Ein Traum von einem Schiff (eBook)

Eine Art Roman
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2010 | 1. Auflage
208 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401281-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Traum von einem Schiff -  Christoph Maria Herbst
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UNTERWEGS AUF DEM DAMPFER DER NATION: DA BLEIBT KEIN BULLAUGE TROCKEN! Drei Wochen auf dem legendären Traumschiff - Traum oder Alptraum? Schauspieler Christoph Maria Herbst war auf der »schwimmenden Schwarzwaldklinik« engagiert und hat eine Art Roman über die Reise geschrieben: unvergessene Begegnungen mit Montezuma und liebenswerten öffentlich-rechtlichen Fossilen, mit Zyklonen und Pantoffeldieben zwischen Panama und Bora Bora. Viel Spaß ... bei einem der letzten Abenteuer unserer Zeit! »Unterhaltsamer Blick hinter die Kulissen.« NDR2 »Wer Herbsts Art mag, wird das Buch lieben.« Porta Magazin »Dieses Debüt reiht sich charmant ein in jüngere Schiffserzählungen wie ?Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich? von David Foster Wallace oder ?In 180 Tagen um die Welt? von Matthias Politicki.« WDR 1LIVE

Christoph Maria Herbst, geboren 1966 in Wuppertal, verkörpert u. a. die Titelfigur in der Serie und im Kinofilm ?Stromberg? und erhielt dafür den Deutschen Fernsehpreis, den Grimme-Preis, den Bayerischen Fernsehpreis und sechsmal den Deutschen Comedypreis. Neben diversen Engagements am Theater und als Synchronsprecher (?Willkommen bei den Sch'tis?, ?Ritter Rost?) spielte er in TV-Filmen (?Kreutzer kommt?) sowie in Kinoproduktionen (?Der Wixxer?, ?Hui Buh?, ?Hände weg von Mississippi?, ?300 Worte Deutsch?). Als Hörbuchsprecher hat Christoph Maria Herbst u.a. die Bestseller von Tommy Jaud, Ralf Husmann und Timur Vermes' ?Er ist wieder da? eingelesen sowie Klassiker wie Stefan Zweigs ?Schachnovelle? und das BGB.

Christoph Maria Herbst, geboren 1966 in Wuppertal, verkörpert u. a. die Titelfigur in der Serie und im Kinofilm ›Stromberg‹ und erhielt dafür den Deutschen Fernsehpreis, den Grimme-Preis, den Bayerischen Fernsehpreis und sechsmal den Deutschen Comedypreis. Neben diversen Engagements am Theater und als Synchronsprecher (›Willkommen bei den Sch'tis‹, ›Ritter Rost‹) spielte er in TV-Filmen (›Kreutzer kommt‹) sowie in Kinoproduktionen (›Der Wixxer‹, ›Hui Buh‹, ›Hände weg von Mississippi‹, ›300 Worte Deutsch‹). Als Hörbuchsprecher hat Christoph Maria Herbst u.a. die Bestseller von Tommy Jaud, Ralf Husmann und Timur Vermes' ›Er ist wieder da‹ eingelesen sowie Klassiker wie Stefan Zweigs ›Schachnovelle‹ und das BGB.

Logbuch


1 Berlin, Dienstag, 22. Dezember 2009, 16.48 Uhr


Wolfgang Rademann will mich kennenlernen.

Der erfolgreichste Fernsehproduzent Deutschlands möchte ein finales Gespräch, bevor er mich eintütet.

Sitze im Berliner Hotel Kempinski, wo der Herr anscheinend Hof zu halten pflegt, und komme mir recht verloren vor in der rokokoesken Ecke an dem brennenden Kamin und in meinen abgewetzten Jeans auf der plüschigen Brokatchaiselongue.

Vielleicht ist das ja … die Besetzungscouch!? Lasse meinen Blick über das Polster schweifen: Der Stoff ist weder fleckig noch durchgescheuert.

Aber in der Schweiz bin ich auch nicht gerade. Neutrales Gebiet sieht anders aus. So griff mich gleich beim Betreten der Lobby etwas Livriertes mit Kajalaugen ab und näselte mich an:

 

»Herr Rademann kommt jeden Moment. Wenn Sie dort drüben Platz nehmen wollen. Sie sind doch Markus Maria Herbst?«

»Ja, aber dann sind Sie Siegfried und Roy!«, konnte ich mir so grad eben noch verkneifen und nickte einfach nur. Dies allerdings dann doch verkniffen.

Unaufgefordert wurde mir gleich eine mehrstöckige Porzellanetagere mit einem bunten Strauß diverser Pralinen und Printen, mindestens elf Spritzgebäcksorten und hochglanzglasierter Marzipanwürfel zwischen Sofa und Kamin auf den marmornen Clubtisch gestellt, um mir im größten Wartezimmer der Welt die Zeit zu versüßen. Sauer stieß mir auf, warum ich überhaupt hier saß.

Hatte meine Agentur doch nicht zugesagt?

War das hier noch eine Art Casting?

Hätte ich rasch noch ein Gedicht auswendig gelernt haben sollen oder zumindest eine kleine Steppnummer einstudieren müssen?

Habe in Ermangelung irgendwelcher zeitvertreibender Frauenzeitschriften die oberste Ebene meiner persönlichen Zuckerpyramide schon weggeputzt. Wie kariöse Vorboten verlassen kleine säuerliche Wölkchen meinen Mund, die auch im Nachklang noch glasiert schmecken. Wenn ich so weitermache, wird mich Rademann in einer Stunde eh nicht mehr erkennen. Wenn er überhaupt weiß, wie Markus Maria Herbst aussieht. Er dürfte sich mit seinen knapp Hundert wohl kaum für Stromberg interessieren, eher fürchte ich einen Einlauf von ihm, da ich in den Neunzigern mal zwei Pornofilme synchronisiert habe. Vielleicht erwartet er von mir, dass ich mich, bevor das unbefleckte Traumschiff mich empfängt, öffentlich von meinem damaligen Gestöhne distanziere!? Vielleicht will er aber auch nur ein Autogramm auf genau diese beiden DVDs.

Das Einzige, was ich mir vorgenommen habe, ist, ihm noch blöder zu kommen, wenn er mir blöd kommt.

Bestimmt schiebt Mr. Traumschiff die präpotente Bugwelle des Erfolgsmenschen vor sich her und hat sich seinerseits vorgenommen, mir, dem Comedy-Leichtmatrosen, so lange auf die Füße zu treten, bis ich vor Dankbarkeit vor einem Fernsehwolf wie ihm, der mich wie eine Kartoffel mit bloßer Hand zerquetschen könnte, auf die Knie sinke.

Nichts dergleichen werde ich zulassen.

Im Gegenteil: Habe extra vor dem Spiegel einige überhebliche Gesichtsausdrücke geübt, die ihm vor Augen führen sollen, was ich wirklich über ein Unterhaltungsfossil wie ihn denke und wie wenig ich von seinem künstlerischen Ground Zero halte. Da kann er mit noch so vielen, fetten Zigarren im Mund auf dicke Hose machen, während er an seiner goldenen Uhr in seiner Weste spielt und imaginäre Fussel von seinem Nadelstreifen entfernt, kann er noch so sehr durch mich durchgucken, mich ignorieren oder von mir verlangen, dass ich seine handgenähten Luxusbudapester lecke. Nur weil er ein Quotengarantgigant ist und ich mit meiner kleinen Büroserie eher im Trüben des Marktanteils fische, braucht er noch lange nicht zu denken, er sei was Besseres. Wo sind denn alle seine Fernseh- und Grimmepreise? Nur weil die Schwarzwaldklinik selbst in ihrer Wiederholung noch mehr Zuschauer hat als Wetten, dass …?! oder eine komplette Staffel meiner eigenen Serie, muss er nicht denken, das sei ein Qualitätssiegel. Im Gegenteil. Im Laufe der Jahre habe ich es geschafft, mir erfolgreich einzureden, dass wenige Zuschauer Qualität bedeuten, und auch alle meine Therapeuten haben mir recht gegeben, dass es niemals gut sei, die breite Masse zu erreichen, es sei denn man wolle Unterschichtenfernsehen machen, Mob TV, Hartz-IV-Bespaßung.

Nee, Nee, mein Lieber!! Ich fühl mich sauwohl mit meiner Handvoll zuschauender Studenten und Studienräte! Und vergiss nicht, du hast mich angerufen und du kannst froh sein, dass ich auf deinem komischen Albtraumschiff mal für ein bisschen Glanz sorge neben diesen ganzen Volkshochschulschauspielern.

Ich brauch dich nicht!

Ich kann auch ohne dich!

Viiieeel besser kann ich sogar ohne dich, und wenn du denkst … –

 

»Christoph, jrüß dich, ick bin der Wolfjang. Entschuldije die Vaspätung, aber ick hab dit einfach nich eher jeschafft. Kommt nich wieda vor. Trinksse ooch ’n Biea?«

 

Ein unauffällig gekleideter Herr mit riesengroßen, jugendlich wirkenden Augen, sympathischem Lächeln und Plastiktüte über dem Handgelenk setzt sich zu mir.

 

»Ääääh … ja, ja, sehr … äh … sehr gerne, Wolf … äh … Herr Rademann, aber nur, wenn ich Sie einladen darf?!«

»Dit is nett jemeint, aba ick wil ja wat von dia, und da isset ja dit Mindeste, dat ick dich einlade, wa? Und übrijens, ick bin der Wolfjang!«

 

Nickend ergebe ich mich kampflos diesem Charismakoloss, nicht ohne mich zu fragen, was es wohl mit dieser Markendiscountertasche auf sich hat. Bestimmt sind da die Requisiten drin für die Szene, die ich ihm jetzt vorspielen soll.

 

Wenn unsere hinduistischen Freunde recht haben und es so etwas wie Seelenwanderung gibt, dann hat Wolfgang Rademann bereits im alten Rom im Forum Romanum erfolgreich gebrauchte Streitwagen verkauft. Dieser, wie ich erfahre, 75-jährige ältere Herr, ist dermaßen überzeugend in allem, was er sagt, dermaßen straight in allem, was er tut, und dermaßen unschuldig in allem, wie er denkt, dass er mir einen VW Käfer aus den 70ern als Hybridwagen verkaufen könnte. Darüber hinaus ist er ein Bild von einem – Jungen, ein großer Junge von graziler Wucht. Wenn er anfängt, aus seinem Leben zu erzählen, funkeln seine Augen wie illuminierte Kronleuchter, nur, dass er nicht, wie die meisten alten Menschen, Gefangener der eigenen Vergangenheit ist; von früher erzählt er immer nur, um eine Brücke ins Heute und die Zukunft zu schlagen, und spätestens dann spricht er wie ein Kleinkind über Weihnachten. Alles, was er noch vorhat, plant und sich wünscht, kann unmöglich noch in dieses sein Leben passen und in diesem Moment wünsche ich mir, die Hindus hätten recht.

 

Wolfjangs Lieblingswörter sind »Knalla«, »Knülla« und »Kracha«, und wenn er lacht, brennt die Luft. Es ist ein »Muahahahahahaha«, das aus seinem Mund platzt, gefolgt von einem »Pffffffffffffffffffffft«, das er herstellt, indem er die Lippen so schürzt, als wolle er das grad gelegte Feuer noch anfachen.

Zu seiner Anzughose trägt er nicht das passende Jackett, sondern ein blaues Hemd, das den oberen Knopf nicht mehr zubekommt und es stattdessen vorzieht, den einen oder anderen Schatten eines Flecks vorzuweisen. Zunächst gehe ich davon aus, dass sie Abdrücke ehemaliger Spaghettispritzer oder Schweißperlen sind, komme aber schließlich zu der Erkenntnis, dass es sich dabei um getrockneten Speichel handelt, der ihm aus dem Mund läuft, wenn er abends, nach einem harten Tag der Akquisition von Schauspielern und der Inquisition von Redakteuren, auf seinem Ohrensessel mit ausklappbarer Fußbank einnickt. Im selben Augenblick entwickle ich Gefühle, die nur ein Enkel empfinden kann.

Unentwegt kritzelt er irgendwelche Hieroglyphen auf einen zerknitterten Block, den er in der Tasche seines vermeintlich bügelfreien Hemdes spazieren trägt, so, als wisse er gar nicht, wohin mit all seinen Ideen. Über seinem Handgelenk hängt die ganze Zeit, wie festgetackert, die merkwürdig schlaffe Tüte eines Supermarktes, der sich auf No-Name-Produkte spezialisiert hat, und am liebsten möchte man ihm einen Euro geben. Von mir würde er sogar zwei kriegen, wenn ich nur erführe, was sich in der Tasche befindet.

Im Laufe des Gespräches meine ich zu erahnen, was er mit sich rumträgt. Es wird Knoblauch sein. Dieser Ilja Rogoff der deutschen Fernsehunterhaltung riecht nämlich so unglaublich nach Knofi, als habe er sich seinen eigenen müffelnden Jungbrunnen mitten in Charlottenburg gebohrt; ganz sicher hat er das dünnste Blut der Welt und Viren haben keine Chance bei ihm, es sei denn, sie tragen mittlerweile Sauerstoffmasken. Das macht ihn mir leider nur noch sympathischer, bin doch auch ich, solange ich denken kann, zur Freude meiner Umwelt ein großer Freund dieser Knolle zermürbendster Ausdünstung.

»Wolfi riecht nach Knofi! Wolfi riecht nach Knofi!«, höre ich gedankenverloren das Echo, während ich das kleine Rademännlein im zarten Alter von sechs Jahren vor mir sehe, mit blauem Hemd, vollgekritzeltem Schiefertäfelchen und Plastebeutel in einer Ecke seines Schulhofs stehend, und seine komplette Klasse richtet den Zeigefinger auf ihn.

 

»Samma, die Biere müssen die noch brauen oder ßu wat sind wir hier jebeten, am besten ick koof den janzen Laden und mach ne Wurstbude draus, dit is doch...

Erscheint lt. Verlag 17.12.2010
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ayurveda • Bora Bora • Comedy • Dreharbeiten • Fernsehen • Humor • Kreuzfahrt • Logbuch • Panama • Pazifik • Reportage • Roman • Stromberg • Südamerika • Südsee • Tagebuch • Traumschiff • TV-Serie
ISBN-10 3-10-401281-4 / 3104012814
ISBN-13 978-3-10-401281-0 / 9783104012810
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