Robotermärchen (eBook)

Franz Rottensteiner (Herausgeber)

(Autor)

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2013 | 1. Auflage
149 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-74334-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Robotermärchen - Stanisław Lem
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Als Klebäugler, Teignasen und Bleichlinge treten die Menschen in diesen futuristischen Märchen, die vorgeblich Roboter für Roboter geschrieben haben, in Erscheinung. Unsere metallenen und kristallischen Brüder haben das Joch des Menschen abgeschüttelt und sind in den Kosmos entfleucht. Die schrecklichsten unter ihren ergötzlichen und feinsinnigen Märchen und Mythen handeln von Kämpfen mit dem entsetzlichen Bleichling, einem Ungeheuer, das durch seinen bloßen Anblick jeden anständigen Roboter zum Rosten bringen kann.

<p>Stanis?aw Lem wurde am 12. September 1921 in Lw&oacute;w (Lemberg) geboren, lebte zuletzt in Krakau, wo er am 27. M&auml;rz 2006 starb. Er studierte von 1939 bis 1941 Medizin. W&auml;hrend des Zweiten Weltkrieges musste er sein Studium unterbrechen und arbeitete als Automechaniker. Von 1945 bis 1948 setze er sein Medizinstudium fort, nach dem Absolutorium erwarb Lem jedoch nicht den Doktorgrad und &uuml;bte den Arztberuf nicht aus. Er &uuml;bersetzte Fachliteratur aus dem Russischen und ab den f&uuml;nfziger Jahren arbeitete Lem als freier Schriftsteller in Kr&aacute;kow. Er wandte sich fr&uuml;h dem Genre Science-fiction zu, schrieb aber auch gewichtige theoretische Abhandlungen und Essays zu Kybernetik, Literaturtheorie und Futurologie. Stanis?aw Lem z&auml;hlt heute zu den erfolgreichsten Autoren Polens. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, verfilmt und in 57 Sprachen &uuml;bersetzt.</p>

Stanisław Lem wurde am 12. September 1921 in Lwów (Lemberg) geboren, lebte zuletzt in Krakau, wo er am 27. März 2006 starb. Er studierte von 1939 bis 1941 Medizin. Während des Zweiten Weltkrieges musste er sein Studium unterbrechen und arbeitete als Automechaniker. Von 1945 bis 1948 setze er sein Medizinstudium fort, nach dem Absolutorium erwarb Lem jedoch nicht den Doktorgrad und übte den Arztberuf nicht aus. Er übersetzte Fachliteratur aus dem Russischen und ab den fünfziger Jahren arbeitete Lem als freier Schriftsteller in Krákow. Er wandte sich früh dem Genre Science-fiction zu, schrieb aber auch gewichtige theoretische Abhandlungen und Essays zu Kybernetik, Literaturtheorie und Futurologie. Stanisław Lem zählt heute zu den erfolgreichsten und meist übersetzten Autoren Polens. Viele seiner Werke wurden verfilmt.

Drei Elektritter


Es lebte einst ein großer Erfinder, ein Konstrukteur, der ohne Unterlaß ungewöhnliche Anlagen ausdachte und die seltsamsten Apparate schuf. Einmal erbaute er sich ein WinzchenMaschinzchen, und es sang so schön, und er benannte es: Zwitschwerk. Im Siegel führte er das Kühne Herz. Und jedes Atom, das er aus seiner Hand entließ, trug dieses Zeichen, so daß spätere Gelehrte staunten, wenn sie in den Atomspektren flimmerige Herzlein auffanden. Viele nützliche Maschinen erbaute er, große und kleine. Endlich suchte ihn der wunderliche Einfall heim, Tod und Leben in eins zu verbinden und so das Unmögliche zu meistern. Der Konstrukteur beschloß, denkende Wesen aus Wasser zu bauen, – aber nicht auf so scheußliche Weise, wie ihr nun meint! O nein, es lag ihm fern, an weiche nasse Körper zu denken! Davor ekelte er sich, wie jeder von uns. Er wollte aus Wasser wahrhaft schöne und weise und demnach kristallische Wesen bauen. Also wählte er weitab von allen Sonnen einen Planeten aus, hackte dort aus dem gefrorenen Ozean Eisberge heraus und schnitzte daraus, wie aus Bergkristal, die Kryoniden. So hießen sie, weil sie nur in schneidendem Frost bestehen konnten und in sonnenloser Öde. Städte und Schlösser aus Eis erbauten sie sich binnen kurzem, und da ihnen alles Warme den Tod verhieß, faßten sie Polarlichter in durchsichtige große Gefäße und beleuchteten so ihre Wohnsitze. Je vornehmer jemand war, um so mehr Polarlichter hatte er: zitronfarbene und silbrige. Und glücklich lebte das ganze Volk. Es war aber für seine Kleinodien berühmt, denn nicht nur dem Licht war es hold, sondern auch den Edelsteinen. Aus gefrorenen Gasen waren diese Kleinodien geschnitten und geschliffen. Sie brachten Farbe in die ewige Nacht, worin gleich gefangenen Geistern die schlanken Polarlichter loderten, jedes wie ein verwunschener Nebelfleck in einem Block von Kristall. So mancher kosmische Eroberer wollte sich diese Reichtümer aneignen. Denn ganz Kryonia war aus weitester Ferne sichtbar, von allen Seiten flimmernd wie ein Juwel, das auf schwarzem Samtgrund langsam um sich selbst gedreht wird. Daher landeten Abenteurer auf Kryonia, um das Kriegsglück zu erproben. Der Elektritter Messinger kam geflogen, dessen Schritte wie Glocken donnerten. Doch er hatte die Eisflächen kaum betreten, da schmolzen sie schon in seiner Hitze, und er stürzte hinab in die eisigen Ozeantiefen, und die Wasser schlugen über ihm zusammen. Und wie ein Insekt im Bernstein, so ruht er im Eisberg auf Kryonias Meeresgrund bis ans Ende der Tage.

Des Messingers Schicksal schreckte andere Verwegene nicht ab. Nach ihm kam der Elektritter Eiserner angeflogen. Der hatte sich so voll flüssigen Heliums gesoffen, daß es in seinen stählernen Eingeweiden nur so gluckerte, während er selbst in der rauhreifbedeckten Rüstung einem Schneemann ähnlich sah. Als er aber der Planetenoberfläche entgegensank, entzündete ihn die Reibung an der Atmosphäre. Das Flüssighelium verdampfte aus ihm mit Gezisch. Rot leuchtend stürzte er auf die Eisfelsen, und sogleich klafften sie auf. Er kämpfte sich daraus hervor, dampfsprudelnd, einem siedenden Geiser ähnlich. Doch alles, was er anfaßte, wurde zum weißen Wölkchen und beschneite ihn. Er setzte sich also nieder und wartete, bis er abgekühlt war. Die Schneesternchen auf den Achselstücken seiner Rüstung schmolzen nicht mehr. Da wollte er aufstehen und in die Schlacht ziehen. Aber in den Gelenken war ihm das Schmierfett gestockt; nicht einmal den Rücken konnte er strecken. So sitzt er noch heute; der Schneefall hat einen weißen Berg aus ihm gemacht, und nur die Helmspitze ragt daraus hervor. Sie nennen diesen Berg den Eisernen, und in den Augenhöhlen glänzt ihm der erfrorene Blick.

Von dem Schicksal seiner Vorgänger hörte ein dritter Elektritter, der Quarzer, der tagsüber nur als blankgeputzte Linse zu sehen war und nachts als Spiegelung der Sterne. Daß ihm Öl in den Gliedmaßen stocken könnte, brauchte er nicht zu befürchten, denn er hatte keines. Auch daß die Eisschollen unter seinen Füßen zerspringen könnten, brauchte er nicht zu befürchten, er konnte nämlich so kalt werden, wie er wollte. Eines mußte er meiden: ausdauerndes Denken. Denn dabei lief ihm das Quarzhirn heiß, und dies konnte ihn zugrunde richten. Doch er beschloß, durch Denkfaulheit sein Leben zu retten und die Kryoniden zu besiegen. Er flog nach Kryonia. Von der langen Reise durch ewige galaktische Nacht war er so durchfroren, daß eiserne Meteore glasig klirrend in Stücke zerbarsten, wenn sie im Flug seine Brust streiften. Er aber landete auf Kryonias weißen Schneefeldern unter dem kryonischen Himmelszelt, das so schwarz wie ein Topf voll Sterne war. Er selbst indes glich einem durchsichtigen Spiegelglas. Er wollte überlegen, was weiter anzufangen sei. Aber da schwärzte sich rund um ihn schon der Schnee und begann zu dampfen.

»Nanu! Das war schlecht!« – sagte sich der Quarzer. »Nichts da, bloß nicht denken, dann ist alles gewonnen!« Und er beschloß, immer dieses eine Sprüchlein zu memorieren, komme, was wolle. Denn es erforderte keinerlei denkerische Anstrengung und erwärmte ihn demnach kein bißchen. So zog der Quarzer durch die Schneewüste, gedankenlos und x-beliebig, um die Kühle zu wahren. Er ging so und gelangte endlich vor die Eismauern der Kryonidenhaupstadt Frigida. Er holte aus und rannte köpflings gegen die Zinnen, daß die Funken stoben. Dennoch richtete er nichts aus.

»Versuchen wir es anders« – sprach er zu sich selbst. Und er begann sich zu fragen: »Wieviel ist wohl zwei mal zwei?« Und als er darüber nachdachte, wärmte sich sein Kopf ein wenig. Also rammte der Quarzer die funkelnden Mauern zum zweitenmal. Doch er hieb nur ein kleines Grübchen.

»Das war zuwenig!« – sagte er sich. »Versuchen wir etwas Schwierigeres. Wieviel mag das wohl sein: drei mal fünf?« Nun freilich umgab seinen Kopf schon brutzelndes Gewölk, denn der Schnee geriet ins Sieden, da er auf solch heftiges Denken stieß. Also wich der Quarzer zurück, holte aus, schlug zu und fuhr glattweg durch die Mauer und dann noch durch zwei Paläste und durch drei Häuser minderer Frostgrafen. Und er sauste bis auf eine große Treppe und klammerte sich an ihr Stalaktitengeländer, doch die Stufen waren wie eine Schlitterbahn. Schnell sprang er auf, denn ringsherum taute schon alles, und er drohte abzustürzen, durch die ganze Stadt hindurch und bis in die eisigen Klüfte, wo er auf ewig eingefroren wäre.

»Nichts da! Bloß nicht denken! Gewonnen!« – sagte er sich und kühlte wirklich gleich aus.

Er verließ den Eistunnel, den er geschmolzen hatte, und fand sich auf einem großen Platz, wo von allen Seiten silberne und smaragdene Polarlichter mit hellem Schein von Kristallsäulen niederblinkerten.

Und sternfunkelnd schritt dem Quarzer ein riesiger Ritter entgegen, ein Feldherr der Kryoniden, Boreal. Da spannte sich der Elektritter Quarzer und stürmte auf ihn los. Sie verkeilten sich ineinander, und das gab solches Getöse, wie der Zusammenprall zweier Eisberge im Nordmeer. Und Boreals schimmernde Rechte wurde dicht an der Wurzel abgehackt und fiel zu Boden. Doch der Wackere ließ sich nicht beirren. Er wandte sich und bot die Brust, breit wie ein Gletscher, der er ja war. Der Feind aber beschleunigte zum andernmal und rammte ihn schrecklich. Der Quarz war härter und fester als das Eis. Und Boreal zerbarst mit solchem Gedröhn, als wälzte sich eine Lawine die Felsenhänge hinab. Und zersplittert lag er da, und die Polarlichter beschienen ihn und beschauten sein Scheitern.

»Gewonnen! Nur so weiter!« – sagte der Quarzer. Vom Leib des Besiegten riß er die wunderschönen Kleinodien: mit Wasserstoff besetzte Ringe und überdies noch funkelnde Stickereien und Beschläge. Die sahen aus wie Diamanten, doch sie waren aus dreierlei Edelgas geschnitten: aus Argon, Krypton und Xenon. Doch als er sich daran erfreute, wärmte ihn die Gemütsbewegung, und alle diese Brillanten und Saphire verdampften zischend unter seiner Berührung, so daß er nichts mehr umfaßt hielt als ein paar Tautropfen. Und auch diese verflüchtigten sich im Nu.

»Hoppla! Also freuen darf ich mich auch nicht! Genug davon! Bloß nicht denken!« – sagte er sich und rückte tiefer in die feste Stadt hinein, die er umkämpfte. Da sah er eine riesige Gestalt von fern heranmarschieren. Das war Albucid der Weiße, der Mineral-General. Auf seiner breit ausladenden Brust kreuzten sich Reihen von Ordens-Eiszapfen nebst dem Rauhreif-Großstern am eiszeitlichen Band. Dieser Hüter der königlichen Schatzkammer stellte sich dem Quarzer in die Quere. Der aber brach über ihn herein wie ein Gewitter und zermalmte ihn mit eisigen Donnerschlägen. Zum Entsatz für Albucid nahte der Herr des Schwarzen Eises, Fürst Ohroaster. Ihm konnte der Elektritter nichts anhaben. Denn der Fürst trug eine kostbare Stickstoffrüstung, die mit Helium gehärtet war. Sie verströmte solchen Frost, daß dem Quarzer der Schwung erlahmte und die Bewegungen erschlafften, während ringsherum die Polarlichter verblaßten, vom Hauch des absoluten Nullpunkts angeweht. Der Quarzer fuhr empor und dachte: »Verflixt! Was soll das?« Und die große Verwunderung erwärmte sein Hirn, der absolute Nullpunkt wurde lauwarm, und vor den Augen des Quarzers zerfiel Ohroaster von selbst in Scheiben. Donnerschläge begleiteten seine Agonie, und zuletzt blieb nur ein schwarzer Eishaufen, von Wasser wie von Tränen triefend, in einer Pfütze auf der Walstatt liegen.

»Gewonnen!« – sagte sich der Quarzer. »Bloß nicht denken! Und wenn es not tut, dann denken! Ob so oder so, siegen muß ich!« Und er jagte weiter, und seine Schritte tönten, als würden Kristalle zerhämmert. Er rasselte stürmisch durch die...

Erscheint lt. Verlag 15.4.2013
Übersetzer Caesar Rymarowicz, Irmtraud Zimmermann-Göllheim
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anthologie • Bajki robotów 1964 deutsch • Ehrendoktor der Universität Bielefeld (Dr. rer. nat. h.c.) 2003 • Ehrendoktortitel der Universitäten Oppeln und Krakau sowie der Staatlichen Medizinischen Universität Lemberg 1998 • Märchen • Mitglied der Berliner Akademie der Künste 2004 • Roboter • Science Fiction • ST 4136 • ST4136 • suhrkamp taschenbuch 4136
ISBN-10 3-518-74334-1 / 3518743341
ISBN-13 978-3-518-74334-8 / 9783518743348
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