Der erniedrigte Christus

Metaphern und Metonymien in der russischen Kultur und Literatur

(Autor)

Buch | Hardcover
XII, 1046 Seiten
2010
Böhlau Köln (Verlag)
978-3-412-20214-9 (ISBN)
110,00 inkl. MwSt
Die Selbsterniedrigung Christi, wie sie Paulus beschreibt, gehört zu den zentralen Konzepten der Christologie. Sie wurde von den Kirchenvätern und den Ökumenischen Konzilien in einer Rhetorik des Paradoxes ausgearbeitet. Daran knüpften die christlichen Kulturen sprachliche, bildliche und andere mediale Ausgestaltungen an, die sich als Christus-Metaphern und -Metonymien beschreiben lassen. Mit einer Analyse unterschiedlicher Medien von Liturgie bis Alltagspraxis wird in diesem Band gezeigt, dass das Selbsterniedrigungsmodell für breite Bereiche des russischen Kirchenlebens, der russischen Kultur und Literatur wichtig geworden ist. Besonderes Augenmerk gilt den Übertragungen des Modells in nicht christliche Bereiche. So kreist der zweite Teil des Bandes um literarische Texte aus dem sozialistischen und sowjetischen Umfeld - von Nikolaj Èerny¹evskij über Maksim Gor'kij und Nikolaj Ostrovskij zu Venedikt Erofeev und Vladimir Sorokin - und belegt daran die ungebrochene Produktivität der Rhetorik und Ethik der Selbsterniedrigung.

Dirk Uffelmann studierte Slavistik und Germanistik in Tübingen, Wien, Warschau und Konstanz. Promotion in Konstanz 1999, Habilitation in Bremen 2005. Er lehrte und forschte an den Universitäten Bremen, Erfurt, Edinburgh und Bergen und ist seit 2006 Professor für Ost-Mitteleuropa-Studien an der Universität Passau. Seine Arbeitsgebiete sind russische, polnische, tschechische und slowakische Literatur-, Philosophie- und Religionsgeschichte, Interkulturalität und Migration. Er ist Autor von »Die russische Kulturosophie« (1999) und Mitherausgeber der Sammelbände »Orte des Denkens. Neue Russische Philosophie« (1995), »Kultur als Übersetzung« (1999), »Nemeckoe filosofskoe literaturovedenie naşich dnej« (2001), »Uskolzajuşčij kon-tekst. Russkaja filosofija v XX veke« (2002) und »Religion und Rhetorik« (2007).

VORBEMERKUNG
1 HINFÜHRUNG: DIE KENOSE CHRISTI UND IHRE TRANSFORMATIONEN
1.1 Von Nikolaj II. zurück zu Boris und Gleb
1.2 Terminologische Abgrenzung
1.3 Methodische Positionierung
1.4 Brückenschlag über mehrere Transformationsschritte
1.5 Eine Gedächtnistheorie der Replikationsintention.
1.6 Theologie, Rhetorik und Literaturtheorie
1.7 Aufbau der Arbeit
1.8 Zur Lektüre literarischer Texte.
I. RHETORIK DER CHRISTOLOGIE
2 TROPE UND PARADOX, ODER CHRISTOLOGIE VS. RHETORIK
2.1 Religion als Zeichensystem
2.2 Die Christushymne Phil 2,5-11.
2.3 ‚Tropische‘ Häresien
2.4 Tropen-Apotrope, Katachrese und Unentscheidbarkeit
2.5 Zwei ‚Weisen‘ im Syntagma
2.6 Betonung einzelner Vektoren
2.7 Betonungen einzelner Seiten
2.8 Paradoxe Christologie
2.9 Episteme und Endoxalisierung der christologischen Paradoxe
2.10 Eine Kognitionstheorie der christologischen Paradoxe.
Zur These.
2.11 Paradox-Apotropen und -Kontinuitäten
3 METONYMIE UND METAPHER, ODER GESTALTUNGEN DER KENOSE
3.0 Theologische Zweckangaben für die Kenose
3.1 Gestaltung in und nach Jesus Christus.
3.2 Im Geiste/im Habitus.
3.3 Am und im Leib
3.4 Im Bild.
3.5 Im Wort
3.6 Entwurf einer Ästhetik der Unähnlichkeit.
3.7 Die Produktivität von Unähnlichkeit
II. RUSSISCHE AUSGESTALTUNGEN
4 CHRISTUS IN RUSSLAND, ODER PRAKTIKEN UND GATTUNGEN DER IMITATIOPARÄNESE
4.0 Paränese
4.1 Tendenzen der russischen Kulturgeschichte.
4.2 Sukzessive Christianisierung.
4.3 Das sakrale Schrifttum und seine Transformationen
4.4 Russische Christologie
4.5 Die orthodoxe Liturgie und ihre Annexe im Alltag
4.6 Bilddarstellungen.
4.7 Transmediale und multimediale Paränesen
5 CHRISTOFORMITÄT IN RUSSLAND – (POST-)CHRISTLICHE HABITUSMODELLE
5.0 Christoformität
5.1 ‚Christoformierung‘ durch Namensgebung
5.2 Opfer.
5.3 Monastisches Leben.
5.4 Inoffizielle und antioffizielle Christoformität
5.5 Opfer-Täter – von Soldatenmönchen zu Revolutionären
5.6 Säkular-sakrale Doppellesbarkeit
III. LITERARISCHE TRANSFORMATIONEN
6 RACHMETOV, ODER ?ERNYŠEVSKIJS OPFER-HYSTERIE
6.1 ?ernyševskij im politischen Umfeld der 1860er Jahre
6.2 ?ernyševskijs ??? ??????? –
Relektüre der sowjetischen Traditionskonstrukte
6.3 ?ernyševskij und die Religion.
6.4 Das unnötige Opfer.
6.5 Das nötige Opfer.
6.6 Das unterlaufene Opfer: Die Hysterie.
6.7 Das erzwungene Opfer
6.8 Kunst als Paränese.
6.9 Eine pragmatische Wende der kenotischen Tradition?.
7 NILOVNA, ODER MARIANISCHE NACHFOLGE UND TAPEINOSIS BEI GOR’KIJ
7.1 Maksim Gor’kij und das heroische Paradigma.
7.2 Aufstieg statt Abstieg?.
7.3 Konfliktfeld Religion im Roman.
7.4 Pavel Vlasovs Helden- und Sklavenhaftigkeit.
7.5 Pavels Jünger und Komplemente.
7.6 Eine Mariologie Pelageja Vlasovas
7.7 Nachfolge und Iterationszwang
7.8 Techniken der Paränese
7.9 Die Kanonisierung der Mutter und ihres Autors.
7.10 Frühsowjetische kenotische Habitusmuster
8 PAVKA KOR?AGIN, ODER KENOSIS ALS SOZIALDISZIPLINIERUNG UND ANTIDISZIPLIN
BEI OSTROVSKIJ
8.0 Agon und Anverwandlung.
8.1 Elemente stalinistischer Kultur als Kenosis. Kontinuität oder Bruch?
8.2 Ostrovskijs Roman ??? ?????????? ????? –
ein weltanschaulicher Monolith?.
8.3 Selbstwidersprüchlichkeit
8.4 Erniedrigungschiffren
8.5 Der Sinn heroischen Leidens.
8.6 Paränese
8.7 Beschnittene Autorschaft – kenotische Nicht-Autorschaft?.
8.8 Massenware Ostrovskij.
8.9 Strapazierung und Abebben von Heroismus und Leidenspathos.
9 VENI?KA, ODER KENOTISCHE INTERTEXTUALITÄT BEI EROFEEV
9.1 Protest gegen sowjetische Verbürgerlichung.
9.2 Die „fromme Trunksucht“.
9.3 Venedikt Erofeevs ??????-???????
9.4 Bisherige Einschreibungen in religiöse Traditionen.
9.5 Unähnlichkeit
9.6 Kenosis als Intertextualität
9.7 Trope oder Paradox?.
9.8 Kenotischer Held – kenotischer Autor – kenotische Rezeption
9.9 Der Typ Veni?ka: Mythos als Paränese
10 MARINA, ODER SOROKINS KONZEPTKENOSE
10.1 Abstoßung vom Kontext.
10.2 Skandal und Exkulpierung.
10.3 Para-christliche Sarkopoetik?
10.4 Psychoanalyse, Eros und Agape.
10.5 Gender-Shift und Mariologie.
10.6 Erniedrigung oder Erhöhung?
10.7 Sorokins Metadiskurse
10.8 Erniedrigung = Erhöhung
10.9 Konzeptkenose
11 KENOSE DER KENOSE UND KEIN SCHLUSS
11.1 Fortgesetzte Produktivität trotz neuer Widerstände
11.2 All-umarmendes Christentum?.
11.3 Die „kenotische Maschine“ läuft weiter.
IV. APPARAT
12 BIBLIOGRAFIE
12.1 Abkürzungen
12.2 Literatur
13 BIBELSTELLENINDEX
14 NAMENSINDEX

Erscheint lt. Verlag 3.10.2010
Reihe/Serie Bausteine zur Slavischen Philologie und Kulturgeschichte ; Band 062
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Maße 162 x 235 mm
Gewicht 1585 g
Themenwelt Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Religion / Theologie Christentum Kirchengeschichte
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Slavistik
Schlagworte Christus • Jesus Christus (Motiv in d. bild. Kunst/Literatur) • russische Kultur • Russische Literatur
ISBN-10 3-412-20214-2 / 3412202142
ISBN-13 978-3-412-20214-9 / 9783412202149
Zustand Neuware
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