Die Yogini (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016
576 Seiten
Arkana (Verlag)
978-3-641-16591-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Yogini - Ulli Olvedi
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Zu diesem Artikel existiert eine Nachauflage
Der neue spirituelle Roman der bekannten
buddhistischen Lehrerin.

Dies ist die abenteuerliche Lebensgeschichte einer starken Frau aus der verzauberten Welt des alten Tibet, erzählt von einer sterbenden Nonne, aufgeschrieben von einer jungen deutschen Frau, die sie dabei begleitet.

Krieg und Intrigen, Leidenschaft und innere Suche zeichnen Lenjams Weg. Sie wächst gemeinsam mit ihrer Ziehschwester Nyima und deren wohlhabenden Eltern in Osttibet auf, in einer Welt voller Götter, Geister und Dämonen, doch zugleich in der geistigen Welt des tibetischen Buddhismus. Angetrieben von ihrem größten Wunsch, eine Yogini, Schülerin auf dem tantrischen Weg zu werden, findet sie Meister und Meisterinnen und erlernt das Geheimnis der spirituellen Partnerschaft - eine eindringliche Geschichte von Glück und Leiden, Scheitern und Erfolg und dem Weg, sich von beidem zu befreien. Ein Buch mit faszinierenden Frauengestalten, die heute wie damals inspirieren können.

Ulli Olvedi ist diplomierte Lehrerin des Stillen Qi Gong, erfahren in Atemarbeit und eine ausgewiesene Kennerin des Tibetischen Buddhismus. In USA und Nepal studierte sie bei verschiedenen tibetischen Lehrern. Sie gründete eine Hochschule für traditionelle tibetische Medizin in Nepal und leitet den Tashi Delek e. V. zur Förderung der tibetischen Kultur im Exil. Ihre Romane wie »Die Yogini« oder »Das tibetische Zimmer« begeistern Hunderttausende. Die Autorin lebt in der Nähe von München.

From: Chönyi Lara Sherpa

To: Lisbet

Sent: Tuesday, April 30, 2013 11:46 PM

Subject: Grüße aus Kathmandu

Attachment: Die Geschichte der Yogini Lenjam

Hallo Lisbet,

wie fange ich nur an nach so langem Schweigen? Jahrelang gar nichts von mir und nun so viel! Was da im Attachment hängt, ist ein ganzes Leben, nicht meines, aber mir so nah, dass es an meinem Herzen angewachsen ist und mich zu einer neuen Lara gemacht hat, die ich selbst erst noch näher kennenlernen muss.

Seitdem Du damals hier in Kathmandu warst bei meiner Hochzeit mit Tobgyal, ist eine Zeit vergangen, die von ganz anderer Art war als meine früheren Leben. Schon das Leben mit ihm und seiner Familie, das je nach Jahreszeit mäanderte und Kreise zog – da legte ich meine Vergangenheit beiseite, bereit, sie zu vergessen. Beinahe hätte ich geschrieben, meine nutzlose Vergangenheit, aber so kann man das ja nicht sagen. Ich wurde geboren und bin aufgewachsen, und das ist ja ein Glück irgendwie. Aber wie dem auch sei, ich habe mich darin geübt, nicht zurückzuschauen.

Von Tobgyals Tod habe ich Dir berichtet, das nehme ich jedenfalls an, sicher kann ich mir nicht sein. Nicht lang danach brach mein PC zusammen und alle Daten gingen verloren. Das war angemessen, denn ich ging mir selbst verloren. Ein nepalesischer Schamane suchte meine Seele, so drückte er es aus, und fand sie wieder, aber sie war in schlechtem Zustand. Es war eine sehr, sehr dunkle Zeit.

Lass mich erzählen. Mehr als ein Jahr lang habe ich mich im Erzählen geübt, jetzt fällt es mir fast leicht.

Du weißt, wie liebevoll ich, die rothaarige, sommersprossige Fremde mit ihren paar Brocken Tibetisch, in Tobgyals Familie aufgenommen wurde. Sie liebten Tobgyal und darum liebten sie auch mich. Ich lernte, zu ihnen zu gehören. Ich hatte meinen Job in der Firma, ich hatte dieses wunderbare erwachsene Kind von Mann, ich hatte eine Familie.

Aber dann dieser Flug in den Tod.

Ich verfluchte diese alte, verrottete Flugbüchse. Ich verfluchte die unsägliche Regierung, die solche Dinger fliegen lässt. Ich verfluchte die Touristen. Ich verfluchte die Berge. Und ich verfluchte meine Unfähigkeit, Tobgyal seinen gefährlichen Sherpa-Job auszureden. Das sei sein Beruf, sagte er, einen anderen habe er nicht, und er sei gern ein Sherpa und ein guter dazu.

Ich stopfte dieses furchtbare, verschlingende Loch meines Verlusts mit Wut und Verzweiflung zu und wurde krank. Hat man eine Wahl, wenn der Schmerz so riesengroß ist? Damals hatte ich sie nicht.

Heute frage ich mich, ob wir wirklich, wie wir es erträumten, zusammen hätten alt werden können. Ich kann jetzt die Probleme sehen, die sich ankündigten, vielleicht spürten wir sie sogar unter der Oberfläche unseres Glücks. Woher hätten sonst die Streitereien kommen sollen, diese gelegentlichen heftigen Gewitter, die uns erschütterten und ins Bett trieben zu ekstatischen Versöhnungsfeiern, wenn nicht von der Kluft zwischen zwei so verschiedenen Welten, die wir nicht wahrhaben wollten?

Er sagte: »Mir wird nichts geschehen, ich habe mein Gau*« – eine Art Amulett von seinem Lama. Ich sagte: »Ihr Tibeter seid so abergläubisch, das ist nicht zum Aushalten.« Manchmal hatte ich den Eindruck, dass wir uns einander über einen Abgrund hinweg umarmten, die Zehen in den Rand gekrallt, aber das wollte ich nicht wahrhaben.

Nach seinem Tod lag ich wochenlang in unserem Zimmer und versuchte zu sterben. Tobgyals Eltern und seine Schwester waren sehr gut zu mir. Sie verschonten mich mit Aufmunterungen, kamen nur manchmal herein, brachten etwas zu essen und streichelten mich. Tobgyals Vater saß oft abends lang an meinem Bettrand, hielt meine Hände und sang. Er hat eine schöne, sanfte Stimme – erinnerst Du Dich daran? Er ist früher einmal ein Klosterkind gewesen dort oben in seiner Heimat nahe der tibetischen Grenze, und er war gern im Kloster, doch dann starb sein Vater und die Mutter brauchte ihn. Die Klosterlieder hat er nie vergessen, sie sind wunderschön.

Oben im Schreinraum – er hat Dir gefallen, erinnerst Du Dich? Du hast Fotos davon gemacht – lasen ein paar Mönche jeden Tag die Bardo-Texte, neunundvierzig Tage lang. Im Bett hörte ich ihre Rezitationen und Glocken und Handtrommeln, Klänge aus einer verschlossenen Welt. Dann war es plötzlich still. Ich steckte fest in der Zeit, es hätten neunundvierzig Tage oder neunundvierzig Jahre sein können. »Alles gut mit Tobgyal«, sagte der Vater, »unser Rinpoche hat ja Powa für ihn gemacht und die neunundvierzig Tage sind um. Jetzt ist Tobgyal an einem guten Ort.«

Sie sagen immer »unser Rinpoche« und »unser Kloster«, wie man von engen Familienbindungen spricht, und ich hatte mich daran gewöhnt, irgendwie auch dazuzugehören. Aber ich gehörte nicht wirklich dazu, nicht wie sie mit ihrer vertrauensvollen Selbstverständlichkeit. »Geh zum Rinpoche«, sagte Tobgyals Mutter, aber ich ging nicht. Ich war in den Abgrund des Zunichtsgehörens gefallen, wo es kein Zurück und kein Vorwärts gibt, nur den erstarrten Eisblock des Leidens in alle Ewigkeit. »Lass mich, Amala«, sagte ich dann, und sie strich mir über die Haare, die ich weiß der Himmel wie lang nicht gewaschen hatte, und ich spürte meine heimliche Grausamkeit in meinem Leiden, aber auch das war mir gleichgültig.

Natürlich verlor ich meinen Job in der Firma. Ich vergaß ihn einfach, und dann wurde irgendwann das Kündigungsschreiben an mein Postfach geschickt, aber da blieb es liegen. Luke – erinnerst Du Dich an Luke, meinen Chef, den jungenhaften Riesen mit den grauen Haaren? Er war auch bei der Hochzeit. Er kam irgendwann und fragte nach mir. Doch da war ich schon tief im Labyrinth, das ich auch später, als ich mein Zimmer wieder verließ, wie ein Schneckenhaus mit mir herumtrug.

Und dann traf ich Henning und Carol an der Stupa. Du kennst sie ja. Freundliche Menschen. Der dünne Henning mit der bedeutenden Nase und den liebenswürdigen, wässrigen Augen und Carol, seine robuste kleine Südstaatenfrau. Die beiden kamen dem am nächsten, was ich Freunde nennen würde. Sie interessierten sich für mich und besuchten mich, und wenn Tobgyal unterwegs war, gingen wir manchmal zusammen zum Essen ins Snow Lion. Ich hatte vor Tobgyals Tod mit Henning in meiner ehemaligen Firma gearbeitet. Sie sagen, er sei der beste Bergstraßenbauingenieur, den sie je hatten. Carol ist Architektin. Ich habe mich nie sehr für sie interessiert, aber es hat sich ergeben, dass sie jetzt eine wichtige Rolle in meinem neuen Leben spielt.

Jeden Morgen und Abend um die Stupa laufen, einmal unten herum und die unzähligen Gebetsmühlen drehen, dann um die Mitte, dann oben rum – das war meine zwiespältige Rückkehr ins Leben. Es war der einzige Ort, wo ich Menschen ertragen konnte. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie viele es immer sind. Es tat gut, die Tauben zu sehen, die morgens auf der riesigen Kuppel der Stupa saßen und die Tautröpfchen wegpickten, und die Buddha-Augen, die gelassen über die Stadt hinausschauten in die Welt, mit der ich nichts mehr anfangen konnte und wollte.

»Sie lebt wieder!«, rief Henning und schwenkte seine Mala, beide umarmten mich. Es drang zu mir durch, dass sie sich wirklich freuten. Ich musste mit ihnen frühstücken gehen, sie zogen mich in ihr Leben hinein, und es lief darauf hinaus, dass ich mich, ohne es zu ahnen, auf ein noch viel größeres Abenteuer als die Ehe mit einem tibetischen Sherpa einließ.

Sie hätten ein wunderbares Projekt, sagte Carol, für Nonnen irgendwo in den Bergen, und ich solle doch mithelfen. Nichts würde die körperliche und geistige Gesundheit besser unterstützen als Hilfe für andere. Und die Nonnen seien so süß, man könne gar nicht anders, als ihnen helfen zu wollen. Ja, das sah ich ein, anderen zu helfen könnte gut sein, aber ich schreckte zurück. Aufgaben wollte ich nicht übernehmen, nicht jetzt, nicht in meinem Zustand.

»Keine große Aufgabe«, sagte Henning. Sie hatten mit Hilfe von Spenden Wellblechdächer gekauft, die mit einem Hubschrauber zu einem Nonnenkloster hoch in den Bergen gebracht werden und dort montiert werden sollten. Monatelang hätten sie sich bemüht, das Geld zusammenzubringen. Der Transport kostete mehr als alle Dächer. Aber es gab keine andere Möglichkeit, die Bleche hinauf in die Berge zu transportieren.

Dieses Kloster, berichtete Henning, bestand größtenteils aus ebenerdigen Ruinen, manche Räume waren nur mit Plastikplanen notdürftig geschützt. Ich könne mit meinen guten Nepali- und Tibetischkenntnissen bei der Verständigung mit den Nonnen und beim Organisieren des Aufbaus der Dächer helfen.

Ich sagte zu mit demselben Gefühl, nicht beteiligt zu sein, mit dem ich zu essen pflegte, weil man mir etwas hinstellte. Erst als ich mit Henning und Carol und Jeff, einem weiteren Helfer, im Hubschrauber saß, in einer Wolke von höllischem Lärm, so winzig vor den riesigen Bergen, wachte ich ein wenig auf. Der Gedanke kam mir, dass die Berge, die Tobgyal das Leben gekostet hatten, auch mich in ihre tödliche Umarmung ziehen könnten. Ich fand diesen Gedanken passend und tröstlich.

Wir landeten in einem weiten Tal unterhalb des halb fertigen oder von Stürmen und Wintern demolierten Klosters. Niedriger, zerzauster Wald an den Hängen, darüber nackter Fels und über allem in unglaublicher Höhe die gewaltigen Schneeriesen. Auf den geduckten kleineren und größeren Häuschen am Hang lagen kreuz und quer Bretter, darüber blaue, mit Steinen beschwerte Plastiksäcke. Ein paar Löcher in den rohen Wänden dienten als Türen und Fenster. Dieser bestürzende...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2016
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte buddhistische Weisheit • China • eBooks • spirituelle Meisterschaft • Spirituelle Suche • Starke Frauen • Tantra • Tibet • Tibetischer Buddhismus • Yoga
ISBN-10 3-641-16591-1 / 3641165911
ISBN-13 978-3-641-16591-8 / 9783641165918
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