Tödliche Geliebte (eBook)
416 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-96811-9 (ISBN)
Wolfgang Burger, geboren 1952 im Südschwarzwald, war promovierter Ingenieur und hat viele Jahre in leitenden Positionen am Karlsruher Institut für Technologie KIT gearbeitet. Seit 1995 war er schriftstellerisch tätig und lebte in Karlsruhe und Regensburg. Seine 20-bändige Reihe um den Kriminaloberrat Alexander Gerlach wurde mehrfach für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert und stand regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Wolfgang Burger verstarb im Dezember 2024.
Wolfgang Burger, geboren 1952 im Südschwarzwald, ist promovierter Ingenieur und hat viele Jahre in leitenden Positionen am Karlsruher Institut für Technologie KIT gearbeitet. Er hat drei erwachsene Töchter und lebt heute in Karlsruhe und Regensburg. Seit 1995 ist er schriftstellerisch tätig. Die Alexander-Gerlach-Romane waren bereits zweimal für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert und standen mehrfach auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.
2
Die beiden traten zur Seite, soweit der enge Flur es erlaubte, und nun sah auch ich die Bescherung: Wenige Schritte von der Tür entfernt lag ein Mensch am Boden. Die Füße zeigten in meine Richtung. Nach der Schuhgröße zu schließen, war es ein Mann. Ein ziemlich junger Mann. Dick war er, stellte ich fest, als ich näher trat. Um nicht zu sagen, fett. Der runde Kopf mit hellblonder Wuschelfrisur lag in einer Blutlache. Die Nase war ein blutiger Brei. Der weiche Mund stand blöde offen. Die hellen Augen starrten ins Nichts.
Guido begann plötzlich zu keuchen, stieß mich unsanft zur Seite und riss eine Tür auf, links von mir, hinter der er wohl das Bad vermutete. Die Tür knallte zu, und Augenblicke später hörte ich eindeutige Geräusche. Bud Spencer grinste mitleidig.
Der Tote lag mit den Füßen im Flur und mit dem Kopf in einem Zimmer. Dieses Zimmer hatte schräge Wände und schien der Wohn- und Arbeitsraum zu sein.
»Ich mach mal die Fenster auf«, sagte Bud Spencer. »Ich darf doch?«
Offenbar hatte er schon hie und da mit der Kripo zu tun gehabt und kannte die Spielregeln: Am Tatort nicht unnötig herumtrampeln, nichts verändern, nichts anfassen, was nicht unbedingt angefasst werden muss. Der übliche Griff zur Halsschlagader erübrigte sich hier: Dieser junge Mann war so tot, wie ein Mensch nur tot sein konnte.
Mit dem Rücken zur Wand quetschte sich der Feuerwehrmann an der Leiche vorbei und vermied dabei sorgfältig, in die Blutlache zu treten. Dann verschwand er aus meinem Sichtfeld. Ich hörte, wie er zwei Fenster öffnete. Eines davon klemmte ein wenig und knarrte empört. Dann entstand Durchzug, und Sekunden später konnte man wieder fast normal atmen.
»Licht?«, fragte ich, als er wieder erschien. »Darf man jetzt Licht machen?«
Er reckte fachmännisch die Nase in die Luft und nickte. Guido würgte immer noch im Bad. Ich drückte den Schalter. Es wurde hell. Ansonsten geschah nichts. Ich entspannte mich und trat näher an den Toten heran. Das Blut im Gesicht und auf dem schäbigen Teppich war schwarz und schon komplett eingetrocknet. Er musste bereits seit mehreren Tagen tot sein. Die Würgegeräusche im Bad schienen schwächer zu werden.
Das Geschoss hatte den Toten mitten im Gesicht getroffen, dabei die Nase zerschmettert und war vermutlich am Hinterkopf wieder ausgetreten.
»Gucken Sie mal!« Bud Spencer deutete auf die Füße des Toten, die in Puma-Sportschuhen steckten, deren alarmrote Schnürsenkel nicht gebunden waren. »Der Killer hat versucht, den armen Kerl auch noch anzuzünden!«
Er hatte recht: Die Beine der hellgrünen Jogginghose waren angekokelt, teilweise schon komplett verbrannt. An diesen Stellen war die Haut schwarz und aufgeplatzt. Rechts, unter einer altertümlichen Garderobe, an der eine Outdoor-jacke und ein zerknittertes schwarzes Cordjackett baumelten, lag eine blaue Dose mit Schraubdeckel und eindeutiger Aufschrift: Waschbenzin. Darum herum hatte sich eine große Pfütze gebildet. Vermutlich hatte der Täter in der Hektik den Deckel nicht richtig zugeschraubt.
Im Bad schien die Lage sich nun endgültig zum Guten gewendet zu haben. Ich hörte den nervenschwachen Guido noch ein wenig husten und rascheln. Dann ertönte ein Klappergeräusch, und schließlich öffnete sich die Tür. Guido war so weiß im Gesicht wie die Kacheln an den Wänden des Badezimmers in seinem Rücken.
»So ein Mist!«, schimpfte er und zog erschöpft die Nase hoch. »Und dann kein Wasser! Ist mir echt so peinlich.«
Angestrengt vermied er es, nach unten zu sehen. Ich verließ mit ihm zusammen die Wohnung, um Verstärkung anzufordern.
»Schicken Sie auch gleich die Spurensicherung«, wies ich den Kollegen an, der in der Notrufzentrale der Polizeidirektion das Telefon abnahm. »Außerdem brauchen wir einen Brandsachverständigen.«
»Er hat gelöscht«, sagte Bud Spencer, als ich das Handy wieder einsteckte, und deutete auf eine babyblaue Wolldecke, die nicht weit von der Benzindose zusammengeknüllt am Boden lag. »Erst knallt er den Kerl ab und zündet ihn an und dann löscht er gleich wieder. Der hat anscheinend nicht gewusst, was er will.«
Nach einem Einbruch sah es hier jedenfalls nicht aus. Das Türschloss war unbeschädigt, die Wohnung wirkte nicht durchwühlt.
Hier handelte es sich um Mord.
»Vielleicht sind sie zu zweit gewesen?«, überlegte Guido. »Der eine hat gesagt: Komm, zünden wir den Typ an, vielleicht hat er Spuren verwischen wollen, aber der andere ist dagegen gewesen? Ein Glück, übrigens. Bei so einem Altbau ist ein Dachstuhlbrand eine Katastrophe. Alles Holz um uns herum.«
Bud Spencer mochte recht haben: Hier hatte jemand nicht gewusst, was er wollte. Der Täter hatte vielleicht in Panik gehandelt. Andererseits sah das Ganze nach einer regelrechten Hinrichtung aus. Das Opfer hatte dem Täter die Tür geöffnet und in den Lauf einer Waffe geblickt, war zwei, drei Schritte rückwärtsgegangen und …
»Wie kann einer bloß ohne Wasser leben?«, fragte Guido, immer noch fassungslos, dessen Gesicht inzwischen wieder ein wenig Farbe angenommen hatte. »Keine Klospülung, keine Dusche, also echt …«
Wenn man die Wohnung betrat, kam gleich links das Badezimmer. Daran schloss sich die Küche an, deren Tür offen stand. Die Musik, die immer noch lief, kam aus einem kleinen, würfelförmigen Radio, das im Wohn- und Arbeitszimmer auf einer umgestülpten roten Plastikkiste stand. Im Moment spielten die Eagles »Hotel California«. Den Blickfang des lange nicht aufgeräumten und selten abgestaubten Raums bildete ein bequem aussehendes, rotes Sofa. Unter einem der beiden Gaubenfenster stand ein mit Papierkram und einem breiten Computermonitor hoffnungslos überladener Schreibtisch aus Pressspan und davor ein überraschend hochwertiger, lederbezogener Schreibtischsessel. An der gegenüberliegenden Wand ein großer Flachbildfernseher. Alles machte den Eindruck, als hätte der Tote allein hier gelebt und wenig Wert auf Stil und Wohnlichkeit gelegt.
Rechts, gegenüber der Küche, lag das Schlafzimmer. Hier stand in der Ecke unter einer Schrägwand ein breites, zerwühltes Bett. Darauf lagen zwei Kopfkissen einträchtig nebeneinander. Am Fußende hockten drei freundlich grinsende Teddybären unterschiedlicher Größe, die zur selben Familie zu gehören schienen. Vater, Mutter, Kind. Zwischen den Kissen saß sehr aufrecht und ernst eine kleine, schon ziemlich lädierte Puppe, etwa dreißig Zentimeter groß, die eine ländlich bunte Tracht trug. Sie saß da, als stünde ihr ein Ehrenplatz zu. Auf dem Kopf trug sie eine weiße Haube, deren Ränder liebevoll mit farbig besticktem Band verziert waren. Auch die Bluse war bunt und hatte weite Ärmel.
Über einem alten und staubigen Sessel lagen achtlos hingeworfen einige Kleidungsstücke. Ein paar Jeans sah ich, bunte Boxershorts in Größe XL, daneben ein Nichts aus schwarzem Stoff. Ein Stringtanga, der gewiss nicht an den Körper des Toten passte.
»Was ist denn hier los?«, fragte eine raue Männerstimme mit leicht angelsächsischem Akzent von draußen.
Ich verließ eilig das Schlafzimmer, um den neugierigen Frager daran zu hindern, die Wohnung zu betreten. In der Wohnungstür erschien ein schlaksiger Kerl mit langem, ratlosem Pferdegesicht, fast zwei Meter groß und mindestens so sehr außer Atem, wie ich es nach dem Aufstieg gewesen war. Seine Miene changierte zwischen Neugierde und Besorgnis.
»Sie sind …?«, fragte ich freundlich.
»Andrew Weber«, stellte er sich vor und fuhr mit der flachen Hand über seine hohe Stirn. »Ich wohne da.« Er deutete auf die gegenüberliegende graue Tür. »Was ist mit Andi? Und was riecht hier so …«
»Ihr Nachbar ist tot. Es tut mir leid.«
Die schlimme Nachricht ließ den schnaufenden Riesen seltsam unberührt. Der junge Mann trug einen olivgrünen, schon arg verschlissenen Parka, an dessen Ärmel ein rotes Ahornblatt auf weißem Grund prangte. Auf seiner kräftigen Nase saß eine runde Nickelbrille.
»Tot?«, fragte er begriffsstutzig. »Aber wieso … Darf ich?«
»Es ist kein schöner Anblick«, sagte ich warnend und zu spät, denn er war schon halb an mir vorbei. »Er wurde erschossen.«
Andrew Weber warf einen langen Blick in den Flur seines Nachbarn. Schauderte, nickte schließlich, als hätte er so etwas seit Langem erwartet.
»Wie heißt Ihr Nachbar?«
Weder am Klingelknopf noch an der Tür befand sich ein Namensschild.
Er nickte noch einmal mit leerem Blick. Fuhr sich wieder über die verschwitzte Stirn. Über sein Gesicht irrlichterten die verschiedensten Gefühle.
»Andi … aber … wer tut denn so was?«
»Andi – und wie weiter?«
Er schluckte krampfhaft, kam allmählich wieder zu sich, sah mir ins Gesicht. »Dierksen. Andreas Dierksen.«
Im Gegensatz zu Guido war er durch den Schreck nicht blass geworden, sondern krebsrot. Mit fahrigen Bewegungen riss er sich den schweren Parka vom Leib und warf ihn achtlos vor seine Wohnungstür. Sein blassgelbes und viel zu weites T-Shirt hätte er schon vor Tagen in die Waschmaschine stopfen sollen. An den langen Beinen labberte eine verwaschene Jeans, die ihm nur wegen des straff gezogenen schwarzen Ledergürtels nicht auf die Knöchel rutschte. An den Füßen trug er Springerstiefel.
»Haben Sie Herrn Dierksen gut gekannt?«
Unten wurde es laut. Die Haustür fiel ins Schloss. Eilige Schritte kamen die Treppe herauf. Eine Frau lachte kieksend. Die Verstärkung rückte an. Andrew Weber nickte zum dritten Mal, sah irritiert...
Erscheint lt. Verlag | 10.11.2014 |
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Reihe/Serie | Alexander-Gerlach-Reihe |
Alexander-Gerlach-Reihe | |
Alexander-Gerlach-Reihe | |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Alexander Gerlach • Andreas Franz • Baden-Württemberg • Bestseller • Bestsellerautor • Brand • Buch • Bücher • Deutscher Krimi • deutsche Spannung • Feuer • Heidelberg • Inge Löhnig • Krimi • Kriminalroman • Nele Neuhaus • Regionalkrimi • Roman • Rotlichtmilieu • spannende Bücher • spannende Krimis • SPIEGEL-Bestseller • SPIEGEL-Bestsellerautor • Wissenschaftler |
ISBN-10 | 3-492-96811-2 / 3492968112 |
ISBN-13 | 978-3-492-96811-9 / 9783492968119 |
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