Das Geld in der Geschichte (eBook)
110 Seiten
Conzett Verlag
978-3-03760-038-2 (ISBN)
Karl Walker, Straßburg 1904 - Berlin 1975, Klosterschule, Buchbinderlehre, Buchdruckergeselle, Verlagslektor, Autor. Kontakt mit der Freiwirtschaftlehre um Gsell und Blumenthal. Sein erstes Buch «Das Problem unserer Zeit und seine Meisterung» (1931) erlebt bis 1932 vier weitere Auflagen. Walker war geistiger Urheber des deutschen Wirtschaftsrings »Wir«.
Karl Walker, Straßburg 1904 - Berlin 1975, Klosterschule, Buchbinderlehre, Buchdruckergeselle, Verlagslektor, Autor. Kontakt mit der Freiwirtschaftlehre um Gsell und Blumenthal. Sein erstes Buch «Das Problem unserer Zeit und seine Meisterung» (1931) erlebt bis 1932 vier weitere Auflagen. Walker war geistiger Urheber des deutschen Wirtschaftsrings »Wir«.
VOM MÜNZWESEN DER GRIECHEN
Es gibt in der Geschichte der Menschheit keine hochentwickelte Kultur, die nicht auf einer ebenso hochentwickelten Arbeitsteilung beruht hätte. Erst die Arbeitsteilung ermöglicht es nämlich, über die Bedürfnisse des nächsten Tages hinaus den Geist frei zu machen, um Größeres und Bleibendes zu bilden. Arbeitsteilung erfordert indessen den Austausch von Leistungen, im fortgeschrittenen Stadium einen entwickelten Handel.
In ältesten Zeiten mag der Handel aus dem Darbringen von Geschenken und der Entgegennahme von Gegengeschenken entstanden sein, wie es unter Naturvölkern und Kindern heute noch ist. Der wahre Charakter dieses »Schenkens« zeigt sich aber schon in dem ungeschriebenen Gesetz, gleichwertige Gaben zu tauschen. Dass Glaukus seinem Gast Diomedes eine goldene Rüstung schenkte und eine eherne dafür empfing, wird vom Dichter der Ilias mit dem Tadel vermerkt, dass Zeus ihn »ganz und gar seiner Sinne beraubt« habe.
Im Übrigen aber schien sich dieser Handel im Altertum in geradezu vorbildlicher Noblesse abzuwickeln. So schreibt Herodot von den Berichten der Karthager: »… es wäre auch noch libysches Land und Menschen darin jenseits der Säulen des Herakles (= Meerenge von Gibraltar). Wenn sie dahin kämen, lüden sie ihre Waren aus, dann gingen sie wieder in ihre Schiffe und machten einen großen Rauch. Wenn nun die Eingeborenen den Rauch sähen, so kämen sie an das Meer und legten für die Waren Gold hin und dann gingen sie wieder weit weg von den Waren, die Karthager aber gingen an das Land und sähen nach, und wenn des Goldes genug wäre für die Waren, so nähmen sie es und führen nach Hause; wäre es aber nicht genug, so gingen sie wieder an Bord und warteten es ruhig ab. Dann kämen sie wieder und legten noch immer etwas Gold zu, bis die Karthager zufrieden wären. Keiner aber betrüge den anderen, denn sie rührten weder das Gold eher, als bis die Waren damit bezahlt wären, noch rührten jene eher die Waren an, als bis sie das Gold genommen« (siehe R. Eisler: »Das Geld«, S. 49).
Dies mag noch echter Tauschhandel gewesen sein. Wohl ist vom Golde die Rede, aber noch nicht vom Geld im späteren Sinn dieses Wortes.
Mannigfache Erzeugnisse in natura gleichwertig zu tauschen, ist eine unlösbare Aufgabe. Da die Aufgabe aber einem Bedürfnis entspricht und somit doch vernünftig ist, muss es auch eine vernünftige Lösung geben. Diese Lösung fand und entwickelte der Mensch in dem merkwürdigen Ding, das er »Geld« nennt. Seit den ältesten Zeiten haben mancherlei Dinge als Geld gedient, von denen wir viele heute nicht mehr als Geld betrachten können; Vieh, Muscheln, Häute, Sklaven und Metalle aller Art wurden zeitweise nicht wegen ihrer unmittelbaren Verwendbarkeit, sondern wegen der Möglichkeit des Weitertauschens gegen die wirklich begehrten Dinge angenommen. Damit wurden sie zu einem Zwischenglied im Handel, das den Tausch vermittelt, zum Gelde. Dass in dieser Entwicklung die Edelmetalle sehr bald den Vorrang einnahmen, versteht sich von selbst. Schon bei den Assyrern und Ägyptern war das gestückelte Hacksilber bekannt, das nichts weiter war als ein Stück von dem Gusskuchen des geschmolzenen und in Wasser gegossenen Metalls. Von hier aus führte ein gerader Weg zur gleichbleibenden Stückelung; Stangen, Ringe, Barren, gestempelte Barren, geprägte Münzen folgten.
In der Geschichte des Münzwesens gelten die Lydier als die Erfinder der Münze. Ihre Münzen bestanden aus einer Legierung von Gold und Silber. Der außerordentlich ergiebige Goldbergbau der Lydier war ja auch die Grundlage für den sagenhaften Reichtum jenes Königs Krösus, der im 6. Jahrhundert vor Christus lebte, damals aber bereits ein hochentwickeltes Geldsystem in seinem Lande hatte.
Wo immer das Geld erstmalig auftrat, erwachten wie nach einer zauberhaften Berührung die schlummernden Kräfte des Neuen, taten sich ungeahnte Quellen der Wohlfahrt und des Reichtums auf, Handwerk und Künste entwickelten sich, und der Mensch erhob sich über die Bedürfnisse des Alltags und machte sich an Werke, die Generationen überdauerten. Wo aber das Geld wieder verschwand, da zerfiel der Bau der Kultur, weil das Fundament der Arbeitsteilung sich auflöste.
Um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. wurden auf der Insel Mykene die ersten Münzen Griechenlands geprägt. Jetzt brauchte das Silber des Händlers nicht mehr geprüft und gewogen zu werden, jetzt konnte man fertig geprägte Stücke zählen und damit rechnen.
Vor dieser Zeit war auch in Griechenland das Vieh das gebräuchlichste Tauschmittel »Geld«. In den Gedichten Homers ist die Münze noch unbekannt, weshalb alle Werte immer am Rind gemessen werden – die goldene Rüstung des Glaukos ist 100 Rinder wert; und Laertes bezahlt Eurikleia mit 20 Rindern (siehe F. Müller-Lyer: »Phasen der Kultur«, München 1929, S. 250ff.). Töchter waren zu diesen Zeiten wertvoll, weil sie Rinder einbrachten, wenn sie einen Mann fanden; Söhne dagegen machten Kosten.
Durch die Erfindung des Geldes wurde der Handel erleichtert und dieser Erleichterung des Handels ist die Entfaltung der gewerblichen Produktion Griechenlands zuzuschreiben; mit den Impulsen, die sich aus dem aufblühenden Handel ergaben, wurden Handwerk, Künste und Wissenschaft machtvoll gefördert.
Jeder besser gestellte Handwerker in Athen oder Korinth beschäftigte unfreie Arbeiter, Sklaven, in seiner Werkstätte; auch war es durchaus nichts Ungewöhnliches, dass ein Vermögender einem Sklaven einen Gewerbebetrieb oder ein Handelsgeschäft übergab, worin dieser selbständig für den Gewinn des Herrn arbeitete und Handel trieb. So besaß der Vater des Demosthenes eine Messerschmiede und eine Stuhlfabrik mit zusammen mehr als 50 Arbeitern, und an diesem Unternehmen verdiente er so viel Geld, dass er 40 Talent Silber oder fast 200 000 Goldmark hinterlassen konnte. Kleon betrieb eine Gerberei, Hyperbolos eine Lampenfabrik. Es ist einleuchtend, dass eine derartige Produktion sowohl einen aufnahmefähigen inneren Markt wie auch ein in die Ferne reichendes Netz von Handelsverbindungen zur Vorbedingung hatte. Aber die Völker des Altertums saßen ja nach einem Wort von Herodot »wie die Frösche um den Teich« an den Küsten des Mittelmeeres, das diesen Handel von Natur aus begünstigte. Und dieser Handel mit anderen Völkern entwickelte überall noch spezielle Produktionszweige. Milet, Kios und Samos fertigten Wollstoffe, Teppiche und kostbare Gewänder. Chalkis und Korinth exportierten Waffen, Tongeschirr und Geschmeide. In Theben und Sizilien saßen die besten Wagenbauer und Agina lieferte Klein- und Galanteriewaren.
In Bezug auf die rechnerische Einteilung im Münzwesen war den Griechen die geheimnisvolle Zahl 12 – die selbst in der Ordnung des Kosmos ihre Bedeutung zu haben scheint – richtungweisend, während die semitischen Handelsvölker mit dem Dezimalsystem rechneten. Der griechische Silberstater zählte 12 Obolen; der Obolos war die kleinste Münze. Eine Zwischengröße stellte die Drachme* dar, die wohl die gebräuchliche Münze für den alltäglichen Marktverkehr gewesen sein dürfte; diese Münze hatte den Wert von 6 Obolen. Neben dem Silberstater gab es auch Goldstater. Den Handelsgeschäften der Großkaufleute diente die Mine, die den Wert – d.h. das Silbergewicht – von 60 Drachmen hatte, als gebräuchliche Münze; 60 Minen waren ein Talent.
(* Drachme bedeutet griechisch »das Gefasste« und betraf ursprünglich eine Gewichts- und dann eine Rechnungseinheit. Gewichts- und Wertunterschiede wurden in Teilen oder im Mehrfachen der Drachme dargestellt; die doppelte Drachme war das »Didrachmon«, die Vierfachdrachme hieß »Tetradrachmon«, eine selten geprägte Münze war die achtfache Drachme, das »Oktodrachmon«, wohingegen die Dekadrachme als das Zehnfache der Grundeinheit wieder häufiger vorkam.)
Dem Einfluss der Phönizier und Syrier zufolge soll die Mine später auf 100 Drachmen gesetzt worden sein; doch im Übrigen blieb es bei der Einteilung im Zwölfer-System, in dem die Zahl 60 – die sich in jede Zahl von 1 bis 6 ohne Rest teilen lässt – dominierende Bedeutung behielt. Nach heutigen Begriffen muss die Kaufkraft des damaligen Geldes der Griechen außerordentlich hoch gewesen sein. In Athen verwandelte Solon die drakonischen Strafen, die bis zu seiner Zeit (640–559 v. Chr.) in Schafen und Rindern entrichtet werden mussten, in Geldstrafen, wobei er das Schaf mit 1 Drachme, das Rind mit 5 Drachmen ansetzte. Kein Wunder, dass sich das neue Geld, in welchem sich Besitz und Reichtum in beweglichster Form konzentrierten, allgemeiner Wertschätzung erfreute.
Es ist die Lichtseite des zunehmenden Reichtums, dass sich eine wachsende Zahl von Menschen der Kunst und Wissenschaft zuwenden konnte und so aus der Masse das Volkes viele hervorragende Begabungen heraustraten.
Aber die Geldwirtschaft hatte auch eine Schattenseite; mit den Diensten, die das Geld dem Menschen leistete, verstrickte es ihn auch mehr und mehr in Abhängigkeit. Je weiter wir uns in die Spezialisierung der Gewerbetätigkeit hineinwagen, desto bedingungsloser sind wir auf die Vermittlung des Leistungsaustausches durch das Geld angewiesen und desto tiefer ist denn auch unser Sturz, wenn das Geld einmal seine Dienste versagt.
Schon war es so weit, dass auch die Kriegsführung vom Gelde abhing. Im Krieg gegen die Phönizier ließ Damarete, die Gemahlin Gelons, aus ihrem Silberschmuck Münzen schlagen und die reichen Bürgerinnen von Syrakus folgten ihrem Beispiel. Und auch nach dem erfochtenen Sieg führte sie den kostbaren Tribut im Werte von 100 Talenten, den ihr Karthago für die milde Behandlung der Gefangenen darbrachte, der Münzprägung...
Erscheint lt. Verlag | 22.9.2015 |
---|---|
Verlagsort | Zürich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Geld / Bank / Börse |
Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Allgemeines / Lexika | |
Kinder- / Jugendbuch ► Sachbücher | |
Wirtschaft | |
Schlagworte | Antike • Europa • Geld • Geldgeschichte • Geldzirkulation • Geschichte • Gotik • Kulturgeschichte • Mittelalter • Neuzeit • Wirtschaftliche Blütezeiten |
ISBN-10 | 3-03760-038-1 / 3037600381 |
ISBN-13 | 978-3-03760-038-2 / 9783037600382 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich