Die Briefe der Manns (eBook)

Ein Familienporträt
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
720 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403734-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Briefe der Manns -  Thomas Mann,  Katia Mann,  Erika Mann,  Klaus Mann,  Golo Mann,  Monika Mann,  Elisabeth Mann Borgese
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Erstmals veröffentlicht: Die Briefe der Manns mit über 100 unbekannten Briefen aus sechs Jahrzehnten Thomas Mann ist in sein Werk vertieft. Wenn der Literaturnobelpreisträger daraus auftaucht, nimmt er mit Witz und Neugier am Treiben seiner Familie teil. Katia Mann kümmert sich um alles. Die Mutter rät und ermutigt, schickt Geld und scharfe Worte - vor allem die Tochter Monika, die oft abseits steht, bekommt es immer wieder ab. Erika, Klaus, Golo, Monika, Michael und Elisabeth Mann: Sechs Kinder suchen ihren Platz in der weiten Welt, in die sie vor Hitler fliehen mussten. Ihre Briefe erzählen vom politischen Kampf und vom Schreiben, von Liebe und Eifersucht, von Erfolgen, Drogen und Unglück. Im Anschluss an den Bestseller ?Die Manns. Geschichte einer Familie?, der die berühmte Schriftstellerfamilie in neuem Licht gezeigt hat, legen Tilmann Lahme, Holger Pils und Kerstin Klein eine Auswahl von Familienbriefen vor: Die weitgehend unbekannten und ungedruckten Schreiben aus sechs Jahrzehnten zeichnen ein intimes und oft überraschendes Porträt der Familie des 'Zauberers'. Die Erfolge, der Witz und die Abgründe der Manns sind stets nur einen Satz entfernt.

Thomas Mann, 1875-1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.

Holger Pils ist Geschäftsführer der Stiftung Lyrik Kabinett in München und war u.a. Leiter des Buddenbrookhauses in Lübeck.Kerstin Klein war Mitarbeiterin und Kuratorin am Buddenbrookhaus. Zuletzt kuratierte sie als Projektleiterin die Ausstellung »Frauen schreiben Reformationsgeschichte« für die Nordkirche in Kiel.Tilmann Lahme studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Kiel und Bern. Er war Redakteur im Feuilleton der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und lehrt heute Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Familie Mann und hat 2009 eine vielgerühmte Golo-Mann-Biographie veröffentlicht. Für ›Die Manns. Geschichte einer Familie‹ hat er die gesamte, in großen Teilen unbekannte Familienkorrespondenz der Manns, die er gemeinsam mit Holger Pils und Kerstin Klein herausgegeben hat, ausgewertet.

›Die Briefe der Manns‹ sind spannendes Zeitdokument und intimes Familienporträt.

Es ist nicht übertrieben, von einer kleinen Sensation dieses Bücherherbstes zu sprechen

ein immer farbiges, manchmal schreckliches und manchmal beeindruckendes Familienporträt

Immer farbiges, manchmal schreckliches und manchmal beeindruckendes Familienbild.

Thomas Manns Verwandte scheinen von Sinnen gewesen zu sein, wenn sie einander schrieben. Wir aber verdanken heute ihrer Korrespondenz einen Sinnesrausch.

Ein Lesevergnügen […] ein Familienbild aus erster Hand, ein Dokument unterschiedlicher Temperamente und Anschauungen, der Vorlieben und Divergenzen

Diese Briefe, authentisch in ihrem oft originellen Ton, ergänzen den familienhistorischen Eindruck aufs Schönste

Ein einmaliges und faszinierendes Erbe ist, in ihrem Vielklang, diese Korrespondenz.

20 Katia Mann an Thomas Mann, mit Beilagen von Elisabeth und Michael Mann


München, 18. März 1925

 

Mein liebes Lamm:

Wenn Du diesen Brief bekommst, hast Du den größten Teil der Reise ja schon hinter Dir und bist gewissermaßen schon fast zuhause. Seltsam! Ich bin ja nun endlich auch wieder ein bißchen in Kontakt mit Dir, machte mir wegen des katastrophalen Wetters der letzten Zeit – und auch schon während meines Berliner Aufenthaltes hatten wir eigentlich die ganze Zeit Wind, Regen und Schnee – rechte Sorgen. Bis Kairo wenigstens scheint doch alles gut gegangen zu sein, und nun bist Du ja auch schon akklimatisiert. Ich bekam heute morgen Deinen (zweiten, nach dem ersten aus Catarro) langen Brief von Bord und gestern früh merkwürdiger Weise schon die spätere Bleistiftkarte aus Kairo. Daß ich Dir so fehle! Hätt’ es nicht gedacht, aber es tut mir doch sehr leid, wenn tatsächlich die Reise dadurch beeinträchtigt werden sollte. Mußt doch eine Menge bedeutender Eindrücke haben, aber der lange Brief klang auch garnicht recht fröhlich. Rückblickend wird es am Ende doch ganz schön gewesen sein. Weißt Du, Du fehlst mir auch recht, Du mein Pilz, und ich komme mir mit den beiden Kleinen im Haus doch recht einsam vor. Mädi ist ja wirklich ungewöhnlich lieb und zärtlich und gutartig, mein König ja leider recht problematisch, aber eben doch mein König, aber ich komme mir doch ein bißchen vor wie in Davos, weil ich mit niemandem reden kann. Denn reden kann ich doch eigentlich nur mit Dir. – Ich habe Dir ja zweimal nach Ägypten und einmal nach Konstantinopel geschrieben, aber es ist ja sehr fraglich, ob Du es bekommen hast. Sicher doch hoffentlich 4 und 5 nach Athen. Von Berlin würdest Du ja dann nicht viel gehört haben, wenn die ersten drei Briefe nicht angekommen sind, ich kann es aber doch nicht alles noch einmal schreiben, und es ist ja nun auch schon lange her. Aissi ist ja nun wohl in London, Eri bleibt bis Ende Mai im Deutschen Theater, ihre weiteren Pläne sind noch immer ganz unsicher. Gölchen kommt nun auch in den Osterferien nachhause, da der allgewaltige Hahn die italienische Reise plötzlich verboten hat. Er war recht betrübt darüber, ich habe aber nicht gehört, daß er sich in Eddy ergossen hätte, und er wird die Osterferien im üppigen Elternhaus schon auch genießen. Die Garage ist ja nun so weit fertig, daß das Auto wieder darin stehen kann, ganz fertig kann sie wohl erst gemacht werden, wenn der strenge Frost einmal gebrochen sein wird. Dieser März-Winter ist ja wirklich sonderbar. Augenblicklich ist ja eigentlich rechtes Davoser Wetter, in der Früh sechs Grad Kälte Réaumur, und Mittags prachtvolle Sonne. Ich war auch mit den Kindern beim Rodeln, wie in alten Zeiten, und es war so schön wie in St. Moritz, und nachmittags liege ich auf dem Balkon. Das Auto habe ich zwei oder dreimal benutzt, es lief so schön wie ein Audi und Ludwig ist auch ganz ordentlich und vorsichtig gefahren. Aber das Putzen! Die Arbeitsscheu dieses Jünglings bringt mich um, und daß er eine Freundin hat mit Bubikopf, die ihm mit »Bübchen« unterschriebene Ansichtskarten »aus die Bergen« schreibt, vermag mich auch nicht milder zu stimmen. Die Damen ärgern mich auch durch malkontentes, unverschämtes Wesen. An der Präsidentenwahl wollen sie sich unter keinen Umständen beteiligen, weil dieser Staat nicht genug für seine Bürger tue. Was er genau genommen für die Damen Tina und Emilia tuen sollte, ist mir ja nicht ganz klar, vielleicht wäre es seine Pflicht gewesen, ihnen goldene Staatsgebisse zu stiften. Die hohe Schule habe ich noch nicht bezogen, will erst klares Wetter abwarten. Aber das ärztliche Zeugnis habe ich mir gestern schon geholt, und der Arzt war ja geradezu begeistert von der Schärfe meiner Sinne: kann es geradezu mit Krull aufnehmen. – Samstag abend hatte ich den Besuch von Vochel. Er schmauste ganz wacker und war ja ganz behaglich, freute sich auch recht mit Patchen. Wir plauderten über Wandrey, den er inzwischen gelesen, auch von Schelers Begeisterung erzählte er noch ausführlicher, politisierte in bekannter Art und wird, im Gegensatz zu den Damen, Jarres wählen. Ich Marx. – Dann verbrachte ich freundlicher Weise einen Abend bei Hündchen, die uns feines Essen in Aussicht gestellt hatte. Aber es gab tatsächlich fast nichts als vier Scheibchen rohen Schinken; von einer sehr feinen Crème war noch die Rede, die es Mittags gegeben hatte, von der aber entgegen Hündchens Erwartungen nichts übrig geblieben war. Sie will, wenn es die Gesundheit der alten Hündin erlaubt, jetzt auf drei Monate in den Süden, und hat Aussicht, auf diese Zeit das Haus sehr vorteilhaft zu vermieten, was sie scheinbar recht gut brauchen kann. Dann war ich gestern noch mit der Offi bei Lula zum Thee, die sich in passabler Verfassung zu befinden schien. Das waren wohl so meine Erlebnisse. Viko hat auch das Seine schon erhalten, und sich telefonisch sehr bedankt. Beim seligen Jof wäre ihm das Gänglein ja allerdings auch saurer geworden. Heinrizis werden auch in 14 Tagen zurück erwartet, und der Roman erscheint wohl nächstens. Kobes, das nun in der letzten Rundschau stand, hat mir ja nicht sonderlich gefallen können, solch phantastische Grotesksatyre von [unleserlich] Lügenhaftigkeit. Brunoneken fand es ja abscheulich. Hat übrigens mit seinem Friedrich einen sehr hübschen Erfolg, schon 25 Tausend, was er nicht zum mindesten der prächtigen Leibbinde verdankt. (Schrieb ich’s am Ende schon?, aber dann hast Du’s vielleicht doch nicht gelesen: d.h. ich denke mir, wo wir so weit getrennt sind, liest Du diesmal meine Briefe gewiß doch.) – Viel zu tun habe ich immer mit der Ablehnung von Oster-Ehrenämtern. An Brüll habe ich auch vorläufig geantwortet, ihm herzlich für die geplanten Ehrungen gedankt; über den Dir gemäßen Zeitpunkt konnte ich natürlich nichts sagen, nahm nur an, daß Du zunächst reisemüde und zur Ausarbeitung eines Vortrags für Wien nicht recht imstande sein würdest. Die ungarische Übersetzung von Buddenbrooks ist auch gekommen, und ein Teil des Honorars: sie baten mit Rücksicht auf die schlimme Lage in Ungarn das übrige bis Juni zu stunden, was ich großmütig konzedierte. Die letzten Tage war eher Postebbe, sodaß ich nicht sehr viel nachschicke. – Oper höre ich auch manchmal, eben einen Akt Bohème, neulich eine schöne Walkürenaufführung, wobei ich recht an Dich denken mußte. Aber der Feuerzauber klang schlecht. Sonntag gehe ich aber in die echte Oper, nämlich mit alten Fays in Aida, mit dem Ensemble der Mailänder Skala. – Mit der Reisegesellschaft scheinst Du es ja nicht besonders getroffen zu haben. Heute rief Ponten nach Deiner Adresse an, und erkundigte sich sehr angelegentlich, ob Du auch jemandem seinen Bleistift zurück gebracht hättest. Aber dazu scheinen sich doch weder Frau Kommerzienrat, noch auch Frau Krupp, trotz ihrer freien Ansichten, zu eignen. Oder hast Du mir vielleicht jemanden verschwiegen? Das feine Plänchen mit Ponten kann ich nun leider nicht ausführen, da er heute auf 14 Tage nach Lübeck, Hamburg und Berlin fährt. Und auch sonst hätte ich nicht die mindeste Gelegenheit. – Nun ists aber genug, sonst liest Du den Brief doch nicht. Mädi war heute mit etwas Schnupfenfieber im Bett, ist aber ganz unbedeutend. Als ich den Kindern gestern erzählte, das Herr Papale wolle nie wieder ohne das Mielein reisen, fragte der Bibi wißbegierig: »Ist er mehr ärgerlich oder mehr traurig?« Wie steht es wohl damit. Aber ich kann gar nichts dafür.

ABB. 4Elisabeth und Michael Mann beim Spiel mit dem Schäferhund Lux

Auf Wiedersehen Lieber, kommst ja bald angehüpft.

Deine Häsin

Die Photographien hatte Gogele angefertigt, das ist ja immerhin ganz nett von ihr.

Im B.[erliner] T.[ageblatt] stand, daß der Schriftsteller und Pensionsbesitzer Sprung wegen Vergehen an Schülerinnen zu 1 ½ Jahren Gefängnis verurteilt ist; der Ärmste!

Daß Frau B. in die Schar der Witwen eingetreten ist, lasest Du wohl; solltest ihr wohl ein paar Zeilen schreiben. Ich habe es vorläufig schon getan, und sie hat sich so herzlich bedankt, weil er immer so eine große Liebe für Dich gehabt hätte. Das hatten wir ja auch immer bemerkt. Das Ende soll ganz schnell gewesen sein. Daß Sauter hingegen Witwer geworden, ist doch auch sehr schade. Und wie mag sich der nette Jüngling so verwaist vorkommen?

 

[Beilage von Elisabeth Mann an Thomas Mann, von Katia Manns Hand:]

Herrliches Herr Papale:

Bei was für einem Meer fährst Du? Ist es auch so ein großer weißer Dampfer oder ist es ein anderer? Wir sind schon öfters mit dem Mieleinle Auto gefahren, und da sind wir immer abwechselnd beim Ludwig am Steuer gesessen. Wir haben manchmal den Arm ausgestreckt, wenn wir bei einer Kurve in der Stadt gefahren sind. Und ich hab schon allein die ganze Hexe Gruselt sehr gelesen. Das Mieleinle hat uns von Berlin Scherenschleifer und Kanonen mitgebracht, und die Scherenschleifer geben Funken, aber keine, die brennen. Ich hab nicht selbst geschrieben, weil ich im Bett liege, weil ich erkältet bin und bisl Fieber habe. Kuß.

Deine Mädi.

 

[Beilage von Michael Mann an Thomas Mann, von Katia Manns Hand:]

Lieber Herr Papale: Hoffentlich geht es Dir recht gut. Die Mädi liegt im Bett. Hoffentlich gefällt es Dir recht gut. Ich hab leider gestohlen, ich tue es aber nicht mehr. Die Mädi schreibt schon in der Schule mit Tinte. Wir...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2016
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Schlagworte Anspruchsvolle Literatur • Briefband • Familie • Familienalbum • Geschicht • Geschichte • Korrespondenz
ISBN-10 3-10-403734-5 / 3104037345
ISBN-13 978-3-10-403734-9 / 9783104037349
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