Witzick 1 (eBook)
196 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7392-5597-2 (ISBN)
Jahrgang 1959, eine der letzten 6 % (Stand: 2015) waschechten Münchner/innen, die es noch gibt. Sprache als schonungsloser Spiegel, das Wort als Wecker für Bequemlichkeit und Oberflächlichkeit (in Münchner Dialekt ebenso wie in Hochdeutsch) ist ihr Metier. Die Zick schaut hinter das sogenannte Normale und Alltägliche und findet: das Skurrile, Amüsante, gerne Versteckt-Gehaltene.
Der Schlierseer Betondackel
Meldung im Miesbacher Merkur am 18.5.:
Ein Tauchgang dreier Sporttaucher fand gestern nachmittag im Schliersee bei Neuhaus ein unerwartetes Ende: In zehn Metern Wassertiefe stießen sie auf die gut erhaltene Leiche eines Kurzhaardackels mit einbetonierten Beinen. Die Taucher bargen die Hundeleiche und übergaben sie dem herbeigerufenen Tierarzt. Der Hund trägt kein Halsband, jedoch an der Innenseite des linken Hinterschenkels ein auffälliges Muttermal in Form eines Kleeblatts. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Informationen, ob jemand diesen Hund kennt oder ihn vermißt. Hinweise nimmt die Redaktion des M.M. entgegen und die Polizeidienststellen im Raum Miesbach.
***
Kurt Grabenthaler versucht seit einer halben Stunde, sein Weißwurstfrühstück im Büro seiner Baufirma in Ruhe zu genießen, als schon wieder das Telefon klingelt. Er kaut die lauwarme Weißwurst hastig zu Ende und wirft die ausgezuzelte Haut genervt auf den Teller. Grantelnd nimmt er den Hörer ab:
„Jetz glangts, Frau Maischner. I hob Eahna doch gsogt...“
„Ja, Herr Grabenthaler. Aber der Herr Bremberger is dran – dringend, wegen dem Mario!“
Grabenthaler stutzt, schaut zweifelnd den Telefonhörer an.
„Was...Mario?“ Grabenthaler drückt eine Taste: „Ferdl? Was ist mit ´m Mario?“
Er fischt im Kessel nach der dritten Weißwurst. Ferdinand Bremberger, ein alter Weggefährte im Landrat und Trachtenverein überschlägt sich beinahe:
„Stell da vor... liest du koa Zeitung? Des is bestimmt da Mario... im See haben s’ ihn gfundn. Eibetoniert!“
Grabenthaler wühlt in den Papieren auf dem Schreibtisch, angelt den Miesbacher Merkur hervor und beginnt hastig zu blättern. Bremberger sprudelt unterdessen weiter:
„Jaaa, Taucher haben an zufällig gfundn, in zehn Meter. Jetz liegt a in Neihaus beim Tierarzt Heberl...“
Grabenthaler findet die Meldung: „Des derf ja ned wahr sei!“ Er leert sein Weißbierglas in einem Zug, um mit dem Gerstensaft seine Aufregung hinunterzuschlucken. „Des Muttermoi... ja, des is a! Dank da, Ferdl. Der Sach muaß i nochgeh!“
Er legt auf, liest die Meldung noch einmal in Ruhe durch und greift zum Telefon:
„Frau Maischner, an Mario habns gfundn! Verbinden s’ mi mit meim Bruada in Genua.“
Kurz darauf teilt er seinem Bruder Sebastian die Neuigkeiten mit. Der ist noch immer Teilhaber der gemeinsamen Baufirma, hat sich jedoch vor einigen Jahren in Genua einen Zweitwohnsitz zugelegt und auch dort ein Geschäft eröffnet. Von Zeit zu Zeit besucht er seinen Bruder in seinem Anwesen bei Neuhaus, so auch im letzten Frühherbst, als ein gemeinsames Geschäft mit einer Münchner Firma kurz vor dem Abschluß stand. Die beiden Brüder fuhren morgens nach München und wollten Mario mitnehmen. Aber der war offenbar einer unwiderstehlichen Spur gefolgt und nicht zu finden und so fuhren die beiden ohne den Dackel los. Als sie abends zurückkehrten, war Mario immer noch verschwunden. Sebastian Grabenthaler mußte wieder nach Italien zurück und überließ seinem Bruder Kurt die weitere Suche. Sie war vergeblich geblieben. Seither hatte niemand das allseits beliebte Zamperl je wieder gesehen.
„Willst ned kumma und an Mario holn?“ fragt Kurt Grabenthaler seinen Bruder.
„Wos soll i mit am totn Hund? Da Mario wird ned lebendig, wenn i kumm. Aber geh bittschön der Sach mit dem Betonblock nach. Des is a Schweinerei, sowos! Und des Gered erst...“
***
Das brechreizende Geruchspotpourri von Salmjakgeist, Formaldehyd und Leichensüße nimmt Grabenthaler ob seiner inneren Bewegtheit kaum wahr, als der Tierarzt Dr. Stefan Heberl in einem Nebenraum seiner Praxis die Kühltruhe öffnet und den betonierten Mario heraushebt. Auf einer Seite zeichnet sich etwas großes Viereckiges unter dem Leichentuch ab: der Betonblock. Dr. Heberl wirft das Tuch zurück, zieht die Hinterschenkel des Dackels etwas auseinander und deutet wortlos auf das sichtbar werdende Muttermal.
„Mei... mei... des is a!“ Grabenthaler legt seine Hände an die Wangen und ist sichtbar erschüttert. „Da Mario“.
„Wolln s´ ihn glei mitnehma?“ fragt ihn der Tierarzt in nüchterner Geschäftsmäßigkeit. „I brauchat den Platz“.
Grabenthaler überhört die Gefühllosigkeit von Dr. Heberl: „Konn ma scho sagn, wia lang da Mario im Wasser glegn is?“
„Ned genau. Der Hund war vor allem im Winter im Wasser, do halt se so a Leich recht lang frisch.“ Dr. Heberl deckt Mario wieder zu.
Grabenthaler räuspert sich und findet zu seiner gewohnten Gleichmütigkeit zurück: „I wui genau wissen, an wos da Mario gstorbn is und wia lang a im See glegn is.“
Dr. Heberl: „So a Obduktion is aber fei ned billig. Es is ja immerhin bloß a...“
„Was hoaßt do „bloß“? I zahl des scho!“
Grabenthaler verläßt die Praxis. Dr. Heberl verdreht die Augen ob der ihm nun bevorstehenden und seiner Meinung nach völlig überflüssigen Mehrarbeit. Obduktion an einer Hundeleiche! Auf Ideen kommen die Leute! Er geht zum Telefon und ruft einen Freund beim Miesbacher Merkur an.
***
Meldung im Miesbacher Merkur am 20. Mai:
Schlierseer Betondackel identifiziert!
Bei der vor kurzem geborgenen Hundeleiche handelt es sich um „Mario“, dessen Besitzer der Bauunternehmer Sebastian Grabenthaler war. Dieser hält sich bekanntlich seit vier Jahren überwiegend in Italien auf, wo er ein weiteres Bauunternehmen betreibt. Sein Bruder, Landratsmitglied Kurt Grabenthaler, identifizierte gestern bei Dr. vet. Heberl den Hund eindeutig. Grabenthaler beauftragte Dr. Heberl mit der Obduktion von Mario, um die Todesumstände des Hundes aufzuklären, der seit September letzten Jahres von den Grabenthalers vermißt wurde.
Daß Mario kein natürlicher oder ein Unfalltod ereilt hat, ist offensichtlich. Eine Obduktion wird in der Regel ohnehin nur durchgeführt, wenn der Verdacht eines Verbrechens besteht. Im Falle von Mario ist deshalb vor allem die Frage nach dem Betonblock an seinen Beinen von Interesse. Diese Todesart ist uns allen aus den einschlägigen Kriminalfilmen südländischer Coleur als bevorzugte Beseitigungsmethode bestimmter Kriminellenkreise bekannt. Ohne dem Ergebnis der Obduktion vorzugreifen, könnte aus dem bedauerlichen Ableben eines niedlichen Dackels noch eine ganz andere Geschichte ins Rollen gebracht werden.
***
Im „Stanzlerwirt“ in Neuhaus rauchen abends am Stammtisch nicht nur die Zigarren, sondern auch die Köpfe der Stammtischrunde. Das Bier in den Maßkrügen nähert sich wegen der hitzigen Empörung der Tischbesatzung dem Siedepunkt. Es macht im Gegensatz zu den Stammtischlern mittlerweile einen recht schlaffen Eindruck. Eine Ausgabe des Miesbacher Merkur liegt, vom mehrfachen Herumreichen zerknittert, auf dem Tisch.
„Des derf doch ned wahr sei! Grabenthaler und d’ Mafia!“ Karl Ferstl, Altwirt des Lokals, schüttelt immer wieder konsterniert seinen Kopf und läßt dann einen guten halben Liter Gerstensaft ohne abzusetzen die Kehle hinunterströmen. Der Metzgermeister Walter Schieder zu seiner Rechten tut es ihm gleich. Mit seinem Zeigefinger wischt er einmal nach rechts und einmal nach links seinen gescheitelten Schnauzer vom Bierschaum frei:
„Oiso, mi wundert des ned. Des war doch koa Zuafall, daß da Sebi seinerzeit ausgrechnet scho in Italien war, ois d’ Firma vo de Grabenthalers kurz drauf wegn Schwarzarbeiter auf de Baustelln ins Gred kumma is. Des warn doch alles Italiener, oder?“ Schieder schaut in Erwartung einer Bestätigung in die Runde.
„Sowieso“, ist sich nicht nur Karl Ferstl sicher. „Und überhaupts: Glaubts ihr, daß de Grabenthalers alloa mit ihrer Baufirma drunt in Schliersee des Haufa Geld gscheffelt habn?“ Ferstl lehnt sich zurück mit einer Haltung des „Ich-weiß-Bescheid“ und greift zum frisch gefüllten Maßkrug. „Do sann no ganz andre Sachan glaffa, sag i euch!“
Die Stammtischrunde nickt zustimmend und hebt in seltener Einstimmigkeit fast synchron die Bierkrüge.
„Genau“, ergänzt der Immobilienmakler Alois Greuzinger. Er beugt sich nach vorne und schaut bedeutungsvoll in die Runde. Mit hochgezogenen Augenbrauen verkündet er: „Da Sebi wird scho gwußt habn, warum a agratt zu de Itaker gangen is. Do geht alles ned so genau wia bei uns mit de Baugenehmigungen und am Bauland abluchsn und so. I kenn mi da aus.“
„Und de Brüder schanzen se jetzt Aufträg zua“, weiß ein anderer Insider zu berichten.
Karl Ferstl schaut sein Gegenüber, den jungen Brunner an: „Da hast in a saubre Familie neigheirat! Dei Monika werd außer ihrer Barschaft no a Mitgift eibracht habn, de dir no schwer im Magn liegn wird!“
Moritz Brunner, der „Studierte“, ist am Stammtisch nur geduldet, weil die Gene gnädig mit ihm umgegangen sind: Er ist der Sohn des...
Erscheint lt. Verlag | 28.7.2015 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga ► Humor / Satire |
Schlagworte | Bayern • Humor • Kurzgeschichten • Satire • Sketche |
ISBN-10 | 3-7392-5597-8 / 3739255978 |
ISBN-13 | 978-3-7392-5597-2 / 9783739255972 |
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