Das Bildnis des Dorian Gray (eBook)

Roman. nexx classics - WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
368 Seiten
Nexx (Verlag)
978-3-95870-387-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Bildnis des Dorian Gray -  Oscar Wilde
Systemvoraussetzungen
0,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Dorian Gray ist reich und schön, ein Bild von einem Mann. Verführt durch Lord Henry Wotton, stürzt er sich haltlos ins Londoner Nachtleben. Er definiert sich ausschließlich über sein Äußeres, was in ihm immer mehr den innigen Wunsch nach unvergänglicher Jugend weckt - und auf wundersame Weise altert plötzlich nicht mehr er selbst, sondern ein Porträt von ihm. Doch der unbedachte Pakt mit den dunklen Mächten hat grausame Folgen ...

nexx classics - WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT



Oscar Fingal O' Flahertie Wills Wilde (1854-1900) war ein irischer Schriftsteller. Bekannt ist Wilde neben seinen hervorragenden Werken auch für seinen schwarzen Humor, den er nie verlor, auch in schweren Zeiten nicht.

Oscar Fingal O' Flahertie Wills Wilde (1854-1900) war ein irischer Schriftsteller. Bekannt ist Wilde neben seinen hervorragenden Werken auch für seinen schwarzen Humor, den er nie verlor, auch in schweren Zeiten nicht.

Erstes Kapitel


 

Das Atelier schwamm in einem starken Rosenduft, und wenn der leichte Sommerwind die Bäume im Garten wiegte, so floss durch die offene Tür der schwere Geruch des Flieders herein oder der zartere Duft des Rotdorns.

 

Aus der Ecke seines Diwans mit persischen Satteltaschen, auf dem Lord Henry Wotton lag und wie gewöhnlich unzählige Zigaretten rauchte, konnte er gerade noch den Schimmer der honigsüßen und honigfarbigen Blüten eines Goldregenstrauches wahrnehmen, dessen zitternde Zweige nur seufzend die Last einer so flammenden Schönheit zu tragen schienen, und dann und wann huschten die phantastischen Schatten vorbeifliegender Vögel über die langen bastseidenen Vorhänge, die vor das große Fenster gezogen waren. Das gab einen Augenblick lang eine Art japanischer Stimmung und ließ den Lord an die bleichen, nephrit-gelben Maler der Stadt Tokio denken, die mit Hilfe einer Kunst, die notwendigerweise erstarrt genannt werden muss, das Gefühl von Schnelligkeit und Bewegung hervorzubringen suchen. Das tiefe Gesumme der Bienen, die ihren zweifelnden Flug durch das hohe, ungemähte Gras nahmen oder mit eintöniger Zähigkeit um die bestaubten Goldtrichter des wuchernden Geißblattes kreisten, ließ die Stille noch drückender scheinen. Das dumpfe Brausen Londons murrte dazu wie die Basstöne einer fernen Orgel.

 

In der Mitte des Gemaches stand auf einer hoch aufgestellten Staffelei das lebensgroße Bildnis eines außerordentlich schönen Jünglings, und ihm gegenüber, ein paar Schritte entfernt, saß sein Schöpfer, der Maler Basil Hallward, dessen plötzliches Verschwinden vor einigen Jahren bei der Menge so viel Aufsehen gemacht und zu so vielen seltsamen Vermutungen Anlass gegeben hatte.

 

Während der Maler die anmutige und liebenswürdige Gestalt betrachtete, die seine Kunst so prachtvoll wiedergespiegelt hatte, huschte ein freudiges Lächeln über sein Gesicht und schien dort verweilen zu wollen. Plötzlich aber fuhr er auf, schloss die Augen und presste die Lider mit den Fingern zu, als fürchte er, aus einem absonderlichen Traume zu erwachen, und als suche er ihn im Gehirn einzuschließen.

 

»Es ist dein bestes Werk, Basil, das Beste, was du jemals gemacht hast«, sagte Lord Henry schläfrig-müde. »Du musst es nächstes Jahr unbedingt ins Grosvenor schicken. Die Akademie ist zu groß und zu gewöhnlich. Jedes Mal, wenn ich hinging, waren entweder so viele Leute da, dass ich die Bilder nicht sehen konnte, und das war schlimm, oder so viel Bilder, dass ich die Leute nicht sehen konnte, und das war noch schlimmer. Das Grosvenor ist der einzig richtige Platz.«

 

»Ich denke überhaupt nicht daran, es auszustellen«, antwortete der Maler und warf den Kopf in jener merkwürdigen Art zurück, über die schon oft seine Freunde in Oxford gelacht hatten. »Nein, ich will es nirgends ausstellen.«

 

Lord Henry hob die Augenbrauen und sah den anderen erstaunt durch die dünnen blauen Raucharabesken an, die in so abenteuerlichen Wirbeln von der starken opiumgetränkten Zigarette aufstiegen. »Nirgends ausstellen? Ja warum, mein Lieber? Hast du einen Grund dafür? Was ihr Maler doch für Käuze seid! Ihr tut alles in der Welt, um euch einen Namen zu machen. Habt ihr ihn endlich, so wollt ihr ihn scheinbar wieder loswerden. Das ist albern von dir, denn es gibt nur ein leidiges Ding auf Erden, das peinlicher ist als in aller Leute Munde zu sein, und das ist: nicht in aller Leute Munde zu sein. Ein Porträt wie das da höbe dich weit über alle jungen Leute in England empor und würde die Alten vor Neid platzen lassen, soweit alte Leute überhaupt noch einer Empfindung fähig sind.«

 

»Ich weiß, du wirst mich auslachen,« entgegnete er, »aber ich kann es wahrhaftig nicht ausstellen. Es steckt da zu viel von mir selbst drin.«

 

Lord Henry streckte sich auf dem Diwan aus und lachte.

 

»Ja, ich habe das gewusst; es bleibt aber doch wahr, ganz sicher.«

 

»Zuviel von dir soll darin sein? Auf mein Wort, Basil, ich hätte nie geahnt, dass du so eitel bist; ich kann wirklich nicht die blasseste Ähnlichkeit entdecken zwischen dir mit deinem groben, eckigen Gesicht und deinem kohlschwarzen Haar und diesem jungen Adonis, der so aussieht, als sei er aus Elfenbein und Rosenblättern erschaffen. Nein, mein lieber Basil, es ist ein Narzisst, und du – natürlich hast du ein geistvolles Gesicht und so weiter. Aber Schönheit, wirkliche Schönheit hört da auf, wo der geistvolle Ausdruck anfängt. Geist ist an sich eine Art Übermaß und zerstört das Ebenmaß jedes Gesichts. Im Moment, wo man sich ans Denken begibt, wird man ganz Nase oder ganz Stirn oder sonst etwas Gräuliches. Sieh dir doch mal alle die Männer an, die in gelehrten Berufen etwas geleistet haben. Sind sie nicht alle ausgesprochen hässlich? Natürlich die Männer der Kirche ausgenommen. Aber in der Kirche denken sie eben nicht. Ein Bischof sagt mit achtzig Jahren noch unveränderlich dasselbe, was ihm als achtzehnjährigem Bengel beigebracht wurde, und infolgedessen sieht er immer entzückend aus. Dein geheimnisvoller junger Freund, dessen Namen du mir nie verraten hast, dessen Bild mich aber tatsächlich bezaubert, denkt niemals. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Es ist irgendein hirnloses schönes Geschöpf, das wir im Winter immer bei uns haben sollten, wenn es keine Blumen zum Anschauen gibt, und im Sommer, wenn wir etwas zur Abkühlung unseres Geistes gebrauchen. Schmeichle dir also nicht, Basil: du siehst ihm ganz und gar nicht ähnlich.«

 

»Du verstehst mich gar nicht, Henry«, antwortete der Künstler. »Natürlich sehe ich ihm nicht ähnlich. Das weiß ich selbst. In Wirklichkeit wäre ich sogar traurig, sähe ich ihm ähnlich. Du brauchst nicht mit den Achseln zu zucken. Ich sage dir die Wahrheit. Jede körperliche und geistige Besonderheit umschwebt eine gewisse Tragik; so eine Tragik etwa, wie sich das Schicksal der Könige auf ihren Irrwegen in der Weltgeschichte an die Füße zu heften scheint. Es ist besser, nicht anders zu sein als die Nebenmenschen. Die Hässlichen und die Dummen haben das beste Leben der Welt. Sie können ruhig dasitzen und das Spiel sorglos begaffen. Sie wissen zwar nichts von Siegen, aber dafür bleibt ihnen auch die Bekanntschaft mit den Niederlagen erspart. Sie leben dahin, wie wir es alle sollten: ungestört, gleichgültig und ohne Missbehagen. Sie bringen anderen kein Unheil und empfangen es auch nicht von fremder Hand. Dein Stand und dein Reichtum, Harry, mein Geist, soviel ich davon habe, meine Kunst, soviel sie wert ist, Dorian Gray für sein schönes Aussehen – wir müssen alle für die Geschenke der Götter leiden, schrecklich leiden.«

 

»Dorian Gray? Heißt er so?« fragte Lord Henry und ging durch das Atelier auf Basil Hallward zu.

 

»Ja, so heißt er. Ich wollte dir's eigentlich nicht sagen.«

 

»Aber warum nicht?«

 

»Oh, ich kann's nicht so erklären. Wenn ich einen Menschen sehr, sehr lieb habe, verrate ich an niemand seinen Namen. Das käme mir so vor, als lieferte ich damit einen Teil von seinem Selbst aus. In mir hat sich allmählich eine förmliche Liebe zu Geheimnissen entwickelt. Das scheint noch die einzige Art zu sein, das Leben unserer Zeit mysteriös und wunderbar zu machen. Die gewöhnlichste Begebenheit wird reich an Schönheit, wenn man sie verbirgt. Ich sage auch nie, wohin ich reise, wenn ich mal die Stadt verlasse. Wenn ich's täte, wäre meine ganze Freude daran hin. Das mag eine alberne Gewohnheit sein, aber sie bringt doch irgendwie ein bisschen Romantik ins Leben. Du denkst jetzt gewiss, ich bin furchtbar närrisch?«

 

»Nicht im Geringsten,« antwortete Lord Henry, »nicht im Geringsten, mein lieber Basil. Du scheinst zu vergessen, dass ich verheiratet bin, und dass der Hauptreiz der Ehe darin liegt, dass sie beiden Teilen ein Leben der Täuschung zur Notwendigkeit macht. Ich weiß nie, wo meine Frau ist, und meine Frau weiß nie, was ich tue und treibe. Wenn wir beisammen sind – wir sind gelegentlich beisammen, wenn wir zu einem Diner eingeladen sind oder zum Herzog aufs Land fahren – so erzählen wir uns die verrücktesten Geschichten mit dem ernsthaftesten Gesicht. Meine Frau versteht das vorzüglich, ohne Frage besser als ich. Sie verwickelt sich bei den Tatsachen nie in Widersprüche, und bei mir kommt es beständig vor. Wenn sie mich aber ertappt, macht sie mir nie eine Szene. Ich wünschte manchmal, sie täte es. Aber sie lacht mich nur aus.«

 

»Ich kann die Art nicht leiden, wie du über deine Ehe sprichst«, sagte Basil Hallward und ging langsam auf die Tür zu, die in den Garten führte. »Ich glaube, du bist in Wirklichkeit ein ganz guter Ehemann und schämst dich nur immer über diese Tugend. Du bist überhaupt ein sonderbarer Kauz: du sagst nie was Moralisches und tust nie was Schlechtes. Dein Zynismus ist nichts als Pose.«

 

»Natürlichkeit ist immer eine Pose, und zwar die ärgerlichste Pose, die ich kenne«, rief Lord Henry lachend aus, und die beiden jungen Männer gingen zusammen in den Garten und ließen sich auf einer langen Bambusbank nieder, die im Schatten eines hohen Lorbeerbusches stand. Das Sonnenlicht flirrte tanzend über die glatten Blätter. Im Gras zitterten weiße Gänseblümchen.

 

Nach einer Weile zog Lord Henry seine Uhr: »Ich fürchte, ich muss gleich fort, Basil,« brummte er, »aber bevor ich gehe, musst du mir noch unbedingt die Frage beantworten, die ich vorhin an dich gerichtet habe.«

 

»Was war das?« sagte der Maler, die Augen fest zu Boden gerichtet.

 

»Na, du weißt doch.«

 

»Sicher nicht,...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2021
Reihe/Serie nexx classics – WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT
nexx – WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT
Verlagsort Villingen-Schwenningen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adonis • Dandy • Dekadenz • Englisch • Ewige Jugend • Gray • Kunst • Liebe • London • Lord Henry • Malerei • Männer • Oberschicht • Portrait • Porträt • Reichtum • Schönheit • Selbstinszenierung • Sinnlichkeit • viktorianisch • Wilde
ISBN-10 3-95870-387-9 / 3958703879
ISBN-13 978-3-95870-387-2 / 9783958703872
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 514 KB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Schauspiel in sechs Bildern

von Hansjörg Schneider

eBook Download (2021)
Diogenes (Verlag)
7,99