Flavia de Luce 8 - Mord ist nicht das letzte Wort (eBook)
352 Seiten
Penhaligon (Verlag)
978-3-641-20362-7 (ISBN)
Endlich kehrt Flavia vom Internat in Kanada zurück nach Buckshaw, nur um dort zu erfahren, dass ihr Vater im Krankenhaus liegt und keinen Besuch empfangen darf. Um ihren boshaften Schwestern zu entkommen, schwingt Flavia sich auf ihr Fahrrad: Sie soll für die Frau des Pfarrers eine Nachricht an den abgeschieden lebenden Holzbildhauer Mr. Sambridge überbringen. Doch niemand öffnet. Neugierig betritt Flavia die Hütte und ist überrascht, einen Stapel Kinderbücher im Zuhause des ruppigen Junggesellen zu entdecken. Und noch ein unerwarteter Fund steht Flavia bevor - denn an der Schlafzimmertür hängt, kopfüber gekreuzigt, der tote Mr. Sambridge ...
Diese außergewöhnliche All-Age-Krimireihe hat die Herzen von Lesern, Buchhändlern und Kritikern aus aller Welt im Sturm erobert!
Die »Flavia de Luce«-Reihe:
Band 1: Mord im Gurkenbeet
Band 2: Mord ist kein Kinderspiel
Band 3: Halunken, Tod und Teufel
Band 4: Vorhang auf für eine Leiche
Band 5: Schlussakkord für einen Mord
Band 6: Tote Vögel singen nicht
Band 7: Eine Leiche wirbelt Staub auf
Band 8: Mord ist nicht das letzte Wort
Band 9: Der Tod sitzt mit im Boot
Band 10: Todeskuss mit Zuckerguss
Außerdem (nur) als E-Book erhältlich:
Das Geheimnis des kupferroten Toten (»Flavia de Luce«-Short-Story)
Alle Bände sind auch einzeln lesbar.
Alan Bradley wurde 1938 geboren und wuchs in Cobourg in der kanadischen Provinz Ontario auf. Er war Direktor für Fernsehtechnik am Zentrum für Neue Medien der Universität von Saskatchewan in Saskatoon, bevor er sich 1994 aus dem aktiven Berufsleben zurückzog, um sich nur noch dem Schreiben zu widmen. »Mord im Gurkenbeet«, sein erster Roman und viel umjubelter Auftakt zur Serie um die außergewöhnliche Detektivin Flavia de Luce, wurde mit mehreren Awards ausgezeichnet. Alan Bradley lebt zusammen mit seiner Frau auf der Isle of Man.
1
Der Winterregen peitscht mir wie eisige Rasierklingen ins Gesicht, doch das kümmert mich nicht. Ich senke den Kopf, vergrabe das Kinn im Kragen meines Regenmantels und strample wie eine Irre gegen die wütenden Windböen an.
Ich radle ins Dorf, nach Bishop’s Lacey, als wären mir sämtliche Teufel der Hölle auf den Fersen.
Die vergangenen vierundzwanzig Stunden waren ein einziger Albtraum. Ich will nur noch weg von Buckshaw.
Unter uns ächzen Gladys’ Reifen schauerlich. Die schneidende Kälte ist ihr in die stählernen Knochen und die Sehnen ihrer Bremszüge gekrochen. Sie hüpft halsbrecherisch über den nassen Asphalt, droht von der Straße abzukommen und mich in den kalten Graben zu werfen.
Am liebsten würde ich einfach in den Wind hineinschreien, aber ich beherrsche mich. Wenigstens eine von uns beiden muss bei Verstand bleiben.
Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen.
Obwohl ich erst nach Kanada auf Miss Bodycotes Höhere Mädchenschule verbannt und anschließend von dort wieder nach Hause zurückgeschickt wurde – was man, wenn man will, als doppelte Schande sehen kann –, gestehe ich, dass ich mich darauf gefreut hatte, wieder mit meiner Familie vereint zu sein: mit Vater, meinen beiden älteren Schwestern Feely und Daffy, unserer Köchin und Haushälterin Mrs. Mullet und vor allem mit Dogger, Vaters treuem Faktotum und rechter Hand in allen Belangen.
Wie wohl jeder Reisende, der den Atlantik überquert, hatte ich mir meine Rückkehr nach England in den leuchtendsten Farben ausgemalt. Vater, Feely und Daffy würden mich am Hafen erwarten, vielleicht hatte sich sogar Tante Felicity dem Begrüßungskomitee angeschlossen. »WILLKOMMEN ZU HAUSE, FLAVIA!«-Transparente würden entfaltet, dazu ein paar Luftballons und was sonst noch dazugehört. Natürlich alles sehr diskret, denn wie ich selbst auch neigt keiner von uns de Luces zu übertriebenen Gefühlsbekundungen.
Doch als unser Schiff endlich in Southampton anlegte, bestand das Begrüßungskomitee lediglich aus Dogger, der reglos unter einem tropfenden schwarzen Regenschirm stand.
Ein bisschen verlegen nach der langen Trennung, hatte ich ihm die Hand geschüttelt, statt meinem Instinkt nachzugeben und ihm stürmisch um den Hals zu fallen. Ich bereute es sofort, doch da war es schon zu spät: Der Augenblick war vorbei, die Gelegenheit ungenutzt verstrichen.
»Ich muss Ihnen leider eine schlechte Nachricht überbringen, Miss Flavia«, hatte Dogger gesagt. »Colonel de Luce geht es nicht gut. Er hat eine Lungenentzündung und liegt im Krankenhaus.«
»Vater? Im Krankenhaus? In Hinley?«
»Leider ja.«
»Wir müssen sofort zu ihm!«, sagte ich. »Wann können wir dort sein?«
Wie mir Dogger erläuterte, hatten wir noch eine lange Reise vor uns. Der Zug um zwanzig nach fünf würde uns von Southampton nach London zum Bahnhof Waterloo bringen. Wenn wir dort gegen sieben Uhr abends ankämen, mussten wir mit dem Taxi eilig quer durch die Stadt zu einem anderen Bahnhof brausen, um den Anschlusszug noch zu erwischen.
Bis wir am späten Abend in Doddingsley eingetroffen wären, und noch später in Bishop’s Lacey, Hinley und im Krankenhaus, wäre die Besuchszeit längst um.
»Aber Dr. Darby kann doch bestimmt …«, setzte ich an.
Dogger schüttelte nur betrübt den Kopf, und erst da begriff ich, wie ernst es um Vater stehen musste.
Dogger gehörte nicht zu den Menschen, die einem einreden wollen, dass alles gut wird, wenn sie genau wissen, dass es nicht stimmt. Sein Schweigen sagte alles.
Obwohl wir so viel zu bereden gehabt hätten, wechselten wir während der Zugfahrt kaum ein Wort miteinander. Wir schauten mit ausdruckslosen Mienen durch die von Regenrinnsalen gestreiften Fenster auf die vorbeigleitende Landschaft, die in der anbrechenden Dämmerung bläulich wie ein verblassender Bluterguss aussah.
Zwischendurch schielte ich verstohlen zu Dogger hinüber, hatte aber offenbar die Fähigkeit eingebüßt, seinen Gesichtsausdruck zu deuten.
Dogger und Vater hatten in japanischer Kriegsgefangenschaft Schreckliches durchgemacht, und die Erinnerung daran überfiel Dogger immer noch ab und zu mit solcher Macht, dass er sich in ein wimmerndes Häufchen Elend verwandelte.
Ich hatte ihn mal gefragt, wie Vater und er es damals geschafft hatten, am Leben zu bleiben.
»Indem wir uns zusammengerissen haben«, hatte seine Antwort gelautet.
Während meiner Abwesenheit hatte ich mir fast die ganze Zeit Sorgen um Dogger gemacht, doch nach dem, was er schrieb, schien es ihm im Großen und Ganzen gut zu gehen, auch wenn ich ihm offenbar fehlte. Dogger war übrigens der Einzige, der mir während meiner Kerkerhaft in Kanada überhaupt geschrieben hatte – was einiges über die Innigkeit der Beziehungen innerhalb der Familie de Luce aussagt.
Ach ja, und da gab es noch diese unbedeutende Randerscheinung in Gestalt meiner wie aus dem Nichts aufgetauchten Cousine Undine, die durch das Schicksal sowie den grausigen Tod ihrer Mutter auf der Schwelle von Buckshaw ausgesetzt worden war. Welche Stellung sie in der Familie einnehmen würde, musste sich erst noch zeigen, aber ich machte mir diesbezüglich keine großen Hoffnungen. Sie war noch ein Kind, deshalb freute ich, die ich schon zwölf war und wusste, wie es auf der Welt zuging, mich nicht besonders darauf, unsere kurze Bekanntschaft zu erneuern. Sollte ich aber feststellen müssen, dass sie in der Zwischenzeit in meinen Sachen herumgewühlt hatte, dann würde unser beschauliches Herrenhaus einen noch nie da gewesenen Aufstand erleben.
Es war schon längst dunkel, als der Zug endlich in den Bahnhof von Doddingsley rollte, wo Clarence Mundys Taxi schon auf uns wartete, um uns im strömenden Regen nach Buckshaw zu befördern. Die feuchtkalte Luft kroch durch die Kleidung, und die trübe Bahnhofsbeleuchtung verströmte einen dunstig trüben, gespenstisch gelben Schein, sodass es mir vorkam, als hätte ich Tränen in den Augen.
»Schön, dass Sie wieder da sind, Miss«, raunte mir Clarence beim Einsteigen zu und tippte sich an den Mützenschirm. Das war alles, was er sagte – als wäre ich eine Schauspielerin, die geschminkt und kostümiert gleich die Bühne betreten wird und schon in ihrer Rolle ist, und er der Inspizient des Theaters, der respektvoll und professionell Abstand wahrt.
In allgemeinem Schweigen fuhren wir durch Bishop’s Lacey und weiter nach Buckshaw. Dogger sah stur geradeaus, und ich spähte so angestrengt aus dem Fenster, als könnte ich die Dunkelheit mit meinen Blicken durchdringen.
Meine Heimkehr hatte ich mir wahrlich anders vorgestellt.
Mrs. Mullet wartete schon an der Haustür und zog mich an ihren mächtigen Busen. »Ich hab dir ein paar Brote geschmiert«, verkündete sie mit so untypisch belegter Stimme, dass ich sie kaum verstand. »Mit Kopfsalat und kaltem Braten, die magst du doch am liebsten. Sie stehen auf der Kommode neben deinem Bett. Du bist bestimmt todmüde.«
»Vielen Dank, Mrs. Mullet«, hörte ich mich erwidern. »Sehr aufmerksam von Ihnen.«
War das wirklich Flavia de Luce, die da sprach? Ausgeschlossen! In meiner momentanen Verfassung konnte ich mir kaum etwas Ekelerregenderes vorstellen als Scheiben von totem Rind, garniert mit Blättern der hiesigen Vegetation, doch aus irgendeinem Grund biss ich mir auf die Zunge, statt dieses Thema weiter zu vertiefen.
»Die anderen sind schon im Bett«, setzte Mrs. Mullet hinzu, und meinte damit Feely, Daffy und vermutlich auch Undine. »Es war ein sehr anstrengender Tag.«
Ich nickte und musste plötzlich an meine nächtliche Ankunft in Miss Bodycotes Höherer Mädchenschule denken. Das wurde anscheinend zur Gewohnheit.
War es nicht merkwürdig, dass mein eigen Fleisch und Blut nicht wach geblieben war, um mich zu begrüßen? Oder erwartete ich einfach zu viel? Ich war erst seit September weg, das schon, aber trotzdem … Wenigstens eine von ihnen …
Ich verscheuchte den Gedanken.
War denn wirklich gar niemand aufgeblieben, um mich willkommen zu heißen? Jetzt hätte ich mich sogar über Undines rausgestreckte Zunge gefreut! Aber sie war bestimmt längst ins Bett geschickt worden und in das Reich ihrer boshaften Träume übergewechselt, die sie im Wachzustand beflügelten.
Dann fiel mir Esmeralda ein. Esmeralda!
Die reizende Esmeralda, mein Stolz und meine Freude. Dass sie eine Buff-Orpington-Henne war, tat dem keinen Abbruch. Liebe ist Liebe, ganz gleich, auf wen sie sich richtet – selbst wenn es nur ein Federvieh ist.
»Bin gleich wieder da«, sagte ich zu Mrs. M. »Ich will nur eben Esmeralda Hallo und Gute Nacht sagen.«
Mrs. Mullet hielt mich am Ellbogen fest. »Es ist schon spät, Schätzchen. Du willst doch morgen früh ausgeschlafen sein, wenn du deinen Vater besuchst.«
»Nein«, erwiderte ich, »ich will zu Esmeralda«, und ich riss mich los.
»Miss Flavia …!«, rief sie mir nach, als ich mit großen Schritten die Eingangshalle durchquerte. Als ich mich flüchtig umdrehte, sah ich Dogger den Kopf schütteln, als wollte er sie zum Schweigen bringen.
Im Garten war es nass und dunkel, aber den Weg zum Gewächshaus hätte ich auch blind gefunden.
»Esmeralda!«, rief ich schon von Weitem, um sie nicht unvermittelt aus dem Schlaf zu reißen. »Rate mal, wer wieder da ist! Ich bin’s – Flavia!«
Ich öffnete die verglaste Tür und tastete nach dem Lichtschalter. Die nackte Glühbirne an der Decke flammte auf und blendete mich...
Erscheint lt. Verlag | 25.4.2017 |
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Reihe/Serie | Die "Flavia de Luce"-Reihe |
Flavia de Luce | Flavia de Luce |
Übersetzer | Gerald Jung, Katharina Orgaß |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Thrice the Brinded Cat Hath Mew'd |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 1950er Jahre • Amateurdetektivin • eBooks • England • Hobbydetektivin • Holzbildhauer • Kinderbücher • Kinderdetektive • Kreuzigung • Krimi • Krimi Humor • Krimi Humor Bestseller • Krimi humorvoll • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimis • kulturpass • Leichenfund • Mord • Nevermore • Rätsel • Romanhelden • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • Tim Burton • wednesday addams |
ISBN-10 | 3-641-20362-7 / 3641203627 |
ISBN-13 | 978-3-641-20362-7 / 9783641203627 |
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