Der Altar von Schloss Tirol im Fokus

Der Altar von Schloss Tirol im Fokus (eBook)

Kunsttechnologie, Geschichte, Ikonografie
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
232 Seiten
Universitätsverlag Wagner
978-3-7030-6623-8 (ISBN)
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Das Retabel von Schloss Tirol ist um 1370 datiert und damit das wohl älteste weitgehend vollständig erhaltene Flügelretabel im Alpenraum. Außerdem ist es eines der ersten wichtigen Ausstellungsstücke, das bereits 1826/1827 in das Tiroler Landesmuseum kam. 2016 starteten die Tiroler Landesmuseen ein Projekt zur Erforschung und Konservierung des Retabels. Ziel des Projektes war von Beginn an nicht nur das Generieren von Fachinhalten, sondern auch die Vermittlung der Forschungstätigkeiten an die Museumsbesucher*innen und die breite Öffentlichkeit. In diesem Kontext fanden laufend Veranstaltungen statt und Bildmaterial wurde in einer interaktiven Online-Präsentation veröffentlicht (altarinteraktiv.tiroler-landesmuseen.at). Bei der Tagung am 20. und 21. April 2023 in Innsbruck und Schloss Tirol wurden die Ergebnisse der Untersuchungen vorgestellt und Aspekte der Materialien, der Geschichte und Ikonografie des Retabels gemeinsam mit Fachleuten aus Restaurierung, Naturwissenschaft, Kunstgeschichte, Geschichte und Kulturwissenschaft diskutiert. Die Tagungsbeiträge sind in diesem Band zusammengestellt.

FORSCHUNG AUSSTELLEN – PROZESSE VERMITTELN


DAS PROJEKT ZUM ALTAR VON SCHLOSS TIROL


Claudia Mark

„Jedenfalls wird das Museum 2061 eine Forschungseinrichtung sein, die auf Augenhöhe mit den Universitäten agiert. Ein Ausgangspunkt für die Museumsforschung wird eine Forschung am Objekt sein, also die Sammlungen im Spannungsfeld der Betrachtung durch alle Menschen, die Lust daran haben, gesammelte Dinge oder Dokumente zum Sprechen zu bringen. Die Forschung am Objekt wird eine zentrale Rolle einnehmen und wird auch von den maßgeblichen Förderstellen als Grundlagenforschung ernstgenommen und finanziert werden.“1

„Als Einrichtungen einer demokratischen Gesellschaft können wir diese Antworten aber nicht nur mit uns selbst verhandeln. Das Nachdenken über unsere Arbeit kann nicht nur hinter verschlossenen Türen stattfinden. Machen wir für die Besuchenden sichtbar, verständlich, warum wir handeln, wie wir handeln.“2

Im Rahmen von „Museum 2061. Die Zukunft des Museums beginnt jetzt“, einer Netzwerkveranstaltung des Museumsbund Österreich, debattierten Museums mitarbeiter*innen der jüngeren Generation darüber, wie sie sich Museen der Zukunft vorstellen und was sie sich von den aktuellen Museumsverantwortlichen erwarten. Zukunftsentwürfe und Utopien für das Museum wurden keineswegs erst in den letzten Jahren ersonnen. Mit einem kritischen Blick in die Geschichte der Institution das eigene Tun in der Gegenwart zu reflektieren und davon ausgehend zukünftige Ziele und Aufgabenfelder abzuleiten, ist ein bekanntes Phänomen: „Die Zielrichtung der Reflexion ist nichts anderes als die Gegenwart, die in der Vorstellung der Zukunft diskussionsfähig wird.“3 Längst als Klassiker der museologischen Fachliteratur gilt der 1970 vom Kunsthistoriker und Museums-direktor Gerhard Bott herausgegebene Band „Das Museum der Zukunft“4, in dem internationale Expert*innen (bis auf eine Frau ausschließlich Männer) aus der Museumspraxis und den benachbarten Feldern Kunst, Kultur und Wissenschaft „Vorstellungen zur erwarteten und erwünschten Entwicklung der Institution“5 diskutierten. Diese Publikation stand am Beginn eines Aufbruchs der Institution Museum. Das Museum sollte kein Elfenbeinturm der Wissenschaft mehr sein, sondern „[...] Beziehung zur Gesellschaft aufnehmen und als Bildungsinstitution verstanden werden, so die Forderung.“6 50 Jahre danach unterziehen das Wiener Kollektiv schnittpunkt. ausstellungstheorie & praxis und Joachim Baur die historische Publikation einer Revision. „Wie wir uns die Zukunft vorstellen – also wie wir sie imaginieren und uns gegenseitig präsentieren –, das wandelt sich, wie alles, abhängig von gesellschaftlichen Verhältnissen. 1970 war Optimismus, ja, Utopie. 2020 ist Neoliberalismus, Klimawandel und Corona“, so die Heraus geber*innen im Vorwort von „Das Museum der Zukunft. 43 neue Beiträge zur Diskussion über die Zukunft des Museums.“7 In den letzten Jahren wurde zahlreiche Tagungen abgehalten, Publikationen herausgegeben und Räume der kritischen Wissensproduktion in Museen geschaffen, deren Haltung bereits an ihren programmatischen Titeln abzulesen ist: „Transparentes Museum“8, „Sich mit Sammlungen anlegen“9, „Müde Museen: Oder Wie Ausstellungen unser Denken verändern könnten“10, „Zukunft der Forschung in Museen“11 – um nur einige zu nennen. Die Heraus geber*innen, Autor*innen, Initiator*innen und Macher*innen sehen sich der Idee einer kritischen Museumspraxis verpflichtet, wie auch die Verfasserin.

Wissen zu schaffen ist ein Prozess, der in Museen und an Universitäten täglich stattfindet. Doch inwiefern unterscheiden sich Museen von anderen Forschungseinrichtungen? Die weniger sichtbaren Aufgaben von Museen wie die Forschungsleistungen an ihren Sammlungen treten in den Hintergrund, während Ausstellungen die öffentliche Wahrnehmung prägen. Wie können Expert*innen an Museen das basale Potential sichtbarer machen und in der Gesellschaft stärker positionieren? Wie sieht die Zukunft der Forschung in den Museen aus?

Dem Bedürfnis der möglichst multiplen Kontextualisierung der Exponate in Ausstellungen folgte in den letzten Jahren eine wichtige Konsequenz: Das Offenlegen und Sichtbarmachen der damit einhergehenden Arbeit, sei es jene von Kurator*innen, Wissenschaftler*innen oder Restaurator*innen. Laura Resenberg, leitende Restauratorin in den Tiroler Landesmuseen, spricht von einer Bewusstmachung für ihre Berufsgruppe und deren in der Regel wenig öffentlich wirksamen Tätigkeit, nämlich des direkten und unmittelbaren Arbeitens mit und an den Objekten. „Wir müssen uns mehr zeigen, um mehr Verständnis für unsere Arbeit, für ihre Bedeutung, den nötigen Aufwand [...] zu bekommen.“12 Die Tate Modern in London widmet sich intensiv der audience research, nicht als Marketinginstrument, sondern als eine Art Leitdisziplin in der strategischen Gesamtausrichtung des Museums. Direktor Chris Dercon zog bei der Tagung „Die Zukunft der Forschung in Museen“ pointiert das Fazit: Die Besucher*innen kommen nicht vorrangig, um die Originale zu erleben, sondern um mehr über die Prozesse zu erfahren, die ihrer Präsentation vorangehen.13

Forschungsleistungen von wissenschaftlich ausgebildeten Restaurator*innen rücken zunehmend in den Fokus. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die „Operation Nachtwache“ im Amsterdamer Rijksmuseum. Seit Juli 2019 erfolgt die Restaurierung und Untersuchung von Rembrandts Meisterwerk in einem gläsernen Kubus direkt in den Ausstellungsräumen. Der Verlauf der Maßnahmen ist ebenfalls online zu verfolgen.14 Auch Ausstellungsmacher*innen agieren transparenter. Die Öffnung der Museen durch Inklusion und Partizipation gilt gleichermaßen für die museale Kernaufgabe des Forschens. Es ist die Verpflichtung der Museen, Initiativen zu ergreifen, die anvertrauten Sammlungen zugänglich zu machen und Fragen zu eröffnen im Austausch untereinander und durch Kooperation.

Im deutschsprachigen Raum zu einem frühen Zeitpunkt startete im April 2016 in den Tiroler Landesmuseen das inter disziplinäre Forschungsprojekt zum Altar von Schloss Tirol unter zwei wesentlichen Prämissen: einerseits die interne und externe Zusammenarbeit zwischen Kunsthistoriker*innen, Historiker*innen, Kunsttechnolog*innen, Restaurator*innen und Naturwissenschaftler*innen anzuregen und andererseits das Publikum von Beginn an und laufend Anteil daran haben zu lassen.15

Das Retabel von Schloss Tirol ist das älteste im Alpenraum erhaltene und das einzige überkommene aus dem 14. Jahrhundert, das im höfischen Umfeld entstanden ist. Von außergewöhnlicher Bedeutung ist der Altar von Schloss Tirol aber auch in Bezug auf die Sammlungsgeschichte des Ferdinandeums. Bereits drei Jahre nach der Gründung des „Tirolischen Nationalmuseum“ gelangten die Altarflügel und der Schrein 1826/27 über verschlungene Wege und mehrere Besitzer in die Sammlungen der noch jungen Institution, zu deren Preziosen er bis heute zählt.16

Durch seine Forschungstätigkeit nachhaltig mit dem Altar von Schloss Tirol verbunden ist Vinzenz Oberhammer. 1948 veröffentlichte er bis zum Erscheinen der vorliegenden Publikation die einzige umfassende Monografie, die er bemerkenswerterweise mit einem Lob auf die Restaurierungstechniken seiner Zeit einleitete: „Immer wieder setzt es in Staunen, wie auf dem Gebiete der Kunstgeschichte auch heute noch Neufunde möglich sind, die gelegentlich einem ganzen Kunstkreise Licht geben. [...] Zugleich fördert auch eine außerordentlich verfeinerte Technik der Restaurierung selbst an bereits bekannten Kunstwerken gelegentlich völlig Unbekanntes, Überraschendes zu Tage [...].“17 Dabei bezog Oberhammer sich auf die Restaurierung des Altars während des Zweiten Weltkriegs in München.18

70 Jahre nach Oberhammers Veröffentlichung erschien eine wissenschaftliche Neubewertung durch verfeinerte kunsttechnische Verfahren und naturwissenschaftliche Analysen vielversprechend. Zwischenzeitlich waren zahlreiche Aufsätze vornehmlich zu Fragen der Zuschreibung, Formaltypologie und Ikonografie erschienen, seitens der Konservierung-Restaurierung stand eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung noch aus. Sie sollte ein umfassendes Verständnis der materiellen Zusammensetzung und Herstellungstechniken des Retabels bringen, um ein zukunftsweisendes Konzept für die Konservierung dieses bedeutenden Werks zu entwickeln.

Alle Untersuchungen der Restaurator*innen und Naturwissenschaftler*innen sind einerseits wichtige Grundlage für die Entwicklung eines Konservierungskonzepts. Andererseits ergeben die Befunde auch Material für weitere Forschung. Je präziser und detaillierter die Erfassung und Beschreibung der feststellbaren Techniken und Materialien sind, desto besser können diese später untereinander am jeweiligen Objekt oder mit anderen Objekten verglichen werden.19

Der Altar von Schloss Tirol war während der gesamten Laufzeit des Projekts in einem eigens gestalteten Raum in der Dauerausstellung des Ferdinandeums zu sehen. Für das Konzept waren der Architekt Christian Höller, der Fotograf Günter R. Wett und die Verfasserin...

Erscheint lt. Verlag 20.11.2023
Verlagsort Innsbruck
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Kunstgeschichte / Kunststile
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Elisabeth von Böhmen • Flügelretabel • Gotik • Habsburger • Herzog Leopold III. • Landesgeschichte • Mal- und Fasstechniken • Materialanalytik • Mittelalter • Reliquienschrein • Restaurierung • Retabel • Viridis Visconti
ISBN-10 3-7030-6623-7 / 3703066237
ISBN-13 978-3-7030-6623-8 / 9783703066238
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