Wenn die Wellen leuchten (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
544 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490294-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wenn die Wellen leuchten -  Patricia Koelle
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Der Beginn der großen Nordsee-Trilogie von Spiegel-Bestseller-Autorin Patricia Koelle! Die Insel im Herzen Rhea lebt auf der Nordseeinsel Amrum. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt. Nicht einmal ihre Mutter kennt seinen Namen. Rhea ist ein Kind der Insel und kann sich nicht vorstellen, woanders zu leben. Doch da taucht ein geheimnisvoller Brief ihres Vaters auf, darin eine Beschreibung, woran man seine große Liebe erkennen kann. Rhea macht sich auf in die Ferne, um ihren Vater zu suchen - und ihre große Liebe. Aber schon bald sehnt sie sich nach dem Geruch von Tang, Salz und Leben in der lichterfüllten Weite des Watts zurück. Wird sie dennoch etwas über ihre Herkunft erfahren? Und ihre Liebe finden? »Fesselnd, zärtlich und voller Atmosphäre.« FÜR SIE zu »Das Meer in deinem Namen«

Patricia Koelle ist eine Autorin, die in ihren Büchern ihr immerwährendes Staunen über das Leben, die Menschen und unseren sagenhaften Planeten zum Ausdruck bringt. Bei FISCHER Taschenbuch erschienen, neben Romanen und Geschichten-Sammlungen, die Ostsee- und Nordsee-Trilogie, die Inselgärten-Reihe sowie die Sehnsuchtswald-Reihe. ?Flaschenpost vom Leben? ist der erste Band ihrer Glückshafen-Reihe.

Patricia Koelle ist eine Autorin, die in ihren Büchern ihr immerwährendes Staunen über das Leben, die Menschen und unseren sagenhaften Planeten zum Ausdruck bringt. Bei FISCHER Taschenbuch erschienen, neben Romanen und Geschichten-Sammlungen, die Ostsee- und Nordsee-Trilogie, die Inselgärten-Reihe sowie die Sehnsuchtswald-Reihe. ›Flaschenpost vom Leben‹ ist der erste Band ihrer Glückshafen-Reihe.

›Wenn die Wellen leuchten‹ ist eine leichte, entspannende und mit interessanten Einfällen und spannenden historischen Details durchsetzte Schmöker-Lektüre

Diese Geschichte ist wirklich ein Geschenk.

Ein wundervoller Roman, lesenswert bis zur letzten Zeile.

1 Von namenlosen Wassermännern


»Da! Da ist es, das Kraabniinje! Es denkt, wir sehen es nicht, wenn es im Dreck hockt.«

»Es ist eben dumm, das Kraabniinje.«

»Dabei soll es schon acht Jahre sein. Acht Jahre und so dumm!«

»Das ist eben so, wenn man ’nen Wassermann zum Vater hat.«

Die johlende Kindermeute umringte das Mädchen, das im Sand hockte, dort, wo die Ebbe schwarzen Schlick in einer Pfütze hinterlassen hatte. Es hatte die Arme um die Knie geschlungen und balancierte geschickt auf seinen bloßen Zehen. Dadurch wirkte die kleine Gestalt seltsam leicht in ihrem Gleichgewicht zwischen Sand und Himmel. Ihre Haltung erinnerte tatsächlich an die Kaninchen, die in den Dünen zu Hause waren. Sogar ihre dunklen Locken, die nicht einen, sondern zwei Wirbel hatten, ließ der Wind wie Kaninchenohren hochstehen.

»Da hockt es und tut so unschuldig!« Ein Junge trat heftig mit dem Fuß in den Sand und ließ feuchte Brocken so hoch fliegen, dass sie das Mädchen am Rücken trafen. »Dabei ist der Kutter vom Henner Fredriksson nur wegen ihm gesunken! Wär es nicht hier, wär der Sturm nicht gekommen und der Otto hätte seinen Vater noch.«

»Was meinst du, Björn, wenn wir es in der nächsten Flut versenken, ob dann kein Sturm mehr kommt?«, fragte ein anderer.

Der Spitzname machte Rhea keine Angst. »Niinje« hatten Kinder die Kaninchen schon immer genannt. Auch ihre Mutter Filine nannte sie manchmal zärtlich so. »Keine Angst, mein Niinje!« Und auch das »Kraab«, das man nun davorgesetzt hatte, war für Rhea kein Schimpfwort. Die Strandkrabben waren ihre Freunde, vor allem die jungen, daumennagelgroßen, die sich in den Muschelhaufen im Watt versteckten und deren Existenz nur die wenigsten bemerkten. Für Rhea waren es ihre Spielkameraden, die Freunde, auf die sie sich immer verlassen konnte, und dort zu Hause, wo auch sie zu Hause war.

Jede der winzigen Krabben trug ein anderes Muster auf dem Panzer. Manche hatten die Farbe des Sandes, andere waren schwarz wie der Schlick. Am spannendsten war, dass auf jedem Panzer kleine dunkle Kreuze, winzige weiße Pfeile, Striche und Punkte zu sehen waren. Als trüge jedes der kleinen Wesen eine Botschaft.

Es schien, dass die kleinen Krabben Rheas Zuneigung erwiderten. Als Rhea sie das erste Mal in einem Miesmuschelhaufen entdeckt hatte, waren sie noch schüchtern gewesen und hatten das Weite gesucht oder sich tief in die Muscheln verkrochen. Von da an saß Rhea ganz still und beobachtete nur, bis die zarten Wesen Zutrauen fassten und sich so bewegten, als wäre sie gar nicht da.

Und tatsächlich, nach einiger Zeit gab es unter den Krabben einzelne, die sogar über ihren Fuß liefen oder eine Pause machten und Rhea nachdenklich mit ihren winzigen intelligenten Knopfaugen betrachteten. Rhea gewöhnte sich an, ihnen ihre Sorgen zu erzählen und ihre Freuden mit ihnen zu teilen.

 

Einmal sollten die Kinder in der Schule über etwas berichten, was sie interessant fanden. Rhea erzählte von ihren Freunden, den winzigen Krabben. Niemand verstand sie, selbst die Lehrerin lächelte spöttisch. Seitdem galt Rhea nicht nur ihrer Herkunft wegen als »anders«.

Es störte sie nicht weiter. Sie machte es wie ihre wahren Gefährten, die Krabben und die Muscheln, und zog sich in sich zurück, bis wieder Ruhe war. Zwar hatte Rhea keine Schale und keinen Panzer, aber sie entdeckte, dass man sich auch in der Stille verkriechen konnte. Ihr Schweigen verunsicherte die Angreifer oder langweilte sie, bis sie verschwanden. Die Stille schützte Rhea wie ein Krabbenpanzer, aber sie war nicht so eng. Innen war sie weit wie das Meer, und Rhea war frei darin, frei von allem, was bedrückte.

Doch noch nie hatte ihr jemand die Schuld an etwas so Großem wie einem Sturm und dem Tod eines Menschen gegeben. Rhea zog den Kopf ein und wusste nicht, ob die Stille tief genug war, um ihr auch diesmal helfen zu können.

»Eine gute Idee, Hans«, sagte Björn. »Wir werfen sie am besten bei Nacht in die See, damit sie nicht ein anderer Dummer wieder herauszieht. Oder gar ihre dreckigen Krabbenfreunde.« Er setzte einen großen, schweren Schuh auf eine Krabbe, die unvorsichtig genug gewesen war, sich nicht in den Muschelhaufen zurückzuziehen.

Rhea, die sich bisher nicht bewegt hatte, sprang blitzschnell auf und schleuderte eine scharfe Muschelschale mitten in Björns Gesicht. Verblüfft blickte der Junge in große graue Augen unter entschlossenen Brauen. In ihnen war ein Sturm unterwegs. Björn war größer und auch älter als Rhea, aber er sprang zurück und fasste sich an die Nase. Aus einem kleinen Schnitt tropfte Blut. »Da seht ihr, wie gefährlich die Wassermanngöre ist!«, jammerte er.

Hans packte Rhea und drehte ihr die Arme nach hinten. »Was soll ich mit ihr machen?« Er riss sie an den Haaren. »Haare abschneiden? Oder wollen wir sie gleich ertränken?«

Sie stand reglos und wehrte sich nicht. Aber sie sah, dass die kleine Krabbe sich wieder aus dem Sand gearbeitet und den sicheren Muschelhaufen erreicht hatte.

Björn hielt sich noch immer ein Taschentuch an die Nase. »Versenken wir sie jetzt. Je eher, desto besser! Mein Vater sagt auch, das Bastardgör taugt nichts, genau wie ihre Mutter.«

In diesem Augenblick fegte eine Bö vom Meer her über den Kniepsand, nahm dort über der sonnenwarmen flachen Weite Fahrt auf und begann, sich zu drehen. Sand wirbelte mannshoch auf und trieb direkt in Richtung der Kindergruppe.

»Au!« Die Jungen kniffen die Augen zu und rissen die Arme schützend hoch. Nadelstichscharf prasselte der Sand auf ihre Haut. Endlich wanderte der Wirbelwind weiter, entriss Björn das Taschentuch und trug es mit sich davon. Wie ein spöttisches Winken einer unsichtbaren Hand flatterte es Richtung Dünen.

»Lass sie los, Hans!«, sagte Sonja, eines der größeren Mädchen. »Wenn sie wirklich die Tochter eines Wassermanns ist, wird er zornig sein und erst recht einen Sturm schicken. Aber ich denke, sie ist einfach nur ein Waschlappen und nicht ganz richtig im Kopf. Lass sie los, wir haben Wichtigeres zu tun.«

Hans, dem der plötzliche Wirbelwind nicht geheuer schien, ließ sich das nicht zweimal sagen. Er stieß Rhea von sich, so dass sie mit den Knien in den Schlick stürzte. Johlend rannte die Meute davon.

Rhea blieb sitzen. Der weiche Schlick an ihren Knien war angenehm. Die kleine Krabbe wagte sich wieder hervor und brachte zwei Geschwister mit. Wie um Rhea zu trösten, veranstalteten sie ein Tauziehen um ein kleines grünes Stück Blasentang.

Eine Bewegung ließ Rhea aufblicken. War einer der Jungen zurückgekommen?

Nein, es war Lilani, die vor ihr stand und sie anlächelte. Lilani kniete sich ebenfalls hin und zeichnete mit dem Finger ein Wort in den Sand, den die Ebbe an dieser Stelle so glatt wie eine Tafel zurückgelassen hatte.

Idioten!

Rhea lächelte zurück. Lilanis Gegenwart tat ihr gut. Lilani war ein Wesen, das in Rheas Welt ebenso gut passte wie die Krabben.

Lilani sprach nie, deswegen schrieb sie in den Sand. Auch sie kannte die Kraft der Stille. Der Arzt sagte, sie könnte sprechen, wenn sie wollte, doch da wären Geheimnisse in ihrer Vergangenheit, die niemand kannte, und Lilani leide wohl an einer Angst, die sie stumm machte. Rhea glaubte nicht, dass Lilani Angst vor etwas hatte. Sie wirkte so sicher, als könnte nichts ihr etwas anhaben. Bestimmt, weil auch sie in der Stille wohnte, noch viel mehr als Rhea, die sich nur manchmal dort hineinflüchtete.

Lilani, das Nachtkind. Man nannte sie so, weil sie so dunkel war – ihre Haut, ihre Haare, ihre Augen. Nicht nur das, sie liebte es auch, nachts umherzustreifen. Man hatte sie schon für einen Klabautermann oder den Geist des berüchtigten Hark Olufs gehalten, des legendären Amrumer Seefahrers, der angeblich ein Wiedergänger war. Es war kein Wunder, dass der eine oder andere erschrak, wenn er im Mondlicht nur ihr weißes Nachthemd und ihre blitzenden Zähne in der Dunkelheit gewahrte.

Bei Tag sah man in ihren ruhigen Augen nur sich selbst. Sie waren zu dunkel, als dass man einen Ausdruck darin hätte lesen können. Wie ein Spiegel waren sie, wie ein tiefer See, wie der Nachthimmel. Manchen war das unheimlich, andere zog es an. Diese Menschen störte es nicht, dass Lilani nicht sprach. Denn wenn man in ihre Augen sah, fing man an zu denken, Dinge, die einem sonst nie in den Kopf gekommen wären, und hatte genug damit zu tun.

Kapitän Reuwers und seine Frau hatten das Kind vor einigen Jahren in einem fernen Ozean auf einer Insel gefunden, nur mit einer Schwimmweste bekleidet und mutterseelenallein. Am Arm trug sie eine Binde, auf die jemand ihren Vornamen gekritzelt hatte. Von woher sie stammte, ließ sich nicht feststellen. Lena Reuwers konnte sich nicht mehr von dem kleinen Mädchen trennen, und so brachten sie es auf nicht ganz legalem Wege mit nach Hause. Abgesehen davon, dass sie nicht sprach, fügte Lilani sich gut ein. Am liebsten aber blieb sie für sich. Nur an Rheas Gesellschaft schien ihr etwas zu liegen.

Jetzt fügte sie zu dem Wort, das sie in den Sand geschrieben hatte, noch eines hinzu.

Egal!

»Du hast recht.« Rhea nickte ihr zu und schob den Gedanken an die wütenden Jungen beiseite. Mit der harten Schale einer Islandmuschel begann sie, einen geschwungenen Graben auszuheben. Sie beobachtete, wie das Wasser hineinlief und dem von ihr vorgegebenen Weg folgte. Schon immer fand sie es faszinierend, wie sich die Dinge gegenseitig beeinflussten. Der Wind beeinflusste den Weg der Wolken. Der Sand gab den Weg des Wassers vor. Ein Hindernis wie eine Muschel änderte den Weg, den der Sand nahm, wenn der Wind ihn über...

Erscheint lt. Verlag 22.6.2017
Reihe/Serie Nordsee-Trilogie
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amrum • Frauen • Hotel • Liebe • Meer • Minigolf • Nordsee • Pension • Sehnsucht • Strand • Valentinstag • Vatersuche
ISBN-10 3-10-490294-1 / 3104902941
ISBN-13 978-3-10-490294-4 / 9783104902944
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