Atlantic Zero/3D/Sand (eBook)

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2015 | 1. Auflage
227 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-74149-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Atlantic Zero/3D/Sand -  Stephan Kaluza
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Es gibt Autoren, die mit ihren Stücken Fragen stellen. Zu diesen gehört Stephan Kaluza nicht. Seine Stücke versuchen, Antworten zu geben. In Atlantic Zero auf die Frage, wie das Prinzip einer durch und durch ökonomisierten Welt zu durchbrechen ist, in dem Kammerspiel 3D ob man ein Schuldiggewordensein bis an sein Lebensende verdrängen kann und in Sand wird die Antwort auf die Frage gesucht, wie in einer zukünftigen Gesellschaft Virtualität an die Stelle wirklicher Gefühle tritt.

<p>Stephan Kaluza, 1964 geboren, studierte Kunst und Kunstgeschichte. Anschließend ergänzte er diese Studien an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf. Der Autor ist sowohl im Bereich der bildenden Kunst als auch in der Literatur tätig. 2014 erschien sein Roman <em>30 Keller</em> in der Frankfurter Verlagsanstalt. In seinen Bildstücken inszeniert er Theaterstücke und Performances zu stillstehenden, simultan erlebbaren Bildern; u.a. wurden diese Interpretationen des Narrativen im Zendai Museum of Modern Art, Shanghai, im National Museum of Modern and Contemporary Art, Seoul, im Museum of the Seam, Jerusalem, und im Künstlerhaus Bethanien, Berlin, ausgestellt. 2019 erschien sein Essayband <em>Mechanik Sehnsucht: Kunsterzeugung und Betrachtung</em> bei Edition Cantz. Stephan Kaluza lebt in Düsseldorf.</p>

Personen


Albert, ca. 65-70 Jahre alt

Bette, mittleres Alter

Bühne


3 weiße Räume/Plateaus ohne Einrichtung; evtl. Projektionen

 

Albert auf der Bühne. Er läuft nervös hin und her, sieht dabei immer wieder aus einem imaginären Fenster. Schließlich zuckt er zusammen, starrt dann lange zur »Tür«; nach einer Zeit schellt es kurz, er öffnet aufgeregt, Bette tritt ein.

ALBERT Bette?

BETTE Albert.

Pause. Er tritt näher an sie heran.

ALBERT Bist du es wirklich?

BETTE Was denkst du denn?

Längere Pause. Sie betrachten sich.

ALBERT Darf ich dich umarmen?

BETTE Ja.

Sie umarmen sich etwas steif.

ALBERT So viele Jahre. Unglaublich.

BETTE Genau 20.

ALBERT Ja. Du hast dich nicht verändert.

BETTE Danke. Du warst immer schon ein guter Lügner.

ALBERT Ich meine es so. Wirklich. Ich freue mich – so sehr.

BETTE Deine Augen waren schon damals nicht die besten. Und – natürlich würdest du dich freuen. Das war mir klar, Albert. Sie sieht ihn kurz ausdruckslos an.

BETTE Aber du siehst auch gut aus. Ein wirklicher Grandseigneur. Graue Haare, toll.

Lass mal sehen.

ALBERT Deine Stimme ist anders. Du hast einen amerikanischen Akzent, so etwas, ja.

BETTE Das bleibt nach so einer langen Zeit nicht aus. Geht es dir gut?

ALBERT Wie man es nimmt. Du stehst hier ja noch im Mantel. Komm erst mal herein. Kein Gepäck?

BETTE Es reicht. Ich bleibe nicht lange. Das weißt du.

ALBERT Ja. Sicher. Ich dachte nur –

Einen Rotwein, – Lombard?

BETTE Du erinnerst dich daran? Danke, ja.

Er nimmt ihr den Mantel ab, schenkt den Wein ein, längeres Schweigen.

Was ist mit Georg? Und seiner Frau, wie hieß –

ALBERT Sie hieß Elisabeth. Seit zwei Jahren tot. Georg geht's gut.

BETTE Und Ernst?

ALBERT Wie soll's ihm gehen? Auch gut.

BETTE Er war damals schon an die 60, glaube ich.

ALBERT Ihm geht's gut. Lebt mit einer Japanerin zusammen, 30 Jahre jünger. Lacht.

BETTEleise Wie so viele, nicht?

ALBERT Fast alle. Wirst du sie sehen, während deiner Zeit hier?

BETTE Ich glaube nicht, nein. Es sind nur ein paar Tage. Das wäre irgendwie – unfair.

ALBERT Unfair? Ich glaube nicht, dass sie das als unfair begreifen. Warum auch?

BETTE Ich weiß nicht, wenn man nach 20 Jahren so einfach an die Tür klopft. – Wie geht's denn? Ich war in der Gegend oder so. Das macht man nicht.

ALBERT Das wäre denen vollkommen egal.

BETTE Egal? Warum?

ALBERTleise Nur so.

BETTE Du meinst, weil es sie nicht interessiert, was aus mir geworden ist?

ALBERT Das habe ich nicht gesagt. 20 Jahre sind aber eine lange Zeit.

BETTE Für wirkliche Freunde eigentlich nicht. Lassen wir das.

ALBERT Ja. Du bleibst bis übermorgen?

BETTE Ja.

ALBERT Und es geht dir gut drüben?

BETTE Ja. Sehr. Pause. Sie schaut sich um.

Es hat sich nichts verändert, oder?

ALBERT Nein. Nichts.

Sie geht herum und berührt einige unsichtbare Gegenstände, Möbel etc.

BETTE Und alles am alten Platz.

ALBERT Der Sekretär –

BETTE Was ist mit ihm?

ALBERT Du weißt doch – er stand vorher hier, neben der Tür.

BETTE Ich –

ALBERT Du weißt es nicht mehr? Du hast dich doch immer beschwert, dass sie daran anstößt, die Tür, meine ich.

BETTE –

ALBERT – Dass sie anstößt.

BETTE Ja. Du hast recht.

ALBERT Ich fand ihn dort drüben passender.

Pause.

Und auch die Tür stößt nicht mehr an.

BETTE Er ist immer noch wunderschön, dein Sekretär.

ALBERT Unser. Es ist unser Sekretär.

BETTE Nein, Albert. Es ist dein Sekretär. Nur deiner. Es sind deine Dinge, es sind viele Dinge, und es ist dein Haus. Ein sehr großes Haus, nicht?

ALBERT Bette, warum fragst du? Du hast hier gelebt. Sehr lange. Mit mir. Ich dachte, es würde dich interessieren, wie es jetzt aussieht, all das. Und die Erinnerungen, an –

BETTE – Es interessiert mich auch. Sehr sogar.

ALBERT Es klang nur so verhalten. Ich hätte mir –

BETTE – Was? Mehr Freude gewünscht, Umarmungen, schöne Dinge, die es zu berichten gibt? Warte es ab. Ich bin gerade erst angekommen. – Die Veranda ist sehr schön. Die Kübel. Rhododendron.

ALBERT Es ist wie immer. Die Gärtner halten es in Schuss, sie verändern nichts.

BETTEleise Warum? Lass sie es doch anders schneiden, kreuz, quer, was sie wollen. Vielleicht wäre das – einfacher.

ALBERT Wollen wir hinaus? Es wird Frühling, du wirst sehen, es blüht bald alles, es ist genauso wie damals. Ich wollte nur –

BETTE – Ich weiß, du wolltest mir nur den Park zeigen, sehr schön. Aber ich möchte nicht, ich sehe ihn von hier aus. Schön, der Park, alles ist schön, so wie damals. – Unser Park. Das wolltest du hören, nicht?

ALBERTleise Ja, vielleicht.

Pause. Sie sieht ihn lange an, stößt dann mit ihrem Glas an seines.

BETTE Auf das Wiedersehen.

ALBERT Ja.

BETTE Erzähle mir von dir. Du lebst allein?

ALBERT Natürlich, ja.

BETTE Ist das natürlich?

ALBERT Weiß ich nicht. Viele Alte leben doch allein, oder? Und ebenso viele leben in einem großen Haus.

BETTE Wie diesem.

ALBERT Ja. – Unser Haus.

BETTE Es hat sich wirklich nichts verändert.

ALBERT Es ist alles so, wie du es verlassen hast. Fast alles.

BETTE Nur der Sekretär –

ALBERT Aber nur der. Alles andere steht noch immer da, – an derselben Stelle.

BETTE Du wolltest das so, Albert?

ALBERT Es blieb mir ja nichts übrig.

Pause.

BETTE Ich fand den Sekretär neben der Tür besser.

ALBERT Aber –

BETTEER STAND DORT BESSER!

Einfach besser.

ALBERT Die –

BETTE Und deine Tür war mir immer scheißegal, Albert. Wirklich, scheißegal! So – scheißegal. Sie tritt mit dem Fußhacken an die Tür und starrt ihn dabei an, er sieht weg, schweigt. Bette lächelt.

Es ist besser, wenn du ihn dort wieder hinstellst, diesen Sekretär, einfach wieder da hin, Albert. Hörst du?

ALBERT –

BETTE Machst du es?

ALBERTleise Ja.

BETTE Sehr gut.

Längere Pause.

ALBERT Ich habe gehört, dass es mit der Kunst nicht mehr so läuft wie früher. Die Leute halten ihr Geld zusammen, sagt man.

BETTE Sagt man das? Ich kann nicht klagen, in keiner Weise. Es läuft.

ALBERT Auch finanziell?

BETTE Ja. Eine Frage der Qualität. Wie überall.

ALBERT Hast du den Jones noch in der Galerie?

BETTE Nein. Der ist jetzt bei Goodman.

ALBERT Er war doch dein Zugpferd, oder? Du hast ihn aufgebaut.

BETTE Es gibt bessere.

ALBERT Seit wann ist er weg?

BETTE Seit fünf Jahren. Das ist auch unwichtig. Der kann mich mal.

ALBERT Seit fünf Jahren? Das war doch, als ich dich besuchen kommen wollte, ja, das war 2006, ich weiß es noch. Du wolltest es nicht.

BETTE Ja. Es war mir zu viel, mit der Galerie, mit allem.

ALBERT Und da braucht man die anstrengende Vergangenheit nicht auch noch im Haus. Ich hatte das schon verstanden.

BETTE Hast du es wirklich verstanden? Wirklich?

ALBERT Wann? Das damals oder diesen Besuch vor fünf Jahren?

BETTE Dein Besuch. Es ging nicht.

ALBERT Ich sagte doch, dass ich das verstanden hatte.

BETTE Etwas zu verstehen heißt ja nicht, dass man es toleriert. Ich denke, du warst sauer,...

Erscheint lt. Verlag 9.5.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Ökonomie • Schuld • Theaterstück • Virtualität
ISBN-10 3-518-74149-7 / 3518741497
ISBN-13 978-3-518-74149-8 / 9783518741498
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