Drei Stücke (eBook)
240 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490167-1 (ISBN)
Wolfram Lotz, geboren 1981 in Hamburg, wuchs im Schwarzwald auf. Er studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2011 gewann er mit DER GROSSE MARSCH u.a. den Kleistförderpreis und den Publikumspreis des Berliner Stückemarktes. In der Kritikerumfrage von Theater heute wurde er zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Nach dem Erfolg von EINIGE NACHRICHTEN AN DAS ALL erhielt er 2012 den Dramatikerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft und 2013 den Kasseler Förderpreis für Komische Literatur. DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS wurde 2015 zum Berliner Theatertreffen und zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Im selben Jahr erhielt Wolfram Lotz den Nestroypreis für das Beste Stück und wurde in der Kritikerumfrage von Theater heute zum Dramatiker des Jahres gewählt.
Wolfram Lotz, geboren 1981 in Hamburg, wuchs im Schwarzwald auf. Er studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2011 gewann er mit DER GROSSE MARSCH u.a. den Kleistförderpreis und den Publikumspreis des Berliner Stückemarktes. In der Kritikerumfrage von Theater heute wurde er zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Nach dem Erfolg von EINIGE NACHRICHTEN AN DAS ALL erhielt er 2012 den Dramatikerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft und 2013 den Kasseler Förderpreis für Komische Literatur. DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS wurde 2015 zum Berliner Theatertreffen und zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Im selben Jahr erhielt Wolfram Lotz den Nestroypreis für das Beste Stück und wurde in der Kritikerumfrage von Theater heute zum Dramatiker des Jahres gewählt.
I. Über die RAF oder irgendwas anderes
Eine Schauspielerin und Lotz betreten die Bühne. Lotz kann entweder von Wolfram Lotz selbst gespielt werden oder aber von einem sehr fetten Schauspieler. Ist Letzteres der Fall, so sollte die Schauspielerin von einer magersüchtigen Person gespielt werden. Lotz hält in seiner rechten Hand einen tiefgefrorenen Aal, der in der Szene keinerlei Rolle spielen und auf den auch gestisch nicht im Geringsten hingewiesen werden soll.
SCHAUSPIELERIN
Hallo, Herr Lotz. Sie haben ja – oder vielleicht darf ich du sagen?
LOTZ
Ja, du, sehr gerne.
SCHAUSPIELERIN
Du hast ja das Stück geschrieben und also auch diese Szene hier, die wir beide gerade aufführen. Das Theater hat ja Vorgaben gemacht, es sollte ja etwas Politisches sein, und es sollte ja um Widerstand gehen?
LOTZ
Ja, Widerstand, und es sollte ja auch einen aktuellen Bezug haben …
SCHAUSPIELERIN
Und was ist dieser aktuelle Bezug in dieser Szene?
LOTZ
Naja, das ist eben ein bisschen das Problem gewesen. Ich wollte über etwas anderes schreiben, also um Widerstand in einem eher metaphysischen Sinn. Also darüber, dass der Tod als Faktum in der abendländischen Tradition so dasteht, und dass ich eben finde, dass er aufgehoben werden sollte …
SCHAUSPIELERIN
Wenn das möglich wäre!
LOTZ
Ich glaube ja eben, dass das schon möglich wäre, oder anders gesagt: dass es eben nicht mehr unmöglich wäre …
SCHAUSPIELERIN
Aber es sollte ja einen aktuelleren Bezug haben.
LOTZ
Ja, ich habe lange überlegt, aber ich habe immer ein – wie soll ich sagen – irgendwie ein Unbehagen, so ganz aktuelle Themen zu nehmen, weil die eben auch gleich wieder nicht aktuell sind. Deshalb dachte ich ja an die RAF.
SCHAUSPIELERIN
Ja, das ist ein sehr gefragtes Thema beim Theater.
LOTZ
Ja, es ist ja in dem Sinn nicht aktuell, aber es hat ja doch immer eine Art Aktualität, also, man hört ja ständig etwas darüber.
SCHAUSPIELERIN
Dann bedeutet es also, dass wir beide uns in dieser Szene, die wir gerade aufführen, über die RAF unterhalten.
LOTZ
Ja.
Pause.
SCHAUSPIELERIN
Und über welchen Aspekt der RAF unterhalten wir uns jetzt?
LOTZ
Das weiß ich nicht genau. Ich habe eben nicht so richtig Ahnung von der RAF, ich habe zwar einige Fernsehdokumentationen gesehen, aber ich finde es schwierig, darüber etwas zu sagen. Also ich meine, man kann natürlich einen Haufen darüber sagen, aber es sollte ja auch eine gewisse Überlegung dahinter stehen, und eben so, dass man nicht einfach nur darüber quatscht.
SCHAUSPIELERIN
Aber das muss man ja nicht!
LOTZ
Naja, aber die Szenen sollen ja kurz und präzise sein, hat man mir gesagt, und da kann man so ein komplexes Thema nicht so einfach entwickeln, weil die Szenen schnell viel zu lang werden, und ich habe schon versucht, auch diese Szene so kurz wie möglich zu halten.
Lotz verlässt die Bühne, weil es so ist. Währenddessen wird eine Regenmaschine am vorderen Bühnenrand in Gang gesetzt (aber nicht so, dass das Publikum nass wird), Stroboskoplicht setzt ein, und von der linken Seite her wehen Papierblätter, die vor einen gigantischen Ventilator geworfen wurden, apokalyptisch über die Bühne. Von der anderen Seite wird mit einer Nebelmaschine Rauch auf die Bühne geblasen. Laute und dramatische Musik erklingt, sodass die Szenerie dem Zuschauer zu Herzen geht. Auf den Einsatz einer Videoleinwand soll dabei verzichtet werden.
SCHAUSPIELERIN
Begrüßen wir nun den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank: Josef Ackermann!
Josef Ackermann betritt die Bühne. Es handelt sich dabei tatsächlich um Josef Ackermann.
Herzlich willkommen!
ACKERMANN
Vielen Dank und hallo!
SCHAUSPIELERIN
Herr Ackermann, sind Sie oft im Theater?
ACKERMANN
Nein, nicht so oft. Also, beziehungsweise, als Figur schon, als Figur bin ich in der letzten Zeit sehr oft im Theater gewesen, es gab ja wohl eine regelrechte Manie, einen Josef Ackermann im Theater auftreten zu lassen. Aus Gründen allerdings, die ich, wenn ich ehrlich sein darf, nicht so richtig gut finde. Als Mensch war ich in der letzten Zeit aber nicht so oft im Theater.
SCHAUSPIELERIN
Weil dort unbequeme Wahrheiten verkündet werden?
ACKERMANN
Nein, also, es ist eher – ich will da nicht so herumreiten drauf – mein Job – man hat sehr wenig Zeit, und deshalb komme ich als Mensch selten ins Theater.
SCHAUSPIELERIN
Empfinden Sie es nicht als merkwürdige Kluft, dass Sie als Figur so oft im Theater sind, aber als Mensch nicht? Hat man da nicht das Gefühl, man müsste auch als Mensch öfters ins Theater gehen, wo man ja als Figur sonst viel öfter da ist?
ACKERMANN
Ja, also, ich weiß nicht. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich würde gerne ab und zu ins Theater gehen! Ich habe ja nichts gegen das Theater!
SCHAUSPIELERIN
Obwohl das Theater noch die einzig kritische Institution ist?
ACKERMANN
Nein, ja, also: Ich habe da gar nichts dagegen, aber ich habe einfach nicht oft Zeit. Ich würde mich sonst sicher mehr mit Theater beschäftigen.
SCHAUSPIELERIN
Aber für Oper haben Sie Zeit und Interesse!
ACKERMANN
Wie meinen Sie das?
SCHAUSPIELERIN
In einem Interview haben Sie mal gesagt, Sie sängen unter der Dusche gelegentlich La Traviata!
ACKERMANN
Ja, das habe ich mal in einem Interview erzählt, das ist richtig.
SCHAUSPIELERIN
Die Oper ist Ihnen also lieber, weil sie vielleicht unpolitischer ist und sich nicht wie das zeitgenössische Theater derart stark engagiert?
ACKERMANN
Nein, also, das kann man so nicht sagen.
SCHAUSPIELERIN
Aber es wird doch kein Zufall sein, dass Sie Opern singen, während Sie unter der Dusche stehen!
ACKERMANN
Nein, Zufall, also: Es macht mir eben Freude!
SCHAUSPIELERIN
Aber Freude bedeutet doch vielleicht auch, dass man es sich eben leicht macht!
ACKERMANN
Ja, wahrscheinlich bedeutet es das auch, aber es ist eben so.
SCHAUSPIELERIN
Sie versuchen also das zeitgenössische Theater zu verdrängen!
ACKERMANN
Nein, ich denke nur eben nicht daran beim Duschen.
SCHAUSPIELERIN
Das ist ja dann eben Verdrängung!
ACKERMANN
Also – nein, ist es nicht!
SCHAUSPIELERIN
Es tut mir leid für Sie, dass ich Sie hier so hart befragen muss, aber wir sind politisch im Theater, und das hier ist keine Selbstdarstellungsplattform!
ACKERMANN
Ja, aber das ist ja doch auch in Ordnung! Nur wollte ich eben sagen …
SCHAUSPIELERIN
Aber Sie sind oft im Theater, andererseits singen Sie dann unter der Dusche La Traviata! Das ist doch eine merkwürdige Kluft!
ACKERMANN
Ja, aber ich bin ja nicht oft im Theater, weil ich wenig Zeit habe, nur als Figur eben bin ich oft im Theater!
SCHAUSPIELERIN
Ja, aber Sie sind doch eine Figur!
ACKERMANN
Ja, aber doch nur jetzt, in echt doch nicht!
SCHAUSPIELERIN
Also, wie dem auch sei! Wir wollen hier nicht mehr selbstreferentiell sein, sondern politisch agieren: Warum singen Sie – als Figur oder in echt oder wie auch immer – unter der Dusche eine Oper und nicht zeitgenössisches Theater!
ACKERMANN
Weil man das ja auch gar nicht singen kann!
SCHAUSPIELERIN
entrüstet Das ist nun wirklich eine unqualifizierte Aussage: Natürlich gibt es auch Musik, aber ich merke, dass Sie sich falsche Vorstellungen machen, nicht zuletzt deshalb vermutlich, weil Sie nicht oft ins Theater gehen!
ACKERMANN
Gut, das kann ja sein, ich habe aus Zeitgründen nicht so oft die Möglichkeit, ins Theater zu gehen, und vielleicht wird ja tatsächlich mehr gesungen, als ich es jetzt so erlebt habe!
SCHAUSPIELERIN
Abgesehen davon geht es im zeitgenössischen Theater aber nicht in erster Linie ums Singen, sondern wir versuchen, politisch zu sein!
ACKERMANN
Ja, ich weiß.
SCHAUSPIELERIN
Und trotzdem singen Sie unter der Dusche nur Oper – obwohl Sie es eigentlich wissen?
ACKERMANN
Ja.
SCHAUSPIELERIN
Das zeugt von einem gewissen Desinteresse gegenüber gesellschaftlichen und politischen Fragen!
ACKERMANN
Also … wie auch immer.
SCHAUSPIELERIN
Dann muss ich Sie jetzt bitten, die Bühne zu verlassen, wir wollen hier schließlich politisches Theater machen!
ACKERMANN
seufzt Na gut. Geht ab.
Die Internationale (Techno-Remix) wird eingespielt.
SCHAUSPIELERIN
Ich freue mich nun, Shakespeares Hamlet zu begrüßen!
Hamlet betritt in einem historischen...
Erscheint lt. Verlag | 22.9.2016 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | Ackermann • Afghanistan • All • Apokalypse • Bums • Conrad • Coppola • Dramatik • Finsternis • Forderungen • Hindukusch • Kleist • Krieg • Lotz • Mama • Marsch • Nachrichten • Pirat • Somalia • Sozialhilfeempfänger • Stücke • Theater • Theatertexte • Unterhaltung |
ISBN-10 | 3-10-490167-8 / 3104901678 |
ISBN-13 | 978-3-10-490167-1 / 9783104901671 |
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