Am Abend des Mordes (eBook)

Roman
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2012 | 1. Auflage
480 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-08157-7 (ISBN)

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Am Abend des Mordes -  Håkan Nesser
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Wird Barbarotti kaltgestellt? Aufs Abstellgleis befördert? Nach einem persönlichen Schicksalsschlag mit privaten Problemen beschäftigt, erhält er von seinem Vorgesetzten die Anweisung, sich mit dem Fall eines fünf Jahre zuvor spurlos verschwundenen Elektrikers zu beschäftigen, als er wieder seinen Dienst antritt. Nicht nur Kollegin Backman fragt sich, ob es sich hierbei nicht nur um eine Form von Beschäftigungstherapie für einen trauernden und labilen Kollegen handelt. Und zunächst sieht es auch ganz so aus, als sei Barbarotti nun zum Spezialisten für sogenannte »kalte Fälle« geworden, denen man nur routinemäßig nachgeht. Zum Zeitpunkt seines Verschwindens lebte besagter Elektriker nämlich mit einer Frau zusammen, die bereits einmal einen Mord begangen und dafür elf Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Doch ohne Leiche keine Mörderin. Beweisen konnte man ihr in diesem Fall nichts. Gunnar Barbarotti tut das, was er am besten kann: Er ermittelt. Mosaiksteinchen um Mosaiksteinchen setzt er zusammen, und als er schließlich begreift, was gespielt wird, hat das weitreichende Konsequenzen ...

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.

4

Gunnar Barbarotti schaltete den Motor aus, öffnete den Sicherheitsgurt, stieg aber nicht aus dem Wagen.

Diesen Moment hatte er gefürchtet. Die Rückkehr ins Präsidium.

Gefürchtet war vielleicht nicht das richtige Wort, weil es nichts mehr gab, was er noch fürchtete.

Aber es war ein Augenblick aus Stein. Von Zeit zu Zeit übermannten ihn solche, hatte er gemerkt. Eine Art Lähmung, die ihn ohne Vorwarnung traf; manchmal blieb er mitten in einem Schritt stehen oder am Küchentisch sitzen und war unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Unfähig, einen einzigen nach vorn gerichteten Gedanken zu fassen.

Die Versteinerung der Trauer. Der freundliche Therapeut, der zwei Mal mit ihm gesprochen hatte, kannte diese Bezeichnung für seinen Zustand.

Was ihn ebenso wenig getröstet hatte wie alles andere.

Åke Rönn hieß er, dieser Therapeut. Er war sanftmütig, stammte aus Nordschweden und tauchte auf dem Parkplatz des Präsidiums in Barbarottis leerem Kopf auf. Mit kariertem Flanellhemd und so weiter; das bisher letzte hatte Rot- und Blautöne gehabt.

Trauertherapeut. Was für ein hoffnungsloser Beruf, denn er war tatsächlich auf diese Art von Gebrechen spezialisiert, das hatte er zugegeben.

Oder war er etwa doch nicht so hoffnungslos? Vielleicht gelang es Åke Rönn ja tatsächlich manchmal, dem einen oder anderen armen Schlucker eine Hilfe zu sein. Mit der Zeit. Trauer braucht immer Zeit, hatte er erklärt. Sie ist ein träger Fluss, aber man kann auf ihm in die richtige Richtung fahren und kommt früher oder später zum Meer. Die Strömung ist schwach, Sie dürfen es nicht eilig haben. Sie haben keine Ruder, und es geht kein Wind.

Gunnar Barbarotti hatte genickt, sich jedoch jedes Kommentars enthalten. Es gab so viele Worte. So viele mehr oder weniger neunmalkluge Bilder. Wohlwollende, aber neunmalkluge.

Du musst versuchen, dich auf die Kinder zu konzentrieren, hatte Eva Backman ihm gesagt, als sie gestern Abend telefoniert hatten.

Ich weiß, hatte er erwidert. Das tue ich. Ich konzentriere mich auf die Kinder.

Möchtest du, dass ich vorbeikomme?

Nein, nicht nötig.

Sind Jenny und Johan von ihrem Vater zurückgekommen?

Ja, heute Vormittag.

Wie geht es ihnen?

Den Umständen entsprechend gut, denke ich.

Und dir selbst?

Nicht besonders.

Wie hast du geschlafen?

Nicht so gut.

Nimmst du Tabletten? Ich weiß, dass du dagegen bist, aber …

Nein.

Fragen und Antworten. Am Ende hatte er erklärt, er habe nichts mehr zu sagen, irgendwelche Haushaltsarbeiten vorgeschoben und aufgelegt.

Als auch dieses Gespräch seinen Kopf verlassen hatte, atmete er zwei Mal tief durch und stieg aus dem Auto. Als er den Parkplatz Richtung Eingang überquerte, regnete es, aber das machte ihm nichts aus.

Es wurde Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen. Zeit, sich dem Alltag zu stellen.

»Danke.«

»Wofür bedankst du dich?«

»Für sie. Eine Mörderin, die ihr Opfer anschließend zerlegt hat. Ich hatte gar kein Willkommensgeschenk erwartet.«

Eva Backman versuchte sich an einem entschuldigenden Lächeln, spürte jedoch, dass es keinen Halt fand. »Ich glaube, es ist einer dieser alten Fälle, die Asunander wurmen. Er hat ja nur noch anderthalb Monate oder so. Jedenfalls war es seine Idee.«

»Ich verstehe sein Kalkül.«

»Wie? Was denn für ein Kalkül?«

»Er ist sich nicht sicher, ob ich arbeitsfähig bin.«

Sie dachte rasch nach. »Bist du arbeitsfähig?«

Barbarotti zuckte mit den Schultern. »Ich bin wahrscheinlich auch nicht schlechter als sonst.«

»Mir hat gefallen, was du auf der Beerdigung gesagt hast.«

»Was meinst du?«

»Nach vorn zu schauen und sie trotzdem in einem inneren Raum zu behalten.«

»Es ist eine Sache, so etwas zu sagen. Eine andere, danach zu leben.«

»Aber ein Leitstern kann nicht schaden, oder?«

»Nein, da hast du recht. Er hängt sozusagen auch dann noch da, wenn man ihn gar nicht anschaut.«

»Worüber reden wir hier eigentlich?«

»Keine Ahnung. Erzähl mir lieber von dieser Mörderin. Ich trinke übrigens immer noch Kaffee.«

Sie stand auf, um ihm einen zu holen. Gunnar Barbarotti schaute in den Regen hinaus.

»Du hattest auch nichts mit den Ermittlungen zu tun?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Das muss gewesen sein, als unser Freund, der Briefeschreiber, sein Unwesen trieb. Ich erinnere mich nur noch an ein blaues Moped in einem See.«

»Einem Moor«, berichtigte Backman ihn. »Aber Ellen Bjarnebo ist dir ein Begriff? Oder Helgesson, wie sie damals hieß.«

Barbarotti nickte. »Wann war das noch mal?«

»1989. Ich war mit Viktor in Elternzeit.«

Gunnar Barbarotti betrachtete mit einer Falte auf der Stirn seine Kaffeetasse. »Das war das Jahr, in dem man mich versetzt hatte. Drogenfahndung in Eskilstuna, wozu das nun wieder gut sein sollte. Ich kam erst Weihnachten zurück, da hatte sie schon gestanden. Aber die Zeitungen waren natürlich voll davon.«

»Allerdings«, sagte Backman. »Die Schlächterin von Klein-Burma. Schwer zu vergessen. Ich frage mich, wie es heute um den Hof steht.«

»Hm«, machte Barbarotti.

Eva Backman schwieg eine Weile. Der Regen wurde stärker.

»Möchtest du über Marianne sprechen?«

Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Nicht in diesem Haus. Aber danke, dass du fragst.«

»Ich will nicht, dass du so typisch männlich dickköpfig bist und alles in dich hineinfrisst.«

»Ich weiß, dass du das nicht willst. Du brauchst mich nicht daran zu erinnern. Jedenfalls nicht zu oft.«

»Okay«, sagte Eva Backman. »Ich werde das bis auf weiteres akzeptieren.«

»Schön«, erwiderte Barbarotti. »Dann wenden wir unsere Aufmerksamkeit dem Mann mit dem blauen Moped zu. Wie war das jetzt noch?«

Eva Backman räusperte sich und begann, den Fall zu rekapitulieren.

»Sie wartete drei volle Tage, bis sie es meldete. Stimmt’s?«

»Ja, das tat sie.«

»Und warum?«

»Sie dachte, er würde schon wieder auftauchen. Jedenfalls hat sie das behauptet. Du wirst mit Sorgsen sprechen müssen, ich glaube, er hat sie damals vernommen. Irgendwann jedenfalls, die Ermittlungen leitete in erster Linie dieser Gunvaldsson. Erinnerst du dich noch an ihn?«

Barbarotti nickte. »Hast du die Verhörprotokolle gelesen?«

»Nein. Nur eine Zusammenfassung. Asunander hat mir aufgetragen, dich zu briefen. Ich hatte nur zwei Stunden. Inklusive Mittagspause.«

»Hm«, kommentierte Barbarotti.

»Und was bedeutet ›hm‹ diesmal?«

»Nicht viel«, antwortete Barbarotti. »Vielleicht, dass mir die Sache nicht besonders sinnvoll erscheint. Obwohl das im Moment für das meiste gilt.«

»Kann ich verstehen«, sagte Backman. »Jedenfalls muss man wohl zu dem Schluss kommen, dass es Ellen Bjarnebo keinen großen Spaß gemacht haben kann, die Polizei einzuschalten. Wenn man ihre Vergangenheit bedenkt, meine ich.«

»Wie war das noch?«, fragte Barbarotti. »Hatte sie ihren Mann im Fall Burma nicht auch als vermisst gemeldet? Und es dauerte ziemlich lange, bis man ihn fand?«

»Zwei Fragen«, sagte Backman. »Aber du hast recht, sie ließ nach ihm suchen. Und zwei Monate später fing man an, ihn zu finden, aber ich glaube, es dauerte eine Weile, bis er sozusagen vollständig vorlag. Zwei Tage mindestens, aber vielleicht habe ich das auch falsch in Erinnerung.«

»Eine Frau, die ihr Opfer zerstückelt?«, sagte Barbarotti. »Das sieht man, soweit ich weiß, nicht alle Tage.«

Backman verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »In jungen Jahren hatte sie in Göteborg in einem Schlachthof gearbeitet. Besaß offenbar eine gediegene handwerkliche Geschicklichkeit. Auf Klein-Burma hielten sie zudem auch Rinder und Kühe. Als es passierte zwar nicht mehr, aber früher.«

»Das erklärt die Sache«, meinte Barbarotti.

»Mag sein«, erwiderte Backman.

»Aber von dem Mann auf dem blauen Moped hat man nie etwas gefunden?«

»Nicht einmal einen Fuß«, sagte Backman.

»Gab es bei dem Fall eigentlich echte Verdachtsmomente gegen sie? Wenn wir einmal von ihren früheren Verdiensten auf diesem Gebiet absehen.«

»Ich weiß nicht recht«, antwortete Backman. »Ich glaube, es tauchten zwei Zeugen auf, die behaupteten, es habe Unregelmäßigkeiten gegeben … einen Zwischenfall in einem Restaurant oder so. Aber am besten liest du selbst. Und sprichst mit den Beteiligten und gehst die Verhörprotokolle durch.«

»Wo ist Ellen Bjarnebo heute? Wenn der Fall neu aufgerollt wird, müsste sie vielleicht auch ein Wörtchen mitzureden haben.«

Eva Backman schob einen Zettel quer über den Tisch.

»Valdemar Kuskos gata 40«, las Barbarotti. »Wo liegt denn die? Und wer zum Teufel ist Valdemar Kusko?«

»Sie liegt in Rocksta«, klärte Backman ihn auf. »Aber wer Kusko ist, weiß ich nicht. Oder war – in der Regel muss man ja erst sterben, damit eine Straße nach einem benannt wird.«

»Ja, so ist das wohl«, sagte Barbarotti. »Aber da wohnt sie also?«

»Das tut sie«, bestätigte Backman. »Einsam und allein, wenn ich es richtig verstanden habe.«

»Von Männern hat sie die Nase vielleicht voll«,...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2012
Reihe/Serie Gunnar Barbarotti
Gunnar Barbarotti
Übersetzer Paul Berf
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Bararbotti 5
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller • eBooks • Gunnar Barbarotti • Gunnar Barbarotti, letzter Fall, Schweden, Schwedenkrimi, Bestseller • Krimi • Kriminalromane • Krimis • letzter Fall • Schweden • Schwedenkrimi
ISBN-10 3-641-08157-2 / 3641081572
ISBN-13 978-3-641-08157-7 / 9783641081577
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