Personzentrierte Beratung und Therapie bei Verlust und Trauer (eBook)
188 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61932-0 (ISBN)
Ulrike Backhaus, Siegburg, ist Dipl. Sozialpädagogin und hat eine Weiterbildung in Personzentrierter Psychotherapie abgeschlossen. Seit vielen Jahren begleitet sie schwerkranke, sterbende und trauernde Menschen in Krankenhäusern und Hospizen, seit 2004 in eigener Praxis. Sie leitet Fort- und Weiterbildungen in den Bereichen Palliative Care und Trauerbegleitung.
Ulrike Backhaus, Siegburg, ist Dipl. Sozialpädagogin und hat eine Weiterbildung in Personzentrierter Psychotherapie abgeschlossen. Seit vielen Jahren begleitet sie schwerkranke, sterbende und trauernde Menschen in Krankenhäusern und Hospizen, seit 2004 in eigener Praxis. Sie leitet Fort- und Weiterbildungen in den Bereichen Palliative Care und Trauerbegleitung.
Inhalt
Vorwort zur ersten Auflage 9
1 Einleitung 10
1.1 Wie ist die Ausgangslage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10
1.2 Warum und für wen schreibe ich dieses Buch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11
1.3 Wie ist dieses Buch aufgebaut und wie können Sie damit umgehen? .13
2 Die Grundlagen des Personzentrierten Ansatzes in Psychotherapie und Beratung 14
2.1 Wer war Carl Rogers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14
2.2 Was sind die wichtigsten theoretischen Grundannahmen von Carl Rogers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16
2.2.1 Ein Menschen- und Lebensbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16
2.2.2 Ein Bild der notwendigen Bedingungen für positives menschliches Wachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18
2.2.3 Ein Bild des Therapieprozesses und der voll entwickelten Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24
2.3 Welche Bedeutung hat der Personzentrierte Ansatz heute? . . . . . . . . . .26
3 Personzentrierte Grundhaltungen und Werte im Umgang mit Trauer und Verlust 28
3.1 Der Umbruch der 1960er Jahre: Hospizbewegung und Selbsthilfegruppen als Orte des Umgangs mit Sterben, Verlust und Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29
3.2 Personzentrierte Grundhaltungen als tragende Säulen der Hospiz- und Selbsthilfebewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31
3.3 Personzentrierte Begleitung, Beratung und Therapie trauernder Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34
3.3.1 Echtheit oder Kongruenz in der Trauerbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . .36
3.3.2 Wertschätzung oder bedingungsfreie Akzeptanz in der Trauerbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37
3.3.3 Empathie oder einfühlendes Verstehen in der Trauerbegleitung . . . . .39
4 Erweiterte Perspektiven I: der Trauerprozess aus fachlicher Sicht .....42
4.1 Zur Geschichte der Theoriebildung von Trauerprozessen . . . . . . . . . . .42
4.2 Das Modell der vier Traueraufgaben von William Worden . . . . . . . . . .46
4.2.1 Das Überleben als primäre Traueraufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47
4.2.2 Die erste Traueraufgabe nach Worden: Den Verlust als Realität akzeptieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49
4.2.3 Die zweite Traueraufgabe nach Worden: Den Schmerz verarbeiten . . .51
4.2.4 Die dritte Traueraufgabe nach Worden: Sich an eine Welt ohne die verstorbene Person anpassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53
4.2.5 Die vierte Traueraufgabe nach Worden: Eine dauerhafte Verbindung zu der verstorbenen Person inmitten des Aufbruchs in ein neues Leben finden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57
4.3 Weitere moderne Konzepte der Trauertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60
4.4 Vom Umgang mit theoretischen Modellen des Trauerprozesses in der personzentrierten Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . .62
5 Erweiterte Perspektiven II: Aspekte aus der Existenzphilosophie 64
5.1 Die existenzielle Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64
5.2 Gesprächspsychotherapie und existenzielle Philosophie: Carl Rogers und Hans Swildens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66
5.3 Gesundheit, Heilung und Entwicklung in Existenzphilosophie und Spiritualität . . . . . . . . . . . . . .
1Einleitung
1.1Wie ist die Ausgangslage?
Sterben, Tod und Trauer gehören nach wie vor zu den großen Tabuthemen unseres Kulturkreises, stellen sie doch Phänomene dar, die nicht berechen- oder beherrschbar sind und die uns unweigerlich alle irgendwann betreffen.
Wir erwachsenen Menschen wissen sehr genau, dass wir ausnahmslos sterben müssen; dennoch denken die meisten von uns wohl nur ungern daran und haben verständlicherweise Angst davor, wissen wir doch alle nicht mit Sicherheit, was genau dann auf uns zukommt.
Menschen, die einen gravierenden Verlust erlebt haben, erinnern uns mit ihrem Schicksal daran, dass auch wir und unsere Zugehörigen sterblich sind. Sie lassen uns oft hilf- und sprachlos zurück oder berühren uns gar unangenehm. Wir weichen Trauernden nicht selten aus oder versuchen, uns mit schnellen Sprüchen vor ihrem Leid zu schützen.
Wir alle hätten wohl gerne die Sicherheit, dass Liebgewordenes bleibt, wie es ist, und stellen uns ungern der Tatsache, dass alles, was wir kennen, vergänglich ist und dass wir uns auf wackeligem, sich ständig änderndem Boden bewegen. Oft mag das Ignorieren dieser Tatsache zweckmäßig oder notwendig sein, um unser Leben planen zu können. Wir aber schieben auch das Bewusstsein der Tatsache oft weg, dass unsere Pläne jederzeit durchkreuzt werden können.
Nach dem deutschen Philosophen Odo Marquard führt die Wahrnehmung der Moderne „vom Fatum zum Faktum, vom Schicksal zum Machsal“ (Marquard, 1981b, S. 67). Das Bestimmen, in der Hand haben, Lenken, Kalkulieren, eben das Machen, ist auch über 40 Jahre nach dieser Bezeichnung noch das Gebot der Stunde, Ohnmacht ist aus der Mode gekommen. Die zweifellos gewachsenen medizinischen Möglichkeiten menschlicher Einflussnahme auf das Leben begünstigen den Irrtum, alles bestimmen zu können. Erfolg und Aktivität sind gern gesehen. Situationen, denen wir ausgeliefert sind, in denen das Hinnehmen und Akzeptieren von Unabänderlichem gefragt sind, werden nicht gerne zur Kenntnis genommen.
Schon das Psychoanalytiker-Ehepaar Margarete und Alexander Mitscherlich beschreibt 1967 die deutsche „Unfähigkeit zu trauern“. Damit beziehen sich die Autoren auf das Unvermögen der Deutschen, den Zusammenbruch des Nationalsozialismus mit den damit verbundenen Idealen und Hoffnungen zu betrauern und daraus Spielraum für neue Orientierungen zu gewinnen (Mitscherlich & Mitscherlich, 1967). So mag es auch heute noch, über 50 Jahre nach Erscheinen dieser Schrift, Spuren einer besonderen deutschen Ausprägung der Unfähigkeit zu trauern geben. Schließlich konnten auch Verluste und Traumata durch den Krieg im Wiederaufbau nicht immer angemessen gewürdigt werden und zogen ihre Spuren durch die nachfolgenden Generationen.
Die Hospizbewegung hat sich seit den 1960er Jahren der Begleitung sterbender Menschen und ihrer Zugehörigen verschrieben. Sie hat zunächst im englischsprachigen Raum, seit den 1980er Jahren auch in Deutschland, Strukturen geschaffen, die schwerkranken, sterbenden und trauernden Menschen Unterstützung und Begleitung anbieten. Viel ist hier passiert; heute weiß nahezu jeder, was ein Hospiz ist.
Noch haben sich diese Angebote wie auch der Geist, aus dem sie entstanden sind, nicht ganz flächendeckend ausgebreitet, so dass diese Hilfe noch nicht allen sterbenden und trauernden Menschen überall zugänglich ist.
In Psychotherapie und Beratung gab es außerdem in Deutschland im Gegensatz zu vielen englischsprachigen Ländern lange erstaunliche Lücken im Wissen um Trauerprozesse, die sich glücklicherweise langsam zu schließen beginnen. Es mangelte an der Bereitschaft der Therapierenden, sich mit menschlichen Reaktionen auf Verlusterfahrungen auseinanderzusetzen. Trauernde Menschen berichten auch heute noch vereinzelt, dass sie auf Unverständnis und Schweigen in einer Psychotherapie stoßen.
Wenn es um das Thema Trauer geht, stehen sich so in Deutschland die enorm gewachsenen Hospiz- und Selbsthilfegruppenbewegungen, die auch das Selbstverständnis von Bestattern und Seelsorgern entscheidend beeinflusst haben, und die Berufsgruppen der Berater und Psychotherapeuten immer noch an einigen Stellen ein wenig fremd und unverbunden gegenüber. Dies dürfte sich allerdings weiter zum Positiven verändern, wenn sich die erfreuliche Entwicklung der letzten 10 Jahre fortsetzt.
1.2Warum und für wen schreibe ich dieses Buch?
Mir ist es wichtig, mit diesem Buch Fachleuten aus Psychotherapie und Beratung Grundlagenwissen zu Trauer- und Verlustprozessen zugänglich zu machen. Dies tue ich gerade auch vor dem Hintergrund, dass immer noch ein Teil der Fachliteratur zum Thema nicht in deutscher Sprache erhältlich ist. Einen guten Überblick über die internationale Trauerforschung geben inzwischen Müller und Willmann (2016, 2020).
Ich möchte das Wissen und die Erfahrung der Hospizbewegung und der internationalen Trauerexperten mit dem der psychologisch und beraterisch ausgebildeten deutschsprachigen Fachkräfte verbinden. So hoffe ich, dabei zu helfen, die Kluft zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen im hospizlichen Umfeld einerseits und der „Berater- und Therapeutenszene“ in Deutschland andererseits weiter zu verringern.
Der Personzentrierte Ansatz ist für mich das Konzept der Wahl, wenn es um die Begleitung und Unterstützung von Menschen in Krisen geht, die durch schwere Krankheit, Sterben und Verlust hervorgerufen sind. Es sind die von Carl Rogers formulierten personzentrierten Grundhaltungen der Echtheit, Akzeptanz und Empathie, die besonders geeignet sind, Menschen in akuten Lebenskrisen sowie Entwicklungs- und Veränderungsprozessen zu begleiten. Ebenso eignet sich der Ansatz für die Unterstützung bei psychischen, persönlichkeits- oder biografisch bedingten Belastungen. Die wertschätzende, akzeptierende und empathische Grundhaltung vermag es hervorragend, Menschen in Grenzsituationen zwischen Therapie und Beratung zu begleiten, ohne ihnen die Kompetenz zu nehmen, sich selbst zu helfen.
Mir ist es in dieser Schrift besonders wichtig, den Personzentrierten Ansatz mit dem fachlichen Wissen um Trauerprozesse und die Unterstützung von Menschen bei Verlusten zusammenzuführen.
In den Formulierungen meiner Ziele für dieses Buch erkennen Sie unschwer mein Denken, das eher mit der Integration als mit der Trennung verschiedener Denk- und Erfahrungswelten zu tun hat. Ich bin davon überzeugt, dass das Bündeln verschiedenartiger Erfahrungen dem Wohl trauernder Menschen am meisten dient und nicht das Verengen des Horizonts auf bestimmte Blickwinkel oder n anderer Perspektiven. Dennoch fühle ich mich den Werten personzentrierter Arbeit in der Tiefe verpflichtet, stellen sie doch für mich grundlegende, zutiefst ethische Leitlinien menschlichen Handelns dar.
Dieses Buch ist durch seine, wie ich hoffe, recht verständliche Sprache und durch die Darstellung der Grundlagen des Personzentrierten Ansatzes, wie auch derjenigen der Trauerforschung, sowohl für Fachleute als auch für Studenten und Berufsanfänger geeignet. Ich hoffe, dass es auch interessierten Laien bereichernde Einblicke gewähren kann.
1.3Wie ist dieses Buch aufgebaut und wie können Sie damit umgehen?
Zunächst stelle ich die Grundlagen des Personzentrierten Ansatzes dar, den ich anschließend auf den Themenbereich Verlust und Trauer beziehe, wobei ich auch die Grundsätze der Hospizbewegung vorstelle. Überdies schildere ich die theoretischen Ansätze des Trauerverständnisses seit Sigmund Freud, existentialistische Perspektiven und die Phänomene erschwerter und komplizierter Trauerverläufe.
In dem darauf folgenden Teil stelle ich die praktische personzentrierte Begleitung von Verlustprozessen an Hand von Beispielen aus der Praxis vor.
Schließlich erläutere ich Ihnen meine Gedanken zum Thema Selbstschutz und Selbstpflege in der professionellen Beschäftigung mit menschlichem Leid.
Selbstverständlich können Sie je nach Ihren Vorkenntnissen manche Abschnitte aus Ihrer Lektüre ausklammern. Nehmen Sie sich das aus diesem Buch, was Sie gebrauchen können, und verstehen Sie es als Angebot.
Die weibliche und die männliche Sprachform wähle ich jeweils zufällig, selbstverständlich sind immer beide Geschlechter gemeint.
Die Begriffe Trauerbegleitung, Trauerberatung und Trauertherapie grenze ich nicht immer genau voneinander ab, weil sie in der Praxis häufig ineinanderfließen. Mit Begleitung ist das Da-Sein, Mit-Aushalten gemeint, das in jedem Trauerprozess zunächst das Wichtigste ist. Trauerberatung bedeutet das Klären praktischer weiterer Schritte sowie das Geben von Informationen, während es in der Trauertherapie um die Verknüpfung des aktuellen Trauerprozesses mit biografischen Vorerfahrungen geht (Tausch, 2012).
Die in diesem Buch dargestellten Trauerprozesse beziehen sich auch auf Verluste, die nicht mit einem Todesfall verbunden sind, wie sie in einigen Fallbeispielen thematisiert werden.
Spezielle Fragestellungen wie die geschlechtsspezifische oder die kulturspezifische Ausprägung menschlicher Trauerreaktionen werde ich kaum berücksichtigen, da sie den Rahmen dieser...
Erscheint lt. Verlag | 2.9.2024 |
---|---|
Reihe/Serie | Personzentrierte Beratung & Therapie |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeine Psychologie |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Trennung / Trauer | |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Echtheit • existenzielle Therapie • Gesprächspsychotherapie • Hospiz • Kongruenz • Mitgefühl • Psychotherapie • Rogers • Suizid • Tod • Trauerarbeit • Trauerbegleitung • Trauma • Wertschätzung |
ISBN-10 | 3-497-61932-9 / 3497619329 |
ISBN-13 | 978-3-497-61932-0 / 9783497619320 |
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Größe: 1,6 MB
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