Wind (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-08323-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wind - Stephen King
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Ein Sturm zieht auf
Roland Deschain, der letzte Revolvermann, und seine Gefährten haben den Grünen Palast hinter sich gelassen. Als sie auf dem Pfad des Balkens ins Land Donnerschlag unterwegs sind, zieht ein heftiger Sturm herauf, und sie finden Schutz in einer verlassenen Hütte. Dort erzählt Roland seinen Begleitern, was in seiner Jugend geschah, nachdem er unbeabsichtigt seine Mutter umgebracht hatte: Sein Vater schickte ihn zu einer entlegenen Ranch, wo grausame Morde stattfanden. Alle Anzeichen deuteten auf einen Gestaltwandler als Täter hin, und es gab nur einen Zeugen - einen kleinen Jungen, der jetzt seines Lebens nicht mehr sicher war.

Mit Wind legt Stephen King einen achten Roman seines großen Endzeitepos um den Dunklen Turm vor, bei dem es sich nach eigenem Bekunden um sein wichtigstes Werk handelt. Derzeit befindet sich eine Verfilmung des gesamten Zyklus in der Vorproduktion.

Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.

Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.

Die Erntezeit war vorbei; der Jägerinnenmond nahm ab, gewann wieder dazu, und die Jägerin spannte ihren Bogen; die ersten Stürme der Weiten Erde heulten aus Westen heran. Und als es schien, als käme er dieses Jahr gar nicht, traf der Steuerbeauftragte der Baronie wie von einem Sturm hergeweht in Tree ein. Dürr wie Gevatter Tod saß er auf seinem großen Rappen. Sein schwerer, schwarzer Mantel umflatterte ihn wie Fledermausflügel. Unter dem breitkrempigen Hut (pechschwarz wie sein Mantel) war sein blasses Gesicht ständig in Bewegung und registrierte hier einen neuen Zaun, dort eine neue Kuh oder sogar drei neue in einer Herde. Die Dorfbewohner würden murren, aber zahlen, und wer nicht zahlen konnte, dem wurde sein Land im Namen Gileads weggenommen. Vielleicht wurde schon in jener goldenen Zeit von einst geflüstert, das sei ungerecht, die Steuer sei zu hoch, Arthur Eld seit Langem tot (falls er jemals gelebt habe) und der Bund längst bezahlt, mit Silber ebenso wie mit Blut. Vielleicht warteten einige schon darauf, dass der Gute Mann auftauchen und sie so stark machen würde, dass sie sagen konnten: Jetzt ist Schluss, genug ist genug, die Welt hat sich weiterbewegt.

Vielleicht, aber nicht in jenem Jahr und noch viele, viele Jahre lang nicht.

Am späten Nachmittag, als dickbäuchige Wolken über den Himmel segelten und die gelben Maisstängel in Nells Garten wie lose Zähne klapperten, lenkte Sai Steuereintreiber seinen großen Rappen zwischen den Torpfosten hindurch, die Big Ross noch selbst gesetzt hatte (wobei Tim zugesehen und auf Aufforderung mit angepackt hatte). Das Pferd schritt langsam und feierlich zur Treppe vor der Haustür. Dort machte es nickend und schnaubend halt. Big Kells stand zwar auf der Veranda, aber er musste den Kopf heben, damit er dem Besucher in das schemenhaft weiß leuchtende Gesicht sehen konnte. Kells hielt seinen Hut an die Brust gedrückt. Sein schütter werdendes schwarzes Haar (mit den ersten grauen Strähnen; er war fast vierzig und würde bald alt sein) wehte um seinen Kopf. Hinter ihm stand Nell mit Tim in der Haustür. Sie hatte dem Jungen einen Arm um die Schultern gelegt und hielt ihn ganz fest umarmt, als befürchtete sie (vielleicht aus mütterlicher Intuition), der Zöllner könnte ihn ihr entführen.

Für eine kurze Weile war außer dem Flattern des Mantels des unerwünschten Besuchers und dem Heulen des Windes, der unter den Dachvorsprüngen ein schauriges Lied sang, kein Laut zu hören. Dann beugte der Steuerbeauftragte der Baronie sich vor und musterte Kells mit großen, schwarzen Augen, die kein einziges Mal blinzelten. Seine Lippen, sah Tim erstaunt, waren rot wie die einer Frau, die sie mit Färberwurz anmalte. Aus den Tiefen seines Mantels zog er nicht etwa ein Verzeichnis aus Schiefertafeln, sondern eine richtige Pergamentrolle. Er zog sie in die Länge, studierte sie, rollte sie wieder ein und verstaute sie schließlich in der Tasche, aus der er sie geholt hatte. Dann sah er wieder Big Kells an, der darauf leicht zusammenfuhr und seine Stiefelspitzen betrachtete.

»Kells, nicht wahr?« Er hatte eine raue, heisere Stimme, von der Tim sofort am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam. Er hatte den Zöllner schon früher einmal gesehen, aber stets nur aus der Ferne; sein Da’ hatte darauf geachtet, dass Tim nicht im Haus war, wenn der Abgesandte der Baronie einmal im Jahr vorbeikam, um die Steuer zu erheben. Jetzt verstand Tim, weshalb. Er ahnte, dass er in dieser Nacht Albträume haben würde.

»Kells, aye.« Sein Stiefvater gab sich bemüht freundlich. Er schaffte es, den Kopf wieder zu heben. »Willkommen, Sai. Lange Tage und angenehme …«

»Yar, alles das, alles das«, sagte der Zöllner mit einer wegwerfenden Handbewegung. Sein Blick ging jetzt über Kells’ Schulter hinweg. »Und … Ross, nicht wahr? Jetzt nur noch zwei statt drei, wie man hören kann, weil Big Ross einem unglücklichen Ereignis zum Opfer gefallen ist.« Seine Stimme klang gedämpft, irgendwie leiernd. Als ob ein Tauber ein Wiegenlied singen will, dachte Tim.

»Ganz recht«, sagte Big Kells. Er schluckte so laut, dass Tim es hören konnte, dann brabbelte er: »Er und ich waren im Wald, wisst Ihr, auf einem unserer kleinen Claims am Eisenholzpfad – wir haben vier oder fünf, alle richtig mit unseren Namen markiert, das sind sie, und ich hab nichts daran geändert, weil er für mich weiter mein Partner ist und es ewig bleiben wird. Also, da haben wir uns etwas aus den Augen verloren. Dann hab ich plötzlich ein Zischen gehört. Dieses Geräusch erkennt man, wenn man’s hört; auf der ganzen Welt gibt’s keinen Laut wie das Zischen, mit dem ein Weiberdrache Luft holt, bevor er …«

»Schweig«, sagte der Zöllner. »Wenn ich ein Märchen hören will, soll es mit ›Es war einmal vor langer Zeit‹ beginnen.«

Kells setzte noch einmal an – vielleicht wollte er auch nur seine Verzeihung erflehen –, hielt dann aber doch lieber den Mund.

Der Zöllner stützte sich mit einem Ellbogen aufs Sattelhorn und musterte ihn durchdringend. »Wie ich höre, habt Ihr Euren Besitz an Rupert Anderson verkauft, Sai Kells.«

»Yar, und er hat mich reingelegt, aber ich …«

Der Besucher ließ ihn nicht ausreden. »Die Steuer beträgt neun Silberstücke oder eines aus Rhodit, die es meines Wissens hierzulande nicht gibt, aber das muss ich Euch sagen, weil’s im ursprünglichen Vertrag steht. Ein Stück für das Grundstücksgeschäft und acht für das Haus, in dem Ihr jetzt bei Sonnenuntergang auf Eurem Arsch sitzt und nach Mondaufgang zweifellos Euren Schwanz versteckt.«

»Neun?«, ächzte Big Kells. »Neun? Das ist …«

»Das ist was?«, sagte der Zöllner mit seiner rauen, heiseren Stimme. »Überleg dir gut, was du antwortest, Bern Kells, Sohn von Mathias, Enkel von Hinkepeter. Sieh dich vor, denn obwohl dein Hals dick ist, glaube ich, dass er sich dünn strecken würde. Aye, das glaube ich.«

Big Kells wurde blass – allerdings nicht so bleich, wie der Zöllner im Gesicht war. »Das ist alles sehr gerecht. Mehr wollte ich nicht sagen. Ich hol’s gleich.«

Er verschwand im Haus und kam mit einem kleinen Beutel aus Hirschleder zurück. Es war Big Ross’ Geldbeutel, über dem Tims Mutter an jenem Tag Anfang Vollerde geweint hatte. Damals, als das Leben trotz Big Ross’ Tod noch schöner gewesen war. Er übergab den Beutel Nell, die ihm die kostbaren Silberlinge in die hohlen Hände zählte.

Während das geschah, saß der Besucher schweigend auf seinem großen Rappen. Als Big Kells die Stufen herunterkommen und ihm die Steuer geben wollte – fast alles Silber, das sie besaßen, auch wenn Tim seinen kargen Lohn daheim ablieferte –, schüttelte der Zöllner den Kopf.

»Bleibt, wo Ihr seid. Der Junge soll’s mir bringen, denn er ist aufrichtig, und ich sehe in seinen Zügen das Gesicht seines Vaters. Aye, ich sehe es sehr wohl.«

Tim ließ sich die zwei Handvoll Silberlinge – wie schwer die waren! – von Big Kells geben und hörte kaum, wie der Mann ihm zuflüsterte: »Pass auf, dass du sie nicht fallen lässt, Tollpatsch!«

Tim ging wie im Traum die Verandastufen hinunter. Er hielt die hohlen Hände hoch, und bevor er sichs versah, hatte der Zöllner ihn an den Handgelenken gepackt und zu sich aufs Pferd gezogen. Tim sah, dass Sattelkante und -horn mit einer Kaskade aus Silberrunen verziert waren: Monde und Sterne und Kometen und Schalen, die kaltes Feuer verströmten. Gleichzeitig merkte er, dass die Silberlinge aus seinen Händen verschwunden waren. Der Zöllner hatte sie ihm abgenommen, obwohl Tim sich nicht genau erinnern konnte, wann das geschehen war.

Nell schrie auf und rannte los.

»Fang sie und halt sie fest!«, röhrte der Zöllner so dicht neben Tims Ohr, dass der Junge auf dieser Seite fast taub wurde.

Kells packte seine Frau an den Schultern und riss sie grob zurück. Sie stolperte und schlug auf dem Bretterboden hin, sodass ihre langen Röcke hochflogen und die Knöchel sehen ließen.

»Mama!«, schrie Tim. Er wollte vom Pferd herunterspringen, aber der Zöllner hielt ihn mühelos fest. Er roch nach Lagerfeuerrauch und altem, kaltem Schweiß. »Ganz ruhig, junger Tim Ross, ihr fehlt nicht das Geringste. Sieh nur, wie sie gelenkig aufsteht.« Dann wandte er sich an Nell, die sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte: »Nicht ärgern, Sai, ich will nur mit ihm reden. Würde ich einem zukünftigen Steuerzahler des Reichs etwas antun?«

»Wenn Ihr ihm was antut, bring ich Euch um, Ihr Teufel«, sagte sie.

Kells drohte ihr mit der Faust. »Halt dein blödes Maul, Weib!« Nell wich jedoch nicht vor seiner Faust zurück. Sie hatte nur Augen für Tim, der auf dem großen Rappen vor dem Zöllner saß, dessen Arme sich über der Brust des Jungen kreuzten.

Der Zöllner lächelte auf die beiden auf der Veranda herab: er mit noch erhobener Faust, sie mit tränennassen Wangen. »Nell und Kells!«, rief er aus. »Das glückliche Paar!«

Er ließ sein Pferd durch sanften Kniedruck im Kreis langsam bis ans Tor zurückgehen, wobei er Tim so eng umschlungen hielt, dass sein Atem Tims Wange traf. Am Tor brachte er den Rappen mit einem weiteren leichten Druck...

Erscheint lt. Verlag 10.9.2012
Reihe/Serie Der Dunkle Turm
Der Dunkle Turm
Übersetzer Wulf Bergner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • derDunkleTurm • Der Dunkle Turm • Dunkler Turm • eBooks • Endzeit • Fantasy • Gestaltwandler • Glas • High Fantasy • Horror • Mittelwelt • Reihe • Reise • Revolvermann • Roman • Saga • Turm • Welten • Wolfsmond • Zyklus
ISBN-10 3-641-08323-0 / 3641083230
ISBN-13 978-3-641-08323-6 / 9783641083236
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