Herzrasen kann man nicht mähen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Alles über unser wichtigstes Organ
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
304 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1185-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Herzrasen kann man nicht mähen -  Johannes Hinrich von Borstel
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Johannes Hinrich von Borstel studiert Medizin und hat sich auf das Herz spezialisiert. Nebenbei ist er aber auch einer der besten Science-Slammer Deutschlands. Er kann Herzerkrankungen tanzen und uns im Rhythmus von »Highway to Hell« die perfekte Reanimation präsentieren. Parallel zu seiner Dissertation arbeitet er als Rettungssanitäter - ein Großteil seiner Einsätze sind wahre Herzensangelegenheiten. Anhand vieler Geschichten aus der Praxis vermittelt er uns in diesem Buch seine Begeisterung für das Wunderwerk des Herz-Kreislauf-Systems. Er beschreibt, wie wir unserem Herzen etwas Gutes tun und uns damit fit und gesund halten können, erzählt vom 'Broken-Heart-Syndrom' - von Menschen, die tatsächlich an einem gebrochenen Herzen sterben - und erklärt, wie Sex uns vor Arteriosklerose schützen kann.

Johannes Hinrich von Borstel, geb. 1988, forscht für seine molekularkardiologische Dissertation. Er studiert Humanmedizin in Marburg, arbeitet als Rettungssanitäter und steht seit 2013 regelmäßig auf deutschen Science-Slam-Bühnen.

Wer schreibt? Johannes Hinrich von Borstel, geb. 1988, forscht für seine molekularkardiologische Dissertation und ist Science-Slammer. Er studiert Humanmedizin in Marburg, nebenbei arbeitet er als Rettungssanitäter und seit 2013 steht er regelmäßig auf deutschen Science-Slam-Bühnen.

EINLEITUNG


Jeder hat eine ungefähre Vorstellung davon, was ein Herzinfarkt ist. Er ist ziemlich ungesund, verursacht meist Schmerzen in der Brust und man bekommt schlecht Luft. Nicht selten sorgt er sogar dafür, dass unser Herz, dessen Aufgabe es ist, Blut durch unsere Adern zu pumpen, seinen Dienst komplett quittiert. Gar nicht gut. Schließlich sorgt dieser Muskel dafür, dass jeder noch so entlegene Winkel unseres Körpers, von der Kopfhaut bis zum kleinen Zeh, mit nähr- und vor allem sauerstoffreichem Blut versorgt wird. Das ist, ganz klar, überlebenswichtig für uns Menschen.

Unterbräche man etwa den Blutstrom vom Herzen zum Gehirn nur für wenige Sekunden, so wäre das, als hätten wir einen mit dem Knüppel auf den Schädel bekommen: Wir würden bewusstlos zusammenklappen und ob unser Denkzentrum danach noch mehr als Wackelpudding ist, wäre zumindest zweifelhaft. Denn unser Gehirn verträgt Sauerstoffmangel überhaupt nicht gut. Deshalb schlägt das Herz – zwar mal schneller und mal langsamer, und manchmal scheint es sogar kurz innezuhalten – durchschnittlich 100 000 Mal am Tag. Dabei bewegt es jedes Mal, wenn es sich zusammenzieht, ungefähr 85 ml Blut, also etwa 8500 Liter pro Tag. Wir bräuchten einen Tanklaster, um solch eine Menge Flüssigkeit durch die Gegend zu bewegen. Eine beeindruckende Leistung!

Ein Herzinfarkt war der Grund dafür, dass ich meinen Opa Hinrich nie kennenlernen durfte. Über ein Jahrzehnt vor meiner Geburt starb er, nachdem er unter Schmerzen in der Brust und mit Atemnot zusammengebrochen war. Jedes Mal, wenn ich sein großes Schwarzweißbild im großmütterlichen Wohnzimmer sah, fragte ich mich, wie es wohl gewesen wäre, ihn kennenzulernen. Dabei sah er auf den Bildern im Familienalbum doch so stark aus!

Ich verstand nicht, wie eine so kleine Sache solch einen Mann umhauen konnte. Deshalb verschlang ich schon früh alle Bücher und Bildbände, die ich in die Finger bekam, in denen etwas über das menschliche Herz und sein Versagen stand. Mein Interesse wurde von meinen Eltern mit weiterem Lesestoff belohnt, und allmählich entwickelte sich bei mir für die Vorgänge im menschlichen Körper eine echte Faszination. Damals entschied ich, dass ich mich als Erwachsener mit Natur und Medizin beschäftigen wollte. Ich wollte unbedingt Forscher oder vielleicht Arzt werden (Plan B: Straßenmusiker). Deshalb las ich nicht nur Bücher, sondern sammelte vom Mäuseskelett bis zum Schildkrötenpanzer alles, was mir ein genaueres Bild vom Körper lieferte.

Mit 15 wollte ich meine Schulferien nutzen, die Bücher beiseitelegen und ein Praktikum in einer Tierklinik machen. Aufgeregt wählte ich die Nummer. Es tutete am anderen Ende. Vier Mal, fünf Mal. Mit jeder Sekunde Wartezeit wuchs meine Anspannung. Sieben Mal, acht Mal. Als ich schon nicht mehr daran glaubte, wurde der Hörer doch noch abgenommen. Eine Frauenstimme begrüßte mich geschäftsmäßig monoton.

»H-Hallo …?«, stammelte ich. »Bin i-ich richtig in der Tierklinik?«

»Ja. Was ist denn?«

Ich fand mein Selbstbewusstsein wieder und erwiderte: »Mein Name ist Johannes von Borstel. Ich bin auf der Suche nach einem Praktikumsplatz für die Schulferien und …«

Ich wurde unterbrochen: »In welche Klasse gehst du denn?«

»Ich bin gerade fünfzehn geworden und gehe in die neunte Klasse.«

Ein tiefer Seufzer am anderen Ende. »Ich sag dir gleich, deine Chancen auf ein Praktikum bei uns stehen nicht gut. In unserer Klinik wird im Notfall auch mal ruck, zuck ein Hund aufgeschnitten. Du bist noch zu jung, um bei so was dabei zu sein.«

Zu jung? Wohl eher nicht. Zu blutig? Vielleicht. Das musste ich ja gerade herausfinden. Genau so etwas wollte ich miterleben, wollte Einblick in das bekommen, was unter der Haut passiert und mit eigenen Augen sehen, was in uns Säugetieren so alles vor sich geht. Wie sollte ich eine solche Möglichkeit nur bekommen? Es blieb nur die Flucht nach vorn: Ich bewarb mich weiter, unter anderem in meinem Heimatkrankenhaus, in der Unfallchirurgie. Schon zwei Tage später bekam ich den heißersehnten Brief. Eine Zusage! Und ich konnte es kaum glauben – auch noch für die Notaufnahme! Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, was dieses Blatt Papier für mich bedeuten würde. Es war nicht weniger als meine Eintrittskarte in den bis dahin spannendsten Abschnitt meines Lebens.

In der Nacht vor meinem ersten Tag als Praktikant konnte ich nicht schlafen, mir schossen einfach zu viele Gedanken durch den Kopf. Bilder von hektischen Notfallversorgungen, Göttern in Weiß, die unerschrocken jede Krankheit heilen, blutig klaffenden Wunden und ich mittendrin. Ich war unheimlich aufgeregt. Was würden morgen wohl für Fälle reinkommen? Was würden meine Aufgaben sein? Was würde passieren, wenn ich einen Fehler machte? Könnte mir schon am ersten Tag ein Missgeschick widerfahren, so gravierend, dass jemand meinetwegen sterben würde? Ich hatte ja keine Ahnung von den Abläufen in einer Notaufnahme. Meine einzige Vorbereitung war ein Erste-Hilfe-Kurs.

»JOHANNES!!! UM GOTTES WILLEN! KOMM SOFORT HER! WARUM HAST DU NICHT AUFGEPASST?!«, donnerte es quer durch die Notaufnahme.

Oh nein, dachte ich. Ich hatte es versaut. Und das gleich am ersten Tag. Dem Ruf folgend, hastete ich über den Flur, betrat den Raum, in dem ich die unheilverheißende Stimme vermutete, und betrachtete das tragische Stillleben. Ein Arzt und eine Helferin standen wutschnaubend vor mir und blickten mich vorwurfsvoll an. Sich der unaufhaltsamen Kraft der Gravitation beugend, fielen Tropfen auf den Boden und bildeten eine unübersehbare Lache.

»DU HAST DAS HIER KOMPLETT VERBOCKT! JETZT IST ER HIN! DA KÖNNEN WIR NICHTS MEHR RETTEN

Ich nickte schuldbewusst und wendete meinen Blick beschämt ab. Ich hatte mir zu viel zugetraut. Staccatoähnliche Anweisungen des Arztes: »Sauerei wegmachen. Der Chef kommt gleich. Muss das nicht sehen. Wird nicht erfreut sein!« Die Arzthelferin nickte zustimmend und beide verließen den Raum. Ich zog mir Handschuhe an, griff eine Küchenrolle und riss einige Zuschnitte ab, um sie auf die Unglücksstelle zu werfen. Nachdem die Rolle aufgebraucht und ein Ende der Flut noch nicht in Sicht war, packte ich noch ein Handtuch obendrauf.

Ich wollte gerade das stark riechende Bündel in den Mülleimer werfen, als plötzlich der Chefarzt neben mir auftauchte. »Johannes?! Gibt es Kaffee?« Er grinste, als er das triefende Bündel in meinen Händen sah.

»In 15 Minuten …«, stammelte ich. »Ich muss ihn neu aufsetzen.«

Der erste Fehler meiner Karriere: durch das falsche Befüllen einer Kaffeemaschine selbige in einen unaufhörlich kaffeesatzspeienden Gargoyle zu verwandeln. Fatal, denn es war die einzige Kaffeemaschine auf diesem Flur.

Der Einstand ist ja super gelungen, dachte ich. Was sage ich bloß den Leuten im Pausenraum, um den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen?

»Dann müsst ihr jetzt halt mal ohne Kaffee Pause machen. Ist doch nicht schlimm und dazu auch noch viel gesünder«, trompetete ich einige Minuten später aufmunternd und lächelte erwartungsvoll in die Runde. Schließlich war ich ja in einem Krankenhaus, alle sollten diese Begründung eigentlich nachvollziehen können.

Was habe ich an diesem Tag gelernt? Die einfachste Methode, auch die freundlichsten Krankenhausangestellten in einen fackelschwingenden Mob zu verwandeln, ist es, ihnen den Kaffee vorzuenthalten. Sich dann auch noch klugscheißerisch aufzuspielen war der zweite große Fehler an meinem ersten Tag. Kein Wunder, dass ich vom Praktikanten zum Staatsfeind Nr. 1 aufstieg. Als Wiedergutmachung habe ich dann Marmorkuchen gebacken.

Dass mir in meiner Zeit als Praktikant nie ein schwerwiegender Fehler mit einem Patienten unterlaufen ist, liegt vor allem daran, dass ich langsam und mit guter Vorbereitung an meine Aufgaben herangeführt wurde. Es ging nämlich nicht gleich darum, klaffende Wunden zu versorgen, Strahlblutungen zu stillen oder andere schwere Notfälle zu behandeln. Bevor ich bei solchen Aktionen mitmachen durfte, durchlief ich ein lern- und vor allem erfahrungsintensives Programm.

Mit dem Chefarzt mitgehen, Verbandtechniken lernen, Blutdruck messen und Puls zählen, an Kollegen üben, am Computer dokumentieren und bei kleinen bis mittleren Wundversorgungen assistieren – so sah mein Praktikantenalltag aus. Zusätzlich gab es nach jedem Tag eine kleine Unterrichtsstunde vom Chef, der mir genau die Patientenversorgungen des Tages und die Behandlungsstrategien erklärte. Er hatte ein Talent, auch komplizierte Dinge so zu erklären, dass ich sie damals, ohne Medizinstudium, verstand.

Bald lernte ich auch, Wunden zu nähen. Na gut, ich fing mit Bananen an. Vor allem lernte ich aber, dass Wunden nicht immer blutig sein müssen. Und was vielleicht das Wichtigste war: Ich begriff, dass eine einfühlsame Betreuung und eine gute Behandlung untrennbar miteinander verbunden sind. Der Chef verstand es, unglückliche Patienten zu erkennen und ihnen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Dabei war er auch Ratgeber, weit über medizinische Fragen hinaus.

Mit viel Geduld erklärte er mir den Aufbau des menschlichen Körpers, von der Haut bis zu den inneren...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Krankheiten / Heilverfahren
Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Chirurgie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Innere Medizin
Technik
Schlagworte Eckhart von Hirschhausen • Gesundheit • Giulia Enders • Herz • Herz-Buch • Herzinfarkt • Kardiologie • Marianne Koch • Science Slam
ISBN-10 3-8437-1185-2 / 3843711852
ISBN-13 978-3-8437-1185-2 / 9783843711852
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