Cottage mit Kater (eBook)

Roman
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2015 | 1., Originalausgabe
240 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-74129-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Cottage mit Kater - Hermien Stellmacher
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Schwere Zeiten für die Krimiautorin Nora: die Mutter gestorben, der Lebensgefährte auf und davon. Da kommt ihr die Einladung in ein Cottage an der Küste Cornwalls gerade recht. Endlich alles hinter sich lassen, Spaziergänge durch leuchtend bunte Blumenwiesen, Sonnenuntergänge am Strand und in Ruhe schreiben - wunderbare Aussichten! Doch wieder einmal macht das Leben ihr einen Strich durch die Rechnung. Ein kleiner Kater, den sie von einer Klippe rettet, weicht ihr fortan nicht mehr von der Seite. Immer wieder schmuggelt er sich heimlich ins Haus und wirbelt ihren Alltag durcheinander. Mit dem neuen Manuskript geht es auch nicht wie erhofft voran. Es ist zum Verzweifeln! Aber da ist noch Phil, der nette, gut aussehende Nachbar, der immer wieder seine Hilfe anbietet.

<p>Hermien Stellmacher, geboren 1959, wuchs in Amsterdam auf. Im Alter von 15 Jahren zog sie nach Deutschland. Sie illustrierte zahlreiche Kinder- und Jugendb&uuml;cher. Seit einigen Jahren schreibt sie haupts&auml;chlich f&uuml;r Erwachsene, zum Teil unter dem Pseudonym Fanny Wagner. Wenn sie nicht gerade in der Provence weilt, lebt sie mit ihrem Mann und zwei Katern in einem kleinen Dorf in der Fr&auml;nkischen Schweiz.</p>

2


Als ich am nächsten Morgen vom Gesang einer Amsel geweckt wurde, glaubte ich zuerst in Berlin zu sein. Bis ich die Augen aufschlug und das Bild neben mir an der Wand sah.

Es war eine alte gerahmte Landkarte von der Halbinsel, »The Lizard«, auf der ich mich hier befand. Ich stopfte das Kissen unter meinem Kopf zurecht und las leise die geheimnisvoll klingenden Namen vor.

Housel Bay, Bass Point, Bumble Rock, the Devil's frying Pan.

Namen, die in einer alt anmutenden Handschrift rund um Englands südlichste Spitze platziert waren. Namen, die neugierig machten.

Die Amsel verstummte, und damit war auch Schluss mit den Parallelen zu Berlin. Musste ich dort nun das Schlafzimmerfenster schließen, um den anschwellenden Verkehrslärm auszusperren, begann hier die Schicht der Möwen. Neugierig, ob es einen bestimmten Anlass für ihr Gekreische gab, stellte ich mich ans offene Fenster und beobachtete die Vögel. Doch das Geschrei schien eher einem lockeren Austausch von Neuigkeiten zu entsprechen, wie es in Firmen in der Kaffeeküche üblich war.

Damit war das Stichwort gefallen. Ich machte mir einen starken Kaffee, setzte mich mit der Tasse und einem Marmeladentoast in den bequemen Korbstuhl im Wintergarten und sah zu, wie die Sonne höher und höher stieg.

Heute würde ich mich von der Fahrt erholen. Lesen, aus dem Fenster schauen und mich über die Tatsache freuen, dass das Telefon im Flur keine alarmierenden Nachrichten verbreiten konnte. Niemand hatte die Nummer.

 

Trotz Phils Einkäufen und Pauls ausdrücklicher Aufforderung, mich in seiner Speisekammer zu bedienen, beschloss ich, dem kleinen Laden oben an der Straße einen Besuch abzustatten. Wie die meisten Läden in England hatte das Geschäft auch sonntags geöffnet, und ich war gespannt, was es dort so alles gab. Außerdem wollte ich meinem eingerosteten Wortschatz mit Hilfe englischer Zeitungen auf die Sprünge helfen.

Die Straße im Dorf war gesäumt von Cottages mit bunten Gärten. Gab es in Deutschland Margeriten in armseligen Töpfchen zu kaufen, wuchsen die Pflanzen hier als große Sträucher, neben riesigen Fuchsien, die ihre Blütenkaskaden über die Natursteinmauern hängen ließen.

Ich war von den Farben so fasziniert, dass ich mein Ziel fast verpasst hätte. Was sicher auch daran lag, dass der Laden von außen wie ein normales Wohnhaus aussah. Das kleine Schaufenster war vollgepackt mit Teddybären, bunten Fähnchen und Kinderzeichnungen, davor stand eine Bank. Lediglich eine Schiefertafel informierte darüber, dass es hier hot pasties, wahlweise mit einer Fleisch- oder einer Käse-Zwiebelfüllung gab. Sonst wurde nicht verraten, was mich im Inneren erwartete.

Als ich durch die Tür trat, wusste ich auch warum: Für diese Mischung gab es keinen passenden Ausdruck. Die ersten Meter entsprachen in etwa dem, was in solchen Geschäften üblich ist: eine kleine Kühltheke mit Käse und Wurst und Kisten mit Obst und Gemüse. Daneben stapelten sich Körbe mit Weißbrot. Doch dann wurde es kreativ: Kerzenständer und Vasen wechselten sich mit Fischkonserven und Hobbygemälden ab, Marshmallows, Schokoriegel und Whiskeyflaschen teilten sich das Regal mit Katzenfutter, Landkarten und Sonnenschutzmittel. Strandspielsachen und hausgemachte Marmeladen waren neben verschiedenen Sorten Kartoffelpüree und Chips platziert. Von der Decke hing ein großes Fischernetz, auf dem aufblasbare Plastikungeheuer drapiert waren.

Unwillkürlich sah ich mich nach einem Schild um, das darauf hinwies, dass bereits jemand hier seine Doktorarbeit zum Thema »Die friedliche Co-Existenz verschiedenster Warengruppen und ihre Auswirkung auf das Kaufverhalten« verfasst hatte.

»May I help you, dear?« Eine Frau mit Lockenwicklern im Haar stand an der Kasse und beobachtete mich.

»Ich hätte gerne eine Zeitung«, sagte ich.

»Gleich um die Ecke!« Sie machte eine Drehbewegung mit der Hand und ging mir munter plappernd voraus. »Ich habe auch noch Zeitschriften, aber nicht allzu viele, denn wie Sie sehen, ist es hier ziemlich eng, Sie machen hier wohl Urlaub, hoffentlich hält das Wetter noch, gegen Abend wird es regnen, auch wenn der Wetterbericht etwas anderes vorhersagt.«

Während ich mühsam versuchte, diese Flut an Informationen zu verarbeiten, hatten wir unser Ziel erreicht.

»There we are!« Stolz präsentierte sie mir das Gestell mit den Tageszeitungen, das sich in trauter Gesellschaft mit Postkarten, Ketchup, Brown Sauce und Barometer befand. »Wenn Sie mich brauchen, ich bin vorne an der Kasse, gleich kommt die frische Pasty-Lieferung, und ich muss ein paar für Mr Parker zur Seite legen, wo wohnen Sie denn?«

»Im Cove View«, sagte ich. Was einen Rattenschwanz an lobenden Bemerkungen über Paul nach sich zog, bis wir unterbrochen wurden. An der Tür rief jemand nach Mrs Ashe, und sie ließ mich allein.

Als ich glaubte, alle Mysterien dieses Ladens entdeckt zu haben, wurde ich kurz vor der Kasse eines Besseren belehrt. Ich stieß auf eine beeindruckende Auswahl von Wasserpistolen. Vom Kleinkaliber bis hin zur Riesenpumpgun war alles dabei. Daneben hing ein vergilbter Zettel mit dem Hinweis: »Die Weihnachtsbeleuchtung wird vom 8. Dezember bis zum 5. Januar eingeschaltet. Sofern sie nicht vorher weggepustet wird.«

Ich ließ mir eines der duftenden Pastys einpacken, zahlte und versprach Mrs Ashe, bald wiederzukommen. Dann ging ich nach Hause, grübelnd, welchen Zusammenhang es zwischen den Pistolen und dieser Nachricht geben könnte.

 

Nachdem ich den restlichen Tag mit Lesen und Dösen verbracht hatte, breitete ich meine Arbeitsunterlagen auf dem neuen Schreibtisch aus und schloss mein Laptop an. Kurz darauf war ich mit der Welt verbunden und hatte eine Mail von meiner Freundin Alex auf dem Schirm:

 

Liebe Nora,

bist Du gut am Ende der Welt gelandet? Fühlst Du Dich wohl in Pauls Haus? Und ist Cornwall so schön, wie es alle erzählen? Lass mal kurz hören.

Wir haben uns letzte Woche doch über »Fallhöhen im Roman« unterhalten, erinnerst Du Dich? Jetzt bin ich über einen interessanten Artikel gestolpert, ich hänge Dir den Link dran. Vielleicht ist er interessant für Dich.

Hier im Büro geht die Post ab, aber das ist ja nichts Neues. Wundere Dich also nicht, wenn ich Dir nicht immer sofort antworte. Bin sehr viel unterwegs und abends oft nicht mehr in der Lage, mich im ABC zurechtzufinden … Bin froh, wenn mein Chef im nächsten Monat in Urlaub fährt, dann komme ich wenigstens mal zu den Sachen, die hier erledigt werden müssen. Pass auf Dich auf!

Alles Liebe, Deine Alex

 

Ich antwortete ihr rasch, dann überflog ich den Artikel. Anhand verschiedener Beispiele wurde aufgezeigt, wie man geschickt mit den Emotionen von Lesern spielen kann. Und zwar, indem man nach und nach die dunkle Seite einer Figur ans Licht bringt, die anfangs eine durchweg positive Rolle gespielt hat.

»Vielleicht ist das was für Walter Millar«, sagte ich, während ich mein Laptop zuklappte. »Aber das hat Zeit bis morgen.«

Gelesen hatte ich vorerst genug. Zeit, ein Stück an der Küste entlangzugehen. Ich zog Wanderschuhe und Fleecejacke an, wickelte mir ein langes Tuch um den Hals und trat vor die Tür.

Die Straße zum Hafen schlängelte sich steil nach unten. Auch hier reihte sich Cottage an Cottage, deren Reetdächer wie dicke Decken tief über die strahlend weißen Außenmauern hingen. Rosen und Clematis rankten sich an den blau und dunkelrot gestrichenen Türen empor.

Die Kommunikationslust der Möwen hatte nachgelassen. Nur wenige flogen noch schreiend herum. Die meisten saßen in langen Reihen nebeneinander auf den Dächern und bewegten die Köpfe hin und her, als würden sie ein Tennisspiel verfolgen.

Es war kaum jemand unterwegs. Vielleicht weil die Sonne, die am Tag tapfer die Stellung gehalten hatte, hinter dicken Wolken verschwunden war. Ich wickelte den Schal fester um den Hals und folgte dem Wegweiser zum Coast Path, einem Wanderweg, der an der Küste entlangführte.

Der Weg stieg steil an, und mit jedem Schritt wurde ich daran erinnert, wie schlecht meine Kondition geworden war. Doch die Aussicht, die sich mir während den Verschnaufpausen bot, war berauschend.

Sobald ich die letzten Häuser hinter mir gelassen hatte, wurde der Weg schmal und schlängelte sich bergauf, bergab am Meer entlang. Mal wurde er von blühenden Hecken gesäumt, mal gab er den Blick auf das Meer frei, um im nächsten Augenblick wieder in einen grünen Tunnel zu verschwinden. Einige der großen Steine, die aus dem Boden ragten, glänzten wie poliert, und ich fragte mich, wie viele Füße wohl schon über sie hinweggegangen waren. Mit jedem Meter, den ich zurücklegte, konnte ich freier und tiefer durchatmen. Keine Spur vom Asthma, mit dem ich in den vergangenen Jahren immer wieder zu kämpfen hatte.

Je höher ich den Weg hinaufstieg, umso leiser wurden die Wellen. Dafür war ich umringt von summenden Insekten und zwitschernden Vögeln, die in den dichten Hecken lebten. Auch die Gerüche änderten sich immer wieder. Mal wehte mir der Duft von blühendem Geißblatt in die Nase, mal roch ich die salzigen Algen auf den Felsen weit unter mir.

Der Wind nahm zu, und die Sonne kam hinter den Wolken hervor. Sofort schillerte das Meer in leuchtenden Türkistönen. Davor purpurfarbener Fingerhut und Kuckucksnelken in Pink. Ein Kontrast, der schöner nicht sein konnte.

Nachdem ich eine Weile oben auf einem Plateau...

Erscheint lt. Verlag 6.7.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 50plus • Best Ager • Cornwall • Fanny Wagner • Frauenroman • Frauenunterhaltung • Generation Gold • Golden Ager • insel taschenbuch 4388 • IT 4388 • IT4388 • Kater • Katze • Katzen • Katzenbücher • Liebe • Moritz Moppelpo • Muttertag • Neuanfang • Rentner • Rentnerdasein • Ruhestand • Senioren
ISBN-10 3-458-74129-1 / 3458741291
ISBN-13 978-3-458-74129-9 / 9783458741299
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