Morgen kommt ein neuer Himmel (eBook)
368 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402479-0 (ISBN)
Lori Nelson Spielman gehört zu den erfolgreichsten Romanautorinnen weltweit. Der internationale Durchbruch gelang ihr mit ihrem ersten Roman, ?Morgen kommt ein neuer Himmel?, der in über 30 Ländern erschienen ist und in Deutschland der Jahresbestseller Belletristik 2014 war. Auch ihre beiden folgenden Romane, ?Nur einen Horizont entfernt? sowie ?Und nebenan warten die Sterne?, wurden sofort zu Nummer-1-Bestsellern.
Lori Nelson Spielman gehört zu den erfolgreichsten Romanautorinnen weltweit. Der internationale Durchbruch gelang ihr mit ihrem ersten Roman, ›Morgen kommt ein neuer Himmel‹, der in über 30 Ländern erschienen ist und in Deutschland der Jahresbestseller Belletristik 2014 war. Auch ihre beiden folgenden Romane, ›Nur einen Horizont entfernt‹ sowie ›Und nebenan warten die Sterne‹, wurden sofort zu Nummer-1-Bestsellern. Andrea Fischer hat Literaturübersetzen studiert und überträgt seit über fünfundzwanzig Jahren Bücher aus dem britischen und amerikanischen Englisch ins Deutsche, unter anderem die von Lori Nelson Spielman, Michael Chabon und Mary Kay Andrews. Sie lebt und arbeitet im Sauerland.
Ein berührender Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte.
Höchstes Schmöker-Potenzial!
Brillant
Man mag gar nicht glauben, dass dies der erste Roman der Autorin ist - durch und durch gelungen!
Lori Nelson Spielman hat einen warmherzigen Roman geschrieben, der gut unterhält
Sentimental, gewiss, aber Spielman macht den Konflikt zwischen Jugendträumen, verlorenen Illusionen und den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, ein Leben neu zu bauen, durchaus glaubhaft – mit Gefühl.
Eine berührende Geschichte über Mutterliebe und die Suche nach Glück.
Großes gedrucktes Gefühlskino.
1
Stimmengemurmel dringt durch das Treppenhaus hinauf, undeutlich, irritierend, fern. Mit zitternden Händen schließe ich die Tür hinter mir. Die Welt verstummt. Ich lehne den Kopf gegen die Tür und atme tief ein. Das Zimmer riecht noch immer nach ihr – nach Eau d’Hadrien und Ziegenmilchseife. Das Eisenbett quietscht leise, als ich mich darauf lege. Ein Geräusch, so beruhigend wie das Klirren ihres Windspiels im Garten oder der Klang ihrer sanften Stimme, wenn sie mir sagte, wie lieb sie mich hat. An dieses Bett bin ich schon gekommen, als sie es noch mit meinem Vater teilte, habe über Bauchschmerzen geklagt oder über Gespenster unter meinem Bett. Jedes Mal holte Mama mich zu sich unter die Decke, hielt mich ganz fest, strich mir übers Haar und flüsterte: »Morgen kommt ein neuer Himmel, mein Schatz, wart’s nur ab.« Und wie durch ein Wunder erwachte ich am nächsten Morgen und sah bernsteingelbe Strahlen durch die Spitzengardine fallen.
Ich streife meine neuen schwarzen Pumps ab und reibe mir erleichtert die Füße. Rutsche nach hinten und lehne mich gegen die gelben Kopfkissen mit dem Paisleymuster. Dieses Bett werde ich behalten, beschließe ich. Egal, wer es haben will – es gehört mir. Auch dieses edle, alte Brownstone-Haus wird mir fehlen. »Das ist so robust wie Großmama«, hat meine Mutter gerne über ihr Heim gesagt. Doch für mich war kein Haus, kein Mensch jemals so zuverlässig wie Großmamas Tochter, meine Mutter Elizabeth Bohlinger.
Plötzlich habe ich eine Idee. Ich blinzle die Tränen weg und springe aus dem Bett. Sie hat die Flasche doch irgendwo hier oben versteckt, das weiß ich genau. Aber wo? Ich ziehe die Tür des Wandschranks auf. Blind tasten meine Hände zwischen der Designerkleidung umher. Ich zerre an den Seidenblusen, die sich wie ein Theatervorhang teilen. Da liegt sie im Schuhregal, wie ein Baby in der Wiege: eine Flasche Krug Champagner, die die letzten vier Monate im Kleiderschrank verbracht hat.
Kaum halte ich sie in den Händen, überfallen mich Schuldgefühle. Dieser Champagner gehört meiner Mutter, nicht mir. Sie hat sich die unverschämt teure Flasche geleistet, als wir von ihrem ersten Arzttermin nach Hause kamen, und sie umgehend versteckt, damit sie nicht mit den anderen Flaschen im Keller verwechselt würde. Sie sei ein Symbol der Hoffnung, hat meine Mutter erklärt. Wenn man ihr am Ende der Behandlung bescheinigte, dass sie gesund wäre, würde sie den teuren Champagner zusammen mit mir öffnen, um das Wunder des Lebens zu feiern.
Ich knibbele an der Alufolie und beiße mir auf die Lippe. Ich kann ihn nicht trinken. Die Flasche war für einen feierlichen Anlass gedacht, nicht für eine trauernde Tochter, die zu labil ist, um das Beerdigungsessen durchzustehen.
Ich entdecke einen anderen Gegenstand, er muss hinter der Champagnerflasche versteckt gewesen sein. Ich hole ihn heraus. Es ist ein schmales rotes Büchlein – ein Tagebuch, vermute ich –, zugebunden mit einem verblichenen, gelben Bändchen. Der Ledereinband ist rissig und abgegriffen. Für Brett, hat Mama auf den herzförmigen Geschenkanhänger geschrieben. Bewahr es auf für einen Tag, an dem Du Dich stärker fühlst. Heute trinke ein Glas auf uns, mein Liebling. Was waren wir zwei für ein gutes Team! In Liebe, Mama
Ich fahre mit dem Finger über ihre Handschrift, die nicht so regelmäßig war, wie man es von einem so schönen Menschen erwartet hätte. Es brennt mir in der Kehle. Auch wenn meine Mutter mir ein glückliches Ende versprochen hatte, wusste sie, dass der Tag kommen würde, an dem ich Hilfe bräuchte. Sie hat mir für heute Champagner und für die Zukunft einen kleinen Teil ihres Lebens, ihrer persönlichen Gedanken und Grübeleien in Form eines Tagebuchs hinterlassen.
Ich kann nicht bis morgen warten. Ich betrachte das Büchlein, will lesen, was sie geschrieben hat. Am liebsten sofort. Nur ein kurzer Blick, mehr nicht. Doch als ich an dem gelben Band nestele, sehe ich sie plötzlich vor mir. Sie schüttelt tadelnd den Kopf. Ich schiele auf die Karte und bin hin- und hergerissen zwischen ihren Wünschen und meinen. Schließlich lege ich das Büchlein beiseite. »Dir zuliebe warte ich«, flüstere ich und hauche einen Kuss auf den Deckel.
Ein Schluchzen steigt in mir auf und durchbricht die Stille. Ich versuche noch, es aufzuhalten, aber es ist zu spät. Ich fange an zu zittern, schlinge die Arme um meinen Körper und vergehe fast vor Sehnsucht nach meiner Mutter. Wie soll ich bloß ohne sie weiterleben? Ich bin doch ihr kleines Mädchen.
Ich greife nach dem Champagner, klemme die Flasche zwischen die Knie und lasse den Korken knallen. Er schießt quer durchs Zimmer und trifft das offene Fläschchen Kytril, ihr Mittel gegen die Übelkeit, das auf dem Nachttisch steht. Klirrend kippt es um, die kleinen Tabletten kullern heraus. Ich sammle sie schnell wieder ein und denke daran, wie ich meine Mutter das erste Mal darum bat, sie zu nehmen. Sie hatte gerade ihre erste Chemotherapie hinter sich und gab sich mir zuliebe zuversichtlich. »Mir geht’s gut, wirklich. Ich hatte schon schlimmere Schmerzen.«
Aber in der Nacht überrollte sie die Übelkeit wie ein Tsunami. Mama nahm die weiße Tablette und bat später um eine zweite. Ich blieb neben ihr liegen, bis das Medikament Wirkung zeigte und sie einschlafen konnte. Ich schmiegte mich an sie, in diesem Bett, strich ihr übers Haar und drückte sie eng an mich, genau wie sie es so oft mit mir gemacht hatte. Dann schloss ich voller Verzweiflung die Augen und flehte Gott an, meine Mutter gesund zu machen.
Er erhörte mich nicht.
Ich lasse die Tabletten in das Plastikfläschchen fallen, drehe den Deckel aber nicht zu, sondern stelle sie an den Rand des Nachttischs, nah ans Bett, damit sie gut drankommt. Aber … meine Mutter ist ja nicht mehr da. Sie wird keine Tablette mehr brauchen.
Ich aber brauche den Champagner. »Auf dich, Mama«, flüstere ich, und meine Stimme bricht. »Ich war so stolz darauf, deine Tochter zu sein. Das wusstest du doch, oder?«
Es dauert nicht lange, da dreht sich das Zimmer, aber immerhin lässt der Schmerz nach. Ich stelle die Flasche auf den Boden und schlage die Daunendecke zurück. Der kühle Baumwollsatinstoff riecht schwach nach Lavendel. Es fühlt sich dekadent an, hier zu liegen, abseits der Menschen, die sich im Erdgeschoss tummeln. Ich wühle mich tiefer in die Kissen, um noch einen kurzen Moment der Stille zu genießen, bevor ich wieder nach unten gehe. Nur noch eine Minute …
Ein lautes Klopfen schreckt mich auf. Ich fahre hoch. Es dauert ein wenig, bevor mir klarwird, wo ich bin … Verdammt, das Essen! Ich schieße aus dem Bett, will zur Tür und stolpere dabei über die Champagnerflasche.
»Autsch! Ah, so’n Mist!«
»Alles in Ordnung, Brett?«, fragt meine Schwägerin Catherine in der offenen Tür. Bevor ich etwas erwidern kann, kommt sie mit einem spitzen Schrei herein. Sie hockt sich vor den nassen Fleck und hebt die Flasche auf. »Mein Gott! Du hast einen Clos du Mesnil von 1995 umgekippt?«
»Zuerst habe ich das meiste davon getrunken.« Ich lasse mich neben sie sinken und betupfe den Perserteppich mit dem Saum meines Kleides.
»Du meine Güte, Brett. Diese Flasche hat mindestens siebenhundert Dollar gekostet.«
»Tja.« Ich rappele mich auf und schiele auf meine Uhr, aber die Ziffern sind verschwommen. »Wie spät ist es?«
Catherine streicht ihr schwarzes Leinenkleid glatt. »Gleich zwei. Das Essen wird gerade serviert.« Sie schiebt sich eine Strähne hinters Ohr. Obwohl ich sie um gut zehn Zentimeter überrage, fühle ich mich in ihrer Gegenwart immer wie ein ungestümes Kleinkind. Fast rechne ich damit, dass sie an ihrem Finger leckt und meinen Haarwirbel glättet. »Du siehst wirklich schlecht aus, Brett«, sagt sie und zupft an meiner Perlenkette. »Deine Mutter wäre die Erste, die dir sagen würde, dass du dich trotz deiner Trauer nicht vernachlässigen darfst.«
Das stimmt nicht. Meine Mutter würde sagen, ich sähe hübsch aus, selbst wenn mein Make-up verlaufen wäre. Sie würde nicht sagen, ich hätte ein Vogelnest auf dem Kopf, sondern würde behaupten, dass meine langen kastanienbraunen Locken durch die Luftfeuchtigkeit krauser würden, dass meine aufgedunsenen, rotgeränderten Augen immer noch den seelenvollen braunen Augen eines Poeten glichen.
Ich spüre, wie mir die Tränen kommen, und wende mich ab. Wer soll jetzt mein Selbstbewusstsein stärken, da meine Mutter nicht mehr ist? Ich bücke mich nach der leeren Flasche, aber der Boden kippt und dreht sich. O Gott! Ich bin auf einem Segelboot, mitten in einem Wirbelsturm. Ich halte mich an der Bettkante fest, als wäre sie meine Rettungsleine, und warte, dass sich der Sturm legt.
Catherine neigt den Kopf zur Seite, betrachtet mich, klopft sich mit ihrem perfekt manikürten Finger auf die Unterlippe. »Hör zu, Süße, warum bleibst du nicht einfach hier? Ich bringe dir einen Teller hoch.«
Hier bleiben? Von wegen! Das ist das Essen zu Ehren meiner Mutter. Ich muss nach unten. Aber ich kann alles nur ganz verschwommen sehen und meine Schuhe nicht finden. Ich drehe mich um meine eigene Achse. Was suche ich noch mal? Barfuß stolpere ich zur Tür, dann fällt es mir wieder ein. »Ach ja, die Schuhe. Kommt raus, egal wo ihr euch versteckt!« Ich gehe in die Hocke und spähe unters Bett.
Catherine packt mich am Arm und zieht mich hoch. »Hör auf, Brett! Du bist betrunken. Ich stecke dich jetzt ins Bett, dann kannst du deinen Rausch ausschlafen.«
»Nein!« Ich wehre sie ab. »Ich muss nach unten.«
»Musst du nicht. Deine Mutter würde nicht wollen, dass...
Erscheint lt. Verlag | 27.3.2014 |
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Reihe/Serie | Die Achtsamkeitsromane | Die Achtsamkeitsromane |
Übersetzer | Andrea Fischer |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Lebensaufgabe • Lebensziele • Liebe • Liste • Mann • Mutterliebe • Mutter-Tochter-Beziehung • Tod • Trauer • Träume • Valentinstag |
ISBN-10 | 3-10-402479-0 / 3104024790 |
ISBN-13 | 978-3-10-402479-0 / 9783104024790 |
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