Das Auge des Raben (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
416 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1360-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Auge des Raben -  Eliot Pattison
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Der Schotte und der Schamane.

Amerika im Jahr 1760. Franzosen kämpfen gegen Engländer, um die Vorherrschaft. Beide Seiten versuchen sich die Unterstützung der Indianer zu sichern. Mit Hilfe des Schamanen Conawago hat der Schotte Duncan McCallum das Massaker an seinem Clan überlebt, das von den Engländern verübt wurde. Nun ist er zusammen mit Conawago in den Wäldern unterwegs. Als sie einen sterbenden Offizier der Engländer finden, der an einen Baum genagelt worden ist, geraten sie wieder in Schwierigkeiten. Conawago wird verhaftet, weil man ihn für den Mörder hält. Um ihn zu retten, macht Duncan sich daran, die Wahrheit dieses Mordfalls herauszufinden. Bald erkennt er, dass es noch mehr Ritualmorde gegeben hat. Irgendjemand hat ein großes Interesse daran, Verhandlungen zwischen Indianern und Kolonisten zu stören ...

'Der letzte Mohikaner trifft Braveheart - mit einem Schuss CSI.' Entertainment Weekly.



Eliot Pattison ist Journalist und Rechtsanwalt. Er ist oft nach Tibet gereist und lebt mit seiner Familie in Oley, Pennsylvannia.

Um den Ermittler Shan liegen im Aufbau Taschenbuch vor: »Der fremde Tibeter« (ausgezeichnet mit dem Edgar Allan Poe Award), »Das Auge von Tibet«, »Das tibetische Orakel«, »Der verlorene Sohn von Tibet«, »Der Berg der toten Tibeter«, »Der tibetische Verräter«, »Der tibetische Agent«, »Tibetisches Feuer«, »Die Frau mit den grünen Augen« und »Die vier Toten von Tibet«.

Außerdem liegt dort seine Roman »Das Auge des Raben« vor. 

Mehr zum Autor unter www.eliotpattison.com

Kapitel Eins


April 1760,
in der Wildnis von Pennsylvania

Der blutige Krieg wurde nirgendwo so unbarmherzig geführt wie hier, und keine der Parteien in diesem weltumspannenden Konflikt war dafür bekannt, dass sie Gnade walten ließ. Mit jedem Schritt, den der alte Indianer tiefer in das schlafende Feindeslager vordrang, schlug Duncan McCallum das Herz ein Stück höher im Hals. Er hatte Conawago inständig gebeten, sich von dem gegnerischen Biwak fernzuhalten, und gelobt, stattdessen beim nächsten Vollmond mit ihm hierher zurückzukehren, doch sein Gefährte wollte nicht warten. Es war ihm ziemlich einerlei, dass die Huronen, die dort unten mit den Franzosen kampierten, ihn bei lebendigem Leib rösten würden, falls sie ihn inmitten ihrer Reihen ertappten. Die Geister hätten die Feinde da platziert, um seine Entschlossenheit auf die Probe zu stellen, hatte Conawago versichert und den jungen Schotten aufgefordert, ihn nicht zu begleiten. Sein großes Vorhaben – die Rettung der Stämme – duldete keinen Aufschub, und seine Mutter hatte ihn gelehrt, dass die heilige Tonerde, die er von dem Sims am Rand des Lagers benötigte, am wirksamsten war, wenn sie bei Vollmond gewonnen wurde.

Voller Furcht beobachtete Duncan nun, wie Conawago zwischen den Zelten der französischen Offiziere hindurchschlüpfte und dann an einer schlafenden Gestalt nach der anderen vorbeischlich. Sein Leinenhemd leuchtete hell im Mondschein. Als Duncan sich aus dem Schatten vorbeugte, sah er, dass sein Freund nicht etwa die Keule an seinem Gürtel gepackt hielt, sondern das Amulett, das um seinen Hals hing. Ein Mann mit blonden Locken regte sich, als Conawago ihn bei dem schwelenden Feuer passierte. Duncan hob sofort das lange Gewehr an die Schulter und legte auf den französischen Soldaten an, bis dieser sich wieder in seine Decke wickelte.

Von der anderen Seite des Lagers, wo Duncan zuletzt den Wachposten der Huronen gesehen hatte, hallte der gespenstische Ruf eines Ziegenmelkers herüber. Auf einmal antwortete ihm ein zweiter Vogel, deutlich näher, und ließ Duncan an einen Baum zurückweichen, alle Muskeln angespannt, jeder Nerv in Flammen. Er hatte nicht mit einem weiteren Posten gerechnet, wusste aber nun, dass es ihn gab, und zwar bei der Felswand, auf die Conawago zusteuerte. Tief geduckt schob Duncan sich langsam und fast lautlos durch das Lorbeerdickicht. Noch vor wenigen Monaten wäre er wie ein verirrtes Kalb durch das Gebüsch getrampelt, was ihn in so unmittelbarer Feindesnähe schon nach ein paar Schritten das Leben gekostet hätte. Doch Conawago hatte ihm kürzlich eröffnet, nach ihrer gemeinsamen Zeit in der Wildnis sei Duncan inzwischen kein Hochlandschotte mehr, sondern ein Waldschotte.

Der hochgewachsene, kräftige Hurone stand im Unterholz und behielt nicht das Lager, sondern den umliegenden Wald im Auge. Er hatte Duncan den Rücken zugewandt und den Kopf geneigt, als sei ihm in den tiefen Schatten der Bäume etwas aufgefallen. Duncans Herz klopfte wie wild in seiner Brust. Geräuschlos zog er den Tomahawk. Falls er den Krieger nicht mit dem ersten Hieb ausschaltete, würde der Mann Alarm schlagen. Aber noch während Duncan den Arm hob, keuchte der Posten plötzlich vor Schmerz auf, griff sich an den Kopf und wurde dann heftig nach unten gerissen, so dass er zwischen den Sträuchern verschwand. Duncan hörte ein leises Stöhnen, gefolgt von einem Rascheln, als würde etwas davonhuschen.

Als Duncan bei ihm eintraf, war der Hurone bewusstlos. Hektisch schossen ihm mehrere Gedanken gleichzeitig durch den Kopf: dass eines der nächtlichen Raubtiere des Waldes es auf sie abgesehen hatte, dass sie auf ein Nest giftiger Vipern gestoßen waren, dass er und Conawago soeben in ein Gefecht zwischen den Huronen und deren Erzfeinden, den Irokesen, verwickelt wurden. Dann sah er, dass sein Freund das ungeschützte Sims erreicht hatte, auf dem es die Tonerde gab. Duncan schob alle Befürchtungen beiseite und eilte zu Conawago, um ihm bei der Beschaffung des heiligen gelben Pulvers behilflich zu sein.

Aber sein Gefährte machte sich nicht etwa an die Arbeit, sondern kniete sich ungeachtet der zwei Dutzend blutrünstigen Feinde vor die Felswand, hielt die Arme mit nach oben weisenden Handflächen auf Hüfthöhe ausgestreckt und sprach leise zum Mond.

»Bei allem, was heilig ist, fang endlich an zu graben!«, flüsterte Duncan, ließ den Blick über das schlafende Lager schweifen und versuchte verzweifelt, den noch verbliebenen Wachposten ausfindig zu machen.

»Alles, was heilig ist, wird mich wissen lassen, ob ich würdig bin«, erwiderte Conawago gemächlich. Er arbeitete nun schon seit Monaten darauf hin, die Stämme wieder mit ihren Göttern zu vereinen, von denen sie so eindeutig verlassen worden waren. Es handelte sich um die vielleicht wichtigste Aufgabe seines Lebens, aber er wollte die Geister nicht bedrängen.

Er wartete auf ein Zeichen.

Angespannt musterte Duncan das Lager. Sie würden nun gewiss nicht mehr unbemerkt fliehen können. Dennoch hatte er nicht vor, seinem tapferen Freund deswegen Vorwürfe zu machen, erinnerte der Ältere ihn doch frappierend an seinen geliebten Großvater und besaß mittlerweile einen ähnlichen, wenn nicht noch höheren Stellenwert für ihn. Auch Duncans Stamm hatte die Verbindung zu seinen Göttern verloren, im schottischen Hochland, vor nicht allzu langer Zeit, und auch sein Volk war durch die Gier der europäischen Könige nahezu ausgelöscht worden. In Schottland war es ihm verwehrt geblieben, sein Leben für seinen Clan zu opfern, doch er würde es bedenkenlos einsetzen, um den sanften alten Nipmuc zu beschützen.

Er löste die Lederschlaufe, mit der das Messer an seinem Gürtel gesichert war, kniete sich hinter einen Felsblock und stützte den Gewehrlauf darauf ab. Die Huronenkrieger, die ihre Haut stets mit Blut bemalten, würden unter lautem Geheul als Erste angreifen, um den Dämonen, mit denen die Klingen ihrer Beile verziert waren, Menschenfleisch zu fressen zu geben.

Duncan hörte ein geflüstertes Dankeswort, blickte auf und sah eine einzelne Gans quer über das Antlitz des Mondes fliegen. Conawago breitete unterhalb der Ockerschicht ein quadratisches Ledertuch aus und fing an, die Tonerde mit dem Messer herauszugraben.

Sie liefen nach Westen. Der uralte Pfad verband das nördlich gelegene Land der Irokesen mit dem Gebiet westlich des Ohio. Das erste graue Licht des Tages sickerte zwischen den Eichen und Hemlocktannen hindurch, als Conawago plötzlich seinen Schritt verlangsamte und die lange Keule zog, als wolle er sie jeden Moment schleudern. Duncan hob sein Gewehr und spannte den Hahn. Conawago schob den Beutel mit der mühsam erlangten Tonerde schützend auf den Rücken und schien vorstürmen zu wollen, als er voraus auf dem Pfad einen hellen ovalen Gegenstand entdeckte.

Duncan hatte noch nie erlebt, dass Conawago klein beigab, aber beim Anblick des mit roten Symbolen bemalten Schildkrötenpanzers entrang sich den Lippen des alten Indianers ein gequältes Ächzen. Dann trat ein hochgewachsener Krieger aus den Schatten vor. Conawago wich einen Schritt zurück und schien ein Stück kleiner zu werden. Der Fremde war lediglich mit einem Jagdmesser bewaffnet, das an einem quer über die nackte Brust verlaufenden Riemen hing, doch seine Augen funkelten angriffslustig. Conawago ließ die Keule zu Boden fallen und bedeutete Duncan, er möge sein Gewehr senken. »Onondaga«, sagte er leise. Das war der Name eines der sechs Stämme der befreundeten Irokesischen Liga.

Aber der Mann verhielt sich nicht wie ein Verbündeter, sondern beugte sich vor und ballte die Fäuste, als würde er sich im nächsten Augenblick auf den alten Indianer stürzen.

Duncan trat zur Seite, um auf einen Angriff des Fremden sofort reagieren zu können. Er sah nun die Schildkrötentätowierung, die das halbe Gesicht des Mannes bedeckte, und die kunstvoll gemalten Muster auf seinen Armen und der Brust. Der Onondaga trug eine offene ärmellose Weste, Leggings aus Rehleder und ein Lendentuch. Er war kein gewöhnlicher Krieger, sondern führendes Mitglied eines der mächtigen Geheimbünde der Stämme. Duncan versuchte sich zu erinnern, was Conawago ihm im Laufe der letzten Monate über die Onondaga erzählt hatte. Sie waren die Bewahrer des Allerheiligsten der Sechs Nationen, Schlichter in Streitfragen und Hüter der Geheimnisse der Altvorderen, dank derer die Stämme mit ihrer Vergangenheit verbunden blieben.

»Der Häuptling des Schildkrötenclans«, fügte Conawago hinzu, als wolle er Duncan damit beruhigen.

»Du bist ein Ausgestoßener!«, zischte der Fremde. »Unsere Totems sind seit der Geburt unseres Volkes stets sicher gewesen, geehrt durch unsere Gebete und geschützt durch unsere Götter. Dann raubst du sie wie ein gewöhnlicher Dieb! Du spuckst auf unsere Götter! Du stehst nicht länger unter dem Schutz der Haudenosaunee!«

Duncan sah, wie sein Freund vor Kummer das Gesicht verzog, als würde ihn ein körperlicher Schmerz überkommen. Er erinnerte sich an einen Vorfall vor einem Monat, an die kleine Höhle oberhalb eines der langgestreckten Seen westlich der Kolonie New York. Der Eingang war von Schädeln und Federn umgeben gewesen, und über der Öffnung hatte ein großer Schildkrötenpanzer gehangen, bemalt mit den gleichen Symbolen wie der Panzer, der nun vor ihnen lag. Conawago hatte darauf bestanden, dass Duncan draußen wartete, während er selbst sich in der Höhle aufhielt. Den Vortag hatte der alte Indianer mit Reinigungszeremonien an einer Bergquelle zugebracht, und den Großteil der folgenden Nacht hatte er Gebete in der Sprache seiner Väter aufgesagt. Doch Duncan war nicht entgangen, dass er in den...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2017
Übersetzer Thomas Haufschild
Sprache deutsch
Original-Titel The Eye of the Raven
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1760 • 18. Jahrhundert • Abenteuer • Amerika • England • Ermittlungen • Eroberung • Frankreich • Geschichte • Historischer Kriminalroman • Historischer Roman • Indianer • Kolonialismus • Krieg • Mord • Mörder • Neue Welt • Nordamerika • Ritual • Ritualmorde • Roman • Schamanen • Ureinwohner • Verbrechen • Verschwörung • Vormachtstellung
ISBN-10 3-8412-1360-X / 384121360X
ISBN-13 978-3-8412-1360-0 / 9783841213600
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