Der Hauptmann von Köpenick (eBook)

Ein deutsches Märchen in drei Akten
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
165 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401783-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Hauptmann von Köpenick -  Carl Zuckmayer
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Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Wer kennt sie nicht: die Verfilmung des ?Hauptmann von Köpenick? mit Heinz Rühmann in der Titelrolle. Schon auf der Bühne war Zuckmayers Theaterstück mit seiner Mischung aus Komik und Sozialkritik ein großer Publikumserfolg. Der Film aber aus dem Jahr 1956 hat das Drama so populär gemacht wie kein anderes aus dem 20. Jahrhundert. Bis heute weckt es unsere Sympathie für all die Schelme und Ganoven, die den großen Staatsapparaten mit ihrer Respektlosigkeit und List immer wieder ein Schnippchen schlagen.

Carl Zuckmayer wurde am 27. Dezember 1896 in Nackenheim am Rhein geboren. »Der fröhliche Weinberg« brachte ihm 1925 den Durchbruch und den renommierten Kleist-Preis. 1933 verhängten die Nationalsozialisten ein Aufführungsverbot über ihn. Zuckmayer zog sich daraufhin nach Henndorf bei Salzburg zurück. 1938 floh er weiter in die Schweiz, ein Jahr später in die USA. 1958 kehrte er in die Schweiz zurück. Am 18. Januar 1977 ist er bei Visp (Wallis) gestorben.

Carl Zuckmayer wurde am 27. Dezember 1896 in Nackenheim am Rhein geboren. »Der fröhliche Weinberg« brachte ihm 1925 den Durchbruch und den renommierten Kleist-Preis. 1933 verhängten die Nationalsozialisten ein Aufführungsverbot über ihn. Zuckmayer zog sich daraufhin nach Henndorf bei Salzburg zurück. 1938 floh er weiter in die Schweiz, ein Jahr später in die USA. 1958 kehrte er in die Schweiz zurück. Am 18. Januar 1977 ist er bei Visp (Wallis) gestorben.

Zweiter Akt


Achte Szene


Personen: Zuchthausdirektor, Anstaltsgeistlicher, Aufseher, Sträflinge, darunter Wilhelm Voigt

Die Zuchthauskapelle in der preußischen Strafanstalt Sonnenburg. Sie gleicht einem nüchternen Vortragssaal mit erhöhtem Podium. Die einzelnen Sitze für die Sträflinge sind durch hohe Rücklehnen und gleichhohe Seitenwände voneinander getrennt, so daß jeder für sich allein in einem nach vorne offenen Holzkasten sitzt. Vergitterte Fenster. Wachen rechts und links am Ausgang. Die Aufseher sitzen abgesondert auf Stühlen.

DER ANSTALTSGEISTLICHE

steht auf dem Podium, dirigiert.

DIE GEFANGENEN

stehend, mit Gesangbüchern in der Hand, singen den Choral

»Bis hierher hat uns Gott geführt

In seiner großen Güte –«

DER GEISTLICHE

nach Schluß der Strophe Genug für heute. Gesangbücher einsammeln.

DIE AUFSEHER

sammeln ein.

GEISTLICHER

An Stelle einer Predigt wird heute zur Feier des vierzigsten Jahrestages unseres großen Sieges bei Sedan der Herr Direktor persönlich eine Stunde vaterländischen Unterricht abhalten.

EIN STRÄFLING

unsichtbar Ahh –!

GEISTLICHER

Wer war das? Nun, ich will annehmen, daß dies ein Laut aufrichtiger Freude war. Ihr wißt alle, wie viele Bevorzugungen und Erleichterungen ihr der Güte eures Direktors zu verdanken habt. Benehmt euch darnach. Hinsetzen. Er geht.

DIE GEFANGENEN

setzen sich.

DIREKTOR

tritt ein. Die Gefangenen springen auf. Der Direktor ist ein würdiger Herr mit langem, grauem, in der Mitte zwiegeteiltem Bart. Über dem Bart ein rundes, rosig freundliches Gesicht mit glänzender, glatter Stirn. Er trägt einen grauen Anzug mit langen Rockschößen Guten Morgen, Leute!

DIE GEFANGENEN

brüllen Guten Morgen, Herr Direktor!

DIREKTOR

auf dem Podium Abzählen!

DIE GEFANGENEN

zählen auf militärische Weise ab, von 1 bis 30.

DIREKTOR

Recht so! Das klappt schon ganz vorzüglich. Eins bis sieben Kavallerie, acht bis zwölf Artillerie, dreizehn bis vier- undzwanzig Infanterie, der Rest Genietruppen, Train und Sanität. Setzt euch!

DIE GEFANGENEN

setzen sich.

DIREKTOR

Wie ihr wißt, schreiben wir heute den zweiten September. Da fällt mir übrigens ein, morgen, am dritten September, findet doch eine Entlassung statt. Wer ist das gleich?

VOIGT

steht auf.

DIREKTOR

Ah, Sie sind das, Voigt, nicht wahr?

VOIGT

Jawohl, Herr Direktor.

DIREKTOR

Wie lange waren Sie jetzt bei uns?

VOIGT

Zehn Jahre, Herr Direktor.

DIREKTOR

Weswegen sind Sie eigentlich hergekommen?

VOIGT

Wegen Einbruch ins Potsdamer Polizeirevier. Ick wollte mir da –

DIREKTOR

Ja, richtig. Nun, lieber Freund, Sie haben sich durch eine untadelige Führung und durch Ihre Arbeitsamkeit die Schätzung Ihrer Vorgesetzten erworben. Hoffen wir, daß – aber darüber wollen wir uns morgen noch unterhalten, nicht wahr?

VOIGT

Gern, Herr Direktor.

EIN AUFSEHER

springt in diesem Moment in eine der hinteren Reihen Hände ruff! Hände ruff! So, dich hätten wa.

DIREKTOR

Was ist denn los, was soll denn das heißen?

AUFSEHER

Da hinten hamse wieder jeschmuggelt. Ick habse schon de janze Zeit heimlich im Auge jehabt.

DIREKTOR

tadelnd Das hätte ich am heutigen Tage nicht erwartet. Was haben sie denn da?

AUFSEHER

Hier, ’n Viertel Kantinenwurst hat er gegen zehn Zigaretten einjetauscht, und im Ärmel hat er ’n Kassiber stecken.

DIREKTOR

Einen Kassiber? Was steht denn drin?

AUFSEHER

Nichts. Is nur gezeichnet.

DIREKTOR

Zeigen Sie mal her.

AUFSEHER

Verzeihung, Herr Direktor. Schweinerei.

DIREKTOR

Schämen Sie sich. Das will ich gar nicht sehen. Er zerknüllt den Kassiber, steckt ihn in die Tasche Die Zigaretten werden beschlagnahmt. Sie ahnen ja gar nicht, wie Sie mit solchem Gift Ihre Gesundheit schädigen. Ich rauche überhaupt nicht. Die Wurst mag er behalten, aber zum Essen, nicht zum Tauschhandel!

AUFSEHER

gibt dem Gefangenen die Wurst zurück Hier, steck se in.

DIREKTOR

Stecken Sie sie ein. Sie wissen, ich lege Wert darauf, daß die Anstaltsinsassen immer mit Sie angeredet werden.

AUFSEHER

Pardong, Herr Direktor, det hatt ick nur verschluckt.

DIREKTOR

Also wir haben uns hier zusammengefunden zur Feier des zweiten September, des Sedantags. Sechzig Millionen deutsche Herzen schlagen höher bei dem Gedanken, daß heute vor vierzig Jahren unser glorreiches Heer auf blutiger Walstatt den entscheidenden Sieg errang, der uns erst zu dem gemacht hat, was wir sind. Viele unserer Mitbürger gedenken heute in stolzer Freude eines ihrer Anverwandten, der diesen Sieg mit erringen half. Auch ich hatte, wie ihr wißt, das unvergeßliche Glück, als junger Kriegsfreiwilliger an diesem großen Tage vor dem Feind zu stehen. Dieses höchste Glück, einen Krieg fürs Vaterland mitzumachen, kann natürlich nicht jeder Generation beschieden sein. Auch diejenigen, welche in den Zwischenzeiten in friedlicher Arbeit ihrer Heimat dienen, erfüllen eine hohe Mission. Vor allem hat die segensreiche Einrichtung der allgemeinen Wehrpflicht unsrem Volke in seinem stehenden Heer eine lebendige Kraft geschaffen, die auch in Friedenszeiten unsre sittliche Festigkeit und unsre körperliche und geistige Gesundheit gewährleistet. Vielen von euch war es leider durch frühe Schicksalsschläge versagt, diesem Heer anzugehören und, Schulter an Schulter mit fröhlichen Kameraden, im Wehrverband zu stehen. Was euch dadurch an hohen Werten verlorengegangen ist, habe ich immer nach besten Kräften mich bemüht, euch hier an der Stätte neuer Erziehung und neuer Wegweisung, soweit es angängig ist, zu ersetzen. Manch einer, der vor Antritt des Strafvollzugs noch keinen Unteroffizier von einem General unterscheiden konnte, verläßt die Anstalt als ein zwar ungedienter, aber mit dem Wesen und der Disziplin unserer deutschen Armee hinlänglich vertrauter Mann. Und das wird ihn befähigen, auch im zivilen Leben, so schwer es anfangs sein mag, wieder seinen Mann zu stellen. Kommen wir wieder auf den historischen Anlaß unserer heutigen Feier zurück. Wie ihr wißt, war es mir persönlich vergönnt, an der Erstürmung der außerordentlich wichtigen Höhe 101 teilzunehmen, eine Aktion, welche zwar nicht die Entscheidung herbeiführte, aber immerhin dazu beitrug. General der Infanterie von der Tann stand mit nur drei kriegsstarken Divisionen einer Übermacht von vier feindlichen Armeekorps unter Führung des französischen Generals Boulanger gegenüber. Unterstützt wurde unsere Aktion durch die Artillerie des dritten Korps und die erste bayrische Kavalleriedivision unter Generalleutnant Fürst Donnersmarck. – Über die Stärke und Einteilung der verschiedenen Truppenverbände seid ihr euch hoffentlich noch im klaren. Wie ist die Gliederung eines Armeekorps beschaffen? – Bulcke!

BULCKE

ein langer Kerl mit riesigen Händen, leiert herunter Ein Armeekorps besteht aus zwei Infanteriedivisionen, die Division zu je zwei Brigaden Infanterie, einer Kavallerie- und einer Artilleriebrigade. Die Brigade besteht aus –

DIREKTOR

Danke, na, Sie waren Soldat, das merkt man. Aus wieviel Kompanien besteht ein kriegsstarkes Infanterieregiment? – Pudritzki!

PUDRITZKI

klein, mit sehr starkem Stoppelwuchs und polnischem Akzent Is sich – ise sich verschiddn, Härr Drrektrr.

DIREKTOR

Unsinn! Sie lernen’s nie, setzen Sie sich. Wer weiß es?

VOIGT

meldet sich unter anderen.

DIREKTOR

Gut, Voigt, Sie brauchen es nicht zu sagen, ich will Ihnen eine schwerere Frage stellen. Was versteht man unter einer Kavalleriedivision?

VOIGT

klar, ohne zu stocken Eine Kavalleriedivision ist eine selbständige Formation, welche direkt der Armee unterstellt ist und über deren Einsatz das Armeeoberkommando je nach der Lage verfügt. Sie besteht aus drei, manchmal vier Kavallerieregimentern, denen eine Abteilung berittener Feldartillerie zur Unterstützung beigegeben ist.

DIREKTOR

Bravo, Voigt! Sehr gut der Voigt! Sie haben hier ordentlich aufgepaßt und auch was gelernt. Sie werden sehen,...

Erscheint lt. Verlag 19.1.2012
Reihe/Serie Fischer Klassik Plus
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aufschneider • Berlin • Drama • Ehrenkodex • Hauptmann von Köpenick • List • Potsdam • Schelm • Theaterstück • Überfall • Willem Voigt
ISBN-10 3-10-401783-2 / 3104017832
ISBN-13 978-3-10-401783-9 / 9783104017839
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