Unter dem Halbmond (eBook)

Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
416 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-3457-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unter dem Halbmond -  Helmuth Graf von Moltke
Systemvoraussetzungen
1,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Dieses eBook: 'Unter dem Halbmond' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Bei schönem Wetter reiten wir manchmal aus, um mit der Büchse zu schießen oder Hasen mit Windhunden zu hetzen, die hier von vorzüglicher Güte und Schönheit sind. Es begleiten den Pascha dann die meisten Generäle, einige begünstigte Beys oder Obersten und ein Schwarm dienstbarer Agas. Nur wenige Städte wird es geben, wo so viele vortreffliche Pferde beisammen wären wie in unserem Lager; da sind die kleinen mageren, mit Kamelmilch genährten Renner, das kräftige turkmenische Ross mit schwerem Hals und Kopf, aber prachtvoller Kruppe, das große persische Pferd mit hoch aufgerichteter Vorhand, die trefflichen Tiere aus Sivas, vor allem aber die edlen Rassen der Nedschdi und Annesi.' Helmuth von Moltke (1800 - 1891) war ein deutscher Offizier der Preußischen Armee. Als Generalfeldmarschall und Chef des Generalstabes hatte er wesentlichen Anteil an den Siegen in den drei Einigungskriegen.

28. Reise des Großherrn


Varna, 2. Mai 1837

Ich schrieb dir im vorigen Monat, dass ich vom Großherrn den Befehl erhalten habe ihn auf einer Reise durch Bulgarien und Rumelien zu begleiten. Heute benutze ich die erste freie Stunde, um dir eine Nachricht über diese Reise zu geben, und obgleich ich meinen Brief vorerst nicht absenden kann, so will ich doch wenigstens fertig sein, um die erste Gelegenheit zu benutzen, mit der es geschehen kann.

Am 24. April, 10¼ Uhr vormittags, hatte die glückliche Stunde für den Antritt der Reise Seiner Hoheit des Großherrn geschlagen; die Gelehrten hatten diese Stunde richtig genug bestimmt, denn das regnerische Wetter der letzten Tage war durch den heitersten Himmel ersetzt und der Südwind, den wir für unsere Fregatte nötig hatten, blies frisch von den asiatischen Bergen herunter. Ich hatte mich schon abends zuvor an Bord der »Nusrethieh« oder »Siegreichen« begeben, welche den Kanal bis Bujukdere hinaufgegangen war. Um nicht als Franke in der Umgebung des Sultans anstößig aufzufallen, hatte ich die rote Mütze und einen türkischen Anzug angelegt, den der Großherr mir zugeschickt hatte.

Um Mittag sahen wir das grüne Kaik des Sultans mit seinen vierzehn Paar Ruderern schnell wie einen Delphin heranschießen; die Marinesoldaten traten unters Gewehr; die Musik spielte. Die Anker waren fast gelichtet, die Segel halb entfaltet. Se. Hoheit trugen eine scharlachrote Husarenuniform mit goldenen Schnüren, den roten Fes, weiße Beinkleider mit Goldtressen und schwarze Samtstiefel. Sein Gefolge trug blaue Husarenuniform. Man hatte mir meinen Platz in der Parade zwischen den Paschas und den Obersten angewiesen, wo ich mit den Übrigen mein Taminah oder den Gruß mit der Hand zur Erde, auf die Brust und Stirn machte. Se. Hoheit schickte den Kapudan-Pascha ab, um mir sagen zu lassen, »dass das Wetter gut sei«, und dieser brachte glücklich »parfaitement bon le temps« heraus. Dies war eine besondere Gnade und Auszeichnung, welche später noch erhöht wurde, als der Sultan die Bemerkung machte, dass mein roter Fes sehr kleidsam sei, eine Behauptung, mit der ich bisher durchaus nicht einverstanden war.

Jetzt hallten die steilen Bergwände des Bosporus von dem Donner der Geschütze unserer Fregatte und der Batterien am Ufer wider. Die mächtigen Segel entfalteten sich, und mit zunehmender Schnelligkeit ging's hinaus in den gefürchteten Euxin. Die Nusrethieh führt 68 Geschütze und ist vielleicht die schönste und größte Fregatte. Bald ließen wir nicht nur die Leuchttürme an der gefahrvollen Mündung des Bosporus, sondern auch die beiden vortrefflichen österreichischen Dampfschiffe, die uns begleiten sollten, hinter uns, und gegen Abend sah man in der Ferne nur noch ihre Rauchstreifen aufsteigen. Die Reise mit einem großen Kriegsschiff bietet schon an sich Abwechslung genug, an Bord eines türkischen Fahrzeugs kommt der Reiz des orientalischen Gepräges noch dazu. Um die zweite Stunde rief der Imam vom Mastkorb herunter die Gläubigen zum Gebet.

Einen Türken beten zu sehen ist mir immer ein Vergnügen gewesen. Die Sammlung des Mannes ist wenigstens anscheinend so groß, dass man hinter ihm eine Kanone lösen möchte, um zu sehen, ob er um sich blicken würde. Nachdem der Gläubige Hände und Füße gewaschen, seine Richtung nach Mekka genommen, wozu einige einen kleinen Kompass an dem Knopf ihres Dolches führen, schließt er einen Augenblick seine Ohren mit den Händen und spricht dann mit bewegten Lippen, aber lautlos seinen Vers aus dem Koran; darauf verbeugt er sich, fällt auf beide Knie und berührt die Erde mehrmals mit der Stirn. Hierauf erhebt sich der Moslem, hält beide Hände vor sich, wie wenn er ein großes Buch trüge, wirft sich abermals nieder, erhebt sich und fährt endlich mit beiden Händen über das Gesicht, als ob er es in die alten Falten bringen und jeden Schein von frommer Schaulegung verwischen wollte. Er macht eine kleine Verbeugung zu beiden Seiten gegen die zwei Engel, die neben jedem Betenden stehen, und ist fertig.

Schon gegen Abend hatten wir fast den halben Weg zurückgelegt, als plötzlich eine kleine Buraska, ein Sturm, aus Norden kam. Da ich gar nichts vom Seewesen verstehe, so erlaube ich mir auch kein Urteil über das Getümmel von schreienden Menschen und flatternden Segeln, doch habe ich einen starken Verdacht, dass unsere Manöver nicht durchaus schulgerecht waren. Alle Matrosen waren junges Volk und hatten zum Teil noch nie eine Reise gemacht und selbst der Großadmiral, ein trefflicher, braver Mann, hat nur insofern seine Karriere in der Marine gemacht, als er, bevor er Pascha wurde, ein Kaik im Hafen von Konstantinopel ruderte.

Bald eilten indes die Dampfschiffe herbei, nahmen uns unter beide Arme und brachten uns glücklich in den Hafen von Varna. Der Moment des Ausschiffens gewährte einen schönen Anblick. Sobald der Großherr sich in sein Kaik begeben hatte, feuerten die Batterien der Festung und der Fregatte, bunte Wimpel wehten von allen Masten und die Schiffsmannschaft in ihrer roten Uniform parodierte auf den Rahen des Schiffs bis zur schwindelnden Höhe des Mastes.

Ich bin im erzbischöflichen Palast einquartiert, worunter du dir eine sehr bescheidene Bretterbude vorzustellen hast. Mein Wirt führt auf Griechisch den etwas seltsamen Titel: Despot, ein Prädikat, das sich schlecht mit der tief gebeugten Stellung und dem Küssen des Rockzipfels eines türkischen Paschas verträgt. Der Despot hat aber einen trefflichen Wein, das Essen ist schmackhaft und alles reinlich und gut.

Am Morgen nach unserer Ankunft ritt der Großherr mit starkem Gefolge herum, um die Festung in Augenschein zu nehmen. Ich war schon abends zuvor und in der Frühe überall gewesen, um Sr. Hoheit Rede und Antwort stehen zu können. Er zeigte sich sehr wohlwollend und gnädig, gab mir aber so viele kleine Aufträge, dass ich kaum weiß, wie ich fertig werden soll.

Schumla, den 5. Mai 1837

Der Großherr verließ Varna am 3., blieb die Nacht in einem Dorf, wo man binnen zwölf Tagen einen Kiosk für ihn erbaut und vollständig möbliert hatte. Er frühstückte am 4. in einem anderen Dorf, wo ebenfalls ein Haus für diesen viertelstündigen Aufenthalt aufgeführt und eingerichtet war, und traf mittags hier ein. Ich war schon am 2. in der Nacht vorausgereist, um mich vorher zu orientieren.

Die Empfangsfeierlichkeiten scheinen überall dieselben zu sein. Se. Kaiserliche Majestät steigen eine Viertelstunde vor der Stadt in ein Zelt ab, um den blauen Überrock mit der bewussten roten Uniform zu vertauschen. Für wen er eigentlich diese Toilette macht, weiß ich nicht; bei uns ist man gewöhnt, die Pracht des Monarchen durch den Glanz der Großen und Mächtigen, die ihn umgeben, gehoben zu sehen. Hier ist nur ein Herr, die Übrigen sind Knechte. Sobald Se. Hoheit zu Pferde stiegen, ließ man eine Menge Minen in den Steinbrüchen auf den Bergen rings umher auffliegen. Zu beiden Seiten des Weges paradierten die Notabilitäten der Stadt, rechts die Muslime, links die Rajahs. Obenan stehen die Mullahs oder Geistlichen, welche noch immer den schönen weißen Turban tragen, dann folgen die weltlichen hoch stehenden Personen. Links paradierten erst die Griechen mit Lorbeerzweigen, dann die Armenier mit Wachskerzen und endlich die armen verhöhnten und misshandelten Juden. Die Moslems standen aufrecht mit über den Leib verschränkten Armen, die Rajahs aber, und selbst Bischof und Priester mit den geweihten Kirchengeräten, warfen sich nieder und blieben mit der Stirn an der Erde, bis der Sultan vorüber war; sie durften das Antlitz des Padischahs nicht schauen. An mehreren Stellen wurde beim Vorüberreiten des Großherrn der Kurban oder das Opfer an sieben Hammeln vollzogen, denen man die Hälse abschnitt.

Heute, am Freitag (dem türkischen Sonntag), ging der Großherr mit zahlreichem Gefolge in die Moschee: Ich habe dagegen tüchtig mit meiner Aufnahme zu tun.

Schumla ist in landschaftlicher Hinsicht ebenso schön, als es in militärischer interessant ist. Erst wenn man die berühmten Verschanzungen passiert, erblickt man die Stadt in einem Tal ohne Ausgang zwischen steilen bewaldeten Bergen; die Kuppeln der Moscheen und Bäder, die schlanken weißen Minaretts, die vielen Bäume zwischen den flachen Dächern, die reiche Kultur der Gegend gewähren ein herrliches Gemälde; überall sprudeln Fontänen, die üppigsten Kornfelder schmücken die weite Ebene und selbst die steilen Berge sind bis zu ihrer halben Höhe mit Gärten und Weinbergen bedeckt.

Ich glaube, dass ich nach dem Padischah die beste Wohnung in der Stadt habe; unsere Speisen sind vortrefflich und wenn wir sie auch auf gut Türkisch mit den Fingern zu uns nehmen, so versäumen wir doch nicht einen trefflichen Cyper-Commandaria-Wein dazu zu trinken. Dies wir bezieht sich auf meine Begleiter, nämlich einen Dragoman der Gesandtschaft und einen Obersten von den Ingenieuren, welcher mir mit drei jungen Türken von der polytechnischen Schule beigegeben ist. Da wir drei Diener haben, so nehme ich allein zwei vierspännige Wagen und sieben Handpferde, zwei Maultiere, vier Kutscher und einige Pferdejungen für die Reise in Anspruch.

Die Wege sind eigens für diese Reise gebahnt worden, und das ist wenigstens ein Vorteil, der dem Lande bleiben wird. Das Gefolge des Großherrn ist natürlich sehr zahlreich. Außer seinen Sekretären und Pagen hat er einen besonderen Beamten, der seine Pfeife, einen anderen, der seinen Schirm trägt; der Wedel aus Straußfedern, der Feldstuhl, das goldene Wasserbecken, das Schreibzeug, jedes hat seinen besonderen Träger zu Pferde; diese Pferde aber machen wieder einen...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2015
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Literatur Comic / Humor / Manga
Schlagworte Diplomatie • Henryk Sienkiewicz • Konstantinopel • Memoiren • Osmanisches Reich • Otto von Bismarck • Rudolf Steiner • Serkan Ince
ISBN-10 80-268-3457-7 / 8026834577
ISBN-13 978-80-268-3457-1 / 9788026834571
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 646 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von R. Howard Bloch; Carla Hesse

eBook Download (2023)
University of California Press (Verlag)
43,99