Letzte Stunde im Hyde Park (eBook)

Ein Thomas-Pitt-Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018
416 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-21808-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Letzte Stunde im Hyde Park - Anne Perry
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Mitten in der Nacht wird Thomas Pitt, der Leiter des Staatsschutzes, in den Buckingham Palace gerufen. Die Queen persönlich wünscht sich von ihm Ermittlungen in einem hochbrisanten Fall. Ihr Sohn und Thronfolger, der Prince of Wales, pflegt nämlich in ihren Augen schlechten Umgang. In ihrer Sorge hat sie einen Spion in sein Umfeld eingeschleust - doch dieser wurde tot im Hyde Park aufgefunden. Angeblich bei einem Bootsunfall ertrunken. Pitt findet schnell heraus, dass ein Verbrechen dahintersteckt - ein Verbrechen, das das ganze Empire in Gefahr bringen könnte.



Die Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Ihre historischen Kriminalromane begeistern ein Millionenpublikum und gelangten international auf die Bestsellerlisten. Anne Perry verstarb 2023 in Los Angeles.

KAPITEL 2

Früh am nächsten Morgen suchte Pitt sein Büro in Lisson Grove auf, um Stoker mitzuteilen, dass er wegen eines dringenden Falles einige Tage lang nicht in die Dienststelle kommen werde, aber bei Bedarf jeden Abend zu Hause zu erreichen sei.

»Ja, Sir«, sagte Stoker ungerührt. Auf seinem knochigen Gesicht ließ sich kaum erkennen, was er dachte oder empfand. »Im Augenblick gibt es nichts Besonderes. Ich werde Jenkins und Doherty Bescheid sagen. Können wir Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein?«

»Im Augenblick nicht und möglicherweise auch später nicht«, teilte ihm Pitt mit. »Ich komme Freitag wieder, vielleicht sogar schon früher.« Er zögerte. Es gab da eine Frage, die Stoker nicht zu stellen töricht gewesen wäre. Der Mann hatte bei Pitts Eintritt in die Abteilung bereits seit einigen Jahren dort Dienst getan. »Wissen Sie irgendetwas über Sir John Halberd?«

Stoker legte die Stirn in Falten. »Ich habe den Namen schon einmal gehört. Aber wo und wann …«

»Er ist kürzlich gestorben«, fügte Pitt hinzu.

Stoker schüttelte den Kopf. »Ach ja. Ein lachhafter, wenn auch tragischer Bootsunfall. Man sollte glauben, dass so ein Mann nicht so dumm ist, in einem wackligen Ruderboot aufzustehen, auch wenn das Wasser nicht tief ist.«

»Was wissen Sie außerdem über ihn?«, fragte Pitt.

»Ehrlich gesagt nichts. Er gehört zu den Leuten, von denen jeder gehört hat, die aber niemand wirklich kennt. Er hat nie ein Regierungsamt ausgeübt, und ich könnte nicht sagen, mit wem er verwandt ist. Tut mir leid. Falls es wichtig ist, kann ich mich erkundigen.«

»Nein, vielen Dank. Vergessen Sie, dass ich den Namen erwähnt habe. – Und das ist nicht so dahingesagt, sondern eine dienstliche Anweisung.«

»Sehr wohl, Sir.« Stoker sah verwirrt drein, begriff aber, dass es Pitt damit ernst war. Er würde der Sache nicht weiter nachgehen.

Als Nächstes rief Pitt die Polizeiwache in der Savile Row an. Sie lag eine gute Viertelstunde Fußmarsch von der Stelle am Serpentine-See entfernt, an der man Sir Johns Leiche gefunden hatte. Dort teilte man ihm höflich mit, zuständig für den Fall sei die Wache der Pavilion Road in Knightsbridge, die etwa gleich weit in der entgegengesetzten Richtung von dem See im Hyde Park entfernt lag. Er dankte und beendete das Gespräch.

Der geschwungene Serpentine-See lag mehr oder weniger in der Mitte des Hyde Park. Der Auftrag der Königin an Pitt war unmissverständlich: äußerste Diskretion. Allerdings würde es alles andere als einfach sein, sich strikt daran zu halten. Da die Mitarbeiter der Abteilung Staatsschutz keine Uniform trugen, sah Pitt mit seinem wirren Haar und seinem Anzug, der nicht so recht zu sitzen schien, obwohl er erstklassig geschnitten war, wie ein beliebiger Endvierziger aus, doch da er sein halbes Leben lang bei der Polizei gewesen war, kannte ihn die Hälfte aller Londoner Polizeibeamten vom Sehen.

Er trat in die Wache und zeigte dem diensthabenden Beamten seine Karte, woran er sich nach wie vor nicht richtig gewöhnt hatte.

»Ich möchte mit dem Leiter der Wache sprechen«, erklärte er. Einen Grund dafür brauchte er in seiner Position nicht anzugeben.

»Selbstverständlich, Sir«, sagte der Beamte mit unüberhörbarer Hochachtung in der Stimme. Nicht überall war der Staatsschutz beliebt, doch hatten alle einen gewissen Respekt vor ihm. Man wusste, dass es da um Staatsgeheimnisse und Gewalttaten ging, um eine mögliche Bedrohung der den meisten Menschen im Lande gemeinsamen Lebensweise, deren Sicherheit sie für gegeben hielten, obwohl es im Lauf der vergangenen Jahrzehnte in ganz Kontinentaleuropa zu Unruhen gekommen war. Man sprach hinter vorgehaltener Hand davon, dass es bald überall zu Veränderungen kommen werde.

»Ich melde Sie sofort an, Sir«, beeilte sich der Mann hinzuzufügen. Wenige Minuten später saß Pitt in Kommissar Gibsons behaglich wirkendem Dienstzimmer. Steckbriefe hingen an den Wänden, auf den Regalen standen und lagen wild durcheinander Gesetzbücher sowie Bände mit Kommentaren, Ausführungsbestimmungen und Dienstanweisungen. »Was kann ich für Sie tun, Commander Pitt?«, erkundigte sich Gibson und bemühte sich, den Ausdruck von Besorgnis auf seinen Zügen durch einen übertrieben freundlichen Ton zu überspielen.

»Ich möchte mir lediglich Gewissheit über einige Einzelheiten verschaffen«, gab Pitt so beiläufig zurück, als handele sich dabei um nichts Besonderes. »Man hat Ihre Leute hinzugezogen, als Sir John Halberd im Serpentine-See gefunden wurde?«

»Ja, Sir«, bestätigte Gibson und biss sich auf die Lippe. »Ein äußerst bedauerlicher Unfall. Normalerweise kommt dort so gut wie nichts vor. Höchstens, dass der eine oder andere nass wird, weil er beim Herumalbern ins Wasser fällt, und sich darüber ärgert.« Er zuckte leicht mit den Achseln. »Häufig sind das junge Männer, die etwas über den Durst getrunken haben. Aber in diesem Fall war das anders. Der Ärmste dürfte aus irgendeinem Grund aufgestanden sein, hat dann wohl das Gleichgewicht verloren, ist im Sturz mit dem Kopf auf das Dollbord geprallt, das Boot ist gekentert, und er ist bewusstlos ins Wasser gefallen und ertrunken. In neunundneunzig von hundert Fällen wäre er bei seinem gewagten Manöver einfach reingefallen und ans Ufer gewatet.« Er schüttelte den Kopf, setzte an, als wolle er noch etwas hinzufügen, unterließ es dann aber.

»Und man hat ihn also am nächsten Morgen im Wasser gefunden?«

»Ja, Sir. Ein junger Mann, der mit seinem Hund im Park unterwegs war, ist an der Unglücksstelle stehen geblieben, aber es war gleich klar, dass er ihm nicht mehr helfen konnte. Ein anderer Passant hat uns dann benachrichtigt. Darf ich fragen, warum Sie sich für den Fall interessieren, Sir?« Gibson hob die Hand, als wolle er seine Krawatte zurechtrücken, ließ sie dann jedoch wieder sinken.

»Wie gesagt, es geht mir nur um einige Einzelheiten«, wiederholte Pitt. »Immerhin war Sir John Halberd eine bedeutende Persönlichkeit. Da möchte man schon die genauen Hintergründe in Erfahrung bringen. Sonst war wohl niemand in der Nähe? Ist bekannt, was er dort am Serpentine-See wollte, mutterseelenallein und in dunkler Nacht? Was hat der Polizeiarzt als Todeszeitpunkt angegeben? Wo und wann hat Halberd das Boot gemietet? Um diese Art von Fragen geht es mir.«

Gibson räusperte sich. »Ich verstehe, Sir. Es sieht ganz so aus, als sei er mit dem Boot, das er wohl vorher gemietet hatte, am späten Abend auf den See hinausgerudert.« Er war unübersehbar besorgt und fragte sich wohl, ob ihm womöglich etwas Wichtiges entgangen war.

»Also nach Einbruch der Dunkelheit?«, fasste Pitt nach.

»Ja, Sir. Nach Ansicht des Polizeiarztes ist er höchstwahrscheinlich kurz vor oder nach zehn Uhr abends ins Wasser gefallen. Weil das Wasser, in dem der Tote ziemlich lange gelegen hat, um diese Jahreszeit noch recht kalt ist, dürfte eine genauere Angabe nicht ohne Weiteres möglich sein.«

Pitt nickte. »Was mag er um zehn Uhr abends in einem Boot da auf dem Serpentine-See gewollt haben? War er übrigens allein oder …«

Gibsons Gesicht errötete leicht vor Unbehagen. »Wenn wir das wüssten, Sir. Wir haben keinen Hinweis auf die Anwesenheit eines anderen Menschen. Sofern er in Begleitung einer jungen Dame gewesen sein sollte, hat sie dafür gesorgt, dass man nichts davon merken konnte.«

»Für ein amouröses Stelldichein dürfte der Ort wohl auch äußerst wenig geeignet sein.«

»Sofern es sich um eine junge Dame von … nun ja …«, setzte Gibson an. Es war klar, was er meinte.

Oder einen jungen Mann, ergänzte Pitt in Gedanken, ohne es auszusprechen, und wechselte das Thema. »Als Sie Halberds Haushalt informiert haben, hat da sein Butler oder Diener etwas darüber gesagt, warum er dort war?«

Gibson wirkte erleichtert. »Nein, Sir. Vermutlich hat er das Haus abends verlassen, ohne jemandem etwas davon zu sagen. Schließlich konnte er jederzeit kommen und gehen, wie es ihm beliebte und ohne jemandem Rechenschaft darüber abzulegen. Meine Männer haben gesagt, dass die Nachricht sämtliche Hausangestellten tief getroffen hat, und das offenbar keineswegs nur, weil sie damit ihren Arbeitsplatz verloren haben. Allem Anschein nach haben ihn die Leute sehr geschätzt.«

»Ich verstehe.«

»Sir …« Gibson rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her und schien nicht zu wissen, wohin mit seinen Händen.

Pitt wartete.

»Sir … Sollte sich zeigen, dass sich Mr. Halberd … ich meine, Sir John, dort zu einem, wie soll ich sagen, amourösen Stelldichein verabredet hat, bei dem es zu einem Unfall gekommen ist, aber sonst niemand Schaden genommen hat … könnte man da die Sache … nicht auf sich beruhen lassen … und den Fall abschließen?«

»Sofern es sich so verhält, ließe sich nichts dagegen einwenden«, gab ihm Pitt recht. »Legen die Umstände des Falles diesen Schluss nahe?«

»Sieht mir ganz danach aus, Sir.«

»Gibt es nichts, was auf eine Auseinandersetzung, einen Streit,...

Erscheint lt. Verlag 9.1.2018
Reihe/Serie Die Thomas & Charlotte-Pitt-Romane
Die Thomas & Charlotte-Pitt-Romane
Übersetzer K. Schatzhauser
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Murder on the Serpentine (Pitt 32)
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Buckingham Palace • eBooks • Historische Kriminalromane • Historische Romane • Inspektor Pitt • Intrige • Königin Victoria • Krimi • Kriminalromane • Krimis • London • Prince of Wales • Viktorianisches Zeitalter
ISBN-10 3-641-21808-X / 364121808X
ISBN-13 978-3-641-21808-9 / 9783641218089
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