Glaubst du, es war Liebe? (eBook)

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
352 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403080-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Glaubst du, es war Liebe? -  Alice Munro
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Nobelpreis für Literatur 2013 Endlich wieder lieferbar! In einer der Geschichten aus ?Glaubst du, es war Liebe?? lernt Georgia den Tiefseetaucher Miles kennen. Sie schläft mit ihm, im Auto und am Strand, beginnt eine Affäre. Sie ist nicht im Geringsten verliebt, fühlt sich 'vom Kosmos beschenkt', bis sich ihr Leben mit Lügen füllt... Ein Band mit Geschichten, wie sie nur die Nobelpreisträgerin Alice Munro schreiben kann - über Frauen, die Vieles verlieren und Großes gewinnen: ein Leben.

Alice Munro, geboren am 10. Juli 1931 in Wingham, Ontario, Kanada, ist eine der bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart. Sie erhielt 2013 die höchste Auszeichnung für Literatur, den Nobelpreis. Ihr umfangreiches erzählerisches Werk wurde bereits zuvor mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Giller Prize, dem Book Critics Circle Award und dem Man Booker International Prize. Alice Munro starb am 13. Mai 2024 in Port Hope, Ontario.  Im S. FISCHER Verlag bzw. FISCHER Taschenbuch Verlag liegen vor: ?Himmel und Hölle?, ?Die Liebe einer Frau?, ?Der Traum meiner Mutter?, ?Tricks?, ?Wozu wollen Sie das wissen??, ?Zu viel Glück?, ?Tanz der seligen Geister?, ?Offene Geheimnisse?, ?Glaubst du, es war Liebe??, ?Das Bettlermädchen?, ?Der Mond über der Eisbahn?, ?Liebes Leben?, ?Was ich dir schon immer sagen wollte?, ?Die Jupitermonde?, ?Ferne Verabredungen. Die schönsten Erzählungen? und Munros einziger Roman ?Kleine Aussichten?. Literaturpreise (Auswahl): Canada-Australia Literary Prize (1977) Commonwealth Writers' Prize (1991) Giller Prize for Fiction (1998 und 2004) Man Booker International (2009) Trillium Award (2013) Nobelpreis für Literatur (2013)

Alice Munro, geboren am 10. Juli 1931 in Wingham, Ontario, Kanada, ist eine der bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart. Sie erhielt 2013 die höchste Auszeichnung für Literatur, den Nobelpreis. Ihr umfangreiches erzählerisches Werk wurde bereits zuvor mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Giller Prize, dem Book Critics Circle Award und dem Man Booker International Prize. Alice Munro starb am 13. Mai 2024 in Port Hope, Ontario.  Im S. FISCHER Verlag bzw. FISCHER Taschenbuch Verlag liegen vor: ›Himmel und Hölle‹, ›Die Liebe einer Frau‹, ›Der Traum meiner Mutter‹, ›Tricks‹, ›Wozu wollen Sie das wissen?‹, ›Zu viel Glück‹, ›Tanz der seligen Geister‹, ›Offene Geheimnisse‹, ›Glaubst du, es war Liebe?‹, ›Das Bettlermädchen‹, ›Der Mond über der Eisbahn‹, ›Liebes Leben‹, ›Was ich dir schon immer sagen wollte‹, ›Die Jupitermonde‹, ›Ferne Verabredungen. Die schönsten Erzählungen‹ und Munros einziger Roman ›Kleine Aussichten‹. Literaturpreise (Auswahl): Canada-Australia Literary Prize (1977) Commonwealth Writers' Prize (1991) Giller Prize for Fiction (1998 und 2004) Man Booker International (2009) Trillium Award (2013) Nobelpreis für Literatur (2013) Karen Nölle lebt als freie Übersetzerin und Lektorin in der holsteinischen Schweiz. Sie hat unter anderem Doris Lessing und Alice Munro ins Deutsche übertragen.

Five Points


Während sie im Trailerpark auf den Klippen über dem Huronsee sitzen und Wodka mit Orangensaft trinken, erzählt Neil Bauer Brenda eine Geschichte. Sie hat sich weit entfernt zugetragen, in Victoria in British Columbia, wo Neil aufgewachsen ist. Neil ist nicht viel jünger als Brenda – nicht einmal drei Jahre –, aber manchmal kommt es ihr vor, als liege eine ganze Generation zwischen ihnen, weil sie hier groß geworden und mit zwanzig Cornelius Zendt geheiratet hat und hier geblieben ist, Neil aber an der Westküste aufgewachsen ist, wo alles ganz anders war, und mit sechzehn von zu Hause weggegangen ist, um zu reisen und mal hier, mal dort zu arbeiten.

Was Brenda von Victoria gesehen hat, auf Bildern, sind Blumen und Pferde. Blumen, die aus Körben an altmodischen Laternenmasten quellen, Grotten ausfüllen und Parks schmücken; Pferde, die Kutschen voller Menschen zu den Sehenswürdigkeiten bringen.

»Das ist alles bloß Touristen-Scheiß«, sagt Neil. »Die halbe Stadt ist weiter nichts als Schau für die Touristen. Das ist nicht der Teil, von dem ich rede.«

Er redet von Five Points. Das war – ist – ein Teil oder vielleicht bloß ein Winkel der Stadt, mit einer Schule und einem Drugstore, einem chinesischen Supermarkt und einem Süßwarenladen. Als Neil auf die Hauptschule ging, gehörte der Süßwarenladen einer mürrischen alten Frau mit angemalten Augenbrauen. Ihre Katze durfte sich immer im Fenster in der Sonne ausstrecken. Nach ihrem Tod übernahmen den Süßwarenladen irgendwelche neuen Leute, Europäer, keine Polen oder Tschechen, sondern aus einem kleineren Land – Kroatien, ist das ein Land? – und modelten ihn um. Sie räumten die alten, verklebten Bonbons und die Luftballons aus, die sich nicht mehr aufblasen ließen, und die Kugelschreiber, die nicht schrieben, und die toten mexikanischen Springbohnen. Sie strichen den Laden von oben bis unten neu und stellten ein paar Stühle und Tische auf. Sie verkauften weiter Süßwaren – jetzt in sauberen Gläsern anstelle der mit Katzenurin getränkten Pappkartons – und Lineale und Radiergummis. Aber sie operierten auch als eine Art Nachbarschaftscafé, mit Kaffee und alkoholfreien Getränken und selbstgebackenem Kuchen.

Die Frau, die auch den Kuchen buk, war sehr schüchtern und eigen, und wenn man bei ihr bezahlen wollte, rief sie auf Kroatisch – nehmen wir einfach an, es war Kroatisch – so erschrocken nach ihrem Mann, dass man meinen musste, man wäre bei ihr eingebrochen und hätte ihren Hausfrieden gestört. Ihr Mann sprach recht gut Englisch. Er war ein kleiner glatzköpfiger Mann, höflich und nervös, ein Kettenraucher, und sie war eine große, dicke Frau mit gebeugten Schultern, immer mit Schürze und Wolljacke bekleidet. Er putzte die Fenster und kehrte den Bürgersteig und kassierte das Geld, und sie buk die Törtchen und Kuchen und Sachen, die bis dahin niemand kannte, die sich aber bald großer Beliebtheit erfreuten, wie Piroggen und Mohnbrot.

Ihre beiden Töchter sprachen Englisch wie Kanadier und gingen auf die Nonnenschule. Sie tauchten spätnachmittags in ihrer Schuluniform auf und machten sich sofort an die Arbeit. Die Jüngere spülte die Kaffeetassen und Gläser und wischte die Tische ab, und die Ältere kümmerte sich um alles Übrige. Sie bediente die Kunden und die Kasse, füllte Tabletts und verscheuchte die kleinen Kinder, die herumlungerten, ohne etwas zu kaufen. Wenn die Jüngere mit Spülen fertig war, setzte sie sich ins Hinterzimmer und machte ihre Hausaufgaben, aber die Ältere setzte sich nie. Wenn einen Augenblick lang nichts zu tun war, stand sie einfach an der Kasse und guckte.

Die Jüngere hieß Lisa, die Ältere Maria. Lisa war klein und sah ganz nett aus – ein kleines Kind eben. Aber Maria, die vielleicht dreizehn war, hatte einen großen Hängebusen, einen vorgewölbten Bauch und dicke Beine. Sie trug eine Brille, und ihr Haar war zu Zöpfen um den Kopf geflochten. Sie sah aus wie fünfzig.

Und so wirkte sie auch, vor allem in der Art, wie sie das Geschäft in die Hand nahm. Beide Eltern schienen ihr bereitwillig die Führung zu überlassen. Die Mutter zog sich ins Hinterzimmer zurück, und der Vater wurde Mädchen für alles. Maria konnte Englisch und mit Geld umgehen und war durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Alle kleinen Kinder sagten: »Ih, diese Maria – ist die fett!« Aber sie hatten Angst vor ihr. Sie sah aus, als wüsste sie bereits alles darüber, wie man ein Geschäft führte.

 

Auch Brenda und ihr Mann führen ein Geschäft. Sie haben ein Stück südlich von Logan einen Hof gekauft und die Scheune mit gebrauchten Geräten vollgestellt (Cornelius versteht sich auf Reparaturen), mit alten Möbeln und all den anderen Sachen – Geschirr, Bilder, Besteck, Schnickschnack und Schmuck –, in denen Menschen gern stöbern und glauben, sie könnten ein Schnäppchen machen. Zendts Möbelscheune heißt der Laden. Bei vielen in der Gegend ist es der Gebrauchtladen am Highway.

Sie machen das nicht schon immer. Brenda war früher Kindergärtnerin, und Cornelius, der zwölf Jahre älter ist als sie, hat im Salzbergwerk in Walley am See gearbeitet. Nach seinem Unfall mussten sie sich etwas einfallen lassen, was er zum größten Teil im Sitzen machen konnte, und sie kauften mit dem, was sie an Geld hatten, einen abgewirtschafteten Bauernhof mit intakten Gebäuden. Brenda gab ihre Stelle auf, weil die Arbeit für Cornelius allein zu viel gewesen wäre. Immer wieder muss er sich stundenweise und manchmal ganze Tage hinlegen und fernsehen oder einfach auf dem Wohnzimmerfußboden ruhen, um mit dem Schmerz fertig zu werden.

Abends fährt Cornelius gern nach Walley rüber. Brenda bietet es nie von selbst an – sie wartet auf sein »Willst du nicht ans Steuer?«, wenn er vermeiden will, dass ihm die Bewegung seiner Arme oder Beine ins Kreuz geht. Früher kamen die Kinder mit, aber jetzt, wo sie auf der Highschool sind – Lorna in der elften und Mark in der neunten Klasse –, haben sie meistens keine Lust. Brenda und Cornelius sitzen in ihrem geparkten Lieferwagen und betrachten die Möwen, die sich draußen am Wellenbrecher aufreihen, die Getreidesilos, die großen, grün beleuchteten Schächte und Rampen des Bergwerks, in dem Cornelius früher gearbeitet hat, die Pyramiden aus grobem grauem Salz. Manchmal liegt ein langer Kahn im Hafen. Im Sommer sieht man natürlich Vergnügungsdampfer, Windsurfer draußen auf dem Wasser, Menschen, die am Pier angeln. Auf einer Tafel am Strand wird jeden Tag ausgehängt, wann Sonnenuntergang ist; die Leute kommen extra dorthin, um ihn sich anzuschauen. Jetzt im Oktober ist die Tafel leer, und am Pier brennen die Laternen – ein bis zwei Unverdrossene angeln immer noch –, und das Wasser ist kabbelig und sieht kalt aus, im Hafen herrscht nüchterne Geschäftigkeit.

Am Strand wird noch gearbeitet. Seit Anfang letzten Frühjahrs werden an einigen Stellen Felsbrocken aufgetürmt, an anderen Sand aufgeschüttet, man hat eine lange felsige Landzunge gebaut, so dass ein geschützter bogenförmiger Strand entstanden ist, mit einer unbefestigten Straße daneben, auf der fahren sie. Cornelius vergisst seinen Rücken – er will sehen, was da vor sich geht. Laster, Bagger und Bulldozer haben den ganzen Tag gewühlt und stehen abends noch da, vorübergehend zahme und nutzlose Ungeheuer. Hier arbeitet Neil. Er fährt diese Dinger – er befördert die Steinbrocken, räumt die Flächen frei und baut die Straße, auf der Brenda und Cornelius dann fahren können. Er arbeitet für die Fordyce Baugesellschaft aus Logan, die den Auftrag ausführt.

Cornelius sieht sich alles an. Er weiß, welche Ladung die Schiffe nehmen (Saatweizen, Salz, Mais) und wohin sie fahren, er ist darüber informiert, wie tief das Hafenbecken ausgebaggert wird, und er will jedes Mal einen Blick auf die riesige Rohrleitung werfen, die schräg über den Strand verläuft und schließlich Wasser und Schlamm und Steine vom Boden des Sees ausspuckt, die nie zuvor das Tageslicht gesehen haben. Er steigt aus und stellt sich an das Rohr, um das Getöse darin zu hören, das Rumpeln und Knirschen der Steine und das sie umspülende Wasser. Er fragt, was ein harter Winter mit diesem ganzen Planen und Bauen anrichten wird, wenn der See die Felsen und den Strand einfach hochhebt und wegschleudert und wieder an den Lehmklippen frisst wie eh und je.

Brenda hört Cornelius zu und denkt an Neil. Es gefällt ihr, an dem Ort zu sein, wo Neil seine Tage verbringt. Sie ist gern in Gedanken beim Lärm und der ausdauernden Kraft dieser Maschinen und bei den Männern in den Führerhäuschen mit ihren nackten Armen, die so selbstverständlich mit diesen Pferdestärken umgehen, als wäre es ihnen auf ganz natürliche Weise klar, wohin dieses Dröhnen und Malmen am Ufer führen wird. Ihre lässige, gutgelaunte Autorität. Sie liebt den Geruch der Arbeit an ihren Körpern, die Sprache, mit der sie darüber reden, ihre Konzentration und die Art, wie sie Brenda ignorieren. Sie liebt es, einen Mann zu treffen, der das alles frisch hinter sich hat.

Wenn sie mit Cornelius hier ist und Neil eine Zeitlang nicht gesehen hat, fühlt sie sich manchmal einsam und verloren, als könnte es sein, dass diese Welt sie kalt abweist. Wenn sie gerade mit Neil zusammen war, ist sie ihr Königreich – aber ist es dann nicht mit allem so? Am Abend vor ihrer nächsten Verabredung – gestern Abend zum Beispiel – sollte sie doch glücklich und voll freudiger Erwartung sein, aber wenn sie ehrlich ist, lauern in den letzten vierundzwanzig Stunden, ja sogar in...

Erscheint lt. Verlag 21.8.2014
Übersetzer Karen Nölle
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte AIDS • Angewohnheit • Apfel • Arbeitshose • Aufmerksamkeit • Barmherzigkeit • Beruhigungsmittel • Birne • bootsdeck • Bootsunglück • Bug • Deck • Drogen • Dufferin • Eisschlamm • Erzählungen • Eßzimmer • Fehlgeburt • Fisch • Flora • Gerichtsgebäude • Geschichten • Golfturnier • Hawaii • Herrenabteilung • Hochzeit • Jugendzeit • Jüngere • Kabine • Kampf • Kanada • Kirchenlied • Klamotten • Konflikt • Königsfamilie • Korruption • Krankenhaus • Krise • Leiche • Lieferwagen • Meile • Möbelscheune • Monatsfluß • Mord • Motorrad • Nervenarznei • Nobelpreis • Orangensaft • Ottawa • Pastorat • Perücke • Plumpsklosett • Reling • Restaurant • Schiff • Schlaflosigkeit • Schuppen • Schwester • Spirituosengeschäft • Tiefseetaucher • Toronto • Trailerpark • Transporter • Unwetter • Valentinstag • Verbrechen • Victorso • Vidette • Weltliteratur • Wodka
ISBN-10 3-10-403080-4 / 3104030804
ISBN-13 978-3-10-403080-7 / 9783104030807
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