American War (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
448 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490517-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

American War -  Omar El Akkad
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»American War« - das Buch der Stunde. »Ein gewaltiger Roman«, schreibt die renommierteste Literaturkritikerin der USA, Michiko Kakutani. Ein Roman über den nächsten amerikanischen Bürgerkrieg und das dramatische Schicksal einer Familie. Was wird sein, wenn die erschütternde Realität der Gegenwart - Drohnenangriffe, Folter, Selbstmordattentate und die Folgen von Umweltkatastrophen - mit aller Gewalt in die USA zurückkehrt? Vor diesem Hintergrund entfaltet Omar El Akkad mit großer erzählerischer Kraft den dramatischen Kampf der jungen Sarat Chestnut, die beschließt, mit allen Mitteln für das Überleben zu kämpfen. »American War« ist in den USA ein literarisches Ereignis, das schon jetzt mit Cormac McCarthy »Die Straße« und Philip Roth »Verschwörung gegen Amerika« verglichen wird.

Omar El Akkad war Kind, als seine Eltern Ägypten verließen und nach Kanada auswanderten. Der Journalist reist rund um die Welt, um über den Krieg in Afghanistan, die Prozesse in Guantanamo, die Black Lives Matter Bewegung in Ferguson zu berichten. Omar El Akkad lebt mit seiner Familie in Portland, Oregon. »American War« ist sein erster Roman.

Omar El Akkad war Kind, als seine Eltern Ägypten verließen und nach Kanada auswanderten. Der Journalist reist rund um die Welt, um über den Krieg in Afghanistan, die Prozesse in Guantanamo, die Black Lives Matter Bewegung in Ferguson zu berichten. Omar El Akkad lebt mit seiner Familie in Portland, Oregon. »American War« ist sein erster Roman. Manfred Allié, geboren 1955 in Marburg, übersetzt seit über dreißig Jahren Literatur. 2006 wurde er mit dem Helmut-M.-Braem-Preis ausgezeichnet. Neben Werken von Jane Austen, Joseph Conrad und Patrick Leigh Fermor übertrug er unter anderem Romane von Yann Martel, Richard Powers, Joseph O'Connor, Reif Larsen und Patricia Highsmith ins Deutsche. Er lebt in der Eifel.

Akkad entwirft ein albtraumhaftes Erzählbild mit äußerst kraftvollen Strichen - vielleicht ist es gerade dafür nun an der Zeit.

Science Fiction? Es scheint als habe El Akkad die Gegenwart lediglich radikal und logisch weitergedacht.

Akkad verwandelt […] eine mögliche Zukunft in ein zwingendes Jetzt, Ferne in Nähe, fremdes Leid in unser Leid. Um mit literarischen Mitteln scheinbar Unaufhaltsames noch aufzuhalten.

Akkad […] hat ein ausgeprägtes Gespür für Stimmungsumschwünge und Brüche in den Seelen seiner Figuren.

[…] ein Roman […], der, obwohl er in der Zukunft spielt, direkt aus der politischen und kulturellen Gegenwart zu kommen scheint.

El Akkads dystopische Umkehrung der weltpolitischen Verhältnisse, seine Erzählung vom Abstieg der USA hat eine Logik, der man sich in diesen Tagen nicht entziehen kann.

[…] ein Schocker […] samt einer Hauptfigur, der jungen Sarat Chestnut aus Lousiana, deren Schicksal der Menschheit schon jetzt eine Lehre sein sollte.

weniger eine Science-Fiction-Story voller Anspielungen auf die Gegenwart als eine Art negativer Bildungsroman, eine Coming-of-Age-Geschichte mit umgekehrten Vorzeichen […] lustvoll dreht er den weltpolitischen Spieß um.

I. April 2075
St. James, Louisiana


1. Kapitel


Damals war ich glücklich.

***

Die Sonne brach durch einen Pilgerzug aus Wolken und schaute mit unerbittlichem Auge herab auf das Mississippimeer.

Das Wasser stand braun und reglos am Ufer. Die See riss ihr Maul auf bis weit über das zerstörte Marschland, Jahr für Jahr fraß das Wasser mehr von dem Schlick und dem Sand und dem Lehm fort, bis die Fundamente der alten Farmhäuser am Fluss, der Kunststofffabriken und der Bahndämme nachgaben. Bevor die Häuser schließlich ins Wasser rutschten, holten die letzten Deltabewohner – die, die ausharrten – noch alles Brauchbare heraus. Das Wasser verschlang das Land. Im Südosten blieb von der einst ruhmreichen Stadt New Orleans nur noch ein großer Tümpel, umgeben von Deichen. Das Taufbecken für ein neues Amerika.

Ein kleines Mädchen, sechs Jahre alt, saß auf der Veranda seines Elternhauses unter einem Vordach aus Holzschindeln. Es hielt ein Plastikgefäß mit Honig in der Hand, geformt in Gestalt eines Bären. Aus dem Ausgießer oben auf dem Bärenkopf floss goldene Flüssigkeit auf die billigen Bodendielen aus Kiefer.

Das Mädchen ließ den Honig in die tiefen Astlöcher der Dielen rinnen und verfolgte die Schlängelbewegungen, mit denen er sich den Konturen seiner neuen Umgebung anpasste. Das ist ihre früheste Kindheitserinnerung, der Anfang von allem für sie.

Und so will ich in den Augenblicken, in denen die Bitterkeit nachlässt, gern an sie zurückdenken. Als Kind.

Ich wünschte, ich hätte sie damals gekannt, damals als sie noch heil war.

»Was fällt dir ein, Sara Chestnut?«, schimpfte die Mutter des Mädchens von der Tür des Transportcontainers her, der für die Chestnuts ihr Zuhause war. »Habe ich dir gesagt, du sollst Sachen vergeuden, die nicht zum Vergeuden da sind?«

»Entschuldige, Mama.«

»Hast du gearbeitet, damit wir diesen Honig kaufen können, hm? Nein, ich glaube nicht. Geh jetzt und hol deine Schwester, und dann ab zum Frühstück, bevor euer Daddy losmuss.«

»Okay, Mama«, sagte das Mädchen und reichte den halbleeren Honigbären zurück. Sie duckte sich an der Mutter vorbei, die ihr dabei den Staub vom Po ihres Fleur-de-Lys-Kleids klopfte.

Das Mädchen hieß Sara T. Chestnut, aber sie selbst nannte sich Sarat. Der Name war aus einem Missverständnis in der Schule entstanden, Anfang des Jahres. Die neue Lehrerin hatte aus Versehen die mittlere Initiale als letzten Buchstaben des Vornamens gelesen – Sarat. Für die Ohren des kleinen Mädchens klang der Name genau richtig. Sara, das verschwand einfach, ein ahh, das sich in Luft auflöste. Sarat endete mit einem Klacken, wie eine Bärenfalle, die zuschnappt. Ein paar Monate später machte die Schule zu, die meisten Lehrer und Schüler flohen nach Norden vor dem heranrückenden Krieg. Aber der Name blieb.

Sarat.

––––

Hundert Fuß abseits vom westlichen Flussufer lebten die Chestnuts in einem Wellblechcontainer, einem Beutestück vom Werftgelände nicht weit ab. Keilförmige Stahlplatten, wiederum in Betonblöcke im Erdboden eingegossen, dienten dem Haus als Fundament. Brauner Rost breitete sich langsam von den Kanten her aus, vorangetrieben von der ewigen Feuchtigkeit.

Ein Spalier aus altmodischen Sonnenkollektoren bedeckte das ganze Dach bis auf eine Ecke, in der sie in einem Tank Regenwasser sammelten. Bei den Kollektoren lag eine wasserfeste Plane. Wenn ein Unwetter kam, spannten sie die Plane über das Dach, mit Seilen an allen vier Enden, die sie an Haken festzurrten. Sie lenkten das Wasser von den Zellen in den Tank oder ließen es, wenn der Tank voll war, auf den Boden und zum Fluss weiter unten abfließen, und so bekamen sie Trinkwasser und schützten zugleich ihr Zuhause vor Rost und Verfall.

In manchen Winterstürmen suchte die ganze Familie Zuflucht auf der Veranda; das Vordach hing durch, es tropfte, aber es ersparte ihnen den unerträglichen Lärm, der bei schwerem Regen im Inneren des Containers dröhnte, wie die Steeldrums bei einem Calypso.

Im Sommer, wenn im Haus Temperaturen wie in einem Schmelzofen herrschten, verbrachten sie die meiste Zeit draußen. Diese lange, sengende Sommerzeit, die von März bis Mitte Dezember anhielt, war für Sarat, ihre Zwillingsschwester Dana und ihren älteren Bruder Simon die glücklichste Zeit ihrer Kindheit. Die Kinder, von den Eltern aus der Ferne im Auge behalten, holten mit Eimern Wasser aus dem Fluss und begossen ein Stück Ufer so lange, bis sie eine Rutsche hatten. Ganze Nachmittage und Abende brachten sie so zu: die Kinder glitschten den Abhang hinunter ins Wasser und kletterten dann an einem mit Knoten versehenen Seil wieder nach oben; bei der Abfahrt quietschten sie vor Vergnügen, und ihre Hinterteile gruben tiefe Furchen in den Schlamm.

In einem Verschlag hinter dem Haus hielten sie ein paar halbverhungerte Hühner. Die Hühner machten viel Lärm, liefen aufgeregt hin und her, die Federn waren schmutzig und braun. Wenn sie gefüttert wurden und es nicht zu heiß war, legten sie Eier. Zu anderen Zeiten, am Rande der Revolte oder des Hungertods, schlachtete man sie lieber, die Köpfe zwischen zwei Nägel auf einem Baumstumpf geklemmt.

Der Container war mit Stellwänden unterteilt. Benjamin und Martina Chestnut lebten im hintersten Teil des Hauses. Der neunjährige Simon und die Zwillinge, sechs Jahre alt, teilten sich das mittlere Drittel, ein Burgfrieden, der von Tag zu Tag brüchiger wurde.

Im letzten Drittel des Hauses gab es einen Küchentisch aus sandfarbenen Latten, schmierig und schartig geworden durch langen und intensiven Gebrauch. Daneben stand ein Vorratsschrank aus Kiefernholz, und darin gab es Süßkartoffeln, Reis, Tüten mit Kartoffelchips und süßen Frühstücksflocken, Pekannüsse, Mehl sowie gemahlene Hirse vom Feld zwischen dem Haus der Chestnuts und ihrem nächsten Nachbarn. Ein kleiner Kühlschrank, der den Sonnenkollektoren schwer zu schaffen machte, enthielt Milch und Butter sowie Dosen mit Vorkriegs-Cola.

An der Haustür hielt eine Statue aus Benjamins Kindertagen Wacht. Es war eine Keramikfigur der Jungfrau von Guadalupe, die Hände aneinandergelegt und den Kopf gesenkt im Gebet. Eine Girlande aus gelben Mädchenaugen- und weißen Irisblüten war ihr zu Füßen gelegt, und dort stand auch der Stumpf einer Kerze mit Magnolienduft. Wenn die Blumen verwelkt waren, wurden die Kinder losgeschickt, um bei den Feldern frische zu suchen.

Nun hüpfte Sarat an dieser Statue vorüber, auf der Suche nach ihrer Schwester. Sie fand sie im hinteren Teil des Hauses, wo sie auf dem Bett ihrer Eltern stand und mit stählerner Konzentration ihr Bild im ovalen Schminkspiegel betrachtete. Sie hatte eins der Hauskleider ihrer Mutter genommen, einen einfachen ärmellosen Kittel, immer noch lila, obwohl unzählige Male gewaschen. Das kleine Mädchen steckte in der oberen Hälfte des Kleides, die ihm bis zu den Knöcheln reichte; der Rest hing einfach vom Bett herab bis zum Boden. Sie hatte, und zwar entschieden zu großzügig, den kirschroten Lippenstift ihrer Mutter aufgelegt – das wertvollste Stück unter den wenigen und nur selten benutzten Schminksachen der Mutter. Auch wenn sie sich noch so viel Mühe gegeben hatte, hatte Dana den Konturen ihrer kleinen rosa Lippen nicht folgen können und sah nun aus, als hätte sie sich gerade mit beiden Händen Erdbeertorte in den Mund gestopft.

»Komm spielen«, sagte Sarat, in Verlegenheit gebracht durch das, was ihre Zwillingsschwester dort tat.

Ärgerlich drehte Dana sich zu ihrer Schwester um. »Ich bin beschäftigt«, sagte sie.

»Aber mir ist langweilig.«

»Ich bin jetzt eine Dame!«

Dana wandte sich wieder dem Spiegel zu, versuchte, mit dem Handrücken ein wenig von dem Lippenstift fortzuwischen.

»Mama sagt, wir müssen jetzt mit Daddy frühstücken.«

»Okay. Oooo-kay«, sagte Dana. »Man hat aber auch keinen Augenblick Ruhe in diesem Haus«, fügte sie noch hinzu, ein Satz, den sie von ihrer Mutter aufgeschnappt hatte.

Sarat war die Zweitgeborene, fünfeinhalb Minuten später zur Welt gekommen als ihre Schwester. Und auch wenn ihre Eltern ihr gesagt hatten, sie und Dana seien beide Fleisch vom selben Fleische, war Dana der Liebling ihres Vaters, des Vaters mit dem unbekümmerten Humor und dem ehrlichen Lächeln. Sarat kam auf ihre Mutter: verbissen, hart und furchtlos. Sie waren Zwillinge, aber sie waren einander nicht ähnlich. Oft hörte Sarat, wie ihre Mutter sie »einen Racker« nannte. Gott hat mir zwei Kinder auf einmal gegeben, sagte sie, aber nur Mädchen genug für eine.

***

Als Dana fort war, blieb Sarat noch ein paar Minuten im Zimmer ihrer Eltern. Mit einiger Verwirrung betrachtete sie das Ding, mit dem ihre Schwester sich die Lippen beschmiert hatte. Anders als der Fluss und die Sträucher und die Tiere und Vögel in der Natur interessierte der Lippenstift sie nicht; ihr versprach er kein Abenteuer. Das war etwas für ihre Zwillingsschwester, für die, die so versessen auf das Erwachsensein war. Warum Dana sich so verzweifelt wünschte, zu den Großen zu gehören, verstand Sarat einfach nicht.

Dana kam nach draußen, immer noch im Kleid ihrer Mutter.

»Habe ich dir nicht verboten, an meine Kommode zu gehen?«, schimpfte Martina.

»Entschuldige, Mama.«

»Die Entschuldigung kannst du dir sparen – und zieh das Kleid hoch, du schleifst es überall durch den Dreck.« Martina zog ihrer Tochter das Kleid...

Erscheint lt. Verlag 27.7.2017
Übersetzer Manfred Allié, Gabriele Kempf-Allié
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 21. Jahrhundert • Amerika • Bürgerkrieg • Dystopie • Familie • Flucht • Flüchtlinge • Gewalt • Hoffnung • Klimawandel • Lager • Meeresspiegel • Nordstaaten • Rache • Radikalismus • Rebellen • Roman • Sarat • Schicksal • Selbstmordattentat • Spannung • Stacheldraht • Südstaaten • Terror • Tochter • Tod • USA • Verzweiflung • Zukunftsvision
ISBN-10 3-10-490517-7 / 3104905177
ISBN-13 978-3-10-490517-4 / 9783104905174
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