Verunsicherung (eBook)

(Autor)

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2015 | 4. Auflage
336 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7392-9539-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verunsicherung - Bärbel Kucher
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Beginnen und Leben junger Leute vor dem Fall der Mauer. Eine junge Frau findet eigene Wege, die auch aus dem Alltag führen.

Bärbel Kucher: Geboren 1959 in Guben, später Ingenierustudium und verschiedene Tätigkeiten in der Industrie als Ingenieurin und zwischendurch ebefalls in einer kulturellen Einrichtung engagiert. Nach dem Mauerfall erneute Weiterbildung und mitarbeitend in Kanzleien.. Erste Skizzen und Studien bereits in der frühen Jugend, von denen eine veröffentlicht wurde. Jahrelanges Literaturstudium mit geringfügiger Schreibtätigkeit. Erst seit 2013 entschloss sie sich, das erste Buch "Verunsicherung" zu beginnen und 2014 fertigzustellen. Danach Fertigstellung des Romanes "Tyla", auch in Englisch erschienen. Beruflich ist sie derzeit auch als Farb-, Stil- und Image-Beraterin freischaffend tätig.

2


Um die eigene Achse drehte sich das rechte Pedal des Fahrrades, angetrieben von Gemmas zierlichem Fuß und die Gummiteile dessen waren unabgenutzt noch. Sie wartete darauf, dass die Kommilitonen sich vom Hauptweg entfernt hatten, dann selbst das Terrain der Institution verlassend, fuhr sie den breiten Weg entlang mit den quadratischen, standardisierten Betonplatten, die nach vielen Jahren mit langen Wintern noch in einer Ebene nebeneinander lagen. Die anderen überholend, warf sie noch ein verabschiedendes

„Tschüss“, in den noch nicht ausgelesenen Teil der Seminargruppe, im Vorbeifahren.

„Auf Wiedersehen, bis morgen.“

Dieses Ritual würde nun einige Jahre, nahezu täglich stattfinden, ohne dass Gemma diesem eine besondere Bedeutung beimaß. Aber es war nicht belanglos, nicht für sie. Eingerahmt war der Studienalltag durch die morgendliche Begrüßung und jenem Abschied, der immer freundlich den zu Fuß Gehenden zugesprochen jetzt wurde, den nächsten Tag schon einkalkulierte und so Jugendhoffnung veräußerte, jedoch keine, die unermessliche Reichtümer versprach oder wilde Abenteuer in fernen Kontinenten. Die hier Versammelten wollten eher einer sozialen Aufgabe nachkommen, die fast noch eine neue darstellte und den vor einiger Zeit begonnenen Liberalismus in der industrialisierten Wirtschaft irgendwie fortsetzte und auch Bestandteil eines neuen, kulturellen, modernen Wachstums war, auch bisher nicht erfahrene Impulsgebungen verhieß. Vergleichbar mit dem Schwung der Gründerzeit und deren Hoffnung auf mehr Lebenskomfort und sozialen Aufschwung waren hier junge Enthusiasten, die in der effektiven Industrialisierung in einer Volkswirtschaft die Möglichkeiten für die Zukunft sahen. Aussichten auf gigantische Projekte, wie interkontinentale Kabelverlegungen etwa, bestand nicht und sollte auch nicht der Gegenstand naheliegender Erwartungen sein. Es galt auch nicht, unermessliche Städte mit riesigen Wolkenkratzern aus dem Boden zu stampfen, aber ein Gefühl von Teilhaberschaft an wirtschafttlich Erforderlichem mit der Aussicht auf ein Leben in Vierteln, die auf die grüne Wiese gebaut wurden, waren schon wie ein Pokal, der den sozialen Aufstieg besiegelte.

Schon lange liebte Gemma alte Stiche, Zeichnungen, Gemälde und Illustrationen, die die industrielle Entwicklung seit der Gründerzeit zum Thema hatten, weil sie eine Vision von einer dynamischen, modern entwickelten Zukunft hergaben und ihre Phantasie beflügelten. Diese, damals noch fast romantisch aussehenden Darstellungen zeigten meistens in die Natur Gerücktes, die zu dieser Zeit noch intakt erschien.

Dieser mit dem Beginn der Industrialisierung begonnene Auftrag wollte den Alltag nutzen für die Schaffung technischer und städtischer Erneuerungen, um an Bodenständigkeit zu gewinnen. Da war Aussicht auf Wohlstand und einen fördernden Job. Die Erfindung der Moderne sollte ihre Fortsetzung finden, Kooperationen wurden herbeigesehnt. All dies förderte die Zielstrebigkeit, sich beruflich der Wirtschaft und der Naturwissenschaft hinzugeben und auch geistig.

Jeder und jede besaß eine Jugendvermutung von einer im Innern ruhenden Kraft, die es zu vergrößern, herauszufordern, zu durchdringen galt, eine Aufgabe, die nur jedem allein gebührte.

Weiterfahrend gelangte sie zu dieser Kreuzung, die seit einigen Tagen die bisherige Situation durchsprengte, weil Gemma sich in ein privates Zusammenleben mit Chrys begeben hatte.

Nach links fahren hätte bedeutet, ein Internatswohnen, ähnlich einer anregenden Kolonie, das ein relativ strenges Reglement miteinschloss, aber auch die Chance bot, Abende von kleineren Festen umrahmen zu lassen mit studentischer Gemütlichkeit, Vergnügungsgier der einen Jugend und Erlebnishunger junger Leute. Lange Abende mit vielleicht unendlich andauernden Gesprächen, manche Nächte mit deren Fortsetzung und Kuba-Rum, sehr viel grünem Tee, manchmal einem Zehn-Liter-Eimer voller Bier aus dem nahen Casino-Restaurant, eigens fabrizierter Kümmel und eine lange Holzbaracke, die vielen Platz bot und auch Begegnungen ermöglichte, zahlreiche Räume mit gestalteten Nischen nahmen jahrzehntelang Zuückgezogene hin, die müde während eines weniger wilden kleinen Festes sich noch Gesprächen widmeten und von denen einige nicht allein blieben, zumindest eine Zeitlang, um dann manchmal wieder sich in eine Einsamkeit zurückzuziehen, die nicht unerforderlich war, wenn Grundlagen geschaffen werden sollten für die Entwicklung von beruflichem Können, Bewertungsvermögen und Selbstkonzentration für das Durchleben von Anstrengungen, die Pflichten mitsichbrachten. Eine freie Gondel dieses Karussels mit dem sich Erlebnisse, Abenteuer, Verbindlichkeiten drehten, galt als Voraussetzung für deren Erfüllung. All dies garantierte zuweilen die notwendige Einsamkeit, die Akzente für den weiteren Alltag zu schenken ermöglichte, ein prasselndes Jugendfeuer, das die Hoffnung zu entfachen vermochte, dass eine stetige Flamme, sparsamer, dennoch anhaltend, für einen langen, weiteren Zeitraum, fernab jugendlicher Unterhaltungsgier verbleiben würde, gleich unsichtbaren Energien.

Feuchtkalte Räume früher Herbst- und später Frühlingstage erwiesen sich als Stressfaktor, dem es zu entlommen galt.

Ergonomisch geformte Stühle, die kein herkömmliches Möbelstück für Wohnräume darstellten, unterstützten durch ihre ermunternde Wirkung den Eifer bei Selbststudien. Eine simple Herberge, die auch etwas von Hotels hatte, wie das organisierte Tauschen von Bettwäsche im regelmäßigen Turnus, unterstützt von der freundlichen und unnachgiebigen Internatsleitung. Großraumküchen ermöglichten gemeinschaftliches Kochen für bis zu fünfzig Personen und ersparten das Anschaffen von manchen Kochgeräten und manchem Utensil, das in konventionellen Küchen vorrätig ist, meistens für die Zubereitung schneller Gerichte. Auch in Aussicht stand dann die Möglichkeit immerwährenden Streitens:

„Sandy, warst du gerade in der Küche?“

„Wieso?“

„Hast du gerade gekocht?“

„Wieso?“

„Na, du isst doch gerade ´was!“

„Na und? ´Was dagegen?“

„In der Küche ist etwas auf der einen Herdplatte übergekocht!“

„Würdest du das wieder wegwischen?“

„Erst mal esse ich. Ich hab´ Hunger!“

„Ich wische das dann weg, sonst würde mein Essen kalt werden inzwischen!“

„Na, hoffentlich!“

Ein Klub für späte Abende, vielleicht begonnene Nächte, Grundlage für Diskussionsfiebernde bietend, in jeglicher Tages- und Nachtsituation Möglichkeiten für Dispute, Gelegenheiten für näheres Kennenlernen der Teilnehmer vieler Seminare. Nicht ein ewiges Fest, aber eine Klubstimmung, die eine unbenennbare Dauer versprach.

Notwendiges Heimfahren zu den Feiertagen ließ das Nichtgelöstsein von der heimatlichen, häuslichen „Wiege“ spüren.

Neben dem Internat diese unbedeutend gestaltete, nicht ganz kleine Stadt, die aber Nutzen hatte, wenn jemand es wollte. Kinos, Kneipen, Cafés, Einkaufsstraßen, die sich überqueren ließen auf diesem groben und langwährenden Kopfsteinpflaster, das bei Regen und im Winter gefährliche Glätte aufwies. Daran war das noch märkische Flair sichtbar, das sich am Rand der Großstadt abspielte, die für große Touren sich bereithielt.

Eine Zeit, unbestechlich erscheinend, die stetig abrechenbare Aktivitäten forderte und die verging, wie fliegender Staub.

Noch gestern bog sie auch nach links ab, um das Internat zu nutzen, aber schon heute führte Gemmas Weg nach rechts und dann diese lange Straße entlang. Sich immer wieder bewegend auf dieser Straße und dem Fahrrad, auf dem Rückweg sah diese Gemma meistens so leer, dass sie sich dort gänzlich allein wähnte und das Gefühl kam bei ihr auf, die Straße gehöre ihr allein, die zu der neuen mit Chrys bezogenen Wohnung führte. Sie fand nichts liebenswerter, begehrenswerter und verführerischer, als dieses gerade begonnene Wohnen in derartiger Logis und das in ihr enthaltene Potenzial zur Selbsterfahrung, wie um sich darin zu verlieren und auch nicht. Schließlich benötigte man sehr viel Aktivität, um die erwünschten Ziele zu erreichen.

Individuelle Mahlzeiten zubereiten wurde schnell zum Versuchsfeld für sie und nützte der kulinarischen Selbstfindung. Gemma kochte sehr gut, war aber keine Köchin, ihr fehlte die nötige Passion, eher bezeichnete dieser Vorgang eine Leidenschaft, angeregt von der Vorstellung eines Minimums an Noblesse der Esskultur. Für sie wurde mehr und mehr das Kolorit der Speisen wichtig, sie sollten zu ihr passen und am liebsten hätte sie auch mit Algen gekocht, weil sie Inhaltsreichtum bargen und ihr alternativ vorkamen, dabei einen neuen Chic für sie verkörperten. Nirgendwo konnte man diese kaufen und so kam es, dass diese Absicht verworfen wurde. Einer Zauberin gleich wollte sie kochen, jede Mahlzeit mit einer geheimen Botschaft umrahmen. Sie kochte vieles, auch Zwiebelsuppe,...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2015
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Belletristik • Frau • Jugend • Liebe • lifestyle • Literatur • Verunsicherung
ISBN-10 3-7392-9539-2 / 3739295392
ISBN-13 978-3-7392-9539-8 / 9783739295398
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