Pharmapolis: Geschichten aus der Apotheke des Lebens (eBook)
276 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-37065-5 (ISBN)
Kapitel 2: Die junge Mutter und das vergessene Rezept
Es war ein hektischer Morgen, als Lena Bauer, eine junge Mutter von zwei kleinen Kindern, mit einem rasenden Herzen die Wohnungstür hinter sich ins Schloss zog. Ihre Augenringe erzählten von einer weiteren schlaflosen Nacht mit ihrem Neugeborenen, Emma, die sich entschlossen hatte, alle zwei Stunden aufzuwachen. Ihr älterer Sohn, Tim, war gerade drei Jahre alt geworden und steckte mitten in der Trotzphase. Jede Kleinigkeit konnte ihn zu einem Wutanfall treiben, und Lena fühlte sich, als balanciere sie auf einem dünnen Seil, das jeden Moment reißen könnte.
Lena hatte immer gedacht, dass sie gut vorbereitet auf das Muttersein war. Doch nichts konnte sie auf die ständige Erschöpfung und die überwältigende Verantwortung vorbereiten, die sie nun Tag für Tag spürte. Seit Emma geboren war, hatte sie das Gefühl, dass alles über ihr zusammenbrach. Ihr Mann, Tom, war beruflich viel unterwegs und konnte ihr nur selten wirklich zur Hand gehen. Die Tage schienen ineinander überzugehen, und jede Stunde schien endlos, während die Zeit gleichzeitig verflog.
An diesem Morgen musste sie unbedingt in die Apotheke. Die Kinderärztin hatte ein Rezept für Emma ausgestellt – eine spezielle Salbe gegen den wunden Po, der sich in den letzten Tagen entzündet hatte. Lena wusste, dass sie die Salbe so schnell wie möglich besorgen musste, aber der Morgen hatte sie völlig überfordert. Zwischen dem Packen der Wickeltasche, dem Füttern der Kinder und dem Versuch, sich selbst halbwegs präsentabel zu machen, hatte sie das Rezept irgendwo in der Wohnung verlegt.
Sie hatte überall gesucht – in der Küche, im Kinderzimmer, in der Wickeltasche – aber es war nirgends zu finden. Der Druck stieg in ihr auf, als Tim anfing, quengelig zu werden und Emma plötzlich zu weinen begann. Ihre eigene Geduld hing an einem seidenen Faden, und die Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie versuchte, alles zusammenzuhalten.
Schließlich entschied sie, trotzdem zur Apotheke zu gehen, in der Hoffnung, dass sie das Problem dort irgendwie lösen könnte. Sie wusste, dass die Apotheke ihre letzte Rettung war. Vielleicht könnte Herr Neumann, der freundliche Apotheker, ihr irgendwie helfen.
Der erste Besuch in der Apotheke
Als Lena schließlich die Apotheke erreichte, fühlte sie sich erschöpft und überwältigt. Sie schob den Kinderwagen mit Emma hinein, während Tim an ihrer Seite mürrisch herumlief. Die Apotheke war angenehm warm und ruhig, ein Ort, der im Gegensatz zu dem Chaos stand, das in ihrem Kopf tobte. Der vertraute Geruch von Kräutern und Medikamenten erfüllte den Raum, und für einen kurzen Moment spürte Lena, wie sich die Anspannung in ihr löste.
Herr Neumann, der hinter der Theke stand und gerade ein paar Medikamente sortierte, sah auf, als die Tür sich öffnete. Er erkannte Lena sofort, obwohl sie in letzter Zeit selten in die Apotheke gekommen war.
„Guten Morgen, Frau Bauer“, begrüßte er sie freundlich. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
Lena brachte nur ein erschöpftes Lächeln zustande. „Guten Morgen, Herr Neumann. Ich habe ein Problem. Ich hatte ein Rezept von der Kinderärztin für Emma, aber… ich habe es verloren. Ich weiß nicht, wo ich es hingelegt habe, und ich brauche die Salbe dringend.“
Herr Neumann nickte verständnisvoll. „Das passiert den Besten von uns, vor allem mit zwei kleinen Kindern im Schlepptau. Keine Sorge, wir kriegen das hin.“
„Ich weiß, dass die Salbe irgendwie… Speziell war“, murmelte Lena. „Ich erinnere mich an den Namen nicht genau. Aber sie hat gesagt, es sei wichtig, weil Emmas Haut so empfindlich ist.“
Herr Neumann dachte einen Moment nach, während er überlegte, welche Salbe die Kinderärztin möglicherweise verschrieben haben könnte. Er kannte die örtliche Kinderärztin gut, da sie oft Rezepte für Babys mit Hautproblemen ausstellte.
„Ich vermute, dass es sich um eine spezielle Zinksalbe handelt“, sagte er schließlich und begann, eine Packung aus einem Regal zu nehmen. „Es gibt da eine, die sie gerne verschreibt, weil sie besonders mild und dennoch wirksam ist.“
Lena atmete erleichtert auf. „Ja, das könnte sie sein. Danke!“
„Kein Problem“, sagte Herr Neumann, während er die Salbe über die Theke reichte. „Falls es doch die falsche sein sollte, kommen Sie einfach wieder her. Wir finden eine Lösung.“
Lena fühlte eine Welle der Dankbarkeit gegenüber Herrn Neumann. In einer Welt, die oft so unbarmherzig und hektisch war, war es eine Erleichterung, jemanden zu finden, der bereit war, zu helfen, ohne sie unter Druck zu setzen.
Die Herausforderungen des Alltags
Zuhause angekommen, bereitete Lena alles vor, um Emma die Salbe aufzutragen. Doch kaum hatte sie angefangen, schrie Tim aufgeregt: „Mama, Mama, ich will einen Snack!“ Emma begann gleichzeitig zu weinen, und Lena fühlte, wie der Stress erneut über sie hereinbrach.
Die folgenden Tage waren nicht besser. Es schien, als ob sie von einem Chaos ins nächste stolperte. Das Stillen von Emma ließ ihr kaum Zeit, sich um Tim zu kümmern, und die ständige Müdigkeit zerrte an ihren Nerven. Lena konnte kaum glauben, wie anstrengend das Leben als Mutter sein konnte, obwohl sie es sich immer so gewünscht hatte.
Dann, eines Nachmittags, als die Kinder endlich schliefen und das Haus für einen Moment still war, sank Lena erschöpft auf das Sofa. Sie schloss die Augen und spürte, wie die Tränen über ihre Wangen rollten. Sie hatte das Gefühl, dass sie scheiterte. Ihre Gedanken kreisten um all die Dinge, die sie nicht richtig machte – das verlorene Rezept war nur eines von vielen Beispielen.
In diesem Moment kam ihr eine Erinnerung in den Sinn. Vor einigen Jahren, bevor die Kinder geboren wurden, hatte sie eine enge Freundin namens Sophie, die ihr immer gesagt hatte, dass es in Ordnung sei, nicht perfekt zu sein. „Du wirst als Mutter nicht immer alles richtig machen können“, hatte Sophie gesagt, „aber du wirst immer dein Bestes geben, und das reicht.“
Doch diese Worte fühlten sich jetzt so fern an. Lena fühlte sich verloren – und allein.
Der zweite Besuch in der Apotheke
Einige Tage später musste Lena erneut in die Apotheke. Dieses Mal ging es nicht um ein Rezept, sondern um ein paar andere Kleinigkeiten: Fieberzäpfchen für Emma, Nasenspray für Tim und ein Beruhigungstee für sich selbst. Sie spürte, dass sie dringend etwas brauchte, um ihre Nerven zu beruhigen, denn die Nächte wurden nicht besser und ihre Energie schwand von Tag zu Tag.
Als sie die Apotheke betrat, war Herr Neumann wieder an der Theke. Er lächelte sie an, aber diesmal sah er auch die Erschöpfung in ihrem Gesicht.
„Guten Tag, Frau Bauer. Wie läuft es mit der kleinen Emma?“
Lena zuckte mit den Schultern und versuchte ein Lächeln. „Es geht ihr besser, denke ich. Aber ehrlich gesagt, bin ich am Ende meiner Kräfte. Ich habe das Gefühl, dass ich nichts richtig mache.“
Herr Neumann musterte sie einen Moment, bevor er nickte. „Das höre ich oft von jungen Müttern“, sagte er sanft. „Es ist eine unglaublich schwere Zeit, besonders wenn man das Gefühl hat, dass man alles allein stemmen muss.“
Lena spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Sie hatte nicht erwartet, dass sie hier in der Apotheke jemand verstehen würde. „Ich weiß“, sagte sie leise. „Aber es fühlt sich so an, als ob ich ständig hinterherhinke. Als ob ich keine gute Mutter bin.“
Herr Neumann trat um die Theke herum und holte eine kleine Teedose aus dem Regal. „Ich habe hier einen speziellen Tee, der Ihnen vielleicht helfen kann, etwas zur Ruhe zu kommen“, sagte er. „Es sind beruhigende Kräuter drin, die den Geist entspannen und Ihnen vielleicht ein wenig Schlaf ermöglichen. Und was den Rest angeht – ich bin mir sicher, dass Sie eine großartige Mutter sind. Manchmal vergessen wir, dass das Wichtigste ist, dass wir da sind. Perfektion ist überbewertet.“
Lena nahm die Teedose entgegen, und ein unerwartetes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Danke“, flüsterte sie. „Das bedeutet mir viel.“
Herr Neumann nickte. „Sie schaffen das, Frau Bauer. Und wenn Sie mal jemanden brauchen, der zuhört, dann kommen Sie einfach vorbei. Wir finden hier immer ein paar Minuten Zeit.“
Ein Lichtblick
In den nächsten Tagen fühlte sich Lena etwas besser. Der Tee, den Herr Neumann ihr gegeben hatte, half ihr, abends etwas zur Ruhe zu kommen, und auch wenn die Nächte weiterhin unruhig blieben, hatte sie das Gefühl, dass sie wieder ein kleines bisschen Kontrolle über ihr Leben gewann.
Doch es...
Erscheint lt. Verlag | 28.9.2024 |
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Verlagsort | Ahrensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Kunstgeschichte / Kunststile |
Kunst / Musik / Theater ► Malerei / Plastik | |
Schlagworte | Alltagsgeschichten • Apotheke • Apotheke Geschichten • Berührende Kurzgeschichten • Emotional und tiefgründig • Heilkunst und Schicksale • Heilung und Menschlichkeit • Inspiration und Weisheit • Lebensgeschichten aus der Apotheke • Menschliche Schicksale • Traditionelle Heilmethoden |
ISBN-10 | 3-384-37065-1 / 3384370651 |
ISBN-13 | 978-3-384-37065-5 / 9783384370655 |
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