Drei Stücke (eBook)

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2016 | 1. Auflage
240 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490167-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Drei Stücke -  Wolfram Lotz
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'Wolfram Lotz schreibt Stücke von sagenhaftem Größenwahn - passend für unsere Zeit.' Süddeutsche Zeitung DER GROSSE MARSCH, EINIGE NACHRICHTEN AN DAS ALL und DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS - drei Stücke von Wolfram Lotz und zugleich drei Entwürfe für ein unmögliches Theater! 'Alles ist ausgefallen übertrieben (...), die poesievollen Sätze, wortspielwahnwitzigen Szenen, die irrsinnstrunkenen Verse. Alles scheint aus dem Inneren einer Explosion zu stammen, einer Explosion der Wirklichkeit in Fiktion.' Frankfurter Rundschau

Wolfram Lotz, geboren 1981 in Hamburg, wuchs im Schwarzwald auf. Er studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2011 gewann er mit DER GROSSE MARSCH u.a. den Kleistförderpreis und den Publikumspreis des Berliner Stückemarktes. In der Kritikerumfrage von Theater heute wurde er zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Nach dem Erfolg von EINIGE NACHRICHTEN AN DAS ALL erhielt er 2012 den Dramatikerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft und 2013 den Kasseler Förderpreis für Komische Literatur. DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS wurde 2015 zum Berliner Theatertreffen und zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Im selben Jahr erhielt Wolfram Lotz den Nestroypreis für das Beste Stück und wurde in der Kritikerumfrage von Theater heute zum Dramatiker des Jahres gewählt.

Wolfram Lotz, geboren 1981 in Hamburg, wuchs im Schwarzwald auf. Er studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2011 gewann er mit DER GROSSE MARSCH u.a. den Kleistförderpreis und den Publikumspreis des Berliner Stückemarktes. In der Kritikerumfrage von Theater heute wurde er zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Nach dem Erfolg von EINIGE NACHRICHTEN AN DAS ALL erhielt er 2012 den Dramatikerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft und 2013 den Kasseler Förderpreis für Komische Literatur. DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS wurde 2015 zum Berliner Theatertreffen und zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Im selben Jahr erhielt Wolfram Lotz den Nestroypreis für das Beste Stück und wurde in der Kritikerumfrage von Theater heute zum Dramatiker des Jahres gewählt.

I. Über die RAF oder irgendwas anderes


Eine Schauspielerin und Lotz betreten die Bühne. Lotz kann entweder von Wolfram Lotz selbst gespielt werden oder aber von einem sehr fetten Schauspieler. Ist Letzteres der Fall, so sollte die Schauspielerin von einer magersüchtigen Person gespielt werden. Lotz hält in seiner rechten Hand einen tiefgefrorenen Aal, der in der Szene keinerlei Rolle spielen und auf den auch gestisch nicht im Geringsten hingewiesen werden soll.

SCHAUSPIELERIN

Hallo, Herr Lotz. Sie haben ja – oder vielleicht darf ich du sagen?

LOTZ

Ja, du, sehr gerne.

SCHAUSPIELERIN

Du hast ja das Stück geschrieben und also auch diese Szene hier, die wir beide gerade aufführen. Das Theater hat ja Vorgaben gemacht, es sollte ja etwas Politisches sein, und es sollte ja um Widerstand gehen?

LOTZ

Ja, Widerstand, und es sollte ja auch einen aktuellen Bezug haben …

SCHAUSPIELERIN

Und was ist dieser aktuelle Bezug in dieser Szene?

LOTZ

Naja, das ist eben ein bisschen das Problem gewesen. Ich wollte über etwas anderes schreiben, also um Widerstand in einem eher metaphysischen Sinn. Also darüber, dass der Tod als Faktum in der abendländischen Tradition so dasteht, und dass ich eben finde, dass er aufgehoben werden sollte …

SCHAUSPIELERIN

Wenn das möglich wäre!

LOTZ

Ich glaube ja eben, dass das schon möglich wäre, oder anders gesagt: dass es eben nicht mehr unmöglich wäre …

SCHAUSPIELERIN

Aber es sollte ja einen aktuelleren Bezug haben.

LOTZ

Ja, ich habe lange überlegt, aber ich habe immer ein – wie soll ich sagen – irgendwie ein Unbehagen, so ganz aktuelle Themen zu nehmen, weil die eben auch gleich wieder nicht aktuell sind. Deshalb dachte ich ja an die RAF.

SCHAUSPIELERIN

Ja, das ist ein sehr gefragtes Thema beim Theater.

LOTZ

Ja, es ist ja in dem Sinn nicht aktuell, aber es hat ja doch immer eine Art Aktualität, also, man hört ja ständig etwas darüber.

SCHAUSPIELERIN

Dann bedeutet es also, dass wir beide uns in dieser Szene, die wir gerade aufführen, über die RAF unterhalten.

LOTZ

Ja.

Pause.

SCHAUSPIELERIN

Und über welchen Aspekt der RAF unterhalten wir uns jetzt?

LOTZ

Das weiß ich nicht genau. Ich habe eben nicht so richtig Ahnung von der RAF, ich habe zwar einige Fernsehdokumentationen gesehen, aber ich finde es schwierig, darüber etwas zu sagen. Also ich meine, man kann natürlich einen Haufen darüber sagen, aber es sollte ja auch eine gewisse Überlegung dahinter stehen, und eben so, dass man nicht einfach nur darüber quatscht.

SCHAUSPIELERIN

Aber das muss man ja nicht!

LOTZ

Naja, aber die Szenen sollen ja kurz und präzise sein, hat man mir gesagt, und da kann man so ein komplexes Thema nicht so einfach entwickeln, weil die Szenen schnell viel zu lang werden, und ich habe schon versucht, auch diese Szene so kurz wie möglich zu halten.

Lotz verlässt die Bühne, weil es so ist. Währenddessen wird eine Regenmaschine am vorderen Bühnenrand in Gang gesetzt (aber nicht so, dass das Publikum nass wird), Stroboskoplicht setzt ein, und von der linken Seite her wehen Papierblätter, die vor einen gigantischen Ventilator geworfen wurden, apokalyptisch über die Bühne. Von der anderen Seite wird mit einer Nebelmaschine Rauch auf die Bühne geblasen. Laute und dramatische Musik erklingt, sodass die Szenerie dem Zuschauer zu Herzen geht. Auf den Einsatz einer Videoleinwand soll dabei verzichtet werden.

SCHAUSPIELERIN

Begrüßen wir nun den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank: Josef Ackermann!

Josef Ackermann betritt die Bühne. Es handelt sich dabei tatsächlich um Josef Ackermann.

Herzlich willkommen!

ACKERMANN

Vielen Dank und hallo!

SCHAUSPIELERIN

Herr Ackermann, sind Sie oft im Theater?

ACKERMANN

Nein, nicht so oft. Also, beziehungsweise, als Figur schon, als Figur bin ich in der letzten Zeit sehr oft im Theater gewesen, es gab ja wohl eine regelrechte Manie, einen Josef Ackermann im Theater auftreten zu lassen. Aus Gründen allerdings, die ich, wenn ich ehrlich sein darf, nicht so richtig gut finde. Als Mensch war ich in der letzten Zeit aber nicht so oft im Theater.

SCHAUSPIELERIN

Weil dort unbequeme Wahrheiten verkündet werden?

ACKERMANN

Nein, also, es ist eher – ich will da nicht so herumreiten drauf – mein Job – man hat sehr wenig Zeit, und deshalb komme ich als Mensch selten ins Theater.

SCHAUSPIELERIN

Empfinden Sie es nicht als merkwürdige Kluft, dass Sie als Figur so oft im Theater sind, aber als Mensch nicht? Hat man da nicht das Gefühl, man müsste auch als Mensch öfters ins Theater gehen, wo man ja als Figur sonst viel öfter da ist?

ACKERMANN

Ja, also, ich weiß nicht. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich würde gerne ab und zu ins Theater gehen! Ich habe ja nichts gegen das Theater!

SCHAUSPIELERIN

Obwohl das Theater noch die einzig kritische Institution ist?

ACKERMANN

Nein, ja, also: Ich habe da gar nichts dagegen, aber ich habe einfach nicht oft Zeit. Ich würde mich sonst sicher mehr mit Theater beschäftigen.

SCHAUSPIELERIN

Aber für Oper haben Sie Zeit und Interesse!

ACKERMANN

Wie meinen Sie das?

SCHAUSPIELERIN

In einem Interview haben Sie mal gesagt, Sie sängen unter der Dusche gelegentlich La Traviata!

ACKERMANN

Ja, das habe ich mal in einem Interview erzählt, das ist richtig.

SCHAUSPIELERIN

Die Oper ist Ihnen also lieber, weil sie vielleicht unpolitischer ist und sich nicht wie das zeitgenössische Theater derart stark engagiert?

ACKERMANN

Nein, also, das kann man so nicht sagen.

SCHAUSPIELERIN

Aber es wird doch kein Zufall sein, dass Sie Opern singen, während Sie unter der Dusche stehen!

ACKERMANN

Nein, Zufall, also: Es macht mir eben Freude!

SCHAUSPIELERIN

Aber Freude bedeutet doch vielleicht auch, dass man es sich eben leicht macht!

ACKERMANN

Ja, wahrscheinlich bedeutet es das auch, aber es ist eben so.

SCHAUSPIELERIN

Sie versuchen also das zeitgenössische Theater zu verdrängen!

ACKERMANN

Nein, ich denke nur eben nicht daran beim Duschen.

SCHAUSPIELERIN

Das ist ja dann eben Verdrängung!

ACKERMANN

Also – nein, ist es nicht!

SCHAUSPIELERIN

Es tut mir leid für Sie, dass ich Sie hier so hart befragen muss, aber wir sind politisch im Theater, und das hier ist keine Selbstdarstellungsplattform!

ACKERMANN

Ja, aber das ist ja doch auch in Ordnung! Nur wollte ich eben sagen …

SCHAUSPIELERIN

Aber Sie sind oft im Theater, andererseits singen Sie dann unter der Dusche La Traviata! Das ist doch eine merkwürdige Kluft!

ACKERMANN

Ja, aber ich bin ja nicht oft im Theater, weil ich wenig Zeit habe, nur als Figur eben bin ich oft im Theater!

SCHAUSPIELERIN

Ja, aber Sie sind doch eine Figur!

ACKERMANN

Ja, aber doch nur jetzt, in echt doch nicht!

SCHAUSPIELERIN

Also, wie dem auch sei! Wir wollen hier nicht mehr selbstreferentiell sein, sondern politisch agieren: Warum singen Sie – als Figur oder in echt oder wie auch immer – unter der Dusche eine Oper und nicht zeitgenössisches Theater!

ACKERMANN

Weil man das ja auch gar nicht singen kann!

SCHAUSPIELERIN

entrüstet Das ist nun wirklich eine unqualifizierte Aussage: Natürlich gibt es auch Musik, aber ich merke, dass Sie sich falsche Vorstellungen machen, nicht zuletzt deshalb vermutlich, weil Sie nicht oft ins Theater gehen!

ACKERMANN

Gut, das kann ja sein, ich habe aus Zeitgründen nicht so oft die Möglichkeit, ins Theater zu gehen, und vielleicht wird ja tatsächlich mehr gesungen, als ich es jetzt so erlebt habe!

SCHAUSPIELERIN

Abgesehen davon geht es im zeitgenössischen Theater aber nicht in erster Linie ums Singen, sondern wir versuchen, politisch zu sein!

ACKERMANN

Ja, ich weiß.

SCHAUSPIELERIN

Und trotzdem singen Sie unter der Dusche nur Oper – obwohl Sie es eigentlich wissen?

ACKERMANN

Ja.

SCHAUSPIELERIN

Das zeugt von einem gewissen Desinteresse gegenüber gesellschaftlichen und politischen Fragen!

ACKERMANN

Also … wie auch immer.

SCHAUSPIELERIN

Dann muss ich Sie jetzt bitten, die Bühne zu verlassen, wir wollen hier schließlich politisches Theater machen!

ACKERMANN

seufzt Na gut. Geht ab.

Die Internationale (Techno-Remix) wird eingespielt.

SCHAUSPIELERIN

Ich freue mich nun, Shakespeares Hamlet zu begrüßen!

Hamlet betritt in einem historischen...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2016
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Ackermann • Afghanistan • All • Apokalypse • Bums • Conrad • Coppola • Dramatik • Finsternis • Forderungen • Hindukusch • Kleist • Krieg • Lotz • Mama • Marsch • Nachrichten • Pirat • Somalia • Sozialhilfeempfänger • Stücke • Theater • Theatertexte • Unterhaltung
ISBN-10 3-10-490167-8 / 3104901678
ISBN-13 978-3-10-490167-1 / 9783104901671
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