Hotel zu den zwei Welten (eBook)

Theaterstücke
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
592 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402244-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hotel zu den zwei Welten -  Eric-Emmanuel Schmitt
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Eric-Emmanuel Schmitts international erfolgreiche Stücke entfalten nicht allein auf der Bühne ihre Anziehungskraft. Mit ihren phantasievollen, geistreichen und witzigen Dialogen, dem spannenden dramatischen Plot sind sie zugleich Leseerlebnisse der besonderen Art. Faszinierend, wie hier existentielle Fragen, die um die großen Fragen von Liebe, Tod, und Wahrheit kreisen, die Erfolgsgeschichte der Romane und Erzählungen auch auf der Bühne fortschreiben. Der vorliegende Band enthält fünf Stücke des derzeit produktivsten und erfolgreichsten französischen Dramatikers, die bereits auf deutschen Bühnen aufgeführt wurden: ?Hotel zu den zwei Welten?, ?Frédérick?, ?Der Besucher?, ?Der Freigeist?, ?Enigma?.

Eric-Emmanuel Schmitt, geboren 1960 in Sainte-Foy-lès-Lyon, studierte Klavier in Lyon und Philosophie in Paris. Mit seinen Erzählungen wie »Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran« wurde er international berühmt und gehört heute zu den erfolgreichsten Gegenwartsautoren in Frankreich. Seine Werke wurden in 40 Sprachen übersetzt und haben sich mehr als zehn Millionen Mal verkauft. Schmitt lebt in Brüssel.

Eric-Emmanuel Schmitt, geboren 1960 in Sainte-Foy-lès-Lyon, studierte Klavier in Lyon und Philosophie in Paris. Mit seinen Erzählungen wie »Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran« wurde er international berühmt und gehört heute zu den erfolgreichsten Gegenwartsautoren in Frankreich. Seine Werke wurden in 40 Sprachen übersetzt und haben sich mehr als zehn Millionen Mal verkauft. Schmitt lebt in Brüssel.

Erster Teil


1. Bild


Die Bühne des Theaters »Folies-Dramatiques«.

Eine Frau und ein Junge überqueren die Bühne.

Langsam, fast vorsichtig, tasten sie sich durch die Dunkelheit. Das Licht, das sie trifft, hat etwas Unrealistisches, eine Art von Traumlicht oder ein Licht der Erinnerungen.

Die Mutter von Frédérick trägt auf ihrer Hüfte einen Korb mit gebügelter Wäsche, sie ist eine schöne Frau aus dem Volk. Mit den glänzenden Augen eines zehnjährigen Jungen entdeckt das Kind Frédérick das Theater.

DAS KIND FRÉDÉRICK:

Oh, Mama, ist das schön.

DIE MUTTER:

Was redest du da? Man sieht nicht mehr als im Arsch einer Trüffel.

DAS KIND FRÉDÉRICK:

(guckt überallhin) Aber doch, man ahnt …

DIE MUTTER:

Gehen wir, ich hab keine Zeit. Ich muß die Wäsche abliefern. Komm.

Und sie verschwinden.

Sobald sie weg sind, wird die Bühne hell. Das alltägliche Leben eines Theaters beginnt. Bühnenarbeiter hämmern die Dekoration zusammen, der Inspizient sieht nach, ob die Requisiten an der richtigen Stelle liegen, der Beleuchter gießt Öl in die Lampen an der Rampe, der Pianist spielt mit einigen Akkorden sein Instrument warm. Wir sind im Januar 1832 auf der Bühne der »Folies-Dramatiques«, in einem der Theater des romantischen Dramas auf dem Boulevard du Crime. Der Direktor Harel ist im Gespräch mit Cussonnet, einem Anfängerautor, als Firmin kommt, ein Schauspieler für Nebenrollen, mit einem langen und feinen Gesicht. Firmin nähert sich Harel.

FIRMIN:

Er sagt, er will nicht in der ersten Szene drin sein.

HAREL:

Was?

FIRMIN:

Er behauptet, das Publikum käme, um ihn zu sehen, und eine Frau sollte man stets warten lassen.

HAREL:

Sehr gut. Sagen Sie Monsieur Frédérick Lemaître, daß er erst im zweiten Akt auftreten wird. (Firmin geht ab. Harel wendet sich wieder an den Autoren) Wo waren wir stehengeblieben, verehrter Monsieur … Monsieur … wie war noch … (wirft einen kurzen Blick auf das Manuskript) Barnabé-Guy-Octave de Fleury-Mombreuse du Pantel de Saint-Amant … (erschöpft) Sagen Sie, Ihre Eltern hatten ja ein verdammt gutes Gedächtnis!

CUSSONNET:

In Wahrheit ist Barnabé-Guy-Octave de Fleury-Mombreuse du Pantel de Saint-Amant … ein Pseudonym.

HAREL:

(ironisch) Ach ja?!

CUSSONNET:

Was man nicht merkt, nicht wahr?

HAREL:

Keine Sekunde.

CUSSONNET:

Im wirklichen Leben heiße ich … Cussonnet.

HAREL:

(mit Mitleid) Das Leben ist grausam. (Pause) Hören Sie, mein lieber Barnabé-Guy-Octave, ich will Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen. Welch Talent, jaja, was für ein Talent! Wo haben Sie das alles bloß her! Diese Worte! Diese Situationen! Diese Wahrhaftigkeit!

CUSSONNET:

Ich arbeite. Ich gebe zu, daß mir meine Stellung als Sekretär im Postministerium genügend Muße läßt, meine Tage meinem Werk zu widmen.

HAREL:

Ach was, Fleiß allein ist nichts, Sie haben Talent. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, »das Talent«, nach dem wir armen Theaterdirektoren in den Bergen von Manuskripten, die wir tagtäglich bekommen, vergeblich suchen: Sie haben ein Stück geschrieben, ein Stück, das gespielt werden wird! Es gibt tausende von Stücken; interessante nur hundert; gute höchstens ein Dutzend; aber Sie, Sie haben es geschafft, Sie haben ein Wunder zur Welt gebracht, etwas ganz Einzigartiges: das-Stück-das-man-spielen-wird.

CUSSONNET:

Meinen Sie damit, daß …

HAREL:

Genau das. Ein Harel hält Wort. (dreht sich zu Firmin um, der zurückgekommen ist) Was?

FIRMIN:

Frédérick Lemaître fragt, ob man über ihn im ersten Akt, wo er nicht drin ist, spricht.

HAREL:

Dauernd.

FIRMIN:

Dann wird er das Stück nicht spielen. Wenn man eine Stunde lang über ihn redet, meint er, hätte er, wenn er dann auftritt, nichts mehr zu spielen, außer den anderen Rollen recht zu geben.

HAREL:

Himmel, Arsch und Zwirn!

FIRMIN:

Und da er ahnte, daß Sie so reagieren würden, hat er mich gebeten, Ihnen zu sagen, daß Fluchen sehr unanständig ist.

HAREL:

Himmel, Arsch und Zwirn, Himmel, Arsch und Zwirn, Himmel, Arsch und Zwirn, Himmel, Arsch und Zwirn!

FIRMIN:

Und daß Wiederholungen auch nichts nutzen würden. (verlegen) Ich bin nur der Bote.

HAREL:

Firmin, Sie werden jetzt auf der Stelle in diese Spielhölle runtergehen und Monsieur Frédérick Lemaître daran erinnern, daß die Vorstellung in dreißig Minuten beginnt, daß wir eine kurze Verständigungsprobe angesetzt hatten, daß seine Partner auf ihn warten und daß er den Vertrag, den er bei mir unterschrieben hat, gefälligst zu erfüllen hat. Dieb! Halsabschneider! Mörder! (Firmin geht ab. Dann grob zu Cussonnet) Wo waren wir stehengeblieben?

CUSSONNET:

Daß Sie mein Stück aufführen werden.

HAREL:

Ah ja, Ihr Stück! (faßt sich und wiederholt mechanisch) Welch Talent, jaja, was für ein Talent! Wo haben Sie das alles bloß her! Diese Worte! Diese Situationen! Diese Wahrhaftigkeit! Ihr Stück ist hier schon in aller Munde, mein lieber Cussonnet, jaja, erlauben Sie mir, daß ich Sie Cussonnet nenne, wir sollten unter uns nicht so viele Umstände machen, vielen Dank. Sie sehen ja, wie es in einem Theater so zugeht, mein Lieber, also ich bin von Ihrem Stück ganz begeistert, gebe es Frédérick Lemaître, er akzeptiert, und schon bittet er Sie um ein paar Änderungen.

CUSSONNET:

Was? Es ging eben um mein Stück?

HAREL:

Aber ja. Es würde also genügen, nur die ersten Szenen ein wenig umzuschreiben.

CUSSONNET:

Unmöglich …

HAREL:

Aber ja doch … bloß ein paar Texte umstellen …

CUSSONNET:

Das würde keinen Sinn ergeben.

HAREL:

Aber ja doch, Sie brauchen nur am Anfang den Nebenrollen ein paar neue Texte zu geben, der Zofe, dem Diener, der Köchin …

CUSSONNET:

Aber es spielt in einer Herberge.

HAREL:

Genau das meine ich. Lassen Sie einfach den Wirt mit den Gästen reden. Oh, apropos Herberge, dafür habe ich eine wunderbare Dekoration. Sehr schön schummrig, viel Holz. Haben wir schon mal für zwei oder drei Stücke benutzt, hat immer viel hergemacht. (ruft hoch in den Schnürboden) Pierrot! Haben wir noch die schottische Taverne aus »Quentin Durward«?

CUSSONNET:

Aber mein Stück spielt nicht in Schottland!

HAREL:

(entschieden) Monsieur Cussonnet vom Postministerium, kennen Sie Schottland? Ich nicht! Und das Publikum auch nicht! Höchstens die Königin von Schottland könnte eines Tages, falls sie sich Ihr bedeutendes Werk in meinem bescheidenen Theater ansehen sollte, etwas dagegen einzuwenden haben; aber ich garantiere Ihnen, weder pfeift die Königin von Schottland noch buht sie, lieber Monsieur, weder pfeift noch buht sie, jedenfalls nicht in meinem Theater!

CUSSONNET:

Nun ja, aber Sie haben etwas von Umschreiben gesagt … wo Sie doch bemerkt haben müssen, daß mein Stück die Anwesenheit der Hauptrolle von Anfang an auf der Bühne voraussetzt.

HAREL:

(dreht sich wütend zum Autor um) Wie Sie sagen, Monsieur, Ihr Stück setzt etwas voraus, es setzt voraus, daß es interessant ist, es setzt voraus, daß ich mich ruiniere, um es herauszubringen, es setzt voraus, daß es Frédérick Lemaître spielt. Sie bleiben bei Ihrer Voraussetzung. Ich dagegen handle, ich nehme das Risiko auf mich. Wer hat Ihre Knochen gemacht?

CUSSONNET:

Wie bitte?

HAREL:

Mit wem schreiben Sie Ihre Stücke?

CUSSONNET:

Allein, Monsieur Harel, ganz allein.

HAREL:

(scheinheilig) Und da wundern Sie sich … Mein lieber kleiner Cussonnet, wir müssen unbedingt einen Knochenmacher für Sie finden.

CUSSONNET:

Einen was?

HAREL:

Einen Knochenmacher! Einen, der Ihnen das Gerippe des Stücks neu baut.

CUSSONNET:

(widerspricht schwach) Monsieur, ich bin ein Schriftsteller, ich schreibe unter dem Diktat der Inspiration …

HAREL:

Auf der Schreibunterlage des Postministeriums, ich weiß.

CUSSONNET:

Allein Madame Cussonnet, der ich jeden Abend meine Prosa vorlese, hat das Recht allerhöchstens einen Artikelwechsel...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2012
Übersetzer Annette Bäcker, Paul Bäcker
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Drama • Enigma • Frankreich • Frédérick Lemaître • Gestapo • Paris • Sigmund Freud • Theater • Theaterstück • Wien
ISBN-10 3-10-402244-5 / 3104022445
ISBN-13 978-3-10-402244-4 / 9783104022444
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