Miss you (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016
546 Seiten
Diana (Verlag)
978-3-641-19429-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Miss you - Kate Eberlen
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Was, wenn du deine große Liebe immer ganz knapp verpasst?
Eine Sekunde lang treffen sich ihre Blicke, doch bevor sie sich anlächeln oder ein paar Worte wechseln können, ist der Moment schon wieder vorbei. Von da an beginnt für Tess und Gus eine Reise, die sich Leben nennt. Große und kleine Augenblicke warten auf sie, Kummer und Freude. Doch beide ahnen, dass sie Wege gehen, die sie nicht glücklich machen. Weil ihnen das Entscheidende fehlt. Was sie nicht wissen: Tess und Gus sind perfekt füreinander, und obwohl sie sich längst begegnet sind, haben sie es nicht bemerkt. Wann ist der alles entscheidende Moment für die große Liebe endlich da?

Kate Eberlen wuchs in der Nähe von London auf und hatte nach ihrem Studium mehrere Jobs in der Verlags- und Medienbranche. Sie ist die Autorin des Weltbestsellers «Miss you» und von «Only You» und ihre Romane wurden in 30 Sprachen übersetzt. Kate Eberlen lebt in London, verbringt aber so viel Zeit wie möglich in ihrem Sehnsuchtsland Italien.

1 TESS

August 1997

Zu Hause in der Küche hatten wir einen Teller, den Mum im Urlaub auf Teneriffa gekauft hatte. Darauf stand von Hand geschrieben: »Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens.«

Ich hatte diesem Teller nie besondere Aufmerksamkeit geschenkt – jedenfalls kaum mehr als Dads Pokal vom Singen oder der New-York-Schneekugel, die mein Bruder Kevin irgendwann mal zu Weihnachten geschickt hatte –, aber an diesem letzten Urlaubstag ging er mir nicht mehr aus dem Kopf.

Als ich aufwachte, leuchtete das Innere des Zelts so orange wie eine Kürbislaterne. Vorsichtig, um Doll nicht aufzuwecken, zog ich die Reißverschlusstür auf und streckte das Gesicht hinaus in den strahlenden Sonnenschein. Die Luft war noch kühl, und in der Ferne läuteten Glocken. Ihr Klang erinnerte mich an ein Wort, das in meiner englischen Literaturprüfung vorgekommen war: plangent. Ich schrieb es in mein Tagebuch und versah es mit einem Sternchen, um es im Wörterbuch nachzuschlagen, wenn ich wieder zu Hause war.

Die Aussicht auf Florenz vom Campingplatz aus – Terrakottakuppeln und weiße Marmortürme vor einem mattblauen Himmel – war genau so, wie sie sein sollte. Ich fühlte mich seltsam traurig, ganz so, als würde ich sie schon jetzt vermissen.

Vieles andere allerdings würde ich nicht vermissen, zum Beispiel auf dem Boden zu schlafen – nach ein paar Stunden glaubte man, die Steine auf der Erde würden einem in den Rücken hineinwachsen – oder sich in einem Zelt anziehen zu müssen, das nicht mal einen Meter hoch war, dann den ganzen Weg bis zum Sanitärhäuschen zu laufen, nur um dort festzustellen, dass man das Klopapier vergessen hatte. Es ist schon seltsam. Wenn das Ende des Urlaubs näher rückt, wünscht man sich einerseits, dass er nie aufhört, und andererseits, dass man bald wieder den Luxus von zu Hause genießen darf.

Seit einem Monat waren wir mittlerweile per Interrail unterwegs, erst in Frankreich, dann in Italien. Wir schliefen auf Bahnhöfen, tranken mit holländischen Jungs Bier auf Campingplätzen und zuckelten sonnenverbrannt in stickigen, schmuddeligen Bummelzügen durch die Gegend. Doll stand auf Beach und Bellinis, ich war eher der Typ für Straßenkarten und Sehenswürdigkeiten. Trotzdem waren wir schon immer gut miteinander ausgekommen. Wir hatten uns damals, mit vier Jahren, auf der St. Cuthbert’s kennengelernt, und Maria Dolores O’Neill – ich war es, die daraus »Doll« machte – fragte mich, ob ich ihre beste Freundin sein wollte.

Wir waren sehr unterschiedlich, ergänzten uns aber gut. Immer, wenn ich zu ihr sagte, dass wir komplementär zueinander waren, machte Doll eine Bemerkung wie: »Du hast tolle Haut!« oder: »Ich mag deine Schuhe.« Wenn ich ihr dann erklärte, dass das nicht unbedingt etwas mit Komplimenten zu tun habe, lachte sie und sagte, das wisse sie, aber bei ihr war ich mir nie so sicher. Jedenfalls entwickelt man eine besondere Sprache mit Leuten, die einem nahestehen.

Die anderen Orte, die wir in diesem Urlaub besuchten, habe ich wie Postkarten in meinem Kopf abgespeichert: das angestrahlte Amphitheater von Verona unter einem tintenschwarzen Himmel, der tiefblaue Golf von Neapel, die überraschend leuchtenden Farben an der Decke der Sixtinischen Kapelle. Diesen letzten, sorglosen Urlaubstag in Florenz aber, den Tag, bevor mein Leben sich dramatisch verändern sollte, kann ich Stunde für Stunde, ja fast schon Schritt für Schritt im Geist nachzeichnen.

Doll brauchte morgens immer länger als ich, weil sie schon damals nie ohne komplettes Make-up vor die Tür ging. Ich genoss es, ein bisschen Zeit für mich zu haben, besonders an jenem Morgen, als ich mich seelisch auf meine Prüfungsergebnisse einstellen musste. Waren meine Noten wohl gut genug, um auf die Uni zu gehen?

Am Vorabend war mir auf dem Weg zum Campingplatz die angestrahlte Fassade einer Kirche aufgefallen – schön und irgendwie unerwartet, wie eine Schatzkiste im Dschungel. Bei Tag war die Basilika viel größer, als ich geglaubt hatte, und als ich die riesige Treppe zum Portal hinaufstieg, kam mir der seltsame Gedanke, dass es der ideale Ort zum Heiraten wäre, obwohl ich damals noch nicht einmal einen richtigen Freund gehabt hatte, und von einer Hochzeit im weißen Kleid träumte ich auch nicht.

Die Aussicht von dem Vorplatz der Basilika war überwältigend. Ich musste mich beherrschen, nicht in Tränen auszubrechen, und schwor mir – so wie man es mit achtzehn eben tut –, eines Tages zurückzukehren.

Außer mir war niemand da. Die schwere Holztür aber öffnete sich, als ich dagegendrückte. Im Innern war es so dunkel, dass es eine Weile dauerte, bis ich wieder klar sehen konnte. Es war ein paar Grad kühler als draußen, und es roch, wie Kirchen eben riechen: nach Staub und Weihrauch. Außer mir schien niemand da zu sein, und das Floppen meiner Sandalen auf dem Steinboden klang irgendwie respektlos, als ich die Treppe zum Altarraum hinaufstieg. Ich schaute in das riesige, unbewegte Gesicht Jesu Christi und betete, dass meine Noten einigermaßen okay ausfallen würden – und mit einem Mal war die Apsis wie von Zauberhand mit goldenem Licht erfüllt.

Ich fuhr herum. Ein schlaksiger Typ, ungefähr in meinem Alter, stand neben dem Kasten, in den man eine Münze werfen konnte, damit das Licht anging. Er hatte nach hinten gekämmte braune Haare und war noch unpassender angezogen als ich: Laufshorts, ärmelloses Hemd und Turnschuhe. Einen kurzen Moment lang trafen sich unsere Blicke, und wir hätten uns anlächeln oder vielleicht sogar etwas zueinander sagen können, aber wir verpassten die Gelegenheit und wandten uns verlegen der riesigen Kuppel mit den goldenen Mosaiken zu, und schon ging das Licht mit einem dumpfen Klacken wieder aus, so bestimmt und unerwartet, wie es zuvor auch angegangen war.

Im Halbdunkel blickte ich auf meine Armbanduhr, als wollte ich damit ausdrücken, dass ich die Kunstwerke noch gebührend würdigen, vielleicht sogar selbst zwei Minuten Licht beisteuern würde, wäre ich nicht ohnehin schon zu spät dran. Als ich an der Tür war, hörte ich wieder das dumpfe Klacken und sah in das ernste, erleuchtete Antlitz Jesu Christi. Ich fühlte mich, als hätte ich Ihn enttäuscht.

Doll war fertig bemalt und frisiert, als ich wieder am Campingplatz ankam.

»Wie war’s?«, wollte sie wissen.

»Byzantinisch, glaube ich.«

»Ist das gut?«

»Wunderschön.«

Nach unseren Cappuccinos mit Vanillecremeteilchen (in Italien ist selbst das Essen in einer Campingplatzbar köstlich) machten wir uns auf den Weg in die Stadt, Richtung Hauptpostamt, damit ich ein Auslandsgespräch führen konnte. Ich wollte meine Abschlussnoten erfragen, damit das Thema nicht den ganzen Tag lang über uns schwebte. Selbst wenn es schlechte Nachrichten wären, wollte ich sie hören, denn nichts war schlimmer, als nicht zu wissen, was die Zukunft brachte.

Wir gingen zum centro storico, und ich plapperte den ganzen Weg über munter drauflos, wobei ich die eine Sache, die mich wirklich beschäftigte, geflissentlich vermied.

Meine Angst hatte sich so fest in meinem Kopf eingenistet, dass ich beim Wählen schon befürchtete, ich könnte nicht mehr sprechen.

Nach nur einem Klingeln nahm Mum ab.

»Hope liest dir deine Ergebnisse vor«, sagte sie.

»Mum!«, rief ich, aber es war zu spät.

Meine kleine Schwester war schon am Apparat.

»Ich les dir deine Ergebnisse vor«, sagte sie.

»Dann los.«

»A, B, C …«, murmelte sie langsam, fast so, als trainierte sie das Alphabet.

»Ist das nicht toll?«, fragte Mum.

»Was denn?«

»Du hast ein A in Englisch, ein B in Kunstgeschichte und ein C in Religion und Philosophie.«

»Machst du Witze?« Das waren bessere Noten, als ich brauchte. Für den Studienplatz am University College in London hätten mir schon zwei Bs und ein C gereicht.

Ich streckte den Kopf aus dem Plexiglaskasten des öffentlichen Telefons und gab Doll das »Daumen hoch«-Zeichen.

Am anderen Ende jubelte erst Mum und dann auch Hope. Ich malte mir aus, wie die beiden in der Küche standen, neben dem Nippesregal und dem Teller, auf dem stand: Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens.

Doll schlug vor, mit einer Flasche spumante in einem Straßencafé auf der Piazza della Signoria zu feiern, auch wenn dafür unser gesamtes restliches Geld draufgehen würde. Sie hatte mehr zur Verfügung als ich, weil sie neben der Schule in einem Schönheitssalon arbeitete. Seit Venedig, wo wir versehentlich einmal unser ganzes Tagesbudget für einen Cappuccino auf dem Markusplatz ausgegeben hatten, war sie ganz scharf darauf, noch einmal an einem Außentisch zu sitzen. Doll war zwar erst achtzehn, aber sie hatte schon immer einen Sinn für Glamour gehabt. Allerdings war es erst zehn Uhr vormittags, und selbst wenn wir uns alle Zeit der Welt nähmen, wären es immer noch viele Stunden, bis unser Nachtzug nach Calais abfuhr. Bis dahin würden wir einen gehörigen Brummschädel haben. Tja, ich bin eben ein pragmatischer Mensch.

»Deine Entscheidung«, sagte Doll enttäuscht. »Es ist deine Feier.«

Es gab noch so viele Sehenswürdigkeiten, die ich abklappern wollte: die Uffizien, den Bargello, den Dom, das Baptisterium, Santa Maria Novella …

»Du meinst Kirchen, oder?« Doll ließ sich von den italienischen Namen nicht täuschen.

Wir waren beide katholisch erzogen worden, aber damals war Kirche für Doll etwas, das sie sonntags am...

Erscheint lt. Verlag 29.8.2016
Übersetzer Stefanie Fahrner, Babette Schröder
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Miss You
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestimmung • Beziehung • eBooks • England • Familie • Frauenroman • Frauenunterhaltung • Große Gefühle • Große Liebe • Italien • Liebesroman • Liebesromane • London • Roman • Romane • Schicksal • Schuld • Toskana • Verlust • Zweite Chance
ISBN-10 3-641-19429-6 / 3641194296
ISBN-13 978-3-641-19429-1 / 9783641194291
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