Die Schanin hat nur schwere Knochen! (eBook)

Unerhörte Geschichten einer Familienpsychologin
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
336 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-43373-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Schanin hat nur schwere Knochen! -  Sophie Seeberg
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Absurde Geschichten aus dem echten Leben: Sandy erwartet ein Kind vom Ex-Freund ihrer Mutter, der der Vater ihres kleinen Bruders ist. Dass die Mutter auch noch vom Ex-Freund der Tochter schwanger ist, macht das Ganze nicht einfacher für Familienpsychologin Sophie Seeberg. Als Gerichtsgutachterin erlebt sie tragische, aber auch skurrile Momente. Wenn beispielsweise eine Mutter erklärt, dass ihre Schanin 'nur schwere Knochen' habe, während diese in kurzer Zeit mehrere Tafeln Schokolade verdrückt. Seeberg erzählt auch in ihrem zweiten Buch einfühlsam aus ihrem Berufsleben und bewahrt sich ihren besonderen Sinn für Humor.

Sophie Seeberg ist Diplom-Psychologin und arbeitet seit fast zwanzig Jahren als Sachverständige für Familiengerichte. Ihre Aufgabe ist es, Gutachten für das Gericht zu erstellen, regelmäßig arbeitet sie dabei auch eng mit dem Jugendamt zusammen. Von ihren skurrilsten und außergewöhnlichsten Fällen berichtet sie in diesem Buch.

Sophie Seeberg ist Diplom-Psychologin und arbeitet seit fast zwanzig Jahren als Sachverständige für Familiengerichte. Ihre Aufgabe ist es, Gutachten für das Gericht zu erstellen, regelmäßig arbeitet sie dabei auch eng mit dem Jugendamt zusammen. Von ihren skurrilsten und außergewöhnlichsten Fällen berichtet sie in diesem Buch.

Schreien Sie es raaaaaaauuuus!


A propos Weiterbildung: Ich möchte einmal kurz von meinen Erfahrungen auf dem Weg zur Sachverständigen berichten.

Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich im Rahmen eines Psychologie-Studiums oder nach Abschluss desselben fortzubilden. Ich möchte nicht auf einzelne Institutionen eingehen oder Tipps geben, welche Fortbildungen eher zu empfehlen sind als andere. Ich verfüge nur über ganz persönliche Erfahrungen. Und was für welche.

Nach erfolgreich bestandenem Vordiplom meldete ich mich als Erstes zu einer großen Fachtagung in Hamburg an. Dort wurden Vorträge zu allen möglichen Therapieformen sowie Forumsdiskussionen und Seminare geboten, und es waren internationale Gäste angekündigt. Als Student bekam man noch dazu einen Rabatt, der das Ganze bezahlbar machte.

Neugierig machte ich mich also auf in den Norden und fühlte mich dabei ganz erwachsen und irgendwie … psychologisch.

Auf der Tagung stellte ich allerdings fest, dass ich die einzige Studentin war. Alle anderen Teilnehmer, die mir über den Weg liefen, waren mindestens zwanzig Jahre älter als ich. Oder sahen zumindest so aus.

Ich unterdrückte das Gefühl, fehl am Platze zu sein, und folgte erst einmal dem Strom in den Vortragsraum. Was genau dort geboten wurde, wusste ich gar nicht, aber da etwa neunzig Prozent der Tagungsteilnehmer zu diesem Vortrag drängten, nahm ich an, dass es sich um etwas handelte, was man als angehende Psychologin und Fachtagungsbesucherin unbedingt gehört haben musste.

Tatsächlich landete ich im Hauptsaal, der etwa sechs- bis siebenhundert Personen fasste. Ich fand einen Sitzplatz am Rand der vorderen Reihen, setzte mich … und verbrachte die nächsten anderthalb Stunden in fassungslosem Staunen. Denn was mir dort geboten wurde, sprengte nicht nur alle Klischees, die in Filmen, Comedy-Programmen oder Stammtischen über unserem Berufsstand ausgekippt werden. Nein, was sich nun vor meinen Augen abspielte, übertraf jedes Klischee um ein Vielfaches.

Ein Mann betrat die Bühne und wurde alleine schon dafür gefeiert wie ein Rockstar. Es wurde gejubelt und mit den Füßen gestampft, einige Tagungsgäste standen sogar auf. Standing Ovations schon zu Beginn eines Vortrags. Offenbar war ich die Einzige, die keine Ahnung hatte, wer der Typ überhaupt war. Aber da alle um mich herum frenetisch klatschten und johlten, stimmte ich zumindest in Ersteres höflich ein, um nicht direkt aufzufallen. Der Mann sonnte sich für mein Gefühl deutlich zu lange in dem Begrüßungsapplaus. Danach erklärte er in kurzen Sätzen, dass er die einzige wahre und zu hundert Prozent erfolgversprechende Therapieform praktiziere und somit in der Lage sei, sämtliche psychischen Störungen und Erkrankungen in kürzester Zeit zu heilen. Ein begeisterter Zwischenapplaus wurde von ihm mit gönnerhaft-maskenhaftem Lächeln quittiert, und er fuhr fort, dass er in einer Kurzsitzung von wenigen Minuten seelische Blockaden für immer lösen und den Menschen zu einer glücklichen Zukunft verhelfen könne.

Ich blickte mich vorsichtig um. Alle Zuhörer in meinem Sichtfeld hingen förmlich an seinen Lippen. Ich sah überall Köpfe zustimmend nicken, so als wüssten diese Leute alle schon Bescheid und holten sich nur noch die Bestätigung, dass es sich bei dem Redner um ein Genie handelte. Dieses Genie war auch selbst sichtbar davon überzeugt, unglaublich mitreißend zu wirken. Mir ging er nach kürzester Zeit einfach nur wahnsinnig auf die Nerven, denn für mich waren seine Arroganz und Selbstverliebtheit fast körperlich spürbar …

Gerade hatte ich mich dazu durchgerungen, den Saal zu verlassen, da winkte Herr Fantastisch zwei Helfern zu, und diese schleppten eine dicke Matratze auf die Bühne. Nun war ich zugegebenermaßen doch neugierig, was es damit auf sich hatte, und blieb.

Während die Matratze von ihm eingewunken wurde, als ginge es darum, ein Flugzeug zu landen, erklärte er wortreich, wie vielen Menschen er schon geholfen habe und wie dankbar ihm all diese armen Kreaturen gewesen seien, denen er quasi ein neues Leben geschenkt habe.

Kaum waren die beiden Helfer von der Bühne verschwunden, blieb er plötzlich stehen, senkte den Blick und hielt sich die Hände an die Schläfen, damit auch die Menschen ganz hinten im Saal sehen konnten, wie sehr er sich konzentrierte. Ich hatte so fest mit einem Trommelwirbel gerechnet, dass ich mich verwundert umblickte, als dieser ausblieb. Auch als der selbsternannte Wunderheiler schließlich wieder ins Publikum sah, die Arme ausbreitete und verkündete, dass er nun vor aller Augen mehrere Menschen heilen werde, setzte kein spannungsgeladener Musikteppich ein, und ich erinnerte mich daran, dass ich ja eigentlich einer Fachtagung zum Thema Psychologie beiwohnte. Oder zumindest extra deswegen nach Hamburg gekommen war.

In meinem Hirn standen mehrere Fragen Schlange: Wartete hinter der Bühne eine Gruppe psychisch angeschlagener Menschen darauf, sich von ihm vor einem riesigen Fachpublikum therapieren zu lassen? Wie hatte er sie dazu gebracht? Und war das überhaupt erlaubt? Noch während mir diese und etwa tausend andere Fragen durch den Kopf schossen, stand der Herr Wunderheiler plötzlich mitten unter den Zuhörern. Nur zwei Meter entfernt von mir!

Oh nein!

Er hatte gar keine psychisch Kranken mitgebracht, er suchte sie hier in seinem Publikum!

Sofort schaltete ich um in meinen »Wage-es-ja-nicht«-Modus; wie immer, wenn ich mich in einem Publikum wiederfinde, in dem nach vermeintlichen Freiwilligen gesucht wird. Bevor ich diesen rettenden Automatismus herausgebildet hatte, war es mir nämlich ständig passiert, dass jeder Zauberer, Comedian oder Junggesellinnenabschiedsstripper zielgenau auf mich zusteuerte, wenn es darum ging, jemanden zur allgemeinen Belustigung auf die Bühne zu zerren. Nach ein paar peinlichen Situationen auf diversen Bühnen und einer Handvoll nicht minder beschämender Momente auf Hochzeitsfeiern und Geburtstagen hatte ich irgendwann genug Bestimmtheit und Wut angesammelt, um so viel wilde Entschlossenheit und wahrscheinlich auch ein hohes Maß an Unzurechnungsfähigkeit auszustrahlen, dass mich niemand mehr neben sich auf der Bühne stehen haben möchte.

Das sah offenbar auch der Herr Wunderheiler so, denn er streifte mich nur kurz mit seinem Blick, las dann die große Schrifttafel über meinem Kopf, die ihm in leuchtend roten Neonlettern »WAGE. ES. NICHT.« entgegenblinkte, bog dann recht überraschend zwei Schritte vor mir nach links ab und hielt einer zutiefst erschrockenen Dame um die fünfzig das Mikrofon vor das Gesicht. Sie brachte vor Schreck und Unbehagen kein Wort heraus und musste sich daraufhin von dem Herrn Therapeuten anhören, dass sie wohl noch nicht bereit für seine Hilfe sei, und sein Blick wanderte über die Dame hinweg in den Saal.

»Also, wer von euch möchte seinen inneren Schmerz loswerden? Wer von euch möchte frei von Ängsten sein? Wer?«

Und was soll ich sagen, es meldeten sich doch tatsächlich welche! Auf einer Fachtagung für Psychologen! Meldeten sich Personen, die gewillt waren, sich auf einer Bühne von diesem Mann in Minuten therapieren zu lassen! Die konnten doch unmöglich …

Doch. Sie konnten.

Mr. Wunderheiler wählte vier Personen aus, denen die unendliche Ehre zuteilwurde, sich zu ihm auf die Bühne stellen zu dürfen.

Die Erinnerung an das, was dann geschah, ist auch jetzt noch Jahre danach mehr als verstörend, und ich versuche, Ihnen nun das Ganze möglichst unaufgeregt und wahrheitsgetreu zu schildern.

 

THERAPEUT zu Mann: Kommen Sie! Ich sehe Ihnen an, dass Sie eine schwere Kindheit hatten.

MANN (erfurchtsvoll gehaucht): Ja. Das stimmt …

THERAPEUT: Legen Sie sich auf die Matratze, und lassen Sie alles raus!

MANN legt sich auf die Matratze.

MANN liegt so rum.

THERAPEUT: Los! Denken Sie an all den Schmerz! An all das, was Ihnen angetan wurde von Ihren Eltern!

MANN liegt weiter rum.

THERAPEUT: Sie müssen es rauslassen! Los! Machen Sie Ihrem Schmerz und Ihrem Ärger Luft!

MANN (kaum hörbar): Hmpf.

THERAPEUT: Mehr! Los! Schreien Sie! Sonst werden Sie Ihren Schmerz niemals los! Er wird für immer Ihr Leben vergiften! Los! Schreien Sie!

MANN (leise): Aaah.

THERAPEUT (schreit): Looooooos! Schreien Sie es raaaauuus! AAAAAAaaaaaah! AAAAAAAAAAaaaaaaaaah!

MANN schaut verschreckt zum Therapeuten.

THERAPEUT (noch lauter): AAAAAAAAAAAAAAaaaaah…!! Los! Machen Sie! Sie wollen doch nicht, dass Ihre Eltern Ihr Leben für immer zerstört haben! AAAAAAAAAAAAAAAaaaaaaaaaaaaah!!

MANN (leise): Aaah.

Kurze Stille.

MANN erhebt sich von der Matratze und erklärt, er habe möglicherweise eine Halsentzündung und könne deshalb nicht so laut. Er schleicht wieder auf seinen Platz.

 

FRAU 1 legt sich ungefragt auf die frei gewordene Matratze.

THERAPEUT (erfreut über ihr Engagement): Ich sehe, Sie hatten auch viel zu leiden als Kind. Sie haben viele Traumata durchleiden müssen. Ihre Kindheit ist ein einziger großer Schmerz. Lassen Sie ihn r…

FRAU 1 unterbricht Therapeuten durch markerschütternden Schrei.

THERAPEUT: Ja! Genau! So! Weiter so! Lassen Sie sich in den Schm…

FRAU 1 (diverse lange, grelle...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2015
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Absurd • Berufsalltag • Erfahrungen und wahre Geschichten • Familie • Familien Gericht • Familienprobleme • Familienpsychologin • Familientherapeutin • Gerichtsgutachterin • Gutachten • Humor Bücher • humorvoll • humorvolle Bücher • Jugendamt • Lustige Bücher • Pflegefamilie • Pflegekind • Problemfamilien • Prolls • Psychologin • Sophie Seeberg • Sorgerechtsstreit • wahre Begebenheit Buch • wahre Familiengeschichte • Wahre GEschichte • wahre geschichten bücher
ISBN-10 3-426-43373-7 / 3426433737
ISBN-13 978-3-426-43373-7 / 9783426433737
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