Jade und Obsidian - Die Legende der Zwillingsschwerter (eBook)
512 Seiten
cbt Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-30073-9 (ISBN)
***Je nach Verfügbarkeit wird das Buch mit oder ohne Farbschnitt geliefert. Der gestaltete Buchschnitt ist auf eine limitierte Stückzahl begrenzt.***
Ahn hat weder Familie noch Vergangenheit.
Altan war einst der Thronerbe, bis seine Familie gestürzt und er ins Exil vertrieben wurde.
Eine Zufallsbegegnung führt die beiden Einzelkämpfer zusammen. Sie könnte eine Schlüsselrolle bei seinen Racheplänen spielen, er die Geheimnisse ihrer Vergangenheit aufdecken. Doch schon bald merken die beiden, dass sie in größere Machenschaften verstrickt sind. Dabei scheint sich alles um die Legende der Zwillingsschwerter zu drehen: zwei verschollene Schwerter - eines jadeweiß, das andere obsidianschwarz - eines bedeutet die Rettung des Kaiserreichs, das andere seinen Niedergang.
Ahn und Altan müssen entscheiden, ob sie an ihren eigenen Plänen festhalten oder für das Wohl des Kaiserreichs kämpfen wollen. Sie ahnen nicht, welchen Preis sie diese Entscheidung kosten wird ...
Chinesische Mythologie, Kampfkunst und uralte Magie: ein umwerfendes Fantasy-Debüt!
June CL Tan wuchs in Singapur mit klassischer Literatur, Wuxia-Filmen, Koffein und Reisbrei auf. Sie hat Abschlüsse in Kommunikationswissenschaften, Bildung und Film. Nachdem sie bereits als Lehrerin und im Finanzsektor arbeitete, lebt sie heute als Autorin in New York City.
1.
AHN
Eine silberne Münze.
Sie entscheidet über Leben und Tod.
Darüber, ob ich eine Großmutter habe oder allein auf der Welt bin.
Mein Herz rast und mein Mund wird wüstentrocken, als der Heiler nur einen flüchtigen Blick auf meinen kleinen Stapel Münzen wirft. Kupfer, nicht Silber. Er muss sie nicht erst zählen. Der Stapel hat nicht die richtige Höhe und Farbe. Zu niedrig ist er, und es fehlt ihm das Wichtigste: wertvolleres Metall.
Seltsam, wie etwas, das aus der Erde gegraben wird, sich als so tödlich erweisen kann. Aus den Bergen gefördert und zu Schwertern geschmiedet. Der Grund, warum einige von uns unsere Mägen nicht füllen können.
Mit einem verächtlichen Schnauben dreht der Heiler sich zu den Holzschubladen um, die eine Wand der Apotheke bekleiden. Er öffnet eine und holt mit einer feinen Pinzette ein paar Zungenkernkeulen heraus. Vorsichtig legt er die wurmartigen braunen Pilze auf ein rundes Metallschälchen, das an einem schmalen Holzstab befestigt ist. Er kneift die Augen zusammen, linst argwöhnisch auf die ins Holz geschnitzten Zahlen und verschiebt das Gewicht am anderen Ende, um die Menge abzuwiegen. Nicht ein einziges Mal sieht er mich an.
Es ist, als würde ich nicht existieren.
»Bitte«, flehe ich trotz des auflodernden Feuers in meiner Brust. »Ich zahle Euch den Rest des Geldes in einer Woche. Es ist doch nur eine Silbermünze. Das Fieber meiner Großmutter klingt seit Tagen nicht ab. Lasst mich das Medikament mitnehmen.«
Er tut, als würde er mich nicht hören. Er stellt seine Waage zur Seite und geht zu einem großen Glasbehälter mit einer dicken rotbraunen Flüssigkeit, in der krüppelige Wurzeln schwimmen.
Meine Nägel bohren halbrunde Abdrücke in meine Handflächen, als ich die Worte herunterschlucke, die in einem Hexenkessel von Flüchen in mir brodeln. Vielleicht würden ein paar Tränen das verdorrte Herz dieses Mannes erweichen.
»Bitte.« Meine Stimme zittert und ich blinzle schnell, während ich ein paar Mal tief durchatme. »Meine Großmutter hat doch Eurem Sohn auf die Welt geholfen, oder? Es war eine schwierige Geburt und sie hat Eurer Frau das Leben gerettet –«
»Und Großmutter Jia wurde für ihre Dienste gebührend entlohnt! Es tut mir leid, dass sie noch krank ist, aber ich muss meine eigene Familie ernähren. Du glaubst, dein Leben ist hart? Dann geh auf die Straße, schreie dein Unglück heraus und sieh, ob es irgendjemanden kümmert. Die Wüste ist kein Ort für Rührseligkeit.«
»Aber –«
»Ich habe dir genügend Wohlwollen entgegengebracht, Ahn. Vergiss nicht, dass du mir noch etwas für die Medizin von letzter Woche schuldest. Warum fragst du den Schankwirt nicht nach einer Lohnvorauszahlung? Der Bastard ist der Einzige, der in dieser elenden Stadt noch etwas Geld verdient.«
»Das habe ich ja, aber es ist nicht genug«, lüge ich, während sich in meinem Magen ein Knoten zusammenzieht.
Vor zwei Wochen habe ich meine Arbeit bei dem einzigen Dienstherrn, der mich anstellen wollte, verloren. Der Schankwirt ist ein Prinzipienreiter, wenn es um Pünktlichkeit geht, und ich bin in diesem Monat einige Male zu spät zur Arbeit gekommen. Immer wieder habe ich meine Mitfahrgelegenheit von unserem Dorf nach Shahmo verpasst, nachdem ich nachts an Amas Krankenbett gesessen habe. Es ist unmöglich, in dieser drückenden Hitze die ganze Strecke zu rennen. Ich habe es versucht, aber manchmal ist versuchen nicht genug.
Der Heiler mustert mich mit einem seltsamen Blick. »Wie alt bist du eigentlich? Sechzehn?«
Ich nicke und zupfe verlegen an den zwei Zöpfen, die bis zu meiner Taille reichen. Mädchen in meinem Alter tragen ihre Haare normalerweise hochgesteckt und mit einer Fāzān fixiert – der zeremoniellen Haarnadel, die zeigt, dass sie im heiratsfähigen Alter sind. Ama wollte mir eine besorgen; sie fand, es sei ein wichtiger Ritus auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Ich sehe keinen Sinn darin. Eine Heirat ist das Letzte, was ich im Moment im Sinn habe, und das Geld ist besser angelegt, wenn wir dafür Essen kaufen oder unsere heruntergekommene Hütte reparieren.
Der Heiler wendet den Blick ab und murmelt: »Ich höre, Madam Liu sucht nach neuen Mädchen für ihr Etablissement. An diesem Wochenende ist endlich wieder Basar und da erwartet sie großen Zulauf. Selbst mit dieser Narbe auf deinem Gesicht würde ein Mädchen wie du dort sofort genommen werden.«
Der Knoten in meinem Magen zieht sich weiter zusammen. »Wollt Ihr mir etwa vorschlagen, im Bordell zu arbeiten?«
»Es liegt keine Schande in dem, was diese Frauen tun. Es ist ein ehrlicher Broterwerb«, sagt er schnell und macht eine beschwichtigende Handbewegung, um die Spannungen zwischen uns zu glätten. »Eine Cousine meiner Frau macht dort sauber. Sie könnte sicher ein Treffen mit Madam Liu arrangieren.«
»Ich werde darüber nachdenken«, bringe ich hervor.
Ein Anflug von Mitgefühl geht über das Gesicht des Heilers, bevor er sich wieder seinen Kräutern zuwendet, die schmalen Schultern hochgezogen. Ich nehme meinen armseligen Stoß Münzen und stolpere aus der Apotheke, während die Übelkeit in mir aufsteigt. Ich weiß, dass er recht hat. Die alte silbrige Narbe auf meiner linken Wange ist verblasst, kaum sichtbar in normalem Licht, und ich habe die Jugend auf meiner Seite.
Ein ehrlicher Broterwerb.
Für die Verzweifelten. Und ich bin verzweifelt.
Aber ich weiß nicht, ob ich verzweifelt genug bin. Ich schiebe diese Gedanken zur Seite. Ich kann später darüber nachdenken. Jetzt geht es erst einmal darum, dass ich nicht mit leeren Händen zurück nach Hause kommen kann.
Das furchtbare Geräusch von Amas tiefem rasselnden Husten hallt in meinem Kopf wider. Sie weiß nicht, dass ich meine Anstellung verloren habe. Ich bin weiterhin jeden Tag bei Morgengrauen aufgestanden, zur gewohnten Zeit in die Stadt gefahren, zurückgekommen und habe Geschichten von meinem Tag im Wirtshaus zusammengesponnen, wenn wir beim Abendessen saßen. Ein Essen, das immer spärlicher wird, je weniger Geld wir haben.
Zeit, das zu ändern.
Ich ziehe mir die Krempe meines alten Strohhuts tiefer in die Stirn und drapiere mein Leinentuch über Kinn und Nase. Auch wenn ich den Großteil meiner Zeit in Shahmo in der Küche des Wirtshauses verbracht habe und die meisten Leute mich nicht auf den ersten Blick erkennen würden, will ich lieber vorsichtig sein.
Dabei kommt mir zugute, dass vor einer Woche auf dem Marktplatz ein kaiserliches Dekret angeschlagen wurde: Für die nächsten 49 Tage sollen wir uns als Zeichen des Respekts für unseren verstorbenen Kaiser in weiße Gewänder kleiden. Doch neue Gewänder kosten Geld und weiße Gewänder sind schwer sauber zu halten. Die meisten von uns tragen stattdessen die billigeren, aber ordentlich gewobenen Leinen, mit denen die Wüstennomaden Handel treiben. Sie entsprechen nicht der Tradition und sind kein perfekter Ersatz, aber die kaiserlichen Truppen schenken diesem entlegenen Außenposten des Shi-Imperiums und den umliegenden Dörfern wenig Beachtung.
Als eine Stadt, die einst Teil eines anderen Landes war und – noch entscheidender –nicht dazu beiträgt, die kaiserlichen Staatskassen zu füllen, sind wir der Mühe nicht wert.
Ich tauche unter in der wimmelnden Menge aus Beige, mit gelegentlichen Tupfern aus Cremeweiß, und gehe schnell an den offenen Marktwagen vorbei. Meine flinken Finger schnappen sich ein paar Yóutiáo und zwei Mántou. Bis ich nach Hause komme, werden die Teigstangen eine durchweichte Masse sein und die luftigen gedämpften Brötchen hart wie Stein. Aber ich muss mich damit begnügen. Mit geübter Leichtigkeit, perfektioniert in Jahren des Mangels, verschwindet das Essen unter meinem Gewand.
Der Marktkarren vor mir verkauft Chuàn’r, gegrillte Fleischspießchen, die eine besondere Freude für Ama wären. Aber ich bin mir nicht sicher, ob die scharfen Spitzen der Spieße womöglich meine geflickten Gewänder zerreißen würden. Während ich noch herumlungere, wende ich instinktiv den Kopf.
Ein kräftig gebauter Mann kommt auf mich zu, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Hat er gesehen, wie ich das Essen gestohlen habe? Mit klopfendem Herzen gehe ich zum nächsten Stand und beäuge die Auswahl von grob gewebten Baumwolltaschentüchern, als würde ich mich dafür interessieren. Langweilig und stümperhaft bestickt sind es erbärmliche Imitationen der Seidentaschentücher, welche die Damen aus den großen östlichen Städten des Reiches bei sich tragen.
Meine Schultern lockern sich, als der Mann ohne Zwischenfall an mir vorbeigeht. Um sicher zu sein, sehe ich ihm eine Weile nach. Er kann nicht von hier sein. Im Gegensatz zu den Männern des Shi-Reiches, die ihre Haare der Tradition nach lang tragen, sind seine Haare kurz geschoren. Seine raue rötliche Haut deutet auf eine südländische Abstammung oder zu viel Zeit in der Sonne hin. Entgegen dem offiziellen Dekret ist er in einen dunkelgrauen Hànfú gekleidet, ohne Stickerei oder Dekoration auf seiner Tunika oder seinen Hosen. Zivile Kleidung einer niederen Klasse. Ein Händler aus der Nandah-Nation im Süden vielleicht.
Oder ein Soldat auf Urlaub, ermahne ich mich. Es ist besser zu verschwinden. Außerdem muss ich Ama das Essen bringen.
»Ich hab gesehen, was du da gemacht hast.«
Ich wirbele herum und blicke in ein vorwitzig grinsendes Gesicht. Li Guo mustert die Beulen um meine Taille.
»Was machst du denn hier? Solltest du nicht bei der Arbeit sein?«, sage ich zu dem drahtigen Jungen vor mir. Sein Lachen lässt einen...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2023 |
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Übersetzer | Mareike Weber |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | JADE FIRE GOLD |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | 2023 • ab 14 • Altes China • asiatische Fantasy • Asiatische Kampfkunst • Asien • China • Chinesische Mythologie • Die sechs Kraniche • eBooks • Ein Kleid aus Seide und Sternen • Elizabeth Lim • Fantasy • Fantasy Neuerscheinung 2023 • Fernost • historische Fantasy • Im Zeichen der Mohnblume • Jade Fire Gold deutsch • Jugendbuch • Jugendbücher • Kaiser • Legenden • Magie • magisches Schwert • Mulan • Neuerscheinung • Rache • R.F. Kuang • Romantik • Schwertkunst • Xianxia • Young Adult |
ISBN-10 | 3-641-30073-8 / 3641300738 |
ISBN-13 | 978-3-641-30073-9 / 9783641300739 |
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