Verlorene Seelen (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
448 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-15667-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verlorene Seelen -  Nora Roberts
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ein Frauenmörder treibt sein Unwesen in Washington. Seine Opfer: Blondinen. Sein Kennzeichen: ein weißer Priesterschal. Tess Court, die mit der Aufklärung des Falles betraute Psychologin, fällt nicht nur Ben Paris von der Mordkommission auf, der mit ihr an dem Fall arbeitet. Auch dem Mörder bleibt die bemerkenswerte Blondine nicht verborgen ...

Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmäßig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.

Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.

1


Fünfzehnter August. Ein weiterer schwüler Tag. Kein einziges weißes Wölkchen stand am diesigen Himmel, kein Lüftchen ging. Die Hitze war so unerträglich, daß man kaum atmen konnte.

Die Sechs-Uhr- und die Elf-Uhr-Nachrichten brachten die deprimierende Meldung, daß es noch eine Weile so weitergehen würde. In den langen, sich träge dahinziehenden letzten Tagen des Sommers bildete die furchtbare Hitzewelle, die jetzt in die zweite Woche ging, das Hauptgesprächsthema der Einwohner von Washington, D. C.

Der Senat hatte sich bis zum September vertagt, so daß der Capitol Hill wie ausgestorben wirkte. Der Präsident hatte sich nach Camp David zurückgezogen, um sich vor seiner vieldiskutierten Europareise noch ein wenig in kühlerer Umgebung zu entspannen. Ohne die tägliche Hektik des politischen Lebens war Washington eine Stadt der Touristen und der Straßenhändler. Gegenüber vom Smithsonian produzierte sich ein Pantomime vor einer verschwitzten Menschenmenge, die weniger um seiner Künste willen stehengeblieben war als vielmehr, um gemeinsam zu verschnaufen. Hübsche Sommerkleider hingen wie Lappen an ihren Trägerinnen, Kinder verlangten quengelnd nach Eis.

Jung und alt strömte in den Rock Creek Park, um im Schatten der Bäume und am Wasser der schlimmsten Hitze zu entgehen. Fruchtsäfte und Limonade wurden literweise konsumiert, ebenso Bier und Wein, wenn auch weniger auffällig. Sobald Parkwächter aufkreuzten, ließ man rasch die Flaschen verschwinden. Picknicks und Grillpartys wurden abgehalten, deren Teilnehmer sich immer wieder den Schweiß von der Stirn wischten, ihre Grillwürstchen anbrennen ließen und auf Babys aufpaßten, die in Windeln über den Rasen watschelten. Mütter riefen ihren Kindern zu, nicht ans Wasser zu gehen, nicht auf die Straße zu laufen, den Stock oder Stein wieder hinzulegen. Die Musik aus den tragbaren Radiogeräten war wie gewöhnlich laut und provokativ; die Disk-Jockeys sprachen von heißen Scheiben und verkündeten, daß die Temperatur weit über dreißig Grad betrage.

Kleine Gruppen von Studenten fanden sich zusammen. Einige saßen auf den Felsen oberhalb des Baches, um über den Zustand der Welt zu diskutieren. Andere, die eher am Zustand ihrer Sonnenbräune interessiert waren, lagen ausgestreckt im Gras. Wer genügend Zeit und Benzin hatte, war an den Strand oder in die Berge geflohen. Ein paar Collegestudenten brachten die Energie auf, mit einer Frisbeescheibe zu spielen. Die jungen Männer hatten sich bis auf die Shorts ausgezogen, um mit ihren gleichmäßig gebräunten Oberkörpern anzugeben.

Unter einem Baum saß eine hübsche junge Kunststudentin und zeichnete in aller Muße. Nachdem einer der Frisbeespieler mehrmals versucht hatte, ihre Aufmerksamkeit auf seinen Bizeps zu lenken, an denen er sechs Monate lang gearbeitet hatte, griff er zu einer direkteren Methode. Die Frisbeescheibe landete klatschend auf ihrem Skizzenbuch. Als sie verärgert aufblickte, kam er angetrabt. Er grinste entschuldigend auf eine Weise, die er für unwiderstehlich hielt.

»Tut mir leid. Ist mir aus der Hand gerutscht.«

Nachdem sie sich ihre dunkle Haarmähne aus dem Gesicht gestrichen hatte, gab die Studentin ihm die Wurfscheibe zurück. »Macht nichts.« Dann zeichnete sie weiter, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.

Doch die Jugend ist nun mal hartnäckig. Er hockte sich neben sie und betrachtete ihre Zeichnung. Er verstand von Kunst ungefähr soviel wie ein Esel vom Tanzen, doch ein Aufhänger war halt ein Aufhänger. »Hey, das ist ja toll. Wo studierst du denn?«

Da sie die Masche durchschaute, wollte sie ihn eigentlich abblitzen lassen. Doch dann blickte sie lange genug auf, um sein Lächeln zu sehen. Seine Tour mochte ja ziemlich plump sein, aber süß war er schon. »In Georgetown.«

»Im Ernst? Ich auch. Einführung in die Rechtswissenschaft.«

Ungeduldig rief sein Partner vom anderen Ende des Rasens: »Rod! Gehen wir nun ein Bier trinken oder nicht?«

»Kommst du oft hierher?« fragte Rod, ohne auf seinen Freund zu achten. Das Mädchen hatte die größten braunen Augen, die er je gesehen hatte.

»Ab und an.«

»Wollen wir uns nicht …«

»Rod, nun komm doch. Laß uns endlich was trinken gehen.

Rod sah zu seinem verschwitzten, leicht übergewichtigen Freund hinüber. Dann blickte er wieder in die kühlen braunen Augen des Mädchens. Gar keine Frage, wem er den Vorzug gab. »Ich komme später nach, Pete!« rief er und schleuderte die Frisbeescheibe mit einer lässigen Bewegung hoch in die Luft.

»Bist du fertig mit Spielen?« fragte die Kunststudentin, während sie den Flug der Wurfscheibe verfolgte.

Er grinste und berührte ihre Haarspitzen. »Kommt ganz darauf an.«

Schimpfend nahm Pete die Verfolgung der Wurfscheibe auf. Erst vor kurzem hatte er sechs Dollar dafür ausgegeben. Nachdem er beinahe über einen Hund gestolpert wäre, kraxelte er einen Abhang hinunter. Er hoffte inständig, daß die Frisbeescheibe nicht im Bach landen würde. Für seine Ledersandalen hatte er noch einiges mehr hingeblättert. Als die Scheibe in Richtung Wasser flog, stieß er laute Flüche aus. Dann prallte sie von einem Baum ab und trudelte ins Gebüsch. Schweißtriefend und ständig an das kühle Bier denkend, das ihn erwartete, schob Pete Äste zur Seite und bahnte sich einen Weg.

Plötzlich stockte ihm das Herz, und gleich darauf begann das Blut in seinen Schläfen zu hämmern. Bevor er dazu kam, einen Schrei auszustoßen, gab er seinen Lunch, bestehend aus Pommes frites und zwei Hotdogs, wieder von sich.

Die Frisbeescheibe war am Ufer des Baches gelandet und lag – neu und rot und fröhlich wirkend – auf einer kalten weißen Hand, welche die Scheibe ihrem Besitzer entgegenzuhalten schien.

Es handelte sich um Carla Johnson, eine dreiundzwanzig Jahre alte Schauspielschülerin, die als Kellnerin gejobbt hatte. Vor zwölf bis fünfzehn Stunden war sie mit dem Humerale eines Priesters – weiß mit goldenen Borten  – erdrosselt worden.

 

Nachdem er seinen schriftlichen Bericht über den Johnson-Mord abgeschlossen hatte, saß Detective Ben Paris zusammengesunken am Schreibtisch. Er hatte die Fakten mit zwei Fingern in die Maschine gehämmert, doch jetzt gaben ihm ebendiese Fakten den Ball zurück. Keine Vergewaltigung, kein Raubmord. Ihr Portemonnaie hatte unter ihr gelegen und dreiundzwanzig Dollar und sechsundsiebzig Cent sowie eine Master Card enthalten. Ein Ring mit einem Opal, für den man beim Pfandleiher etwa fünfzig Dollar bekommen hätte, hatte noch an ihrem Finger gesteckt. Kein Motiv, keine Verdächtigen. Nichts.

Ben und sein Partner hatten den Nachmittag damit verbracht, die Familie des Opfers zu vernehmen. Eine unangenehme Sache, dachte er bei sich. Notwendig, aber unangenehm. All ihre Fragen hatten immer wieder dasselbe zutage gefördert. Carla hatte Schauspielerin werden wollen. Sie war ganz in ihren Studien aufgegangen. Ab und zu hatte sie sich zwar mit Männern verabredet, aber keine ernsthafte Beziehung gehabt – dafür war ihr Ehrgeiz zu groß gewesen, ein Ehrgeiz, der jetzt keine Erfüllung mehr finden würde.

Ben überflog noch einmal den Bericht und verweilte bei dem Gegenstand, mit dem sie getötet worden war, dem Schultertuch eines Priesters. Daneben war ein Zettel an die Kleidung der Toten geheftet gewesen. Vor einigen Stunden hatte er selbst neben der Leiche gekniet, um zu lesen, was darauf stand:

 

Ihre Sünden sind ihr vergeben.

 

»Amen«, murmelte Ben und stieß einen tiefen Seufzer aus.

 

In der zweiten Septemberwoche ging Barbara Clayton kurz nach ein Uhr nachts quer über den Rasen vor der Washington Cathedral. Die Luft war warm, die Sterne funkelten, doch sie war nicht in der Verfassung, um sich an solchen Dingen zu erfreuen. Während sie über den Rasen schritt, fluchte sie leise vor sich hin. Diesem Automechaniker mit dem Frettchengesicht würde sie morgen früh aber die Meinung sagen. Angeblich hatte er das Getriebe ihres Autos repariert, so daß es wieder wie neu war. So ein Armleuchter! Nur gut, daß sie bloß noch ein paar Blocks zu laufen hatte. Jetzt würde sie mit dem Bus zur Arbeit fahren müssen. Das sollte ihr der miese kleine Dreckskerl büßen. Als eine Sternschnuppe niederging und am Himmel ihre leuchtende Spur hinterließ, bemerkte sie es nicht einmal.

Ebensowenig bemerkte es der Mann, der sie beobachtete. Er hatte gewußt, daß sie kommen würde. War ihm nicht aufgetragen worden, wachsam zu sein? Platzte ihm eben jetzt nicht fast der Schädel, weil die STIMME darin so laut dröhnte? Er war auserwählt, die Bürde auf sich zu nehmen und der Glorie teilhaftig zu werden.

»Dominus vobiscum«, murmelte er. Dann schlossen sich seine Hände fest um den glatten Stoff des Humerales.

Als seine Mission vollendet war, spürte er, wie die göttliche Macht ihn heiß durchströmte. Seine Lenden explodierten. Sein Blut rauschte. Er war rein von Sünde. Und sie jetzt ebenfalls. Mit einer langsamen, sanften Bewegung fuhr er ihr mit dem Daumen über die Stirn, die Lippen und die Brust, um das Zeichen des Kreuzes zu machen. Er erteilte ihr Absolution. Doch er mußte sich beeilen, denn die STIMME hatte ihn darauf hingewiesen, daß es viele Menschen gab, die die Reinheit seines Werkes nicht begreifen würden.

Er ließ ihren Körper im Schatten liegen und ging davon. Tränen der Freude und des Wahnsinns glänzten in seinen Augen.

 

»Die Medien setzen uns gewaltig zu.« Captain Harris schlug mit der Faust auf die Zeitung, die aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch lag. »Die ganze gottverdammte Stadt ist in Panik geraten....

Erscheint lt. Verlag 27.11.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller • Blondine • Dunkle Schatten der Vergangenheit • eBooks • Frauenmörder • Frauenromane • Gefahr • kleine geschenke für frauen • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Leidenschaft • Liebe • Liebesromane • Romane für Frauen • Romantic Suspense • Romantik • Schicksal • Washington
ISBN-10 3-641-15667-X / 364115667X
ISBN-13 978-3-641-15667-1 / 9783641156671
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99