William S. Burroughs und der Rock 'n' Roll (eBook)

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2024
352 Seiten
btb Verlag
978-3-641-28186-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

William S. Burroughs und der Rock 'n' Roll - Casey Rae
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Bowie, Dylan, Cobain - sie alle hatten eine Inspirationsquelle: William S. Burroughs
Die Romane und Essays von William S. Burroughs sind legendär, aber sein Einfluss auf die Gegenkultur der Popmusik ist weniger gut dokumentiert - bis jetzt. »William S. Burroughs und der Rock 'n' Roll« untersucht, wie eine der umstrittensten literarischen Figuren Amerikas die Werke vieler bedeutender Musiker wie David Bowie, Bob Dylan, Kurt Cobain oder Patti Smith veränderte, und zeigt die Veränderungen in der Musikgeschichte auf, die auf Burroughs zurückgehen.

Casey Rae ist der Managing Director für Musiklizenzen bei SiriusXM und ein langjähriger Musikkritiker, dessen Arbeiten in einer Vielzahl von Publikationen veröffentlicht wurden. Seine Kommentare zu den Auswirkungen der Technologie auf die Musikschaffenden sind auf NPR, der New York Times, der Los Angeles Times, der Washington Post, Billboard und anderen Medien erschienen. Rae ist zudem Lehrbeauftragter an der Georgetown University, hält regelmäßig Vorträge und spielt seit den 1990er-Jahren als Musiker in mehreren Bands. Er lebt in Washington, D.C.

Nirvana the Hard Way

Mit dem Jungen stimmt was nicht. Er runzelt ohne triftigen Grund die Stirn.

William S. Burroughs nach einem Treffen mit Kurt Cobain im Jahr 1993

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Zu Beginn der 80er hatten Jahrzehnte im Ausland und mehrere Jahre, in denen er im New Yorker Underground Hof hielt, William S. Burroughs über den Rand der Erschöpfung gebracht und, wieder einmal, in die Sucht abrutschen lassen. Das Fernweh, das ihn durch Südamerika, Nordafrika und Europa getrieben und Bücher wie Naked Lunch, The Soft Machine und Die Wilden Boys geprägt hatte, spürte er nicht mehr. Jetzt, in seinen Sechzigern, war es für Burroughs an der Zeit, clean zu werden und sich nach Hause zu begeben. Aber wo war dieses Zuhause? Sicherlich nicht in St. Louis, wo er geboren worden war und eine privilegierte Kindheit als Sohn einer Familie aus dem Mittleren Westen mit allerdings schwindendem industriellem Wohlstand erlebt hatte. Seine Eltern waren mittlerweile verstorben, ebenso wie sein Sohn, William S. Burroughs Jr., der 1981 im Alter von dreiunddreißig Jahren einer Leberzirrhose erlag. James Grauerholz – Burroughs’ unerschütterlicher literarischer Sekretär, Business Manager und Freund – wurde in dessen letzten Jahren Burroughs engster Angehöriger. Um Burroughs’ Gesundheit besorgt, ermutigte Grauerholz den Autor, in seine eigene Heimatstadt Lawrence in Kansas zu ziehen. Burroughs war an den meisten Orten gewesen, die einen Besuch wert waren, und an vielen, die es nicht waren. Lawrence schien angenehm zu sein, wenn auch ruhig. Aber das war gut so. Lawrence war eine Stadt, in der keine Nazis aufmarschieren würden, wenn er mit einer Schrotflinte zum Beispiel auf eine Dose Sprühfarbe schießen wollte, die vor einem Stück Sperrholz stand. Das war die Formel für die Schrotflintenmalerei, eine kreative Marotte, die Burroughs in seinen späteren Jahren aufnahm und die auch half, die Rechnungen zu bezahlen; auf dem Kunstmarkt machte er sich bemerkenswert gut. Ein weiteres Interesse galt Tieren, insbesondere diversen Exemplaren der Katzenspezies. Auf die Frage, was ihn an der verschlafenen College-Stadt reizte, witzelte Burroughs, dass Lawrence die Möglichkeit bot, »zu schießen und Katzen zu halten«.1

Als der siebenundsechzigjährige Burroughs im Dezember 1981 in Lawrence ankam, hatte er gerade einen Vertrag über sieben Bücher mit Viking Press abgeschlossen. In den Jahren zuvor hatte er zahlreiche öffentliche Lesungen seiner Werke auf der ganzen Welt abgehalten und seinen Ruf bei einer neuen Generation von Künstlern innerhalb der Rock-, Punk- und New-Wave-Szene gefestigt. Aber zu Hause in seinem bescheidenen roten Bungalow war er nur William. »Burroughs fühlte sich sehr wohl, weil der Rest der Stadt ihn einfach gewähren ließ«, sagt Phillip Heying, ein lokaler Fotograf, der sich mit dem alternden Autor anfreundete und zu einer kleinen, aber engagierten Gruppe von Einheimischen gehörte, die Burroughs abwechselnd das Abendessen kochten und ihm bei Hausarbeiten und Besorgungen halfen.2

Viele Jahre zuvor, als er im Ausland lebte, hatte sich Burroughs bei Einheimischen den Spitznamen »El Hombre Invisible« (Der unsichtbare Mann) verdient. Sie hatten seine Fähigkeit bemerkt, unauffällig zu bleiben – keine geringe Leistung für einen steifbeinigen Weißen auf den Straßen von Tanger. Er besaß bereits viel Übung darin, unter dem Radar der Behörden zu agieren, und wohl deswegen hielt er Unsichtbarkeit für eine Technik, die man lernen könne. In The Adding Machine, einer Essaysammlung, die erstmals 1985 veröffentlicht wurde, verriet der Magier seine Geheimnisse – nun, zumindest eines davon. »Die ursprüngliche Version dieser Übung wurde mir von einem alten Mafia-Don in Columbus, Ohio, beigebracht: jeden auf der Straße zu sehen, bevor er dich sieht«, schrieb Burroughs. »In Tanger habe ich es auf diese Weise sogar geschafft, an einem ganzen Block von Fremdenführern und Schuhputzern vorbeizukommen, und mir so meinen marokkanischen Spitznamen verdient.«3

Im Nordafrika der 1950er-Jahre jagte Burroughs zu den Klängen von Schilfrohren und Trommeln, die von musikalischen Mystikern gespielt wurden, nach Drogen, Sex und literarischer Unsterblichkeit. Sein bekanntestes Werk, Naked Lunch, entstand größtenteils in dieser berauschenden Umgebung. Es wurde 1959 in Paris veröffentlicht, während Burroughs im berüchtigten Beat Hotel im Quartier Latin der Stadt wohnte. In den 60er-Jahren suchte er London heim, wo er mit den Beatles und den Rolling Stones verkehrte und ein Loblied auf die »Apomorphin-Kur« sang, die ihm half, vom Heroin loszukommen – wenn auch nur kurz. Nächste Station war das New Yorker Viertel Bowery, wo er Mitte bis Ende der 70er einen umgebauten YMCA-Umkleideraum requirierte, der liebevoll »the Bunker« genannt wurde. Es waren produktive Jahre, doch Burroughs’ Underground-Berühmtheit erwies sich nicht mehr als unterhaltsame Ablenkung, sondern wurde angesichts aufdringlich-unterwürfiger Verehrer zur Belastung. Wie Blondie-Mitbegründer Chris Stein sagt: »Ich glaube, im Bunker war es irgendwann so weit, dass jedes Mal, wenn er das Haus verließ, ein Typ mit einem eigenen Manuskript auf ihn zukam.«4

Selbst wenn er das Haus nicht verließ, standen die Chancen gut, dass er mit Leuten wie Mick Jagger, Lou Reed oder Joe Strummer zu Abend aß, um nur einige der bekannten Gäste zu nennen, die Burroughs im Bunker besuchten. Aber das bezahlte nicht die nächste Miete, zumal die Rücklage dafür meist schon von seiner damaligen Heroinsucht angeknabbert war. In Anbetracht dieser Tatsachen schien der Umzug nach Lawrence eine kluge Entscheidung zu sein. Burroughs’ Verbindungen zu New York blieben jedoch intensiv, und er kehrte in späteren Jahren zu gesellschaftlichen Anlässen, Ehrungen und gelegentlichen Auftritten dorthin zurück. Ein großes Ereignis war die Party anlässlich seines siebzigsten Geburtstags im Jahr 1984, die in einem Nachtclub namens Limelight stattfand – einer ehemaligen Kirche, in der sich viele Prominente versammelten, um mit dem berühmten Autor zu feiern. Madonna und Lou Reed waren da, ebenso Philip Glass, Jim Carroll, Lydia Lunch und der aufstrebende Star Sting, begleitet von seinem damaligen Bandkollegen Andy Summers. Als Burroughs hörte, dass auch »the police« auf der Party war, sagte er besorgt zu einem Freund: »Ich weiß nicht, ob du was dabei hast, aber mir hat jemand gesteckt, dass die beiden Typen da drüben Bullen sind.«5 Die Fête war witzig und die Gäste interessant, aber in New York wollten alle immer was von ihm.

Das war in Lawrence erfreulicherweise anders. Es dauerte nicht lange, bis Burroughs sich einen Tagesablauf angewöhnt hatte, der Schreiben, Zielschießen, Methadon-Termine und Fütterung der Katzen umfasste. Unter dem Vordach der Ulmen und Robinien, die die breiten Bürgersteige und die nachgemachte 19.-Jahrhundert-Architektur der Stadt schmückten, dehnten sich Monate zu Jahren. Die Stadtbewohner betrachteten Burroughs nicht als drogenabhängigen Brandstifter, sondern als sympathischen, wenn auch exzentrischen alten Mann, und genau das war er auch geworden. Der in Lawrence lebende Dichter Jim McCrary, der mit Burroughs in dessen letzten Lebensjahren befreundet war, erinnerte sich an eine zuvorkommende Person mit korrekten Midwestern-Manieren. »Er war ein netter Kerl. Wenn man ihn zu Hause besuchte und eine Weile blieb, wartete er beim Abschied auf der Veranda, bis man ins Auto gestiegen war. Wenn er dich nach Hause fuhr, wartete er, bis du die Haustür hinter dir geschlossen hattest.«6 Nach Jahren der Weltenbummlerei war Burroughs endlich sesshaft geworden.

Wenngleich er weniger soziale Verpflichtungen hatte als in New York, kamen doch regelmäßig alte Freunde und Kollegen zu Besuch, darunter Allen Ginsberg, Keith Haring, Norman Mailer, Timothy Leary und Hunter S. Thompson. Auch Bewunderer aus der Musikwelt – wie Kurt Cobain von Nirvana, Michael Stipe von R.E.M., Thurston Moore von Sonic Youth und Al Jourgensen von Ministry – erwiesen ihm die Ehre. Chris Stein von Blondie, der Mitte der 80er-Jahre mehrere Wochen in Lawrence verbrachte, in denen er sich von einer Krankheit erholte, begegnete dem alten Mann zum ersten Mal im New York der 70er. Die beiden blieben bis zu Burroughs’ Tod 1997 befreundet. »Ich fand immer, er sei ein wirklich entzückender Kerl«, sagt Stein. »Einfach ein sehr netter Mensch. Ich mag Waffen, wissen Sie, das verband uns also.«7 Früh abends ging Burroughs mit Freunden zum Schießen auf ein nahe gelegenes Maisfeld. Später besuchte Stein allein das Outhouse, einen lokalen Punkladen. »Gesetzlose und Angehörige von Randgruppen tummelten sich dort, denn der Club, buchstäblich ein Betonbunker, war nur über eine unbefestigte Straße zu erreichen«, erinnert sich Stein. »Ich weiß nicht, ob sie den Strom stahlen, aber er wurde von einem Laternenpfahl oder so etwas abgezapft, und ganz viele Punkbands machten dort Halt, um zu spielen.«8 Zu diesen Bands gehörten Bad Brains, Circle Jerks, Meat Puppets und ein Trio aus Seattle namens Nirvana, das schon bald auftrumpfen sollte. Der Leader dieser Band, Kurt Cobain, war ein Burroughs-Besessener, und für ihn empfand der ältere Schriftsteller echte Zuneigung.

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Erscheint lt. Verlag 14.8.2024
Übersetzer Teja Schwaner, Iris Hansen
Sprache deutsch
Original-Titel William S. Burroughs and the cult of Rock'n'Roll
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Musik
Schlagworte 2024 • Beatgeneration • Beatniks • Bob Dylan • David Bowie • eBooks • Gegenkultur • Kultautor • Kunst • Kurt Cobain • Musik • Musikgeschichte • Neuerscheinung • Patti Smith • Rockmusik • Underground-Literatur
ISBN-10 3-641-28186-5 / 3641281865
ISBN-13 978-3-641-28186-1 / 9783641281861
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