Unter fernen Himmeln (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Aufl. 2016
570 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7325-2285-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unter fernen Himmeln - Sarah Lark
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Hamburg, Gegenwart: Die Journalistin Stephanie ist in Neuseeland geboren und aufgewachsen. Doch an ihre ersten Lebensjahre dort und an ihren Vater hat sie jede Erinnerung verloren. Nun führt sie eine Recherchereise in das Land ihrer Kindheit - und bringt Vergangenes zurück: Als Kind wurde sie Zeugin eines Verbrechens. Stephanie reist durch ganz Neuseeland, um das lang gehütete Familiengeheimnis zu lüften. Begleitet wird sie von dem charismatischen Maori-Dozenten Weru, den mehr als die Suche nach der Wahrheit antreibt ...

Eine Geschichte von Wahrheit und Verschwiegenem, von falschen und richtigen Entscheidungen, von Vertrauen und Liebe.

Sarah Lark, geboren 1958, wurde mit ihren fesselnden Neuseeland- und Karibikromanen zur Bestsellerautorin, die auch ein großes internationales Lesepublikum erreicht. Nach ihren fulminanten Auswanderersagas überzeugt sie nun mit einem mitreißenden Roman um ein dramatisches Familiengeheimnis im Neuseeland der Gegenwart. Sarah Lark ist das Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Schriftstellerin, die in Spanien lebt.

KAPITEL 2


Rick folgte Stephanie in ihr Büro. Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, kam er mit seinen Bedenken heraus. »Ich weiß nicht, Stephanie. Hältst du das mit der Hypnose wirklich für eine gute Idee? Bei deiner Vorgeschichte?«

»Bei meiner was?«, fragte Stephanie entrüstet und ordnete desinteressiert die Zeitungsausschnitte, die sie vor ihrem raschen Aufbruch zu Söder auf dem Schreibtisch hatte liegen lassen. »Ich hab keine Vorgeschichte. Soweit ich weiß, bin ich noch nie hypnotisiert worden.«

»Aber du hast deine Probleme mit Erinnerungen«, gab Rick zu bedenken.

Dabei rückte er geistesabwesend eine Maske aus dem Amazonasgebiet gerade, die bei Stephanie die Wand schmückte. Das ganze Büro zierten Artefakte aus fernen Ländern, die Stephanies Mutter, eine Anthropologin, auf ihren Forschungsreisen besucht hatte. Rick fragte sich oft, warum Stephanie diese Mitbringsel nicht bei sich zu Hause aufbewahrte. Oder wenigstens jemanden darum bat, sie fachkundig an der Wand zu befestigen. Ob sie sich vor den martialisch bemalten Fetischen gruselte? Er selbst hätte sie jedenfalls nicht im Wohnzimmer haben mögen.

Stephanie stieß scharf die Luft aus. »Und diese Probleme hättest du eben beinahe vor der halben Redaktion ausgebreitet!«, warf sie ihm vor. »Woraufhin mich alle angestarrt hätten, als wäre ich nicht ganz dicht! Rick, die Sache mit Neuseeland hat überhaupt nichts mit dieser Reportage zu tun! Hier geht es nicht um Erinnerungen, hier geht es um ein paar Spinner und einen Scharlatan, der ihre Fantasien bedient …«

»Vorhin hast du selbst gesagt, dass Hypnose Erinnerungen wecken kann«, wandte Rick ein.

Stephanie verdrehte die Augen. »Medizinische Hypnose«, schränkte sie ein. »Die sich auf ein bestimmtes Ereignis konzentriert. Ein Ereignis in diesem Leben – nicht in dem danach und nicht in dem davor. Bei Helbrich geht’s um Reinkarnation. Neuseeland ist da gar kein Thema. Und jetzt lass mich in Ruhe mit dem Quatsch. Ich will Lisa anrufen. Vielleicht kann ich das Ganze ja noch abwenden. Esoterik ist schließlich eindeutig ihr Ressort. Sie wird mir sehr gute Gründe nennen müssen, weshalb ich da an ihrer Stelle hinsoll!«

Rick ließ sich allerdings nicht so schnell abwimmeln. »Hat mir auch zu denken gegeben, dass sie abgelehnt hat«, meinte er besorgt. »Stephanie, wenn selbst Lisa bei der Sache kalte Füße kriegt … So was kann doch Traumata auslösen. Gerade wenn man … wenn man vorbelastet ist …«

Stephanie verzog die Mundwinkel und schob ihn nun entschieden aus dem Büro. »Ich bin mit überhaupt nichts vorbelastet außer einem angeborenen Detektor für Scheiß«, beschied sie ihn. »Und der sagt mir, dass ich es bei diesem Helbrich mit einem Gauner zu tun habe, dessen Tricks ich sehr schnell aufdecken werde. Ich danke dir für deine Besorgnis. Lässt du mich jetzt bitte allein?«

Stephanie traf Lisa Grünwald im Coast by East, einem äußerst angesagten Sushirestaurant mit Cocktailbar in der Hafencity. Die verglaste Terrasse bot einen freien Blick auf die noch im Bau befindliche Elbphilharmonie und den Kreuzfahrthafen. Stephanie entwickelte beim Anblick der riesigen Schiffe sofort Fernweh. Der Gedanke, dem regnerischen Hamburger Winter auf einem dieser Luxusliner entkommen zu können, hatte etwas Verlockendes.

Auch Lisa schien einer kleinen Flucht aus dem Alltag gegenüber nicht abgeneigt. Sie wartete an der Bar, hatte bereits einen Prosecco vor sich stehen und schaute verträumt durch die Panoramascheiben, als Stephanie auf sie zukam. Natürlich erkannte sie sofort, dass ihre Freundin nicht gerade fröhlich gestimmt war.

»Was ist los, Steph? Krach mit Rick?«, fragte sie freiheraus.

Zwischen Lisa und Stephanie gab es keine Geheimnisse. Die Frauen kannten einander seit der gemeinsamen Schulzeit. Im Studium waren sie dann getrennte Wege gegangen, um sich einige Jahre später durch Zufall in derselben Zeitschriftenredaktion wiederzufinden.

»Nicht direkt Krach …« Stephanie schälte sich aus ihrem Mantel und bestellte einen Wein, um dann gleich mit ihrer Geschichte herauszuplatzen. Söder, die Reportage, Ricks Bedenken …

»Es wäre alles so viel einfacher, wenn du da hingingest!«, meinte sie schließlich. Ihre Stimme klang unglücklich. »Wieso um Himmels willen willst du nicht? Hältst du das wirklich für gefährlich?«

»Gefährlich?« Lisa schüttelte den Kopf. »Aber nein! Wie kommst du denn darauf? Und es gibt auch gar kein Geheimnis. Wahrscheinlich hat sich Söder nur unklar ausgedrückt.«

Lisa strich ihr blondes, stufig geschnittenes Haar zurück. Sie war eine große, sportliche Frau mit offenem, meist ungeschminktem Gesicht, strahlend blauen Augen und einem breiten Mund, der oft lachte. Stephanies Freundin gab sich gern leger, war zugewandt und unkompliziert – ein Mensch, bei dem man sich gern aussprach. Und der alles andere als furchtsam wirkte.

»Es ist absolut nicht so, dass ich nicht über diesen Helbrich schreiben möchte oder dass mir der Job gar Angst macht«, erklärte sie weiter. »Im Gegenteil, es würde mich brennend interessieren, was er macht. Und wer möchte nicht mehr über sein früheres Leben erfahren?« Sie zwinkerte amüsiert.

»Du glaubst das doch nicht etwa?«, fragte Stephanie verwirrt.

Lisa legte ihrer Freundin beruhigend die Hand auf den Arm. »Entspann dich mal, Steph!«, mahnte sie sanft, bevor sie die Frage beantwortete. »Nein. Eigentlich glaube ich nicht an Reinkarnation. Aber ich hab ein paar von diesen Protokollen gelesen, und einige sind tatsächlich … faszinierend. Jedenfalls hätte ich überhaupt nichts gegen einen Selbstversuch. Es gibt da nur einen Haken: Ich, Lisa Grünwald, bin nicht hypnotisierbar. Es geht nicht, so gern ich es wollte. Und glaub mir, ich hab’s versucht. Eine Studienkollegin von mir ist Hypnosetherapeutin. Die hat während der Ausbildung an allen Kommilitonen geübt, und sie ist richtig gut. Nur bei mir funktionierte es nicht. Dabei hat sie alle Register gezogen. Schließlich hat sogar ihren Professor der Ehrgeiz gepackt. Er hat eine Sitzung mit mir angesetzt, weil sie derart frustriert war. Ich bin hingegangen, weil mich die Sache interessierte. Der Mann ist eine internationale Kapazität auf seinem Gebiet. Trotzdem war selbst er nicht fähig, mich in Trance zu versetzen. Wahrscheinlich fürchte ich den Kontrollverlust – oder ich neige zu sehr dazu, den Hypnotiseur zu beobachten. Es gibt verschiedene Theorien darüber, warum es bei manchen Menschen einfach nicht geht. Aber wie man es auch dreht und wendet: Für den Bericht über diesen Helbrich komme ich aus diesem Grund nicht infrage.«

»Sieht Söder das auch so?«, erkundigte sich Stephanie, dankte dem Barkeeper für den Wein, den er eben vor sie hinstellte, und nahm einen großen Schluck. »Ich meine, das wäre doch Wasser auf seine Mühlen: Der große Meister schafft es nicht, die kritische Lupe-Redakteurin in Trance zu versetzen. Ist das nicht genau die Schlagzeile, die er haben möchte?«

»Nur nicht besonders fair, oder?« Lisa verzog den Mund und hob ihrerseits ihr Glas. »Tatsächlich kam Söder mir natürlich auch gleich mit so einer … hm … Falle. Und es würde klappen. Helbrich würde zweifellos darauf reinfallen. Bis jetzt war jeder Hypnotiseur davon überzeugt, es bei mir hinzukriegen. Egal, was ich ihnen vorher erzählt hatte. Solche Extremfälle wie ich sind wohl selten. Aber ganz abgesehen davon, dass es gemein wäre, den Mann ins offene Messer laufen zu lassen – ich fände es auch kontraproduktiv. Bei der Reportage geht es letztlich um Rückführung. Nicht um die Frage, ob es mehr oder weniger gute Medien gibt und ob Helbrich auch Problemfälle knackt.«

»Und was habe ich bei dieser Rückführung zu erwarten?«, erkundigte sich Stephanie. Sie gab die Idee, Lisa doch noch vorzuschieben, jetzt endgültig auf. »Du scheinst dich da ja auszukennen. Kann … kann Rick womöglich recht haben? Mit … Neuseeland?« Sie spielte mit ihrem Weinglas. So ungern sie es zugab, ein bisschen hatten Ricks Bedenken sie doch verunsichert.

Lisa verneinte dann auch nicht sofort. Stattdessen kaute sie auf ihren Lippen. »Das kommt darauf an«, führte sie schließlich aus. »Also darauf, wie Helbrich arbeitet. Bei den meisten dieser Reinkarnationstherapeuten wären keine Überraschungen zu erwarten. Die große Mehrzahl hypnotisiert gar nicht wirklich. Die lässt die Leute nur Entspannungsübungen machen und dann frei assoziieren. Natürlich ist das alles Mumpitz, darüber brauchen wir gar nicht zu reden. Wenn dieser Helbrich allerdings wirklich hypnotisieren kann und eine richtige Hypermnesie durchführt – dann holt er dir vielleicht die Erinnerungen an Neuseeland zurück.«

Stephanie runzelte die Stirn. »Eine was?«, fragte sie und trank erneut. Ihr Glas war bereits fast leer.

Lisa winkte dem Barkeeper und bestellte noch einen Prosecco und einen Wein. »Hypermnesie«, erläuterte sie dann, »ist eine anerkannte Technik. Der Hypnotiseur versetzt seine Patienten dazu in tiefe Trance und führt sie dann in der Zeit zurück bis hin zu frühkindlichen Erinnerungen, die ihnen gar nicht mehr bewusst sind. Angeblich erinnert man sich sogar an seine eigene Geburt und die dabei entstandenen Traumata. Das kann in der folgenden Gesprächstherapie aufgearbeitet werden. Es gibt sogar Leute, die nach vorgeburtlichen Erinnerungen fragen. Auch das ist einigermaßen unumstritten …« Die Getränke kamen, und sie nahmen ihre Gläser dankend entgegen. Ein...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2016
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-7325-2285-7 / 3732522857
ISBN-13 978-3-7325-2285-9 / 9783732522859
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