Career Suicide (eBook)

Spiegel-Bestseller
Meine ersten dreißig Jahre | Die Autobiographie von Tokio Hotel-Sänger und Pop-Ikone Bill Kaulitz

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
384 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2457-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Career Suicide -  Bill Kaulitz
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»Bill Kaulitz ist eine der charismatischsten Figuren der Musikwelt.« Süddeutsche Zeitung »Er wäre heute nicht dort, wo er ist, hätte er nicht bedingungslos zu sich selbst gestanden.« Vice Als Gesicht der Band Tokio Hotel wurde Bill Kaulitz für sein exzentrisches Auftreten geliebt, belächelt bewundert und gehasst wie kein Zweiter. Fans verehrten seinen androgynen Style, die Presse reagierte mit Ratlosigkeit und Spekulationen über seine sexuelle Identität. Als der Rummel um die eigene Person gefährliche Ausmaße annahm, floh Bill mit seinem Zwillingsbruder Tom nach Los Angeles. Von dort blickt er auf die ersten dreißig Jahre seines Lebens zurück. Aufgewachsen in der Nähe von Magdeburg, war Bill Anfeindungen und Unverständnis gewohnt, ließ sich aber nie beirren und verfolgte konsequent seine künstlerischen Visionen und seinen Traum eines Lebens abseits von provinzieller Enge. Zum ersten Mal erzählt er hier offen von seiner Kindheit im Nirgendwo, von Tokio Hotels überwältigendem Erfolg, aber auch von Eskapaden, Einsamkeit und der besonderen Beziehung zu seinem Bruder Tom. Mit einem Vorwort von Benjamin von Stuckrad-Barre

Bekannt wurde Bill Kaulitz als Leadsänger der Band Tokio Hotel, mit der ihm 2005 der Durchbruch in die deutschen Charts gelungen ist. Er ist gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Tom in der ostdeutschen Provinz aufgewachsen. Neben den international andauernden Erfolgen mit Tokio Hotel arbeitet Bill Kaulitz als Model, Synchronsprecher, TV-Juror und Designer. Er lebt in Los Angeles.

Bekannt wurde Bill Kaulitz als Leadsänger der Band Tokio Hotel, mit der ihm 2005 der Durchbruch in die deutschen Charts gelungen ist. Er ist gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Tom in der ostdeutschen Provinz aufgewachsen. Neben den international andauernden Erfolgen mit Tokio Hotel arbeitet Bill Kaulitz als Model, Synchronsprecher, TV-Juror und Designer. Er lebt in Los Angeles.

Vorwort – Bis kein Regen mehr fällt


von Benjamin von Stuckrad-Barre

In Deutschland habe sie alles, wirklich alles erreicht, deshalb wolle sie sich jetzt hier, in Los Angeles, die Fußknochen zertrümmern lassen. Sprach es und blickte bedeutsam aus dem Fenster meines Zimmers, dem Bungalow Nr. 89, Chateau Marmont – ihr Blick verblieb nun auf dem Gartenbillboard, als stünde dort die Antwort auf alle Fragen geschrieben. Aber da stand bloß: »Gucci«.

Und das haute schon hin. Bill Kaulitz und ich wünschten uns jetzt sehr, diese ihre effektheischerische Pause möge ewig anhalten, hatten wir doch eigentlich allerlei besprechen wollen, es war sehr gut losgegangen.

Der Umzug in mein Zimmer (wie auch der nach L. A., von ihm wie von mir) war eine Flucht gewesen, die gründlich schiefgegangen war, da das Hauptproblem der Party ebendiese Dame gewesen war, die sich uns dann ärgerlicherweise angeschlossen hatte und also mitgekommen war in mein Zimmer (auch das: alles eigentlich genau so übertragbar auf unsere jeweiligen Exilpläne), weg von irgendeiner Party (und wieder!) in irgendeinem Zimmer – genauere Koordinaten hatten wir auch damals schon nicht gewusst, das war dort einfach so, das war das Prinzip dieses Garten Eden am Sunset Boulevard.

Stundenlang hatten wir dieser Drittplatzierten irgendeiner deutschen Castingshow höflich zugehört, manchmal leicht verzweifelt »Ach wirklich?« eingeworfen oder »Wow, na dann!«, um ihr irgendwie rauszuhelfen aus ihrem Ich-Ich-Ich-Salat, aber das wollte sie gar nicht. Was sie wollte, war, wenn wir das richtig verstanden: sich alsbald die Füße zertrümmern lassen, um diese so zu verkleinern, dann nämlich sei sie, sei alles – »perfekt«.

Da mussten wir nun wirklich sehr lachen und wendeten uns ab, kam sie doch in ihrer angeregten Debatte mit sich selbst nachweislich auch ohne uns bestens zurecht, und da wollte man ja auch gar nicht groß stören.

Wir taten alsdann, was man im Chateau gelegentlich tut: Wir drifteten komplett weg. Und schauten nun gemeinsam auf meinen Computer, als dessen Bildschirmschoner ich seltsamerweise ohnedies seit Wochen eines meiner Allzeit-Lieblingsbilder gewählt hatte: »Haltestelle« von Thomas Demand.

Es zeigt einen penibel originalgetreuen Pappnachbau der Bushaltestelle »Bahnhofstraße« in Magdeburg / Loitsche – there, where it all began. Ja, Magdeburg–Los Angeles, yes.

Wie immer bei Demand, sieht das Foto des rekonstruierten Modells echter aus als das echte (oder: »echte«?) Vorbild. Wahrer als die Wirklichkeit.

Bill erzählte mir von diesem Buch, er fing damals gerade mit dem Schreiben an. Den Titel wusste er schon: »Career Suicide«.

Ok, das war, wie es so schön blöd heißt, doch wirklich mal eine Ansage.

Anekdoten, Bilder, Situationen, Figuren – er skizzierte mir nun dieses just entstehende Buch. Dabei erwies Bill sich – und davon zeugt jetzt auch dieses Buch, da er es endlich abgeschlossen hat – als hervorragender, ja hinreißender Erzähler. Man ist direkt ABER SO WAS VON dabei.

Los Angeles also, in dessen Glutkern wir nun saßen, vor uns ein neuer Tag wie alle anderen; hinter uns eine Nacht wie alle anderen.

Hierher, nach L. A., waren Bill und sein Bruder Tom im Alter (sagt man da schon Alter?) von 20 Jahren gegangen, und zwar tatsächlich, man stelle sich das vor: um klein zu werden.

Bei Robbie Williams hatte das doch schließlich auch schon sehr gut geklappt – wobei der allerdings dort und dadurch noch größer hatte werden wollen, »I will talk – and Hollywood will listen«, wie das ja fast alle Hierherkommenden sich erträumen.

Bill vielleicht auch, heimlich?

Die englischsprachigen Lieder?

Nö, hatte er auch in Magdeburg schon gesungen. Oder erst in Hamburg dann? Einerlei – deutlich vor Los Angeles jedenfalls war das losgegangen mit den englischen Texten, und Hamburg war für die Band ja sowieso Magdeburg geblieben, ein Magdeburg mit Geld vielleicht, ein Magdeburg mit Geld und Hafen, von diesem Para-Hamburg aber bekamen sie sowieso nichts anderes mit als von jeder anderen Stadt der Erde damals: Tonstudios, Konzerthallen, Bahnhöfe, TV- & Radiostudios, Limousinentransit zum nächstgelegenen Flughafen; sie wohnten nicht in Hamburg, sie wohnten in »Hamburg«, eingezäunt wie in einem Zoogehege, von Fanzeltlagern umrahmt – ein Exil im Inland, in jedem Fall schon angekommen: hinter der Welt.

Das richtige Exil war da nur folgerichtig, bekamen sie doch von der sogenannten echten Welt gar nichts mehr mit – endlich nicht mehr, muss man auch sagen, denn wie schön bitte muss das doch eigentlich sein, wenn wir mal ehrlich sind? Ich meine: REALITÄT? Auch ganz schön überschätzt.

Verpasst haben sie durch ihre inneren wie äußeren Erdumkreisungen in Hamburg zum Beispiel, mit ziemlicher Sicherheit lässt sich das sagen, wirklich überhaupt nichts.

Ihr Rückzugsort dort – der kein solcher war, sondern als das Gegenteil sich entpuppte: als Wallfahrtsort – vor den sogenannten Toren ebenjener Stadt, über die Karl Lagerfeld völlig zu Recht befand, sie möge »Das Tor zur Welt« zwar genannt werden und seinetwegen das sogar sein – »aber eben nur das Tor«. Da geht es ja erst los, Zielrichtung vage, aber wenigstens groß gedacht: hinter die Welt.

Entschuldige bitte kurz, Bill – und DAS alles willst du wirklich schreiben? Und tatsächlich auch, nun ja, VERÖFFENTLICHEN?

Klar, was denn sonst?, entgegnete er großäugig, womit natürlich die volle Punktzahl an ihn ging. Und seine ausgestellte Naivität schien mir in keiner Weise gespielt; sie ist vielmehr sein Prinzip, sein methodischer, aber auch natürlicher Blick auf die Welt. Er guckt mich weiterhin direkt an, er will jetzt wirklich eine Antwort hören, meinte er doch diese Frage tatsächlich ernst: Was denn bitte SONST? Und sein Blick jetzt ist keineswegs der eines Spielers – es ist der eines Menschen, der es nicht anders kann und kennt. Ja, natürlich, jedes Mal könnte das letzte sein; jede neue Tat ein entscheidender, wenn nicht DER entscheidende Fehler.

Hat er nur allerdings alles schon so oft (trotzdem und gerade deshalb) getan, das macht ihn in dieser Hinsicht etwas lockerer. Aber auch nicht zu sehr. Ja, zeigt er sich auch hier vollkommen klarsichtig, ja, das könnte durchaus ziemlich Ärger geben. Absolut. Tja nun.

Schon von der Veröffentlichung ihres Ur-Hits »Durch den Monsun« hatten so Branchenschlaumeier ihnen karrieresuizidales Verhalten attestiert und beredt abgeraten: Wenn ihr das macht – vergesst es! Und das wäre dann ja, streng genommen, gar kein Selbstmord gewesen, sondern sogar Abtreibung.

Doch sogar noch davor, lange vor dem Berühmt- und damit einhergehenden Superseltsamwerden bereits, war das Grundgefühl der Brüder Kaulitz: »Es ist und es war immer so, als seien wir Außerirdische.« Ein, natürlich, zunächst mal überhaupt nicht schönes Gefühl – doch ist genau das der Kern ihrer Kunst und macht deren Dringlichkeit aus: eine fundamentale Abstoßungsreaktion ihrer Umwelt. Magdeburg City Limits: Wenn du SO vor die Tür gehst, dann kannst du dich eigentlich auch gleich umbringen.

Verspottet, verlacht, gejagt wurden Bill und Tom seither immer wieder und in unterschiedlichster Form; und das hält bis heute an, es gehört für sie dazu.

In ihrer Kunst haben sie das Ausdrucksmittel für diese Urerfahrung gefunden – und auch ihre Taktik, das zu überstehen, indem sie es (alles) hinter sich lassen, immer wieder aufs Neue.

Diese teilweise recht aberwitzigen Kehrtwenden, die ihren Weg verlässlich prägen, mögen dann Bescheidwissern oder RATGEBERN (das muss echt ein Scheißjob sein: Tokio Hotel beraten!) als »sicherer Selbstmord« erscheinen, für Bill und Tom aber sind sie das exakte Gegenteil: tatsächlich eine Überlebensstrategie.

Eine andere Bedeutung von »Career Suicide«, die natürlich in diesem fantastischen Buchtitel auch mitschwingt, ist übles Klischee und zugleich trübe Tatsache bzw. hochwahrscheinliche Nebenwirkung jener Lebensform, für die sie sich da entschieden haben – Rock&Roll. Wenn das, wenn der gelingt, heißt das einfach sehr häufig: Werk brachial, konsequent, genial wohl gar, nur ist dabei und dadurch jetzt leider der Künstler verstorben, so ein Mist aber auch.

Was sie da getan haben und tun, Superstars werden und sein, man bezahlt es, so oder so, mit dem eigenen Leben: Die Kunstfigur ist Rettung und Verderben, war das Ticket hinaus aus der Bushäuschen-Enge von Magdeburg LOITSCHE (was ja wirklich klingt wie und für die Brüder auch nichts anderes war als: Peitsche) – hinein aber eben auch, unweigerlich: in den absoluten Irrsinn.

Als Außerirdische also hatten Bill und Tom sich in der Welt vorgefunden, und das vollkommen Verrückte nun – wenn man Bill sich bitte allein nur mal ANGUCKT (was jedes Mal einen solchen Spaß macht!) – ist dann: Heute ist er ein zutiefst Irdischer.

Hä, wie denn das nun wieder? Ja, wie er zu Beginn sprach, sich...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2021
Co-Autor Dunja Pechner
Vorwort Benjamin von Stuckrad-Barre
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Kunst / Musik / Theater Musik
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Technik
Schlagworte Androgyn • Autobiografie • Celebrity • Fame • Fashion • Gender • Heidi Klum • High Fashion • Karl Lagerfeld • L.A. • Leipzig • Los Angeles • Memoir • Monsun • Musiker • Ostdeutschland • Popmusik • Popstar • Queen of Drags • Queer • Schrei • Star • Teenie-Star • "Tokio Hotel" • Tokio Hotel • Tom Kaulitz
ISBN-10 3-8437-2457-1 / 3843724571
ISBN-13 978-3-8437-2457-9 / 9783843724579
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