Himmelhorn (eBook)
496 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44007-0 (ISBN)
Volker Klüpfel teilt mit Kluftinger den Heimatort Altusried. Doch den ehemaligen Journalisten hat es beruflich nach Augsburg verschlagen. Dort lebt er nach wie vor mit seiner Familie, auch wenn ihn sein Beruf nun nicht mehr in die Kulturredaktion der Augsburger Allgemeinen, sondern an seinen Autoren-Schreibtisch führt. Studiert hat Klüpfel, Jahrgang 1971, Politik und Geschichte in Bamberg, arbeitete dann bei einer Zeitung in den USA und vertreibt sich seine Zeit mit Sport und Theater - entweder als Zuschauer oder als Mitspieler bei den Freilichtspielen in Altusried. Wie Kommissar Kluftinger.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 03/2017) — Platz 20
- Spiegel Jahres-Bestseller: Belletristik / Hardcover 2016 — Platz 9
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 02/2017) — Platz 13
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 1/2017) — Platz 8
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 52/2016) — Platz 8
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 51/2016) — Platz 8
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 50/2016) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 49/2016) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 48/2016) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 47/2016) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 46/2016) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 45/2016) — Platz 8
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 44/2016) — Platz 6
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 43/2016) — Platz 3
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 42/2016) — Platz 2
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 41/2016) — Platz 2
Volker Klüpfel teilt mit Kluftinger den Heimatort Altusried. Doch den ehemaligen Journalisten hat es beruflich nach Augsburg verschlagen. Dort lebt er nach wie vor mit seiner Familie, auch wenn ihn sein Beruf nun nicht mehr in die Kulturredaktion der Augsburger Allgemeinen, sondern an seinen Autoren-Schreibtisch führt. Studiert hat Klüpfel, Jahrgang 1971, Politik und Geschichte in Bamberg, arbeitete dann bei einer Zeitung in den USA und vertreibt sich seine Zeit mit Sport und Theater – entweder als Zuschauer oder als Mitspieler bei den Freilichtspielen in Altusried. Wie Kommissar Kluftinger. Michael Kobr, geboren 1973 in Kempten im Allgäu, studierte Germanistik und Romanistik in Erlangen. Er arbeitete nach dem Staatsexamen an verschiedenen Realschulen in Bayern, momentan aber ist er beurlaubt – um sich dem Schreiben der Romane, den Shows und der Familie widmen zu können. Kobr wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern im Allgäu.
Es war der entsetzlichste Abgrund, in den er je geblickt hatte. Wenn es irgendetwas Tröstliches daran gab, dann die Tatsache, dass er noch unten stand und nach oben schaute. Noch nicht dort war, wohin er musste. Noch am Anfang dessen, was sein Ende bedeuten könnte.
Unstet huschte sein Blick über vom Tau glitzernde, frühlingshafte Wiesen, über die schroffen, steil aufschießenden Felswände, suchte Halt an den zerklüfteten Vorsprüngen und blieb an dem winzigen überhängenden Plateau hängen, das wie ein schiefer Zahn aus einem dunklen Maul herausragte. Dort musste er hinauf. Um sich dann wieder hinunterzustürzen in die Tiefe, schwarz und bedrohlich, ein Schlund, der ihn gierig verschlingen und nur mit Glück wieder ausspucken würde, verwundet, versehrt.
Sollte er das wirklich tun? Sein Vorhaben schien ihm nun noch aberwitziger als zuvor. Doch es gab kein Zurück. Er spürte, wie seine Hände feucht wurden, und wischte sie an der Hose ab. Gab es wirklich kein Zurück? Einen Lichtstrahl der Hoffnung im Schatten dieser gewaltigen Wand …
»Na, majestätischer Anblick, was?«
Wuchtig schlug ihm sein Nebenmann die Hand auf die Schulter. Der Schmerz vertrieb kurzzeitig seine düsteren Vorahnungen und machte der Wut auf den Mann Platz, dem er die missliche Lage zu verdanken hatte: Doktor Martin Langhammer.
Der plauderte munter weiter: »Da wünscht man sich doch die Zeit zurück, als man noch im Einklang mit der Natur gelebt hat, noch gänzlich unbehelligt von den vermeintlichen Segnungen unserer modernen Zeit.«
Kluftinger nickte: »Wo die Menschen noch schweigen konnten und nicht jeden stillen Moment mit ihrem Geschwätz zerstört haben.«
Der Allgemeinarzt sah sein Gegenüber mit großen Augen an: »Genau, mein Lieber, da sind wir ja ausnahmsweise mal einer Meinung. Ich finde auch, dass man die Bergwelt nur in stiller Einkehr richtig erfassen kann. Nur die Ruhe macht diese archaische Kulisse erfahrbar, nur die …«
»Dann tun Sie’s doch endlich!«
»Was denn?«
»In stiller Einkehr richtig erfassen.«
Der Doktor gluckste. »Na, ich will doch meine Eindrücke mit meinem Freund teilen.« Wieder schlug er dem Kommissar auf die Schulter, ließ seinen Arm diesmal aber liegen.
Kluftinger entwand sich ihm. »Welchem Freund? Außer mir seh ich niemanden.«
»Genau, wie ich gesagt habe! Niemand hier außer uns. Ist für Biker noch ein echter Geheimtipp. Hierher verschlägt es kaum jemanden.«
Diese Information ließ Kluftingers Unbehagen noch wachsen. »Meinen Sie nicht, dass es vielleicht seine Gründe hat, dass da keiner herwill? Und überhaupt: Ist es heut nicht ein bisschen zu feucht und glitschig zum Radeln?« Er wollte die Hoffnung auf eine Rettung in letzter Minute noch nicht aufgeben.
»Zum Radfahren vielleicht, aber mit unseren Mountainbikes macht uns das nichts aus.«
»Macht es nicht?«
»Nein, im Gegenteil, das steigert die Herausforderung beim Biken.« Mit diesen Worten öffnete Langhammer seine Windjacke, worauf Kluftinger reflexartig die Augen zusammenkniff, denn ihm leuchtete ein neongrünes Trikot entgegen.
»Kriegen Sie dafür Geld?«, fragte der Kommissar und zeigte auf die zahlreichen Werbeaufdrucke.
»Ha, schön wär’s. Nein, das ist einem Mannschaftstrikot der Tour de France nachempfunden. Wunderschöne, originalgetreue Replika. Na ja, bis auf die Protektoren hier, hier und hier.« Er zeigte auf seine Unterarme, die Ellbogen und den Rücken. »Sie sind wirklich sicher, dass Sie ohne fahren wollen?«
»Ich hab Ihnen schon gesagt, dass ich von vornherein nirgends runterfahr, wo ich solche Dinger brauchen tät.«
»Ja, schon gut. Wir lassen es ganz langsam und sanft angehen. Sag ich den Damen auch immer.« Der Arzt zwinkerte ihm grinsend zu, und Kluftinger seufzte gequält. »Nein, im Ernst, Sie müssen erst Ihren Rhythmus finden, damit es Ihnen auch Freude bereitet. Wir wollen ja noch viele schöne Biketouren zusammen unternehmen.«
Nach dieser Drohung kam dem Kommissar die Sache mit dem Abgrund auf einmal ganz verlockend vor. Er seufzte und dachte darüber nach, wie er in diese Situation hineingestolpert war. Eigentlich hätte er es kommen sehen müssen, als vor zwei Monaten zu seinem Geburtstag dieses schwarz glänzende E-Bike mit einer Schleife vor ihm gestanden hatte. Aber er war ein wenig geblendet gewesen von der Vorstellung, nun tatsächlich wieder öfter aufs Rad steigen zu können. Und die Tatsache, dass nicht nur Erika und die Kinder, sondern auch der Vater seiner japanischen Schwiegertochter an dem Geschenk beteiligt waren, hatte es sowieso unmöglich gemacht, es abzulehnen. Letzterem hatte er auch ein weiteres Gadget zu verdanken, wie Yoshifumi Sazuka in seiner Geburtstags-E-Mail geschrieben hatte: eine kleine Kamera, die auf den Lenker montiert war. Da der Japaner leider keine Zeit hatte, schon wieder nach Deutschland zu kommen, um sein Geschenk mit ihm auszuprobieren, hatte er Kluftinger gebeten, Filme von seinen Touren aufzunehmen und ihm zu schicken.
Als dann Langhammer – bei seinem alljährlichen Geburtstagsbesuch ohne Einladung – von dem Geschenk erfuhr, hatte er sich nur wenig später ebenfalls ein elektrisch angetriebenes Rad gekauft. Ob er es getan hatte, damit er mit Kluftinger auf Tour gehen konnte oder weil er es nicht ertrug, dass der notorische Technikverweigerer nun über ein Spielzeug verfügte, das er selbst nicht besaß, wusste der Kommissar nicht, mutmaßte aber, dass beides zutraf.
»Dann wollen wir das schwere Gerät mal auf die Straße bringen«, riss ihn der Doktor aus seinen trübsinnigen Gedanken. »Nur gut, dass ich den Neuen hab. Kommt man ja überallhin damit.« Mit dem Neuen meinte Langhammer sein Mercedes-SUV, dessen Vorzüge er Kluftinger während der gesamten Fahrt in die Oberstdorfer Berge angepriesen hatte, als wolle er es ihm gleich weiterverkaufen. Dabei hätte der Kommissar ein solches Monstrum an Auto nicht einmal geschenkt haben wollen. Weswegen er Langhammers Kurzreferate über die Errungenschaften des modernen Autobaus immer mit einem »Früher konnten die Leut noch Auto fahren, da hat’s den ganzen Schmarrn nicht gebraucht!« quittierte. Er wusste wirklich nicht, welche Vorteile es haben sollte, ständig mit einem solchen Ungetüm durch die Gegend zu kurven, keine passenden Parkplätze zu finden und darüber hinaus regelmäßig einen sich rapide leerenden Achtzig-Liter-Tank füllen zu müssen. Mit seinem Passat war er immer überall hingekommen, und auch die aktuelle Abgasaffäre konnte ihm nichts anhaben, weil sein Wagen sowieso weit über allen Grenzwerten lag – das aber aufgrund der durch H-Kennzeichen verbrieften Anerkennung als Oldtimer auch durfte.
»Nein danke, geht prima, inkommodieren Sie sich nur nicht«, ätzte der Doktor, als er das erste Rad vom Autodach hievte, wobei er sich auf den Schweller der geöffneten Fahrertür stellen musste.
»Herr Doktor, wollen Sie jetzt wirklich da stehen bleiben?«, fragte Kluftinger mit skeptischem Blick. Schlimm genug, dass sie überhaupt so weit gefahren waren: Schon vor drei Kilometern hatte ein Schild darauf hingewiesen, dass man den weiteren Weg ins Naturschutzgebiet Oytal nur mit einer Genehmigung der Gemeinde Oberstdorf befahren dürfe – die sie allerdings nicht hatten. Kurzzeitig war da die Hoffnung in Kluftinger aufgekeimt, ihr Ausflug fände womöglich ein frühes Ende, doch der Doktor erklärte ihm, dass er nur die Rettungsjacke von seinen Notarzteinsätzen im Auto drapieren müsse, was allen Parkwächtern und Politessen als ein ungeschriebener Kodex gelte und sie dieses Auto in Ruhe ließen. Und wenn man ihn anhalten sollte, habe er schließlich einen leibhaftigen Hauptkommissar dabei, der ihm aus der Patsche helfen würde.
Resigniert sah Kluftinger dem Doktor nun dabei zu, wie er sich auf dem Dach an Kluftingers Rad zu schaffen machte, nicht ohne vorher noch ein mikroskopisch kleines Staubkörnchen von der Silberlackierung des Autos zu pusten. »Ganz schön schwer, diese Dinger«, keuchte er, als er das E-Bike anhob.
»Soll ich helfen?«, fragte Kluftinger, ohne Anstalten zu machen, wirklich Hand anzulegen.
»Nein, geht schon«, presste der Arzt hervor, doch in diesem Moment entglitt ihm seine Fracht, und eines der Pedale ritzte mit einem satten Geräusch eine tiefe Kerbe in die jungfräuliche Lackierung des Wagens. Für einen Moment stand der Doktor wie versteinert da, das Rad immer noch in den Händen, die Augen ungläubig geweitet. Dann begannen seine Arme ob der Anstrengung zu zittern, und er stellte es ab.
»Das ist doch … das kann doch nicht …«, stammelte er.
»Ach, das sieht man doch kaum«, kommentierte der Kommissar vergnügt, worauf Langhammers Lippen zu beben begannen. »Ist wie bei frisch gewachsten Ski: Der erste Stein auf der Piste tut einem noch in der Seele weh, aber danach ist einem gleich viel leichter ums Herz.«
»Leichter?« Die Stimme des Doktors hatte einen hysterischen Unterton angenommen. »Leichter?«
Es dauerte fast zehn Minuten, bis er sich beruhigte, was auch daran lag, dass er – bei äußerst dürftiger Datenverbindung – die Versicherungsbedingungen seines neuen Autos mit dem Smartphone gegoogelt hatte. Als er überzeugt war, dass der Schaden ohne finanzielle Einbußen von der Vollkasko übernommen würde, normalisierte sich sein Puls wieder. »Nun gut, lassen wir uns den schönen Tag durch dieses schreckliche Unglück nicht verderben.«
»Welchen schönen Tag?«, wollte Kluftinger wissen. »Und welches Unglück?«
»Schon gut, jetzt sollten Sie sich aber allmählich umziehen, damit wir loskönnen.«
»Wie, umziehen?« Kluftinger blickte an sich herab. Gut, er war nicht...
Erscheint lt. Verlag | 29.9.2016 |
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Reihe/Serie | Kommissar Kluftinger | Kommissar Kluftinger |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
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ISBN-10 | 3-426-44007-5 / 3426440075 |
ISBN-13 | 978-3-426-44007-0 / 9783426440070 |
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