Auckland (eBook)

Hörspiele
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
332 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403447-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Auckland -  Ilse Aichinger
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»Doch doch (...) Ich glaube wir kommen voran« ?Auckland? versammelt sämtliche Hörspiele Ilse Aichingers und macht ihre beeindruckende Entwicklung von der scharfen, aber auch noch relativ geschlossenen Dialogtechnik in ?Knöpfe? (1953) über das schwebende Spiel der Stimmen in ?Besuch im Pfarrhaus? (1961) bis zur Offenheit von ?Auckland? (1969) und zur zärtlichen Radikalität von ?Gare maritime? (1976) nachvollziehbar. »Diese Welt und diese Gesellschaft, in der die Wertmaßstäbe der Effektivität, der ungeduldigen Nützlichkeit ausschließlich zu werden drohen, könnte die Chance ihrer Erneuerung bei denen haben, die sie unnütz nennt« (Ilse Aichinger).

Ilse Aichinger wurde am 1. November 1921 in Wien geboren. 1948 veröffentlichte sie ihren Roman über die Kriegszeit in Wien, »Die größere Hoffnung«, und ihre ersten berühmten Geschichten. Für ihren Roman, ihre Gedichte, Hörspiele und Prosastücke, die in viele Sprachen übersetzt wurden, erhielt sie zahlreiche literarische Auszeichnungen, u. a. 1952 den Preis der Gruppe 47, 1982 den Petrarca-Preis, 1983 den Franz-Kafka-Preis, 1995 den Österreichischen Staatspreis für Literatur und 2015 den Großen Kunstpreis des Landes Salzburg. Ilse Aichinger starb am 11. November 2016 im Alter von 95 Jahren.

Ilse Aichinger wurde am 1. November 1921 in Wien geboren. 1948 veröffentlichte sie ihren Roman über die Kriegszeit in Wien, »Die größere Hoffnung«, und ihre ersten berühmten Geschichten. Für ihren Roman, ihre Gedichte, Hörspiele und Prosastücke, die in viele Sprachen übersetzt wurden, erhielt sie zahlreiche literarische Auszeichnungen, u. a. 1952 den Preis der Gruppe 47, 1982 den Petrarca-Preis, 1983 den Franz-Kafka-Preis, 1995 den Österreichischen Staatspreis für Literatur und 2015 den Großen Kunstpreis des Landes Salzburg. Ilse Aichinger starb am 11. November 2016 im Alter von 95 Jahren.

Straße, starker Regen

JOHN

Hast du es heute wieder gehört, Ann?

ANN

Ja. Wie immer. Kurz bevor ich wegging.

JOHN

Und die andern? Hören die es auch?

ANN

Jean sagt, man gewöhnte sich so daran, daß man es zuletzt nicht mehr hört. Sie ist schon zwei Jahre in der Abteilung und hört es fast nicht mehr. Und auch Rosie sagt, sie hätte zuerst Angst davor gehabt.

Jetzt hat sie keine mehr.

JOHN

Und du?

ANN

Mir wird es auch so gehen. Zuerst werde ich keine Angst mehr haben und zuletzt höre ich es gar nicht mehr. Und dann ist alles gut.

JOHN

Ja, meinst du?

ANN

Jean sagt, wir sollten uns hüten, uns darüber zu beschweren. Die Mädchen in den andern Abteilungen werden immerfort entlassen, und wenn wir die Zwirn- oder Elfenbeinknöpfe hätten, wären wirs auch schon. Nur weil wir bei den schönen Knöpfen sind, werden wir noch gehalten. Als John nichts antwortet, eifriger Jean sagt auch, wenn es auf die Zwirnknöpfe oder auf die Elfenbeinknöpfe oder auf sonst etwas ankäme, müßten wir längst schließen. Nur wegen der schönen Knöpfe läuft der Laden weiter.

JOHN

Und deshalb dürft ihr nicht fragen, weshalb die Wand abbröckelt?

ANN

Es ist nicht die Wand, es ist hinter der Wand, John. Rosie meint, es hinge vielleicht mit der Herstellung zusammen. Aber es ist besser, nicht zu fragen, sonst denkt der Alte, wir wollten dahinterkommen.

JOHN

Ich würde gern einmal einen von diesen Knöpfen sehen.

ANN

Schön sind sie. Sie glänzen auch, wie andere Knöpfe nicht glänzen. Wenn ich sie angreife, denke ich manchmal, ich könnte sie wie Früchte zwischen meinen Fingern pressen, aber sie sind ganz hart. Wenn ein Knopf eine Farbe hat, so hat er doch die andern Farben alle auch. Und einer von ihnen kostet mehr als mein Wochenlohn. Nach einem Augenblick Aber ich kann keinen nach Hause nehmen, auch wenn ich ihn am nächsten Tag zurückbrächte. Sie würden es merken.

JOHN

Dann will ich einen kaufen und dir schenken, Ann.

ANN

Nein, ich will keinen haben. Ich hätte immer das Gefühl, ich trüge etwas Fremdes auf mir.

JOHN

Etwas Fremdes?

ANN

Und für soviel Geld! Ein ganzer Wochenlohn.

JOHN

Ich wollte, du brauchtest keinen Wochenlohn mehr, Ann, und du müßtest nie mehr dorthin gehen.

ANN

nachdenklich Ja, das möchte ich auch.

JOHN

Aber der Regen läßt jetzt nach, komm weiter!

ANN

Was ich sagen wollte, John: dieses Geräusch im Laden, es klingt doch nicht ganz wie Regen. Eher wie Hagel. Oder wie das Prasseln von Feuer.

Raum in der Fabrik. Das Geräusch hinter der Wand

ANN

Schon wieder.

ROSIE

Das höre ich gar nicht mehr. Und wenn du einige Zeit hier bist –

ANN

Und wenn ich zehn Jahre hier wäre, ich würde immer neu erschrecken.

ROSIE

Das denken alle zu Beginn. Ich hätte mir noch vor sechs Wochen nicht denken können, daß ich nicht erschrecke.

JEAN

Wenn ihr einmal zwei Jahre in einer Abteilung seid. Ich glaube, ich würde erschrecken, wenn ich es nicht mehr hörte.

ANN

Und zu Beginn?

JEAN

Ich weiß nicht mehr, wie es da mit mir war. Gähnt

ANN

Aber das muß doch – verwirrt es muß doch möglich sein, daß man zu irgend jemandem geht und ihn fragt. Vielleicht ist alles ganz einfach.

JEAN

Möglich.

ANN

Vielleicht wissen es sogar Bill oder Jack. Wenn jemand Vertreter ist –

JEAN

Ja, sicher wissen sie’s. Vermutlich hängt es mit der Herstellung zusammen.

ANN

Und du hast nicht gefragt, Jean? Die ganzen zwei Jahre hast du nicht gefragt?

JEAN

Weil es mich nichts angeht. Die Herstellung ist geheim. Ich will nicht entlassen werden.

ANN

Du bist doch gut mit Bill?

JEAN

Und ich will es auch bleiben.

ROSIE

Vielleicht werden die Knöpfe gebrannt.

ANN

Vielleicht.

ROSIE

Oder gedreht. Aber wir haben schon lange kein neues Modell gehabt, Jean.

JEAN

Das letzte war gerade neu, als ich kam.

ROSIE

Elisabeth.

ANN

Ist das der blaue Knopf?

JEAN

Kurz vorher waren auch Silvia und Vernon entstanden.

ANN

Und du warst hier allein?

JEAN

Bis Rosie kam.

ANN

Und hattest keine Angst? Ich meine, als du es zum erstenmal hörtest, Jean?

JEAN

Bill hat mir gleich Gesellschaft geleistet, und auch Jack. Nein, ich glaube, ich hatte keine Angst.

ANN

Auch nicht ganz zu Beginn?

JEAN

nachdenklich Ganz zu Beginn?

Anderer Raum

BILL

Sie sind das neue Fräulein?

JEAN

Ich – ich glaube, ja.

BILL

Glück gehabt.

JEAN

Ich bin auch glücklich.

BILL

In den andern Abteilungen werden alle entlassen, nur hier –

JEAN

Ist diese Abteilung hier eine besondere?

BILL

Für Schmuckknöpfe, ja. Meiner Meinung nach die einzige, die zuletzt bleiben wird. Aber Sie haben gar nichts Besonderes zu tun. Nur Knöpfe zu sortieren und dann zu zählen.

JEAN

Schöne Knöpfe.

BILL

Sie haben alle Namen. Dies ist Vernon. Und das ist Elisabeth. Und hier sind die Fächer, wo sie hineinkommen.

JEAN

Ich glaube, ich finde mich bald zurecht.

BILL

Um so besser. Ich heiße Bill und bin Vertreter.

JEAN

Ich heiße Jean.

BILL

Dann – auf gutes Einvernehmen, Jean!

JEAN

Das hoffe ich.

BILL

Wir werden oft miteinander zu tun haben.

Raum wie vorher. Das Geräusch hinter der Wand

JEAN

Was war das eben?

ANN

Jetzt bist du erschrocken, Jean!

JEAN

Ich führte nur in Gedanken ein Gespräch mit Bill. Mein erstes Gespräch noch einmal.

ROSIE

Als ich kam, empfing mich Jack.

JEAN

Und wahrscheinlich sagte er dasselbe.

ANN

Ich möchte wissen, weshalb es hier so heiß ist. Manchmal dreht sich mir alles.

ROSIE

Von den elektrischen Öfen, es ist diese trockene Hitze.

JEAN

Ihr könnt froh sein, daß ihr’s warm habt.

ANN

Und was mit den vielen Knöpfen geschieht, die wir täglich ordnen; was der Alte damit macht.

JEAN

Wenn er einen verkauft, lebt er lange davon. Bill sagt, allein die Provision –

ANN

Aber die andern?

JEAN

Darum mach dir keine Sorgen, Ann!

ANN

Ich frage mich: woher kommen die Knöpfe?

Auf der Straße

JOHN

Und woraus werden sie gemacht, Ann?

ANN

Aus Zwirn und Schildpatt und Elfenbein.

JOHN

Ich meine die in eurer Abteilung.

ANN

Wenn ich das wüßte!

JOHN

Und wenn du sie anrührst, wenn du sie zwischen den Fingern hältst, tausendmal jeden Tag?

ANN

Dann weiß ich auch nur, woraus sie nicht sind, John.

JOHN

Aber es muß doch etwas geben, mit dem du sie vergleichen kannst. Wie aus Holz oder Glas –

ANN

Als nähme ich Kirschen vom Baum und sie wären alle rot und steinhart. Und ich möchte sie zwischen Zunge und Gaumen wärmen und wieder Früchte werden lassen und kann es doch nicht, weil ich sie zählen muß. Aber ich rede Unsinn. Jean war heute sehr müde, und ich bin’s jetzt auch. Sie muß mich angesteckt haben.

JOHN

Wenn es kein Unsinn wäre?

ANN

Wir müssen froh sein –

JOHN

Wenn ich froh bin, Ann, bin ich’s lieber freiwillig.

ANN

Ach Gott, John!

JOHN

Du bist anders heute. Auch dein Gesicht.

ANN

Es ist nur dunkler geworden. Das wenige Licht von vorhin ist auch verschwunden.

JOHN

Wir wollen gehen. Aber bring morgen einen Knopf mit, Ann, bring einen mit!

Raum in der Fabrik

ROSIE

June – Margaret – Vernon – June – June – June –

ANN

Hör auf, Rosie.

ROSIE

Ich zähle nur laut.

ANN

Zähl leise.

ROSIE

Weshalb?

ANN

Weil es immer klingt, als riefst du nach jemandem. Du könntest ebensogut sagen Ann – Ann – Ann.

ROSIE

Ann – Ann – Ann –

JEAN

Weshalb auch nicht?

ANN

Oder Jean.

ROSIE

Jean –...

Erscheint lt. Verlag 6.10.2015
Reihe/Serie Ilse Aichinger, Werke in acht Bänden (Taschenbuchausgabe)
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Auckland • Dialog im Pfarrhaus • Drama • Gare maritime • Hörspiel • Knöpfe • Theaterstück
ISBN-10 3-10-403447-8 / 3104034478
ISBN-13 978-3-10-403447-8 / 9783104034478
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