Ambra Flammenmädchen - Drachenaugen sehen alles (eBook)
Nach einem kräftigen Wumms vor ihrer Tür ist für die 11-jährige Ambra nichts mehr, wie es war. Ein Geisterdrache verfolgt sie und ihren Ziehbruder Odolf plötzlich quer durch den Wurzelnden Wald - und als wäre das nicht genug, heftet sich außerdem ein blutdurstiger Zauberer an ihre Fersen!
Den beiden bleibt nur ein einziger Ausweg: Ambra muss ihre besonderen, drachenstarken Fähigkeiten endlich zulassen, um nicht nur sich selbst zu retten, sondern auch die, die ihr am nächsten stehen. Aber das ist gar nicht so einfach wie gedacht ...
Band 1 der bildgewaltigen Abenteuerfantasy in einer fantastischen Welt voller Drachen und Magier!
Jenny Moore schreibt leidenschaftlich gern Bücher für alle Altersklassen vom Kleinkind bis zum Erwachsenen. Sie war die erste englischsprachige Gewinnerin der Commonwealth Short Story Competition und außerdem für die Shortlist des Greenhouse Funny Prize nominiert. Ihre Kurzgeschichten und Gedichte wurden bereits in vielen Publikationen auf beiden Seiten des Atlantiks veröffentlicht.
3. KAPITEL
Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit – und ein paar Zehennägel
Odolf nahm seinen Heldenhelm ab, legte neue Holzscheite auf das ersterbende Feuer und schürte es mit einem langen Stock, bis es knisternd aufloderte und die Glut zu züngelnden orangefarbenen Flämmchen wurde.
»Das Heldentraining kann warten«, sagte er und grinste in sich hinein, als er sich auf den Fellteppich setzte und Freds Ziegenhaardecke wie eine Stola um seine Schultern legte. Seine Augenbraue zuckte vor Aufregung. Allerdings nur die eine. Odolf zufolge war die andere während seiner Ausbildung zum Schmied verbrannt und nicht wieder nachgewachsen. »Das hört sich so gut an, dass ich nichts davon verpassen möchte. Lass mich raten, beginnt alles damit, dass jemand an die Tür klopft? Mit einem geheimnisvollen, undurchsichtigen Fremden oder einem blutbespritzten Kämpfer, der nachts ein Dach über dem Kopf sucht … So fangen die besten Geschichten an.«
Fred tropfte ein wenig von einer grünen Tinktur in einen tönernen Becher. »Tja, diese nicht«, sagte sie. »Diese beginnt mit einem Ei.« Sie reichte Ambra den Becher. »Trink das, Liebes, es hilft gegen das Brennen.«
Als Ambra gehorsam trank, rann die kühle Mixtur wie das Wasser eines eisigen Bergbachs an einem Sommernachmittag durch ihre Kehle. Das flammende Gefühl blieb gleich stark, doch sie lächelte Fred an, als wäre alles wieder gut. Sie stellte fest, dass es eigentlich kein unangenehmes Gefühl war. Es war nur … nur … Nun ja, Ambra wusste einfach nicht, was es war.
Nachdem Ambra sich zu Odolf auf den Teppich vor dem Kamin gesetzt hatte, nahm Fred auf dem handgeschnitzten Hocker Platz, den sie ihr im vergangenen Winter geschenkt hatten, um »ihren alten schmerzenden Knochen«, wie sie sie gern nannte, etwas Gutes zu tun.
»Ja, also«, sagte Fred. Die tanzenden Flammen warfen ihren Schein auf ihre tiefen Falten, und ihr linkes Auge zuckte erneut. »Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll.«
»Mit dem Ei natürlich«, erwiderte Odolf. »Wenn am Anfang niemand anklopft, damit es losgehen kann, dann geht es eben mit dem Ei los. Was war das für ein Ei? Ein Hühnerei? Oder eins von einem Rebhuhn oder einem Zaunkönig?«
»Von einem Drachen?«, fragte Ambra leise. Die Schuppen an ihren Beinen kribbelten und juckten vorfreudig, als wäre dies die Antwort, auf die sie so lange gewartet hatte. Die Antwort auf eine Frage, die sie nie hätte formulieren können.
Fred warf ihr einen sonderbaren Blick zu, in dem sich Überraschung und Sorge mischten. »Ja, Ambra, Liebes, es war tatsächlich ein Drachenei. Das dachte ich jedenfalls, als ich es fand. Es lag glimmend unter der noch rauchenden Asche einer verbrannten Eiche. Das Ei war dunkelblau – so blau wie der Träumerteich – und so groß wie mein Kopf. Was hätte es sonst sein sollen?«
»Die Larve einer Ogermotte?«, schlug Odolf vor. »Die sind blau.«
Ambra verpasste ihm einen Tritt ans Schienbein. »Psst, das ist wichtig.« Das merkte man schon daran, dass Freds Auge zuckte. Es zuckte immer, wenn sie sich Sorgen machte.
»Es fühlte sich heiß an«, fuhr Fred fort. »Zu heiß. Ich habe mir die Finger verbrannt, als ich es aufheben wollte. Aber ich konnte es kaum dort liegen lassen. Wenn wirklich ein Drache darin war, dann …«
»Dann hättest du weglaufen müssen«, sagte Odolf. »Das würde ich tun, wenn ich ein Drachenei fände.«
So viel dazu, dass du der große Held aus der Letzten Prophezeiung bist, dachte Ambra. Besonders heldenhaft klingt das jetzt nicht. Doch sie biss sich auf die Zunge und schwieg, damit Fred endlich weitererzählen konnte.
»Deshalb habe ich gewartet, ob jemand – oder etwas – zurückkommt, um das Ei zu holen«, sagte die alte Frau. »Ich habe mich danebengesetzt und gewartet. Ich habe gewartet und gewartet.«
»Und …?«, fragte Odolf.
»Und …?«, fragte Ambra.
»Und ich habe weiter gewartet«, antwortete Fred. Gedankenverloren blickte sie in die flackernden Flammen.
»Vielleicht können wir das Warten überspringen«, schlug Ambra vor. »Was ist danach passiert?«
»Nichts«, erwiderte Fred. »Als es endlich kalt genug war, nahm ich das Ei in meine Röcke und brachte es in diese Höhle. Ich hüllte es in Felle, damit das Ei es schön gemütlich hatte, und wartete darauf, dass etwas schlüpfte.« Als Fred erneut innehielt, zuckte ihr linkes Auge heftiger als je zuvor.
»Und dann?«, drängte Ambra.
»Dann habe ich gewartet«, sagte Fred. »Eine halbe Ewigkeit.«
Odolf verdrehte grinsend die Augen, doch Ambra war zu ungeduldig, um das lustig zu finden.
»Irgendwann ist aber etwas geschlüpft, oder?«, fragte sie. Sonst wäre das Ganze schließlich keine Geschichte wert.
Fred nickte. »Ja. Als ich eines Morgens wach wurde, lief ein großer gezackter Riss über die Eierschale … und von drinnen hörte ich ein merkwürdiges Maunzen.«
»Hm«, machte Odolf. »Das klingt wirklich nicht nach einer Ogermotte.«
Ambra schenkte ihm keine Beachtung. Gleich kam etwas Wichtiges – das spürte sie.
»In der Tat, es war keine Ogermotte«, sagte Fred. »Und auch kein Drache. Es war ein Baby. Ein wunderschönes kleines Mädchen mit gelbbraunen Augen und glitzernden Schuppen auf Armen und Beinen.«
Odolf japste laut. »Aber das ist …« Er drehte sich von Fred zu Ambra um. »Das hört sich nach dir an.«
Fred nickte erneut. »Genau, Odolf, das stimmt. Das war Ambra. Mein schönes gelbäugiges Küken.« Sie streckte die Hand aus und drückte Ambras Ellbogen. »Schon auf den ersten Blick wusste ich, dass du etwas Besonderes bist. Und in dem Moment habe ich mir geschworen, dich mit meinem Leben zu beschützen.«
Ambra kratzte sich an den Beinen und fuhr mit den Fingernägeln über das unvermittelte Jucken und Kribbeln ihrer Schuppen. Es fühlte sich an, als würden Insekten unter ihrer Haut krabbeln. Doch das war gar nichts im Vergleich zum Wimmeln und Schwirren ihrer Gedanken. »Heißt das, ich bin … ich bin kein …« Kein Mensch. Das Ende des Satzes blieb ihr im Hals stecken und wollte nicht herauskommen. Sie brachte es kaum fertig, es zu denken. Denn das war nun endgültig unmöglich. Und Ambra Eiche hatte für einen Tag bereits genug Unmögliches erlebt, vielen Dank auch.
»Du bist genauso menschlich wie wir«, versicherte Fred ihr und las damit ihre Gedanken. »Aber vielleicht hast du noch ein Extra in dir. Etwas Extra-Besonderes.«
Etwas Extra-Schräges, meinst du wohl, dachte Ambra und kratzte sich wie wild an den Armen. Sie hatte immer schon gewusst, dass sie anders war – das war offensichtlich. Niemand, der zur Höhle kam, hatte gelbe Augen und Schuppen auf der Haut, auch die Einheimischen nicht, die sie im Wald oder auf den seltenen Ausflügen mit Fred zum Markt neugierig ansahen. Doch nun war sie offiziell ein Sonderling. Etwas Unmögliches. Menschen schlüpften nicht aus Eiern.
In ihren gelben Augen standen Tränen. »War der Drache deshalb hier?«, fragte sie. »Wollte er mich mitnehmen?« Doch wohin?
Fred schüttelte den Kopf. »Ich weiß leider auch nicht mehr als du. Fest steht nur, dass du hier bei mir in Sicherheit bist. Bei uns«, fügte sie rasch mit einem Blick auf Odolf hinzu, als wären sie ein Team. Andererseits waren sie das wirklich. Der dunkelhaarige Ausreißer gehörte inzwischen praktisch zur Familie. »Wir lassen es nicht zu, dass dir etwas zustößt, nicht wahr, Odolf?«
Odolf setzte seinen Heldenhelm wieder auf und warf sich in die Brust. »Natürlich nicht. Da muss schon etwas anderes kommen als ein dämlicher Drache, um Odolf Wackerschnalle zu besiegen … Obwohl es schwierig werden könnte, gegen ihn zu kämpfen, wenn ich ihn gar nicht sehen kann.«
»So weit wird es bestimmt nicht kommen«, sagte Fred beruhigend. »Was auch immer der Drache von Ambra wollte, ich glaube nicht, dass er es böse meinte.«
»Vielleicht hat ihn auch mein Talisman vertrieben.« Ambra umklammerte den Lederbeutel, den sie an einem Band um den Hals trug. Das daraufgestickte gelbe Auge war im Moment unter einer Fett- und Schmutzschicht kaum zu erkennen. »Hast du mir das deshalb gegeben?«, fragte sie Fred. »Für den Fall, dass der Drache zurückkommt, um sein Ei zu holen? Für den Fall, dass er zurückkommt und mich hier vorfindet?«
»Mit einem Säckchen modriger Zehennägel kann man ja wohl keinen Drachen verscheuchen.« Odolf schnaubte.
»Modrig?«, wiederholte Fred. »Modrig? Meine Zehennägel sind eine Quelle unermesslicher Weisheit und Macht, das solltest du wissen. Darum schneide ich sie nie. Ich habe 27 Jahre gebraucht, bis der in dem Beutel so lang war – und anderthalb Tage, um ihn durchzusägen. Aber für meinen neuen Schützling habe ich dieses Opfer gern gebracht. Für meine kleine Ambra.«
Ambra fuhr mit dem Finger über das gestickte Auge. Soweit sie sich zurückerinnern konnte, hatte sie den Beutel mit den magischen Zehennagelstückchen immer an ihrem Herzen getragen. Es fühlte sich an, als würde er ebenso zu ihr gehören wie ihre eigenen Zehennägel. Wie ihre eigenen Zehen. Was würde geschehen, wenn sie den Beutel abnahm? Kam der Drache dann zurück?
Bei dieser Vorstellung wurde Ambra heiß und kalt. Vielleicht wollte ein kleiner, verwirrter Teil von ihr sogar, dass der Drache sie noch einmal besuchte. Wollte wissen, wer sie wirklich war. Und was, wenn...
Erscheint lt. Verlag | 1.8.2023 |
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Reihe/Serie | Die Ambra-Flammenmädchen-Reihe |
Übersetzer | Anne Brauner |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Emba Oak and the Terrible Tomorrows #1 |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | 2023 • ab 10 • ab 10 jahre mädchen • ab 12 jahre für mädchen • Abenteuerfantasy • abenteuerliche Reise • besondere Gabe • Buch Mädchen 10 Jahre • Der kleine Hobbit • Drache • Drachenfantasy • Drachenzähmen leicht gemacht • eBooks • Fantastische Welt • Fantasy • Fantasy Abenteuer • Fantasy Bücher Jugendliche • Freundschaft • Geschenk Mädchen 10 Jahre • High Fantasy • Kinderbuch • Kinderbücher • Kinderkrimi • Magier • magische Fähigkeit • Neuerscheinung • Prophezeiung • Schmöker • Spannung • starke Heldin • vielleser ab 9 • Wings of Fire |
ISBN-10 | 3-641-30323-0 / 3641303230 |
ISBN-13 | 978-3-641-30323-5 / 9783641303235 |
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