Ausgefressen (eBook)
272 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401634-4 (ISBN)
Moritz Matthies ist ein Pseudonym. Bei FISCHER sind von ihm die Romane ?Ausgefressen?, ?Voll Speed?, ?Dumm gelaufen?, ?Dickes Fell? und ?Letzte Runde? lieferbar. Die Hörbücher sind bei Argon erschienen und werden von Christoph Maria Herbst gelesen.
Moritz Matthies ist ein Pseudonym. Bei FISCHER sind von ihm die Romane ›Ausgefressen‹, ›Voll Speed‹, ›Dumm gelaufen‹, ›Dickes Fell‹ und ›Letzte Runde‹ lieferbar. Die Hörbücher sind bei Argon erschienen und werden von Christoph Maria Herbst gelesen.
Seine Mischung aus Krimi und Humor ist bestechend unterhaltsam.
Die Geschichte, erdmännchengemäß kurz über der Grasnarbe angesiedelt, besticht durch Menschensatire mit Tierschnauze und einem hochwitzigen Dialoganteil.
Sehr komisch und spannend.
Der neue Star unter den tierischen Ermittlern heißt Ray.
Mit Ray stellt Matthies dem Privatdetektiv Phil einen tierischen Partner zur Seite, der ebenso ultracool, wie komisch ist.
Ein so umwerfend witziges Buch mit durchgängig frechen Dialogen, vielen charmant-frivolen Witzen und grundsympathischen Helden gab es lange nicht!
Kapitel 1
»Es ist Liebe«, sage ich.
»Elsa?« Rufus bekommt Schnappatmung. »Biologisch gesehen ist das sexuell hybrid.«
»Rufus. Kannst du nicht reden wie alle anderen Erdmännchen?«
»Gut. Du bist pervers!«
»Nein«, erwidere ich ungerührt. »Es ist Liebe.«
»Unser alter Herr wird alles andere als begeistert sein, wenn er davon erfährt.«
»Es ist Liebe, Rufus. Da gibt es kein ›wenn‹.«
»Hast du mal einen Gedanken daran verschwendet, dass deine Auserwählte ungefähr doppelt so alt ist wie du – um mit den weniger bedeutenden Dingen anzufangen.«
»Na und?«, antworte ich.
»Außerdem habt ihr total verschiedene Interessen.«
»Woher willst du das wissen? Du kennst sie doch gar nicht.«
Rufus seufzt. »Sie ist ein Chinchilla, Ray, und du bist ein Erdmännchen, und …«
»Erdmann. Wenn es um Elsa geht, bin ich ein Erdmann.«
Wieder seufzt Rufus. Da macht ihm keiner was vor. Wenn er sich einen Job aussuchen dürfte, wäre es der von diesem bekloppten Italiener, der gegen Windmühlen gekämpft hat. Oder war es ein Franzose? »Meinetwegen ein Erdmann«, sagt er. »Jedenfalls mag sie die Berge, du lebst unter der Erde. Sie frisst kein Fleisch, du ernährst dich von nichts anderem. Außerdem ist sie nachtaktiv. Das heißt, ihr würdet euch praktisch nie zu Gesicht bekommen.«
Endlich ein Einwand, den ich entkräften kann. »Das kann für eine Beziehung sehr von Vorteil sein«, sage ich. »Glaubst du, Kunze und Gerda wären noch zusammen, wenn er nicht dreiundzwanzig Stunden am Tag pennen würde? Und sag mir jetzt nicht, dass das alle Löwenmännchen so machen.«
Rufus will etwas erwidern, zuckt jedoch zusammen. »Was war das?«, flüstert er, streckt sich im selben Moment und schnüffelt nervös in alle Himmelsrichtungen. »Hast du das auch gehört?«
So geht das jedes verdammte Mal, wenn wir Wache schieben. Alle zwei Minuten ist mein schreckhafter Bruder der festen Überzeugung, dass wir in höchster Gefahr schweben.
»Um Himmels willen«, sage ich tonlos. »Ein Savannenadler, direkt hinter dir. Lauf um dein Leben!«
Rufus sieht mich eine Weile an, dann rümpft er die Nase. »Spar dir deine blöden Witze, Ray. Nur weil wir im Zoo leben, heißt das nicht, dass es hier ungefährlich ist.«
»Rufus«, versuche ich es in versöhnlichem Ton, »wir sind beide hier geboren. Denk mal nach: Hat es in unserem Leben jemals einen einzigen Adlerangriff gegeben?«
»Hier nicht«, erwidert Rufus, »aber ich habe gelesen, im Zoo von San Diego ist es …«
»Du sollst nicht so viel lesen. Und schon gar keine Gruselgeschichten.«
»Das stand in der Zeitung«, ereifert sich Rufus. »Außerdem ist es unerlässlich, dass wenigstens einer aus unserer Sippe sich darüber informiert, was im Rest der Welt vor sich geht.«
Ich könnte mir jetzt Rufus’ Vortrag über die Bedeutung einer allgemeinen Schulbildung für Erdmännchen anhören. Will ich aber nicht. Rufus hat sich mit Hilfe eines internetfähigen Handys und der Zeitungen, die jeden Tag in dem Mülleimer an unserem Gehege landen, das Lesen beigebracht. Jetzt meint er, sein Wissen unbedingt weitergeben zu müssen. Nur interessiert sich leider niemand dafür.
»Wir sind hier nicht in San Diego«, lenke ich ab.
»Aber auch hier hat es schon einmal einen Adlerangriff gegeben. Pa kann sich noch gut erinnern …«
»Romantisches Afrikagedöns«, unterbreche ich meinen Bruder. »Pa ist genau wie wir alle hier im Zoo geboren. Die ganzen Geschichten von Afrika hat er aus zweiter Hand, nämlich von seinem Vater – der sie wiederum von seinem Vater hatte. Und am Ende steht dann der sagenumwobene Chester, der angeblich noch mit seinen Rheumakrallen Puffottern erwürgt haben soll.«
»Hör auf, dich über unseren Gründervater lustig zu machen. Pa hat hier im Zoo als junges Erdmännchen einen Adlerangriff beobachtet«, insistiert Rufus.
»Das ist völliger Quatsch!«, entgegne ich. »Und das weißt du auch. Du kannst hier fragen, wen du willst. Alle sagen, der angebliche Adler war eine altersschwache Taube, die zufällig in unser Gehege gestürzt ist. Im Nachhinein hat Pa sich dann eingeredet, dass da ein Adler im Spiel war und dass der statt eines Erdmännchens die Taube erwischt hat.«
Rufus hat mir gar nicht zugehört. Wieder spitzt er die Ohren, streckt sich und schnüffelt in alle Richtungen. »Hörst du? Da war es wieder!«
Regungslos blickt er in Richtung des Flamingogeheges. Ich erhebe mich schleppend und folge seinem Blick. Da drüben ist es zappenduster. Genervt lasse ich mich wieder auf unseren Wachhügel sinken.
»Rufus, deine ständigen Panikattacken gehen mir langsam aber sicher auf meine Erdmänncheneier.«
»Wenigstens bringe ich nicht den gesamten Clan in Gefahr, nur weil ich supercool sein will«, erwidert Rufus.
»Was glaubst du: Hätte der Clan als Chef lieber einen supercoolen Erdmann wie mich oder ein zähneklapperndes Erdmännlein wie dich?«
»Ich hoffe, dass Pa eine vernunftgeleitete Entscheidung treffen wird. Ein Clanchef muss nicht stark sein, er muss vor allem klug und weitsichtig sein und …«
»Träumt ihr immer noch davon, Clanchefs zu werden, ihr Penner?« Hinter uns dröhnt eine sonore Stimme aus dem Bau. Sie gehört unserem Bruder Rocky junior. Er kommt gerade herausgeschlendert und grinst breit, wie üblich.
»Ah, der Erstgeborene«, spotte ich, »unser großes Vorbild. Was ist los, Rocky? Angst im Dunkeln? Soll Rufus dir noch eine Geschichte vorlesen, weil du nicht einschlafen kannst?«
Rocky lässt seine bemerkenswerten Muskeln spielen und schnauft verächtlich. »Wenn ich erst mal Clanchef bin, dann wird dir das Lachen noch vergehen, Ray.«
»Falls du überhaupt Clanchef wirst«, wendet Rufus vorwitzig ein.
Betont langsam dreht Rocky sich zu ihm um. »Hast du mich gerade von hinten angequatscht, Leseratte?«
Rufus muss trocken schlucken. Aber klein beigeben verbietet ihm sein Stolz. Sein Pech. »Erstens muss ich mich von dir nicht Ratte nennen lassen«, bringt er hervor. »Zweitens haben wir alle drei das gleiche Recht, uns als Clanchef zu bewerben. Und drittens habe ich dich …«
Man hört einen dumpfen Schlag, gefolgt von einem kurzen, heftigen Keuchen. Dann fällt Rufus zu Boden wie ein nasser Sack.
»Wird dir das nicht irgendwann langweilig?«, frage ich Rocky.
Er schüttelt den Kopf. »Wüsste nicht, warum. Und jetzt seid gefälligst ein bisschen leiser.«
»Wir dachten, du würdest sowieso noch mit unserer Schwester rummachen«, erwidere ich.
»Vorsicht, Ray«, droht Rocky und geht gemächlich zum Bau zurück.
Er könnte auch mir eine verpassen, aber das überlegt er sich lieber zweimal. Bei unserer letzten Prügelei habe ich mich derart fest in seinen Nacken verbissen, dass er tagelang den Kopf nicht bewegen konnte. Sah witzig aus. Seitdem hält Rocky Distanz.
Rufus kommt wieder zu sich. »Was war denn los?«
»Das Übliche«, erwidere ich. »Unser Bruder hat dir auf die Glocke gehauen. Wie lange willst du dir das eigentlich noch gefallen lassen?«
»Bis er begreift, dass Gewalt keine Lösung ist«, doziert Rufus.
»Für ihn ist Gewalt aber ganz offensichtlich eine Lösung«, gebe ich zu bedenken.
»Nur kurzfristig«, erklärt Rufus. »Keine Hochkultur hat bislang …«
Er unterbricht sich, streckt sich und schnüffelt. Mal was Neues.
Diesmal bin ich es, der seufzt. »Nicht schon wieder, Rufus.«
»Da war definitiv was«, sagt er. »Ich habe es genau gehört.«
Er späht aufmerksam zum Flamingogehege hinüber. Gelangweilt folge ich seinem Blick. In diesem Moment durchzuckt ein Blitz die Nacht, gleichzeitig ist ein trockener Knall zu hören. Erschrocken springe ich auf. Dann starren wir gemeinsam in Richtung des Flamingogeheges. Es sind nur wenige Tiere aufgewacht. Die meisten lassen sich hier, mitten in der Stadt, durch nichts mehr aus dem Schlaf reißen.
Gespannt warten Rufus und ich.
Da! Wieder ein Blitz, wieder gefolgt von diesem Knall.
»Ruhe da draußen!«, mault ein verschlafenes Gnu.
Dann ist alles still. Eine Weile stehen wir einfach nur da und warten. Außer Rufus, der leise zittert, scheint alles ruhig zu sein.
»Wir sollten Meldung machen«, sagt er wie in Trance.
Ich nicke. »Kein Problem. Ich sag Bescheid.«
Ich wende mich zum Bau. Nach wenigen Schritten kommt Rocky mir in Begleitung unserer Schwester Roxane und mehrerer Jungtiere entgegen.
Ich hebe die Arme. »Okay, Leute! Alle wieder zurück! Beeilt euch! Zurück in den Bau! Wir haben hier einen Zwo-fünf.«
Ich ernte erstaunte Gesichter.
»Was ist ein Zwo-fünf?«, lispelt die kleine Marcia aus dem fünften Wurf.
»Ein Zwo-fünf ist ein ungeklärtes Ereignis, das möglicherweise auf einen Angriff hindeutet«, erkläre ich freundlich. »In diesem Fall gilt Alarmstufe eins. Deshalb musst du jetzt ganz schnell zurück in den Bau, Marcia.«
»Oh!«, erwidert Marcia und macht große Augen.
»Findest du nicht, dass du ein bisschen dick aufträgst?«, fragt Rocky.
»Im Falle eines Zwo-fünf ist den Anweisungen der Wache unverzüglich Folge zu leisten«, erwidere ich ungerührt. »Also gilt auch für dich: Zurück in den Bau! Du kannst schon mal Pa wecken. Wir erstatten gleich Bericht.«
Rocky sieht mich verächtlich an. »Wie schon gesagt, kleiner Bruder: Dir wird das Lachen noch vergehen.«
»Aber klar doch«, grinse ich, »und jetzt ab mit dir ins Körbchen.«
Roxane muss kichern. Rocky wirft mir einen gehässigen Blick zu. Ich lächele...
Erscheint lt. Verlag | 23.2.2012 |
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Reihe/Serie | Erdmännchen-Krimi | Erdmännchen-Krimi |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Berlin • Erdmännchen • Krimi • Spannung • Thriller • Tierkrimi • zoo |
ISBN-10 | 3-10-401634-8 / 3104016348 |
ISBN-13 | 978-3-10-401634-4 / 9783104016344 |
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