und als wäre das nicht genug, schleicht sich auch noch ein haariger, achtbeiniger Mitbewohner in Jakubs Raumschiff ein. Jaroslav Kalfa?s Debüt ist verrückt und voll überbordender Phantasie, dabei romantisch und ein klein wenig philosophisch. »Der Roman platzt vor Geschichten und Fantastereien, weil sein einfallsreicher Autor mit so ungebremsten Erzähldrang bei der Sache ist. Ebenso groß ist dementsprechend auch der Lesedrang.« taz »So überschäumend wie klug.« Frankfurter Allgemeine Zeitung »Ebenso absurd wie realistisch.« Der Tagesspiegel »In imaginärer Lichtgeschwindigkeit verbindet Kalfars Roman Politik, Märchen, Trash und die Geschichte einer scheiternden Liebe mit dem ersten und letzten Dingen. Steven Spielberg trifft auf Bohumil Hrabal.« Stuttgarter Zeitung »Spannend, unterhaltsam, nie oberflächlich.« Die Presse

Jaroslav Kalfa? geboren und aufgewachsen in Prag, migrierte mit fünfzehn Jahren in die USA. Er studierte Literatur, Politik und europäische Geschichte und belegte anschließend an der renommierten Universität von New York einen Master in Kreativem Schreiben. Heute lebt und arbeitet Jaroslav Kalfa? in Brooklyn. Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt ist sein erster Roman.

Jaroslav Kalfař geboren und aufgewachsen in Prag, migrierte mit fünfzehn Jahren in die USA. Er studierte Literatur, Politik und europäische Geschichte und belegte anschließend an der renommierten Universität von New York einen Master in Kreativem Schreiben. Heute lebt und arbeitet Jaroslav Kalfař in Brooklyn. Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt ist sein erster Roman. Barbara Heller lebt als Diplomübersetzerin aus dem Englischen, Niederländischen und Französischen in Heidelberg. Zu ihrer Liste von über sechzig Autorinnen und Autoren gehören u. a. George Simenon, Agatha Christie, Salman Rushdie, Amitav Ghosh, Anne Fine, Connie Palmen und Sophie van der Stap.

Die Verliererseite


Mein Name ist Jakub Procházka. Das ist ein ganz normaler Name. Meine Eltern haben sich ein einfaches Leben für mich gewünscht: ein Leben in guter Kameradschaft mit meinem Land, ein Leben im Dienst der Welt, die sich im Sozialismus vereint. Dann fiel mit einem dumpfen Schlag der Eiserne Vorhang, und der Kapitalismus drang mit seinem Konsumwahn und seinen freien Märkten in unser Land ein.

Bevor ich Astronaut wurde, fragten mich die neuen Apostel des Kapitalismus, ob ich nicht einen anderen, einen exotischeren Namen annehmen wolle. Einen westlicheren. Einen, der besser zu einem Helden passte.

Ich lehnte ab. Ich ließ meinen Namen, wie er war: normal und schlicht.

* * *

Frühling 2018. An einem warmen Aprilnachmittag blickte die tschechische Nation vom Petřínhügel hinab, als das Raumschiff JanHus1 von einem staatseigenen Kartoffelacker abhob. Die Tschechische Philharmonie ließ zur Untermalung des Countdowns die Nationalhymne zwischen den gotischen Türmen der Stadt erklingen, während die Menge den Atem anhielt. Die Rakete sog den Treibstoff an, begann mit der Verbrennung und schoss dann aufwärts, die ganzen neun Millionen Kilo, plus die achtzig Kilo ihres einzigen menschlichen Insassen.

Blitzartig warf JanHus1 einen vogelähnlichen Schatten auf die hundert Türme der Stadt. Einwohner wie Touristen verfolgten den bogenförmigen Aufstieg des Raumschiffs, bis es schließlich im Sonnenlicht verschwand, ein winziger Punkt nur noch, eingefangen von hochentwickelten Kameraobjektiven. Dann stiegen die Menschen plaudernd den Hügel hinab, um ihren Bierdurst zu stillen, und überließen das Schiff am Himmel seinem Schicksal.

Ich verfolgte den Triumph meiner Nation an einem stumm flimmernden Bildschirm. Es dauerte etwa eine Stunde, bis ich mich an das Vibrieren des Sitzes gewöhnt hatte, das meinem Hinterteil heftig zusetzte. Einer der Gurte schnitt mir durch den Anzug brutal in die Brustwarze, aber ich konnte seinen hartnäckigen Griff nicht lockern. Die Startkabine, in der ich saß, hatte die Größe einer Besenkammer und beherbergte eine Reihe phosphoreszierender Monitore, anorektische Panels und den Raumfahrerthron. Ihrer eigenen Existenz nicht bewusst und gleichgültig gegenüber meiner Beklemmung, trug die Maschinerie mich von zu Hause fort. Meine Hände zitterten.

Vor dem Start hatte ich dem Drängen meiner Betreuer zum Trotz kein Wasser getrunken. Mein Aufstieg ins All war die Erfüllung eines unmöglichen Traums, eine spirituelle Erfahrung ohnegleichen. Die Reinheit meiner Mission sollte nicht getrübt werden durch etwas so profan Menschliches wie das Eindringen von Urin in mein Maximum Absorbency Garment, die Astronautenwindel. Auf dem Bildschirm vor mir schwenkten meine Landsleute Fahnen, umklammerten schwitzende Staropramen-Flaschen, tauschten Kronenscheine gegen Plastikraumschiffe und Astronautenfigürchen. Ich suchte nach dem Gesicht meiner Frau Lenka, in der Hoffnung, einen letzten Blick auf ihren Kummer zu erhaschen, und um mich zu vergewissern, dass ich geliebt und dass um mich gebangt wurde, dass unsere Ehe meiner achtmonatigen Abwesenheit – oder Schlimmerem – standhalten würde. Was machte es schon, dass meine Kehle ausgedörrt war, meine Zunge über raues Zahnfleisch schabte, meine Muskeln sich anspannten und verkrampften, während alle Annehmlichkeiten des menschlichen Daseins Meile um Meile durch die Schichten der Atmosphäre abgeschnitten wurden und verschwanden? Dieser historische Moment gehörte mir. Noch Jahrhunderte später würden Schulkinder meinen Namen kennen, und mein Abbild würde sich unvermeidlich in die Riege des Prager Wachsfigurenkabinetts einreihen. Schon jetzt prangte auf den Plakatwänden, die Böhmens Horizonte zustellten, mein begeistert himmelwärts gewandtes Gesicht. Klatschblätter hatten angedeutet, ich habe vier Geliebte und sei spielsuchtgefährdet. Oder die ganze Mission sei ein Fake und ich nichts weiter als ein computergeneriertes, mit der Stimme eines Schauspielers unterlegtes Bild.

Dr. Kuřák, mein staatlich verordneter Therapeut, hatte immer wieder betont, dass mein Start von nackter Angst begleitet sein würde – ein Mensch reist ganz allein ins Unbekannte, auf Gedeih und Verderb gleichgültiger, stummer Technologie ausgeliefert. Ich mochte Dr. Kuřák nicht. Er roch penetrant nach Essiggurken und war ein Pessimist, der sich als Mann mit Erfahrung tarnte. Es war seine Aufgabe gewesen, meine labile Psyche auf die Mission vorzubereiten, aber die meiste Zeit hatte er sich nur Notizen zu meinen Ängsten gemacht: Lebensmittelvergiftung, Raupen, die Existenz eines Lebens nach dem Tod, weil man ja möglicherweise dem Leben nicht entkam. Der Feuereifer, den er dabei an den Tag legte, ließ darauf schließen, dass er meine offizielle Biografie zu schreiben hoffte. Er hatte mir geraten, während des Aufstiegs meine Lieblingssüßigkeiten zu essen (Tatranky – Schichtwaffeln mit Schokoüberzug, die ich in dem Fach links von mir gebunkert hatte) und mir Gedanken über meine wissenschaftlichen Verpflichtungen gegenüber der Welt zu machen, über das unerhörte Privileg und die Ehre, den Tschechen ihre größten Entdeckungen zu ermöglichen, seit Jan Evangelista Purkyně die Einzigartigkeit von Fingerabdrücken erkannt und Otto Wichterle die weichen Kontaktlinsen erfunden hatte. Meine Fantasie hatte sich auf diesen Egokitzel gestürzt, und ich flüsterte meine Nobelpreisrede in die Stille der Kabine hinein, bis mein Durst unerträglich wurde. Ich verabschiedete mich von meinem Vorhaben, betätigte den H2O-Schalter und ließ das Wasser aus dem Tank unter meinem Sitz in einen an meiner Schulter befestigten Trinkhalm laufen. Ich war meiner Körperlichkeit unterworfen, ein Zwerg, der eine Bohnenstange hinaufklettert, um gegen einen Riesen im Armdrücken anzutreten, ein Zellgebilde mit banalen Bedürfnissen nach Sauerstoff, Wasser, Entleerung. Vertreib die dunklen Gedanken, trink dein Wasser, flüsterte ich, während Adrenalinstöße meine Sinne schärften und die Schmerzen linderten.

Ein knappes Jahr zuvor war ein bis dahin unentdeckter Komet aus der Canis-Major-Zwerggalaxie in die Milchstraße gelangt und fegte nun als kosmischer Staubsturm durch unser Sonnensystem. Zwischen Venus und Erde hatte sich eine Wolke gebildet, ein nie da gewesenes Phänomen, dem seine Entdecker in Neu-Delhi den Namen Chopra gegeben hatten. Die Wolke hatte die Nächte auf der Erde in ein violettes Zodiakallicht getaucht und den Himmel, wie wir ihn seit Anbeginn der Menschheit kannten, verändert. Von der Erde aus gesehen war das Universum nachts nicht mehr schwarz, und die Wolke blieb vollkommen statisch. Sie stellte keine unmittelbare Gefahr dar, aber ihr stoisches Verhalten peinigte unsere Fantasie mit Horrorszenarien. Staaten planten fieberhaft Missionen, um Partikel der geheimnisvollen Wolke einzufangen und diese mikroskopischen Teilchen von Welten jenseits der unseren auf ihre chemische Zusammensetzung und Anzeichen von Leben zu untersuchen. Vier unbemannte Sonden waren losgeschickt worden, um Chopras Eigenschaften zu erkunden und Proben zu nehmen, aber sie waren ohne brauchbare Daten zur Erde zurückgekehrt, als wäre Chopra eine Fata Morgana, ein kollektiver Traum von Milliarden.

Der nächste Schritt war unvermeidlich. Wir konnten die Mission keinen Maschinen anvertrauen. Man schickte ein ferngesteuertes Raumschiff mit dem deutschen Schimpansen Gregor an Bord durch die Wolke, um sich zu vergewissern, dass ein menschlicher Insasse lange genug in ihrem Innern überleben konnte, um sie zu beobachten und Proben manuell zu analysieren.

Gregor war gerade unversehrt in seinen Laborkäfig zurückgekehrt, da veränderte die Wolke ihr Verhalten: Sie begann sich selbst zu zerstören, die Masse ihrer äußeren Schichten löste sich auf und verschwand im dichteren Kern. Manche sprachen von Antimaterie, andere schrieben ihr organische Eigenschaften zu. Die Medien ergingen sich in Spekulationen – welcher Staat würde es wagen, Menschen für Monate dort hinaufzuschicken, in eine kosmische Wolke aus unbekannten, möglicherweise tödlichen Partikeln? Von Amerikanern, Russen und Chinesen hörte man lediglich Gemunkel, ebenso von den Deutschen, die doch erklärt hatten, niemandem sei es – da sie ja Gregor geopfert hätten – so ernst mit Chopra wie ihnen.

Schließlich erfolgte eine Ankündigung aus einem Land mit nur zehn Millionen Einwohnern, meinem Land, Böhmen, Mähren und Schlesien. Die Tschechen würden zu Chopra fliegen und Anspruch auf deren Geheimnisse erheben. Und ich würde ihr Held sein, der Mann, der ihnen sensationellen wissenschaftlichen Ruhm verschaffen würde. Mit den Worten eines vom Absinth berauschten Dichters, die am nächsten Tag in jeder größeren Zeitung abgedruckt wurden: »JanHus1 verkörpert unsere Hoffnungen auf neue Souveränität und Prosperität, denn auch wir sind nun Erforscher des Universums. Wir wenden den Blick ab von unserer Vergangenheit, als wir von anderen vereinnahmt wurden, als unsere Sprache fast ausgerottet wurde, als Europa Augen und Ohren verschloss, während sein Herz geraubt und gemartert wurde. Nicht allein unsere Wissenschaft und unsere Technologie reisen durch dieses Vakuum, nein, auch unsere Menschlichkeit, unsere Schönheit in Gestalt Jakub Procházkas, des ersten Raumfahrers aus Böhmen, der die Seele der Republik zu den Sternen tragen wird. Heute können wir sagen, dass wir endlich und ausschließlich uns selbst gehören.«

Während der Vorbereitung auf die Mission wurde mein Tagesablauf Gemeingut. In der Straße vor dem Mehrfamilienhaus, in dem Lenka und ich wohnten,...

Erscheint lt. Verlag 21.7.2017
Übersetzer Barbara Heller
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Adam Sandler • Alina Bronsky • All • Astrophysik • Böhmen • Carey Mulligan • Familie • Fantasie • Forschung • Geschichte • Großeltern • Interstellarer Staub • Kosmos • Liebe • Marina Lewycka • Netflix • Netflix-Film • originell • Philosophie • Raumfahrt • Raumschiff • Roman • Romantik • Spinne • Tschechien • Tschechische Geschichte • Tschechische Republik • Vater • Verbrechen • Zukunft: Science Fiction
ISBN-10 3-608-10890-4 / 3608108904
ISBN-13 978-3-608-10890-3 / 9783608108903
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