Wie ich meine Tochter durchs Abitur brachte (eBook)

Spiegel-Bestseller
Ein Helikoptervater dreht auf
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
208 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44141-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie ich meine Tochter durchs Abitur brachte -  Thomas Kausch
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Die sagenhaften Unwägbarkeiten des Erziehungsalltags: Thomas Kausch erzählt witzig und selbstironisch, mit welchen Tricks, Finten und (manchmal sogar) Notlügen er den eigenen Nachwuchs durchs Abitur gebracht hat. Wie er sich im Kindergarten hauptsächlich mit den Läusen auf dem Kopf seiner Tochter herumschlagen musste, die sie sich aber immerhin vom Sohn eines Regierungssprechers geholt hatte. Wie er schon in der Grundschule als Elternsprecher mit mehr oder weniger großem Erfolg um die Noten seiner Tochter pokerte und am Ende der Schullaufbahn mit dem Abitur auch er eine große Prüfung zu bestehen hatte. Für alle Eltern, die nur noch mit Humor durch den Erziehungsalltag kommen.

Thomas Kausch, Jahrgang 1963, ist Journalist bei NDR und Arte. Zuvor war er Moderator und Nachrichtenchef bei Sat.1. Im ZDF war er Anchor der Late News 'heute nacht' und arbeitete viele Jahre als Kriegs- und Krisenreporter und Auslandskorrespondent. Drei Jahre lang war er unter anderem für ARD und ZDF in New York. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Thomas Kausch, Jahrgang 1963, ist Journalist bei NDR und Arte. Zuvor war er Moderator und Nachrichtenchef bei Sat.1. Im ZDF war er Anchor der Late News "heute nacht" und arbeitete viele Jahre als Kriegs- und Krisenreporter und Auslandskorrespondent. Drei Jahre lang war er unter anderem für ARD und ZDF in New York. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Pauline ist ein Wunderkind. Und das kam so:

Harrison Ford


Ich hatte mir immer ein Mädchen gewünscht, weil es von Anfang an mein Ziel war, das Kind zu verwöhnen. Das hätte bei einem Jungen merkwürdiger gewirkt. Außerdem wollen Jungs irgendwann nur noch raufen, hängen den Vätern im Schwimmbad auf dem Rücken und würgen sie dabei am Hals. Das ist nichts für mich. Zusammen das erste lange Kleid für den Abschlussball der Schule aussuchen, das stellte ich mir sehr schön vor. Und vielleicht auch den Tanzpartner.

 

Ich selbst wurde nicht verwöhnt. Alle trugen damals blaue Adidas-Schuhe, Modell Rekord. Die gab es ähnlich auch bei Deichmann, sahen fast genauso aus. Nur dass ein Streifen fehlte. Das war sehr auffällig. Kann man sich eine größere Demütigung vorstellen? Ja: Die Palomino-Jeans von C&A. Die hatte unten rechts am Schlag noch ein kleines Glöckchen. Damit jeder auch noch hören konnte, dass es keine Wrangler war.

Mein Mofa musste ich mir selbst verdienen, mit 15 Jahren auf dem Bau, 1,50 Mark Stundenlohn. Klarer Fall von Kinderarbeit. Es reichte nur für eine – Puch. Alle anderen fuhren Kreidler. Oder Herkules. Puch. Ohne Stoßdämpfer. Ohne Gangschaltung. Mit Fahrradgepäckträger!

Hat es mir geschadet? Natürlich. Und irgendwann in dieser Zeit muss ich mir vorgenommen haben: Wenn ich einmal ein Kind bekomme – das soll es besser haben.

 

Mit 33 war es so weit. Auch wenn wir zunächst an eine Nierenbeckenentzündung glaubten. Das wäre dann schon Kikis zweite innerhalb weniger Wochen gewesen. Viel länger kannte ich sie auch noch gar nicht, und ich dachte schon: Oh, oh, was hab ich mir da denn eingefangen? Wir hatten uns auf einem Betriebsfest beim ZDF kennengelernt – sie die schüchterne Jungredakteurin, ich der attraktive Reporterhaudegen, gerade zurück aus irgendeinem Kriegsgebiet in Afrika, den Staub noch an den Schuhen, Typ Harrison Ford. Ich fiel ihr sofort auf.

Kiki erinnert sich anders daran. Demnach sei es so gewesen:

Sie war die hübscheste Frau auf dem Betriebsfest. Und fiel mir sofort auf mit ihrer tollen Figur, den langen braunen, lockigen Haaren. Alles an ihr war wunderschön. Ich wollte keine Kinder, bis ich Kiki traf, meine Traumfrau. Leider gelang es mir nicht, sie beim ersten Date rumzukriegen. Sie hatte nicht auf mich gewartet, die Liste ihrer Verehrer war lang. Handballprofis. Sportmoderatoren. Musikfernsehregisseure.

Mag ja sein. Tatsache ist: Nur sechs Wochen später hat sie MICH geheiratet. In Mexiko. Aus Lust und Liebe und ganz spontan. Montags gingen wir zum Dorfrichter in Playa del Carmen, damals noch ein echtes Hippiedorf, um das Aufgebot zu bestellen.

»Haben Sie Ihren Reisepass?«, fragte der Richter sehr feierlich und ernst.

Sein Büro sah aus wie eine leere Garage. Ein Stahlregal mit Aktenordnern. Eine Sekretärin mit elektrischer Schreibmaschine. Ein leerer Schreibtisch mit einem Richter dahinter. Unter der Decke drehte sich träge und nutzlos der Ventilator und verteilte die heiße Luft. Natürlich hatten wir Reisepässe.

»Geburtsurkunde?«

»Die haben wir leider nicht dabei. Es ist eine spontane Entscheidung. Ich habe ihr erst gestern Abend den Antrag gemacht.«

»Keine Urkunde, kein Problem. Aber Sie brauchen vier Trauzeugen.«

»Haben wir!«

Wir hatten sogar fünf. Arturo, den blondgelockten Frauenheld vom Strand, der sich als Architekt ausgab und immer ein Geodreieck dabeihatte. Die Frau aus dem Reisebüro, bei der wir unseren Weiterflug gebucht hatten, und drei Kellner aus unserem Hotel, dem Blue Parrot Inn. Wir hatten eigentlich nur zwei gefragt, aber der dritte wollte auch gerne mitmachen. Das Blue Parrot Inn war direkt am Strand. Wir hatten das Zimmer, das früher die Bar war. Es war alles unglaublich cool und sexy. Ich sah wahnsinnig gut aus. Und Kiki natürlich auch.

»Und dann müssen wir noch den Bluttest machen.«

»Was für einen Bluttest denn?«

»Um auszuschließen, dass Sie verwandt sind.«

»Wir sind nicht verwandt. Wir kennen uns ja kaum. Also ich meine, wir sind verliebt, aber nicht verwandt.«

»Dann ist der Test ja kein Problem.«

Natürlich war der Test ein Problem. In Hochzeiten von Aids ließ ich uns doch nicht von irgendeinem Junkie-Arzt in einem Hippiedorf in Mexiko mit verunreinigten Spritzen Blut abnehmen. So gründet man doch keine Familie.

»Es ist so, dass wir beide kein Blut sehen können. Wir wär’s, wenn wir den Test bezahlen, aber wir machen ihn gar nicht? Allen geht’s gut, und die Kasse stimmt auch!«

Der Richter blickte demonstrativ zu seiner Sekretärin hinüber. Ich verstand. Er war nicht allein. Er konnte hier kein Geld annehmen. Er war ja nicht korrupt. Aber er hatte eine gute Idee.

»Mein Schwager ist Chefarzt. Ich komme morgen früh um acht mit ihm zu Ihnen ins Hotel, und dann machen wir den Bluttest dort. Dann haben Sie keine Umstände.«

»Das ist eine gute Idee!«

Alles klar, Geldübergabe morgen früh um acht.

 

Am nächsten Morgen kam er tatsächlich. Und tatsächlich mit seinem Schwager. Und der stand da tatsächlich im grünen Chirurgenkittel an meinem Kaffeetisch im Sand. Kiki war gar nicht erst mit heruntergekommen. Es ging ja nur um die Geldübergabe. Aber jetzt begann tatsächlich ein Medizin-Check, um unsere Verwandtschaft auszuschließen.

»Welche Blutgruppe haben Sie?«, fragte der Chirurg ohne ein Lächeln.

»Ähm – A?«

»Und welche Blutgruppe hat Ihre künftige Frau?«

»Ähm – B?«

»Gut, das Ergebnis des Medizin-Checks liegt dann morgen bei der Trauung vor. Vielen Dank, einen schönen Tag noch.«

»Das macht dann 50 Dollar Gebühr pro Person, bitte«, sagte der Richter.

Und dann gingen sie wieder, zwei Männer, die sich nicht bestechen ließen. Einer im schwarzen Anzug und einer im grünen OP-Kittel. Am Strand von Playa del Carmen. Ein sehr, sehr surrealer Anblick. Aber es passte ja ins Bild. Die Ringe machte uns spätabends ein bekiffter Goldschmied aus der Fassung eines großen Bernsteins, den er an seiner Kette trug.

 

Am nächsten Morgen waren alle in der Garage des Richters. Arturo, die Kellner, die Frau aus dem Reisebüro. Der Taxifahrer, den ich mit seinem alten Chevy für den ganzen Tag gemietet hatte, kam natürlich auch mit rein.

Der Ventilator drehte sich träge, die Sekretärin saß an der elektrischen Schreibmaschine, der Richter am leeren Schreibtisch, und die Zeremonie begann. Auf Spanisch, wir verstanden kein Wort, nur dass das Wort Liebe immer wieder fiel, Amor. Vom Tod, der uns irgendwann scheiden würde, war überhaupt keine Rede. Nur von Liebe.

Bis heute habe ich keine schönere Trauung gesehen. Danach feierten wir am Strand mit all den wunderbaren Menschen, die wir gar nicht kannten. Bis heute war ich auf keiner schöneren Hochzeit. Unsere Eltern bekamen ein Fax: »Just married« stand darauf. Und dass wir uns freuen würden, unsere Schwiegermütter bald kennenlernen zu dürfen.

Tja, 22 Jahre ist das jetzt schon her und der Beweis für die These: Einfach den Instinkten folgen und nicht lange fackeln.

Zurück in Wiesbaden, wo ich in einer unglaublich coolen Designer-Altbau-Dachwohnung mit wahnsinnig teuren Möbeln wohnte, zog Kiki dann bei mir ein. Die Wohnung war so cool, dass mehrere Folgen von Ein Fall für zwei dort gedreht worden waren. Mit Privatdetektiv Matula! Kiki war natürlich total beeindruckt. Da hatte sie schon einen Fang gemacht! Jetzt, wo wir verheiratet waren, musste ich allerdings ein paar Dinge klarstellen.

»Also, was die Wohnung betrifft, Schatz, wäre super, wenn du ein bisschen aufpasst, dass nichts an die Möbel kommt. Es ist im Grunde so, dass ich die Wohnung sozusagen möbliert gemietet habe. Quasi mit Möbeln. Die mir nicht gehören. Die gehören im Grunde dem Besitzer, der ist Arzt und für ein, zwei Jahre in Thailand. Arzt ohne Grenzen, quasi. Der Ledersessel zum Beispiel, der ist besonders empfindlich. Und das Sofa. Und der Tisch. Auch der Fernseher.«

»Bist du etwa ein Hochstapler?«

»Hochstapler ist ein großes Wort!«

»Was gehört denn dir?«

»Na, zum Beispiel der coole alte Mercedes vor der Tür!«

»Der rostet.«

»Rost ist auch ein großes Wort. Was soll’s, lass uns feiern!«

 

Und das taten wir dann auch jeden Abend, genauer nachts. Kiki arbeitete für die Sendung heute nacht, die ich später mal moderieren würde, aber davon wussten wir damals noch nichts. Sie kam immer erst um ein Uhr nach Hause, suchte bis zwei nach einem Parkplatz und ließ dann weinend den Wagen auf der Straße stehen. Danach suchte ich noch eine Stunde. Und dann tanzten wir bis in den Morgen. Jede Nacht klingelte das arme Lehrerehepaar aus der Wohnung einen Stock tiefer im Bademantel bei uns an der Tür und bat flehentlich um Ruhe. Lehrer, ha, da konnte man endlich mal ein bisschen was zurückgeben für all die Strapazen in der Schule. Mit Lehrern würden wir ja so schnell nichts mehr zu tun haben. Dachten wir. Wir haben uns entschuldigt, gelacht und natürlich weitergetanzt.

Und dann das: Keine Nierenbeckenentzündung, ergab die Untersuchung im Paulinenkrankenhaus in Wiesbaden. Die polnische Krankenschwester übermittelte die Diagnose: »Frau ist gesund. Aber Frau ist schwanger.« Nachrichten sind ja mein Geschäft, aber natürlich haute diese mich um. Damit hatten wir nicht gerechnet. Was, wenn die Ehe nicht halten würde? Wir waren ja einfach nur unseren Instinkten gefolgt, hatten nicht lange gefackelt. Was würde sich jetzt ändern für mich? Was würde aus meinem Oldtimer werden, hinten keine Sicherheitsgurte, für Kinder völlig ungeeignet, Maxi-Cosi statt Mercedes, was für eine...

Erscheint lt. Verlag 25.1.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abitur • Eltern • Erziehung • Mutter • Pubertät • Schulabschluss • Schule • Teenager • Vater
ISBN-10 3-426-44141-1 / 3426441411
ISBN-13 978-3-426-44141-1 / 9783426441411
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